European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T240910.20120903 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 September 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2409/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04765269.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | F27D 11/08 H05B 7/085 C04B 35/528 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Verbesserung der Haltbarkeit von Kohlenstoff- oder Graphitelektroden durch Einsatz von TiO2-haltigen Produkten | ||||||||
Name des Anmelders: | Sachtleben Chemie GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (bejaht) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 04 765 269.8 betrifft ein Verfahren zur Verbesserung der Haltbarkeit von Kohlenstoff- oder Graphitelektroden durch den Einsatz von TiO2-haltigen Produkten.
II. Während des Prüfungsverfahrens hat die Anmelderin geänderte Ansprüche eingereicht, wobei die ursprünglichen Verfahrensansprüche zu Produktansprüchen umformuliert wurden. Die Prüfungsabteilung ist zum Ergebnis gekommen, dass der Anspruch 1 eine Graphitelektrode definiere, deren zusammensetzende Bestandteile aus den Druckschriften RO-A-103719 (D1) sowie US-A-4308113 (D10) bekannt seien, und daher der Gegenstand des Anspruchs 1 weder als neu (Artikel 54 EPÜ) noch als erfinderisch (Artikel 56 EPÜ) anzusehen sei. Sie hat daher mit der am 14. Juli 2010 zur Post gegebenen Entscheidung die Patentanmeldung zurückgewiesen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin (hier: die Beschwerdeführerin) am 22. September 2010 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt und am 24. November 2010 diese Beschwerde begründet.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche und der mit dem Schreiben vom 29. August 2012 eingereichten Seiten 1, 1a und 2 bis 4 der Beschreibung zu erteilen.
V. Ansprüche
Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Verwendung von Kohlenstoff- oder Graphitelektroden, bei denen ein Kohlenstoffträger mit einem kohlenwasserstoffhaltigen Binder vermischt und das Gemisch einem Verkokungs- und/oder Graphitisierungsprozess ausgesetzt wird, wobei den Rohstoffen zusätzlich eine oder mehrere synthetische Titanverbindungen zugegeben werden in Elektro- oder Lichtbogenöfen."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Verwendung.
VI. Vorbringen der Beschwerdeführerin
a) Da die Patentabteilung bei ihrer Begründung der Zurückweisung darauf abstelle, dass die gewählte Formulierung des Anspruchs 1 eine Graphitelektrode an sich definiere und dass der als kennzeichnendes Merkmal angegebene Verwendungszweck der Graphitelektrode kein unterscheidendes Merkmal eines Erzeugnisses per se gegenüber bekannten Graphitelektroden darstelle, hat die Beschwerdeführerin neue Ansprüche, die als Verwendungsansprüche formuliert sind, mit der Beschwerdebegründung eingereicht.
b) Die Beschwerdeführerin trug vor, dass die D1 den Zusatz von Ferromangan zu Graphitelektroden als Inhibitor gegen Schwellungsphenomene betreffe. Obwohl TiO2 als ein mögliche Bestandteil des Inhibitors genannt werde, sei sein Zweck nicht beschrieben. Insbesondere sei eine Anregung, Titanverbindungen zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe, die Penetration von Gas und flüssigen Metallen und Schlacke in die Elektroden zu reduzieren, die Stabilität zu erhöhen und die Geschwindigkeit des Seitenabbrandes zu vermindern, der D1 nicht zu entnehmen.
c) Die D10 offenbare ein Verfahren zur Herstellung von verbesserten TiO2-enthaltenden Graphitelektroden, die für Aluminiumschmelzelektrolyse verwendet werden. Da die Anforderungen einer Elektrode für Aluminiumschmelzelektrolyse gegenüber einer für Elektro- oder Lichtbogenöfen völlig unterschiedlich seien, seien die in D10 offenbarten Elektroden für die in Anspruch 1 definierte Verwendung nicht geeignet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Zulässigkeit der Anspruchsänderungen
2. Gegenüber der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Fassung, die noch elektrothermische Prozesse allgemein genannt hatte, ist die Verwendung der Elektroden im geltenden Anspruch 1 auf Elektro- oder Lichtbogenöfen eingeschränkt. Diese Verwendung ist auf Seite 1, Zeile 6 der ursprünglichen Beschreibung als Beispiel für metallurgische Prozesse, in denen die Elektroden eingesetzt werden, angeführt. Auch wenn an dieser Stelle die auftretenden Probleme im Stand der Technik behandelt werden, so ergibt sich doch für den Fachmann unmissverständlich, dass auch die erfindungsgemäßen Elektroden für eine derartige Verwendung vorgesehen sind, da sich die Beschreibung der mit der Erfindung zu lösenden Aufgabe auf Seite 2, zweiter Absatz, auf genau diese Probleme bezieht.
Die abhängigen Ansprüche sind ebenfalls auf eine "Verwendung" gerichtet, aber sonst gegenüber den ursprünglichen Ansprüchen unverändert.
Die geänderte Ansprüche erfüllen somit die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Neuheit und Erfinderische Tätigkeit
3. Dokument D1
3.1 D1 offenbart Graphitelektroden für die Metallindustrie, die 0.5 bis 5% mineralische Zusatzstoffe enthalten. Die Zusatzstoffe können aus 50% Ferromangan und 50% einer oder mehrerer der Verbindungen Fe2O, CuO, TiO2, ZrO2, NiO, CoO und CrO3 bestehen (siehe das englischsprachige Abstract der D1 aus der WPI-Datenbank). Daher ist die Prüfungsabteilung zum Schluss gekommen, dass D1 eine Titandioxid enthaltende Graphitelektrode offenbare und deshalb der beanspruchte Gegenstand nicht neu sei.
3.2 Die Verwendung von Titandioxid nach der vorliegenden Anmeldung kann jedoch als eine Auswahlerfindung aus der in D1 offenbarten Liste angesehen werden.
3.3 Ausgehend von D1 ist die objektive Aufgabe der Erfindung, die Penetration von Gas und flüssigen Medien wie Metallen und Schlacken und die Geschwindigkeit des Seitenabbrandes zu reduzieren (siehe Seite 1, Zeile 26 bis Seite 2, Zeile 28 der Anmeldung). Diese Aufgabe wird durch die Zugabe von TiO2 gelöst.
3.4 Die Hauptlehre der D1 ist, dass der Zusatz von Ferromangan als Inhibitor gegen Schwellungsphenomene verwendet wird. Der Inhibitor kann zusätzlich auch bis zu 50% eines Oxids enthalten. Hierfür ist eine Liste von sieben Oxiden als Beispielen angegeben (siehe Punkt 3.1 oben). Der Zweck der einzelnen Oxide des Inhibitors ist in D1 nicht beschrieben. Insbesondere ist ein Hinweis, dass TiO2 eine Wirkung auf die Penetration von Gas und flüssigen Medien wie Metallen und Schlacken in die Elektroden oder auf die Geschwindigkeit des Seitenabbrandes haben könnte, der D1 nicht zu entnehmen.
3.5 Die Wahl von TiO2 aus der Liste der D1 ist daher neu und löst die objektive Aufgabe.
4. Dokument D10
4.1 D10 offenbart Graphitelektroden, die TiO2 enthalten. Die Elektroden werden für die Schmelzelektrolyse insbesondere bei der Aluminiumerzeugung verwendet. Im Vergleich zu D10 definiert Anspruch 1 die Verwendung von TiO2-enthaltenden Elektroden in Elektro- oder Lichtbogenöfen. Da dies eine unterschiedliche Verwendung ist, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.
4.2 Ausgehend von D10 ist die objektive Aufgabe, eine neue Verwendung für die in D10 offenbarten Elektroden zu finden. Die Frage ist daher, ob es naheliegend ist, diese Elektroden in Elektro- oder Lichtbogenöfen zu verwenden.
4.3 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert u.a., dass diese Verwendung nicht naheliegend sei, weil
- die Aufgabe der D10 darin bestehe, die Benetzung der Elektroden zu fördern; im Gegensatz dazu sollen die Elektroden der Anmeldung nicht mit einer Schmelze benetzt werden, sondern möglichst keine Flüssigkeit eindringen lassen;
- die physikalische Belastung, wie z.B. die Auf- und Abwärts-Bewegungen und die Vibrationen hervorgerufen durch den jeweiligen Lichtbogen, erhöht seien (in der Elektrolyse-Kammer gebe es solche Belastungen nicht), und
- die Aluminiumschmelzflusselektrolyse bei einer Temperatur von ungefähr 700ºC stattfinde, während die Temperatur der Elektroden in Elektro- oder Lichtbogenöfen bis zu 3000ºC erreichen könnten.
4.4 Die Kammer kann sich dieser Auffassung anschließen. Schmelzelektrolysevorrichtungen einerseits und Elektro- oder Lichtbogenöfen andererseits sind unterschiedliche Verwendungen für Elektroden, aus denen jeweils unterschiedliche physikalische und chemische Anforderungen hervorgehen. Daher ist es nicht naheliegend, die in D10 beschriebenen Elektroden wie im Anspruch 1 definiert zu verwenden. Hinsichtlich der D10 hat die beanspruchte Verwendung daher eine erfinderische Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf der folgenden Grundlage zu erteilen:
Ansprüche: 1 bis 10, eingereicht mit der Beschwerdebegründung;
Beschreibung: Seiten 1, 1a, 2 bis 4 eingereicht mit Schriftsatz vom 29. August 2012.