European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T227210.20120711 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Juli 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2272/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04816228.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 59/02 B44C 1/24 G03F 7/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Werkzeug und Verfahren zum Erzeugen einer mikrostrukturierten Oberfläche | ||||||||
Name des Anmelders: | Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (Hauptantrag, Hilfsanträge 2 und 3, nein) Zulassung der verspätet eingereichten Hilfsanträge 5 und 6, nein Rückzahlung der Beschwerdegebühr, ja |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Anmelderin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 04 816 228.3 zurückgewiesen worden ist.
II. Die Zurückweisung der Anmeldung erfolgte wegen mangelnder Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 15 gemäß Hauptantrag im Hinblick auf Dokument D1 (WO-A-00/30869).
III. Am 11. Juli 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, weiterhin ein Patent auf der Grundlage der mit Schreiben vom 4. März 2010 als Hauptantrag eingereichten Ansprüche 1 bis 15 zu erteilen oder mit den Hilfsanträgen 2 und 3 auf der Grundlage der mit Schreiben vom 11. Juni 2012 eingereichten Ansprüche 1 bis 15 oder mit dem Hilfsantrag 5 auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 15, weiters mit dem Hilfsantrag 7 ein Patent auf der Grundlage der in der Mitteilung gemäß Regel 71 (3) EPÜ vom 27. Oktober 2009 angegebenen Unterlagen zu erteilen. Als Hilfsantrag 6 beantragte die Beschwerdeführerin insbesondere bei Besorgnis einer unvollständigen Recherche die Zurückverweisung der Anmeldung an die Prüfungsabteilung. Der mit Schreiben vom 11. Juni 2012 eingereichte Hilfsantrag 1 sowie der Hilfsantrag 4, eingereicht mit Schreiben vom 4. März 2010 als Hilfsantrag 1 wurden zurückgenommen.
V. Anspruch 15 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"15. Gegenstand mit mehrfach gekrümmter und im Bereich der Mehrfachkrümmung wenigstens teilweise mikrostrukturierter Oberfläche, wobei die Mikrostruktur im Bereich der Mehrfachkrümmung mittels eines Werkzeuges nach einem der Ansprüche 1 - 9 oder Verfahrens nach einem der Ansprüche 11 - 14 erzeugt werden kann."
Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:
"15. Gegenstand mit mehrfach gekrümmter und im Bereich der Mehrfachkrümmung nicht nur teilweise mikrostrukturierter Oberfläche, wobei die Mikrostruktur im Bereich der Mehrfachkrümmung im Wesentlichen Strukturen im Bereich von 100 mym bis 0,5 mym Abstand und Tiefe zueinander umfasst."
Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 3 lautet wie folgt:
"15. Gegenstand mit mehrfach gekrümmter und im Bereich der Mehrfachkrümmung nicht nur teilweise mikrostrukturierter Oberfläche, wobei die Mikrostruktur im Bereich der Mehrfachkrümmung mittels eines Werkzeuges nach einem der Ansprüche 1 - 9 oder Verfahrens nach einem der Ansprüche 11 - 14 erzeugt werden kann und im Wesentlichen Strukturen im Bereich von 100 mym bis 0,5 mym Abstand und Tiefe zueinander umfasst."
Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 5 ist gegenüber Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 2 um folgendes Merkmal ergänzt:
"und die Mikrostruktur in ein Lacksystem eingebracht ist, das eine Mischung aus zwei unterschiedlichen Aushärtungsmechanismen besitzt, nämlich
- UV-Härtung
- Polyol-Isocyanat-Vernetzung."
Der Hilfsantrag 7 enthält keinen Anspruch 15. Die unabhängigen Ansprüche dieses Antrags lauten wie folgt:
"1. Werkzeug zum Erzeugen einer mikrostrukturierten Oberfläche, umfassend:
- eine Matrize (3) mit einem Negativ der zu erzeugenden Mikrostruktur,
- eine Andruckwalze (1) zum Andrücken der Matrize an die Oberfläche,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Andruckwalze (1) über eine Oberfläche verfahrbar ist, Andruckwalze (1) und Matrize (3) so angeordnet sind, dass beim Verfahren der Walze (1) über die Oberfläche die Matrize (3) in einer rollenden Bewegung zwischen Walze (1) und Oberfläche gelangt, so dass das Negativ der Matrize (3) der Oberfläche zugewandt ist, und
eine Vorrichtung (5) zum Beschleunigen des Aushärtens eines aushärtbaren Materials so angeordnet ist, dass sie beim Verfahren der Andruckwalze (1) über die Oberfläche deren Bewegung begleitet und auf einen Teil der Oberfläche einwirkt."
"10. Verwendung eines Werkzeuges nach einem der vorangehenden Ansprüche zum Erzeugen einer mikrostrukturierten Oberfläche."
"11. Verfahren zum Erzeugen einer wenigstens teilweise mikrostrukturierten Oberfläche, umfassend die Schritte:
a) Bereitstellen einer mikrostrukturierbaren Oberfläche,
b) Bereitstellen eines Werkzeuges nach einem der Ansprüche 1-9,
c) Mikrostrukturieren der Oberfläche mittels des Werkzeuges."
VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Wegen des Verfahrensmangels im Prüfungsverfahren, den einen Hilfsantrag zu übergehen, sei unabhängig von der Frage, wie die erneute Einreichung des in der angefochtenen Entscheidung abgehandelten Hauptantrags im Beschwerdeverfahren zu bewerten sei, in jedem Falle eine Beschwerde notwendig gewesen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspreche somit der Billigkeit.
Die Mikrostrukturierung sei in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zwar nicht eingeschränkt, jedoch auf Seite 5 der Anmeldung erläutert. Dokument D1 mache nur eine Aussage zur Qualität der Matrize, nicht jedoch zur Qualität der erzeugten Mikrostruktur. Bei Dokument D1 könne auch keine mehrfach gekrümmte Oberfläche geprägt werden, weil dabei Falten entstünden. Bei der vorliegenden Anmeldung sei hingegen aufgrund der Härte der Matrize eine Anpassung an eine mehrfach gekrümmte Oberfläche möglich. Die Härte der Walze und der Matrize seien an das zu bearbeitende Objekt angepasst. Das Andrücken der Matrize sei entscheidend. In Dokument D1 sei darüber aber nichts ausgesagt. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 15 gemäß Hauptantrag neu gegenüber Dokument D1.
In Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 2 sei die Qualität der Mikrostruktur definiert. Der Ausdruck "nicht nur teilweise" sei gleichbedeutend mit dem Ausdruck "vollständig", bedeute also, dass es keine Bereiche ohne Mikrostruktur gebe. Auch hierbei gelte die Feststellung, dass Dokument D1 nichts über die Qualität der erzeugten Struktur, sondern nur zur Qualität der Struktur der Matrize aussage. Entsprechendes gelte für Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 3.
Die zusätzlichen, das Lacksystem betreffenden Merkmale des Anspruchs 15 gemäß Hilfsantrag 5 stellten eine Einschränkung des ursprünglichen Anspruchs 15 dar und hätten deswegen recherchiert werden müssen. Wenn dies nicht gemacht worden sei, so stelle dies einen Mangel des Prüfungsverfahrens dar. Auch in Dokument D1 sei das Lacksystem angesprochen, also schon recherchiert worden. Der Hilfsantrag 5 könne deshalb zugelassen werden.
In Zusammenschau mit den Figuren 4 und 5 der Anmeldung ergebe sich eindeutig, was beim Werkzeug des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 7 verfahrbar und was feststehend sei. Ein Vergleich mit Werkzeugen, bei denen die zu bearbeitende Oberfläche verfahren werde, sei somit auszuschließen.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag
Anspruch 15 gemäß Hauptantrag betrifft einen Gegenstand mit mehrfach gekrümmter und im Bereich der Mehrfachkrümmung teilweise mikrostrukturierter Oberfläche, wobei die Mikrostruktur mittels eines bestimmten Werkzeugs oder eines bestimmten Verfahrens erzeugt werden kann. Diese "kann"-Angabe beschränkt den Schutzgegenstand allenfalls insoweit, als die Möglichkeit bestehen muss, den Gegenstand so zu erzeugen. Das schließt eine andere Herstellungsweise jedoch nicht aus.
Ein Gegenstand, der zweifellos mit dem Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 9 und dem Verfahren nach einem der Ansprüche 11 bis 14 erzeugt werden kann, ist aber aus Dokument D1 bekannt (vgl. die Zusammenfassung auf der Titelseite und den die Seiten 3 und 4 überbrückenden Absatz). Die angegebene Dimension der Reliefstruktur der Prägematrize entspricht einer Mikrostruktur auf der Gegenstandsoberfläche, die bei den aufgeführten Beispielen, nämlich Skier, Surfbretter, Automobilkarossen, jeweils mehrfach gekrümmt ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 15 gemäß Hauptantrag ist deshalb nicht neu.
2. Hilfsanträge 2 und 3
2.1 Unter der Annahme, dass der Ausdruck "nicht nur teilweise" auch "vollständig" bedeuten kann, betrifft Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 2 einen Gegenstand mit mehrfach gekrümmter Oberfläche, die vollständig mit einer Mikrostruktur versehen ist und Strukturen im Bereich von 100 mym bis 0,5 mym Abstand zueinander und Tiefe umfasst.
Die Matrize, mit der bei Dokument D1 die Oberfläche strukturiert wird, weist Prägestrukturen auf, deren Maxima 0,1 bis 20 mym beabstandet sind und eine Höhe von 0,1 bis 5 mym aufweisen (vgl. Seite 8, Zeilen 6 bis 8 und 17 bis 20). Auch wenn davon auszugehen ist, dass sich während der Aushärtung der geprägten Lackschicht die Tiefe und die Abstände der Prägung gegenüber der Tiefe und den Abständen der Strukturen in der Prägematrize verändern, so ist nicht zu erwarten, dass die Strukturdimensionen der geprägten Oberfläche außerhalb der in Anspruch 15 angegebenen Bereichs zu liegen kommen, weil die aus Dokument D1 bekannten Bereiche für die Abstände und die Höhe der Strukturen eine relativ breite Überschneidung mit den beanspruchten Bereichen haben. Es ergibt sich damit zweifelsfrei aus Dokument D1, auch ohne direkte Angabe der Dimensionen der Mikrostruktur selbst, dass der mit der beschriebenen Matrize hergestellte Gegenstand eine Oberfläche entsprechend der Spezifikation in Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 2 aufweist.
Wie auf Seite 13, Zeilen 9 bis 27, des Dokuments D1 beschrieben ist, kann die gesamte Oberfläche eines Objekts mit einer Mikrostruktur versehen werden.
Deshalb ist auch der Gegenstand des Anspruchs 15 gemäß Hilfsantrag 2 nicht neu.
2.2 Da dieser aus Dokument D1 bekannte Gegenstand mit einem Werkzeug nach den Ansprüchen 1 bis 9 oder einem Verfahren nach den Ansprüchen 11 bis 14 erzeugt werden kann (siehe oben, Punkt 1), ist der Gegenstand des Anspruchs 15 gemäß Hilfsantrag 3 ebenfalls nicht neu.
3. Hilfsanträge 5 und 6
3.1 Die in den Anspruch 15 gemäß Hilfsantrag 5 zusätzlich aufgenommenen Merkmale waren nicht Teil der ursprünglich eingereichten Ansprüche, sondern nur in der Beschreibung der Anmeldung aufgeführt. Sie waren damit nicht notwendigerweise Gegenstand der Recherche, die auf der Grundlage der Patentansprüche unter angemessener Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen durchgeführt wird (vgl. Artikel 92 EPÜ). Dadurch und durch die verspätete Einreichung des Hilfsantrags 5, nämlich erst in der mündlichen Verhandlung, war es für die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht möglich, die Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 15 dieses Antrags zu behandeln.
Gemäß Artikel 13(3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern hat die Kammer den Hilfsantrag 5 deshalb nicht zum Verfahren zugelassen.
3.2 Da die Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung gemäß Hilfsantrag 6 eine Verlegung der mündlichen Verhandlung erfordert hätte, die in diesem späten Verfahrensstadium aber nicht zuzumuten war, hat die Kammer diesen Hilfsantrag ebenfalls nicht zugelassen.
4. Hilfsantrag 7
Die auf Seite 16, Zeilen 25 und 26, der Anmeldung angesprochene Verfahrrichtung ergibt zusammen mit der in der Darstellung des Werkzeugs in den Figuren 2 bis 5 angegebenen Pfeilrichtung, dass die Walze über die Oberfläche verfahren wird und nicht umgekehrt. Die Kammer schließt sich deshalb der im internationalen vorläufigen Prüfungsbericht unter Punkt 2 getroffenen Feststellung an, dass von Dokument D1 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehend, der Gegenstand des Anspruchs 1 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Dies trifft dann auch auf die Gegenstände der Ansprüche 10 und 11 zu, die die Anwendung des Gegenstands des Anspruchs 1 betreffen.
5. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
5.1 Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird in Regel 67 EPÜ 1973 bzw. Regel 103 des revidierten EPÜ geregelt. Welche dieser Bestimmungen auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, ergibt sich aus den Übergangsbestimmungen gemäß Artikel 2 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 7. Dezember 2006 zur Änderung der Ausführungsordnung zum EPÜ (ABl. EPA, Sonderausgabe Nr. 1/2007, S. 89). Danach ist die Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 auf alle dem EPÜ 2000 unterliegenden europäischen Patentanmeldungen, europäischen Patente, Entscheidungen von Organen des Europäischen Patentamts und internationalen Anmeldungen anzuwenden. Damit kann nur gemeint sein, dass eine Regel der Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 dann anzuwenden ist, wenn bzw. soweit der der Regel zugeordnete Artikel des EPÜ 2000, den diese Regel näher bestimmt, auf die zu behandelnde Anmeldung anwendbar ist (J 10/07, ABl. EPA 2008, 567, Ziffer 1.3.). In der genannten Entscheidung wird in Ziffer 7 die Ansicht vertreten, Regel 67 EPÜ 1973 und Regel 103 des revidierten EPÜ seien beide den Artikeln 109 und 111 EPÜ zugeordnet, die bis auf redaktionelle Änderungen unverändert geblieben sind. Aus Artikel 1, Nr. 1, Satz 1 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA, Sonderausgabe Nr. 1/2007, S. 197) folge, dass die Artikel 109 und 111 EPÜ auf die bei ihrem Inkrafttreten anhängigen europäischen Patentanmeldungen nicht anzuwenden seien, was entsprechend auch für Regel 103 EPÜ gelte. Die Kammer schließt sich dieser Meinung der juristischen Beschwerdekammer an. Demzufolge wird die Frage der Rückerstattung der Beschwerdegebühr auf der Grundlage der Regel 67 EPÜ 1973 entschieden.
5.2 Nach Regel 67 EPÜ 1973 wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet, wenn der Beschwerde abgeholfen oder ihr durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht. Alle diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor.
5.3 Am Ende der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2008 vor der Prüfungsabteilung wurde der Beschwerdeführerin die Erteilung eines Patents auf Basis des damaligen Hilfsantrags 3 in Aussicht gestellt. Auf die entsprechende Mitteilung nach Regel 71(3) EPÜ hat die Beschwerdeführerin den als nicht gewährbar bezeichneten Hauptantrag aufrechterhalten und zudem einen neuen Hilfsantrag 1 eingereicht. Als Hilfsantrag 2 wurde die Fassung vorgelegt, die von der Prüfungsabteilung in der Mitteilung nach Regel 71(3) EPÜ zur Erteilung vorgeschlagen worden ist. Gemäß den Prüfungsrichtlinien (Teil C, Kapitel VI, Abschnitt 14.4.1) wurde daraufhin das Prüfungsverfahren wieder aufgenommen (siehe Amtsbescheid vom 15. April 2010). Allerdings wurde von der Prüfungsabteilung unmittelbar eine Zurückweisungsentscheidung nach Artikel 97(2) EPÜ erlassen, ohne sich vorher mit der Beschwerdeführerin über den neuen Hilfsantrag 1 auseinanderzusetzen und ihr gegebenenfalls Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. In der Zurückweisungsentscheidung wurde der Hilfsantrag 1 ebenfalls nicht berücksichtigt. Somit liegen wesentliche Verfahrensmängel vor, nämlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113(1) EPÜ 1973) und die Nichtberücksichtigung eines Antrags (Artikel 113(2) EPÜ 1973).
5.4 Die Beschwerdeführerin hat den in der angefochtenen Entscheidung abgehandelten Hauptantrag im Beschwerdeverfahren erneut als Hauptantrag eingereicht. Damit ist die Ursache der Beschwerdeeinlegung an und für sich nicht unmittelbar in dem im Prüfungsverfahren vorliegenden Verfahrensmangel zu sehen. Es ist der Beschwerdeführerin allerdings zugute zu halten, dass sie bei der Beschwerdeeinlegung nicht primär an die Verfolgung des Hauptantrags gedacht haben mag, sondern diesen in Analogie zu den im Prüfungsverfahren eingereichten Unterlagen im Beschwerdeverfahren nochmals mit eingereicht hat. Die Weiterverfolgung des von der Prüfungsabteilung unberücksichtigten Hilfsantrags 1 war allerdings nur über den Weg der Beschwerde möglich. Die Kammer ist deshalb zu der Auffassung gelangt, dass es im vorliegenden Fall auch der Billigkeit entspricht, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen (Regel 67 EPÜ 1973).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage der in der Mitteilung gemäß Regel 71(3) EPÜ vom 27. Oktober 2009 angegebenen Unterlagen zu erteilen.
3. Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird stattgegeben.