European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T232410.20150317 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 März 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2324/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07785882.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 8/34 A61K 8/67 A61Q 17/04 A61Q 19/08 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | KOSMETISCHE ODER DERMATOLOGISCHE ZUBEREITUNGEN MIT EINEM GEHALT AN FOLSÄURE UND EINEM ODER MEHREREN POLYOLEN | ||||||||
Name des Anmelders: | Beiersdorf AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag: Änderungen - ursprünglich offenbart (ja) Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Lösung |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit welcher die europäische Patentanmeldung Nr. 07 785 882.7, veröffentlicht als WO-A-2008/006485 und basierend auf der internationalen Anmeldenummer PCT/EP2007/005870 zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung bezog sich in der angefochtenen Entscheidung unter anderem auf die Druckschrift
(2) EP-A-1 214 927.
III. In der angefochtenen Entscheidung führte die Prüfungsabteilung aus, dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß des damaligen Hauptantrages nicht neu sei. Ausgehend von Druckschrift (2) als nächstliegendem Stand der Technik sei die technische Aufgabe, nämlich die Steigerung der Löslichkeit von Folsäure bei pH Werten <= 6,5, zumindest nicht über den gesamten beanspruchten Bereich glaubhaft gelöst. Auch seien die Ansprüche gemäß des damaligen Hauptantrages nicht auf den Bereich von pH <= 6,5 beschränkt. Deshalb habe die objektive technische Aufgabe darin bestanden, alternative kosmetische oder dermatologische Zubereitungen mit einem Gehalt an Folsäure bereitzustellen. Da die im Anspruch genannten Polyole bereits aus dem Stand der Technik als übliche kosmetische Hilfsstoffe bekannt gewesen seien, sei deren Verwendung in alternativen kosmetischen Zubereitungen auf Basis von Folsäure nahegelegt gewesen. In Bezug auf die Ansprüche der damaligen Hilfsanträge 1 und 2, die auf die Verwendung der Polyole zur Steigerung der Löslichkeit von Folsäure gerichtet seien, sei indessen nicht nachgewiesen worden, dass die Verwendung der beanspruchten Polyole tatsächlich zu einer Steigerung der Löslichkeit von Folsäure führe. Daher sei die Ausführbarkeit der Erfindung gemäß der Ansprüche der damaligen Hilfsanträge 1 und 2 zumindest nicht über den gesamten beanspruchten Bereich belegt.
IV. Die Beschwerdeführerin reichte während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 17. März 2015 einen neuen Hauptantrag und einen Hilfsantrag ein, welche alle mit der Beschwerdebegründung vom 17. September 2010 eingereichten Anträge ersetzten. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Kosmetische oder dermatologische Zubereitungen in Form von Emulsionen mit einem Gehalt an Folsäure und einem oder mehreren Polyolen, gewählt aus der Gruppe 1,2-Butandiol, 2,3-Butandiol, 2,3-Dimethyl-2,3-butandiol, 1,2-Octandiol, 1,2-Hexandiol, wobei die Zubereitungen einen pH <= 6,5 aufweisen."
Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 beruhte auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei die Liste der Polyole auf "1,2-Hexandiol" beschränkt wurde.
V. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der Gegenstand der Ansprüche aller Anträge neu sei, da keine der zitierten Druckschriften die beanspruchten Zusammensetzungen offenbarten. Ausgehend von Druckschrift (2) als nächstliegendem Stand der Technik habe die Aufgabe darin bestanden, alternative kosmetische Zubereitungen zur Verfügung zu stellen, in denen ebenfalls eine hohe Löslichkeit der Folsäure erreicht werde. Da keiner der zitierten Druckschriften zu entnehmen war, dass die Verwendung der beanspruchten Polyole ebenfalls zu kosmetischen Zubereitungen mit hoher Löslichkeit der Folsäure führte, beruhe der Gegenstand der Ansprüche aller Anträge auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage des Hilfsantrags, beide Anträge eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.
VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde die Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
Der Anspruch 1 des Hauptantrages (siehe Paragraph IV supra) basiert auf der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2, wobei die Liste der Polyole des ursprünglichen Anspruchs 2 durch Streichung einzelner Vertreter weiter eingeschränkt wurde. Diese Streichung ist unter Artikel 123(2) EPÜ nicht zu beanstanden. Zusätzlich wurden die beanspruchten Zubereitungen auf jene "in Form von Emulsionen" beschränkt, "wobei die Zubereitungen einen pH <= 6,5 aufweisen". Dieses Merkmal findet eine Basis in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 4, vorletzter und letzter Absatz, die sich allgemein auf die beanspruchten kosmetischen Zubereitungen beziehen. Es wird dort festgestellt, dass Folsäure nur bei einem pH Wert > 6,5 gelöst werden kann, es häufig aber erwünscht ist, eine Emulsion unabhängig vom pH Wert / bei einem geringeren pH Wert herzustellen, was durch die beanspruchten Zubereitungen erreicht wird. Daher ist auch diese Änderung durch die ursprünglichen Unterlagen gestützt, so dass die Kammer die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ als erfüllt sieht.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 des Hauptantrages basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 6 mit jeweils angepassten Rückbezügen. Daher sind auch sie nach Artikel 123(2) EPÜ nicht zu beanstanden.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Da keine der zitierten Druckschriften kosmetische oder dermatologische Zubereitungen offenbart, die einen Gehalt an Folsäure und eines oder mehrere der im Anspruch genannten Polyole enthalten, wobei die Zubereitungen einen pH Wert von <= 6,5 aufweisen, gilt der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag als neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag betrifft kosmetische oder dermatologische Zubereitungen auf Basis von Folsäure, welche ein oder mehrer Polyole enthalten. Derartige Zubereitungen sind bereits aus dem Stand der Technik, wie in Druckschrift (2) beschrieben, bekannt. Diese Druckschrift wurde sowohl in der angefochtenen Entscheidung, als auch von der Beschwerdegegnerin als nächstliegender Stand der Technik angesehen.
4.2 Druckschrift (2) offenbart kosmetische oder dermatologische Zusammensetzungen, welche Folsäure enthalten (Seite 2, Zeilen 3 bis 5). Als weitere übliche kosmetische Zusatzstoffe werden in einer Liste auch allgemein Polyole genannt (Seite 5, Zeilen 6 bis 11). Die Beispiele offenbaren auch kosmetische Zubereitungen in Form von Emulsionen. In Beispiel 1 wird eine Zubereitung offenbart, welche neben Folsäure auch Glycerin als Polyol enthält und die einen pH Wert von 6,0 aufweist.
4.3 Gemäß des Vortrages der Beschwerdeführerin gehe aus Druckschrift (2) nicht hervor, dass der Zusatz von Polyolen stets mit einer guten Löslichkeit der Folsäure einhergehe. Jedoch bewirke der Zusatz von Glycerin in Beispiel 1 der Druckschrift (2) möglicherweise ebenfalls eine hohe Löslichkeit der Folsäure in der Zubereitung des Beispiels 1. Daher habe die Aufgabe des Streitpatentes darin bestanden, ausgehend von diesem nächstliegenden Stand der Technik alternative kosmetische oder dermatologische Zubereitungen auf Basis von Folsäure zur Verfügung zu stellen, in welchen die Folsäure ebenfalls eine hohe Löslichkeit aufweist.
4.4 Als eine Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent die Zubereitungen gemäß Anspruch 1 vor, in welchen als Polyole 1,2-Butandiol, 2,3-Butandiol, 2,3-Dimethyl-2,3-butandiol, 1,2-Octandiol oder 1,2-Hexandiol eingesetzt werden.
4.5 Zum Beleg für den Erfolg dieser Lösung verweist die Beschwerdeführerin auf die mit Schriftsatz vom 17. September 2010 eingereichten Vergleichsversuche. Diese zeigten, dass in wässriger Lösung bei pH 6,5 signifikant höhere Mengen an Folsäure in Lösung nachgewiesen werden können, wenn der Lösung 1,2-Hexandiol zugesetzt werde. Dieser Effekt sei auch noch bei niedrigeren physiologischen pH-Werten zu erwarten, wobei sehr niedrige pH Werte in dermatologischen oder kosmetischen Zubereitungen keine Anwendung fänden. Da alle beanspruchten Polyole strukturell eng verwandte vicinale Diole seien, ließe sich der anhand von 1,2-Hexandiol gezeigte Effekt auch auf die anderen beanspruchten Polyole übertragen.
4.6 Die Kammer sieht daher die in Paragraph 4.3 supra formulierte technische Aufgabe als erfolgreich gelöst.
4.7 Da weder Druckschrift (2), noch die weiteren zitierten Druckschriften offenbaren, dass die nunmehr beanspruchten Polyole eine hohe Löslichkeit von Folsäure in kosmetischen oder dermatologischen Zubereitungen bei pH-Werten <= 6,5 bewirkten, war deren Verwendung für den Fachmann zur Lösung der o.g. technischen Aufgabe nicht nahegelegt.
4.8 Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 betreffen weitere bevorzugte Ausführungsformen des Gegenstandes von Anspruch 1 und werden von dessen Patentfähigkeit getragen.
5. Da der Hauptantrag die Erfordernisse des EPÜ in Bezug auf die Artikel 123(2), 54 und 56 EPÜ erfüllt, erübrigt sich eine Entscheidung über den nachrangigen Hilfsantrag.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anweisung, ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hauptantrags (Patentansprüche 1-4) und einer daran anzupassenden Beschreibung.