European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T205310.20160122 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 Januar 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2053/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03745786.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | H02G 11/00 F16G 13/16 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Leitungsführungseinheit zur aktiven Führung von Leitungen, Kabeln oder dergleichen | ||||||||
Name des Anmelders: | Kabelschlepp GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | igus GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende hat gegen die am 2. August 2010 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das Patent Nr. 1493215 B1 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, Beschwerde eingelegt.
II. Mit der Beschwerdebegründung, die am 8. Dezember 2010 eingegangen ist, machte die Beschwerdeführerin geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus
E2 : WO 98/40 645 A1
bekannt sei (Artikel 54 EPÜ) oder zumindest im Lichte der Schriften
E1 : DE 198 40 012 A1, oder
E4 : Katalog der Firma igus GmbH "Energieketten-Systeme" Ausgabe 7/2001,
oder der der Energiekette aus E4 entsprechenden offenkundigen Vorbenutzung in Kombination mit E2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ).
III. Im Anhang der Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Beschwerdekammer den Parteien mit, dass sie der vorläufigen Meinung war, dass der Beschwerde nicht stattgegeben werden könne.
IV. Mit Schreiben vom 5. November 2015 wies die Beschwerdeführerin auf die folgenden weiteren Schriften hin:
E6 : DE 198 60 948 C2;
E7 : EP 937 213 A1 (bzw. WO 98/22728);
E8 : DE 195 12 088 A1;
E9 : DE 195 44 931 A1; und
E10: Kunststoffe 83 (1993) 6, Carl Hanser Verlag, München, Seite 429 bis 433.
V. Eine mündliche Verhandlung fand am 22. Januar 2016 vor der Kammer statt.
VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Zudem beantragte sie, die Druckschriften E7 bis E10 nicht ins Verfahren zuzulassen.
VIII. Anspruch 1 des Streitpatents in der durch die Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung kann wie folgt nach Merkmalen gegliedert werden:
Leitungsführungseinheit zur Führung von Leitungen, Kabeln oder dergleichen
(F1) mit einem ersten Ende, das fixierbar ist, und
(F2) mit einem zweiten Ende, das bewegbar ist, wobei
(F3) die Leitungsführungseinheit einen Kanal aufweist, der durch Segmente gebildet ist,
(F4) die mit mindestens einem Tragband verbunden sind, wobei
(F5) die Segmente Mittel aufweisen, durch die die Leitungsführungseinheit im gestreckten Zustand bogenförmig bezüglich einer die beiden Enden verbindenden Geraden liegt, und
(F6) die Mittel wenigstens eine gemeinsame Berührungsfläche aufweisen, deren gedachte Verlängerung die im gestreckten Zustand der Leitungsführungseinheit die beide Enden verbindende Gerade schneidet,
dadurch gekennzeichnet, dass
(F7) ein Segment das Mittel aufweist, wobei dieses wenigstens einen Vorsprung umfasst, welcher im gestreckten Zustand der Leitungsführungseinheit an einem benachbarten Segment anliegt, und
(F8.1) dass das Tragband sich abwechselnde Tragabschnitte und Gelenkabschnitte aufweist, und
(F8.2) die Tragabschnitte und die Gelenkabschnitte aus Werkstoffen mit sich unterscheidenden Eigenschaften
(F8.3) im Mehrkomponentenverfahren gebildet sind.
IX. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen folgendes vor:
Die Einspruchsabteilung habe zu beantworten gehabt, ob eine Kette mit einer Vorspannung nach Merkmal F5 sowie einem Tragband nach Merkmalen F8.1 bis F8.3 aus E2 bekannt war.
Gegenüber der Leitungsführungseinheit nach Abbildung 5 von E2 beruhe die Einheit nach Abbildung 27 nur auf einer Variante, welche ein Tragband aufweise. Zu der Abbildung 27 seien die Passagen auf der Seite 19 relevant, welche sich nur auf das Anspritzen der Schutzelemente auf das Tragband beziehen. E2 solle aber als Ganzes gewürdigt werden und E2 schließe nicht aus, dass die aus Abbildung 5 und der entsprechenden Passage auf Seite 15, Zeile 22 bis Seite 16, Zeile 10 bekannten Merkmalen bezüglich der Vorspannung in Verbindung mit dem Tragband nach Abbildung 27 vorhanden sein können. Abbildung 27 sei nur eine schematische Darstellung. Die Anordnung der alternierend an den Seiten der Bodensegmente 11 gebildeten Deckelsegmente 14 mache nur Sinn in Verbindung mit den Merkmalen der Abbildung 5 bezüglich der Vorspannung. Die Breite der Deckelsegmente nach Abbildung 27 könne nicht herangezogen werden, um zu dem Schluss zu kommen, dass eine Vorspannung nicht vorhanden wäre.
Die Segmente nach Merkmal F4 des Anspruchs 1 werden mit dem Tragband verbunden, und nach dem abhängigen Anspruch 13 mit diesem lösbar verbunden. Dies setze voraus, dass Anspruch 1 auch Varianten mit unlösbar verbundenen Segmenten umfasse, darunter auch stofflich verbundenen Segmenten. Die Einspruchsabteilung habe dies in Absatz 4.1.1 der angefochtenen Entscheidung erkannt.
Nach Merkmal F8.1 weise das Tragband sich abwechselnde Tragabschnitte und Gelenkabschnitte auf, die aber nicht näher definiert seien. Nach E2, Seite 19 seien in fertiggestelltem Zustand alle Teile formschlüssig verbunden. Die Schutzelemente von E2 seien an dem Tragband angespritzt. Dadurch werden abwechselnde Tragabschnitte und Gelenkabschnitte im Mehrkomponentenverfahren gebildet.
Unter den mit dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 5. November 2015 eingereichten Schriften sollten zumindest E6 und E10 ins Verfahren zugelassen werden, da E6 von großer Bedeutung sei und E10 beitragen könne, die Kenntnisse des Fachmanns am Prioritätstag zu beweisen. Der im vorliegenden Fall in Frage kommende Fachmann sei ein Maschinenbauingenieur der mit Fertigungstechniken und Kunststoffe vertraut ist. E10 diene dazu, das Fachwissen über die Mehrkomponenten-Spritzverfahren zu klären.
Ausgehend von E2 und angenommen, dass das Merkmal F8.3 aus E2 nicht bekannt sei, könne das somit zu lösende Problem darin gesehen werden, die Gelenkabschnitte gegenüber den Tragabschnitten elastischer zu machen, wie in Absatz 13 der geltenden Fassung der Beschreibung angegeben sei: "Hierbei kann der Tragabschnitt als ein im wesentlichen starrer Körper ausgebildet sein". Eine Lösung hierfür finde der Fachmann unter den Spritzverfahren, und da dränge E10 ihn ein Mehrkomponentenverfahren auszuwählen, weil E10, Seite 431, rechte Spalte lehre, dass Mehrkomponenten-Spritzverfahren hart-weiche Kombinationen ermöglichen.
E10 lehre den Fachmann auch, dass die Paarung der Kunststoffe wichtig sei (siehe dazu Tabelle 1 auf Seite 432). Eine andere Aufgabenstellung könne deshalb auch darin gesehen werden, die Segmente auf den Tragabschnitten besser zu befestigen, ohne die Gelenkabschnitte zu beeinflussen. Dazu biete PA6 (siehe E10, Tabelle 1) eine Lösung, wenn ein Mehrkomponentenverfahren benutzt werden sollte.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auch nicht hinsichtlich der Kombination der Schriften E4 und E6 auf einer erfinderischen Tätigkeit. E4 weise eine Kette der Beschwerdeführerin auf, wovon sich Anspruch 1 nur durch die Merkmale F8.2 und F8.3 unterscheide. Eigentlich seien alle igus Ketten vorgespannt (Merkmal F5). Das weitere Merkmal F.6 sei auf den Abbildungen der Seite 3.75 zu sehen, wobei die im Merkmal F6 genannte Fläche senkrecht zu der die beiden Enden der Kette verbindenden Gerade sei.
Die Segmente von E4 seien nur mittels Rastnocken auf das Tragband gesteckt, und die geführten Kabel können diese Segmente wegstoßen. Daher könne die mit den Merkmalen F8.2 und F8.3 zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, eine stabilere formschlüssige Befestigung der Segmente auf dem Tragband vorzuschlagen. Eine Lösung sei in Figur 6 der E6 offenbart. Hierzu laute Absatz 50 von E6 wie folgt: "Das Führungsglied ist zweiteilig ausgeführt, wobei die Seitenwände 33 jeweils über die Rastvorsprünge 34 an den Stegen 35, die einstückig an dem Gleitband 36 angeformt sind, befestigbar sind" und Absatz 15 lehre: "Die Mittel zur formschlüssigen Befestigung der Führungsglieder am Gleitband, zum Beispiel die Noppen, können in einem Spritzgieß- oder Extrusionsverfahren oder in einem nachfolgenden Herstellungsschritt angeformt werden", wobei nach Absatz 25: "Das Gleitband kann über seine gesamte Länge hinweg aus dem gleichen Material mit der gleichen Profilierung bestehen. Andererseits kann das Gleitband auch alternierend zueinander angeordnete Bereiche mit erhöhter und verringerter Biegefestigkeit bezüglich der Abwinklungsrichtungen aufweisen, die sich in den Materialeigenschaften und/oder der Profilierung unterscheiden können und zum Beispiel als Filmscharniere ausgebildet sind". Folglich lerne der Fachmann, dass die Stege 35 und das Tragband 36 aus E6 aus verschiedenen Materialien hergestellt werden können. Er würde daher ohne erfinderisches Zutun die Lehre aus E6 anwenden, um die Segmente aus E4 mit dem Tragband zu befestigen.
Auch eine Zusammenschau der Dokumente E1 und E2 bzw. E4 und E2 würde auf naheliegende Weise zu dem Gegenstand nach Anspruch 1 führen.
X. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) machte folgendes geltend:
Abbildung 5 von E2 lehre über die Herstellung einer vorgespannte Leitungsführungseinheit. Abbildung 5 sei in Verbindung mit den Abbildungen 1 bis 4 zu werten. Aus Seite 15 und Seite 13, Zeilen 15 bis 25 lerne der Fachmann, dass die oberen Stege den Krümmungsradius begrenzen sollen, und aus Seite 8, Zeilen 19 bis 22, dass es wünschenswert sei, dass sich die Kette höchstens bis zu einer geraden Linie bewegen lassen solle. Folglich werde die Vorspannung in diesem Ausführungsbeispiel nur in Verbindung mit einem minimalen Krümmungsradius offenbart. Der Abstand zwischen den Bodensegmenten nach Abbildung 5 sei, anders als bei Abbildung 27, auch minimal. Der Fachmann werde deswegen nicht schließen, dass eine Vorspannung in Verbindung mit dem Beispiel nach Abbildung 27 offenbart sei. Der Abstand zwischen den Bodensegmenten 11 auf der Abbildung 27 von E2 könne auch auf eine Krümmung der Leitungsführungseinheit über eine Rolle deuten.
Nach Merkmal F3 des Anspruchs 1 bilden die Segmente den Kanal einer Leitungsführungseinheit. Für die Schaffung eines Kanals sollen Segmente mit mindestens drei Elementen vorhanden sein. Wenn die Bodensegmente der Abbildung 27 der E2 als Teil des Tragbands angesehen würden, dann wäre kein aus Segmenten gebildeter Kanal vorhanden. Außerdem setze eine unlösbare Verbindung zwischen Segmenten und Tragband nicht eine stoffliche Verbindung voraus. Mechanische Verbindungen können auch unlösbar gemacht werden.
Das Merkmal F8.3 betreffe ein Mehrkomponentenverfahren, das der Fachmann nur in Bezug mit dem Tragband verstehen würde. Er würde nicht auf die Idee kommen, dass es sich hier um das Herstellungsverfahren der ganzen Leitungsführungseinheit handeln könnte. Er würde Merkmale F8.3 in Verbindung mit Merkmal F8.1 lesen. Abbildung 27 sowie die entsprechende Passage der Beschreibung von E2 offenbaren den Gegenstand des Anspruchs 1 daher nicht.
Auch wenn Mehrkomponentenverfahren am Prioritätstag allgemein bekannt gewesen wären, würde das nicht beweisen, dass einem Fachmann, der sich als Maschinenbauingenieur mit Energieketten befasse, bewusst gewesen sei, dass solche Verfahren in seinem Gebiet einsetzbar oder üblich gewesen sind. Auch die E10 könne diese Frage nicht weiter klären. Andere Verstärkungstechniken wie eine Verstärkung mittels Glasfasern seien auch vorhanden gewesen. Aus diesen Gründen solle E10 nicht ins Verfahren zugelassen werden. Gegen die Zulassung von E6 ins Verfahren habe die Beschwerdegegnerin nichts einzuwenden.
Ausgehend von E2 seien die von der Einsprechenden geschilderten Probleme schon gelöst.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Leitungsführungseinheit nach E2 durch die Merkmale F8.1 bis F8.3.
Die Gelenkabschnitte einer Leitungsführungseinheit seien einerseits mit Stößen und andererseits mit Vorspannung belastet. E10 lehre aber, dass ein Mehrkomponenteverfahren für unbelastbare Teile in Frage käme (siehe z.B. "Spielzeugfiguren" im Absatz "Montage-Spritzgießen" von E10). E10 führe den Fachmann also von der Lösung weg.
Eine Verstärkung der Tragabschnitte der Leitungsführungseinheit nach E2 käme auch nicht in Frage, da E2 schon eine Lösung mittels Anspritzung der Bodensegmente auf die Tragabschnitte des Bands angebe. E2 sehe auch möglicherweise zwei verschiedene Materialen für das Tragband und die Bodensegmente vor, sodass eine Lösung zu dem Problem der Differenzierung der Elastizität der Gelenkabschnitte gegenüber den Tragabschnitte auch angegeben sei. Schließlich sei für die Befestigung der Segmente in E2 schon vorgesorgt, da das Tragband und die Segmente aus dem gleichen Material bestehen können (siehe E2, Seite 10, Zeilen 18 bis 21).
Anspruch 1 unterscheide sich von der aus E4 bekannten Leitungsführungseinheit nicht nur durch die Merkmale F8.2. und F8.3, sondern auch durch Merkmal F6. Aus den Abbildungen von E4 gehe nicht eindeutig hervor, dass eine Fläche nach Merkmal F6 vorhanden sei, und ein Hinweis auf ein Problem mit den Stegen gebe es in E4 auch nicht.
Abbildung 3 von E1 weise kein Tragband, sondern nur Querstege 106 auf. Eine Zusammenschau der Dokumente E1 und E2 würde deshalb auch nicht zu dem Gegenstand nach Anspruch 1 führen. Das gleiche gelte für die Zusammenschau der Ketten nach E4 und E2, die kein Tragband mit den Merkmalen F8.1 bis F8.3 aufweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2.1 Eine Leitungsführungseinheit nach dem Streitpatent beinhaltet Segmente 13, deren Seitenwände 15 über Querstege 19 (Ausführungsbeispiel nach Abbildung 2) oder Verbindungselemente 18 (Ausführungsbeispiel nach Abbildung 5) miteinander verbunden sind und dabei einen Kanal 12 bilden. Der Kanal 12 ist weiters durch Teilstege 28 begrenzt.
Dementsprechend bestehen die Schutzelemente 1 der Leitungsführungseinheit nach E2, die als nächstgelegener Stand der Technik betrachtet wird, aus vier Teilen, nämlich einem Bodensegment 11 sowie zwei Wandsegmenten 12, 13 und einem Deckelsegment 14.
2.2 Folglich ist es unbestritten, dass aus E2 eine Leitungsführungseinheit zur Führung von Leitungen oder Kabeln bekannt ist (siehe Fig.1), welche die folgenden Merkmale aufweist:
(F1) ein erstes Ende 30, das fixierbar ist,
(F2) ein zweites Ende 30 (siehe Seite 13, Zeilen 15 bis 25), das bewegbar ist,
(F3) einen durch Segmente 1 gebildeten Kanal 9 (siehe auch Fig.4 und Seite 13, Zeile 27 bis Seite 14, Zeile 3), wobei
(F5) die Segmente 1 Mittel 14, L, L' aufweisen, durch die die Leitungsführungseinheit im gestreckten Zustand bogenförmig bezüglich einer die beiden Enden verbindenden Geraden liegt (siehe Seite 15, Zeile 24 bis Seite 16, Zeile 10), und
(F6) die Mittel wenigstens eine gemeinsame Berührungsfläche aufweisen, deren gedachte Verlängerung die im gestreckten Zustand der Leitungsführungseinheit die beide Enden verbindende Gerade schneidet, und
(F7) ein Segment das Mittel aufweist, wobei dieses wenigstens einen Vorsprung umfasst, welcher im gestreckten Zustand der Leitungsführungseinheit an einem benachbarten Segment anliegt (Berührungsfläche benachbarter Deckelsegmente 14).
2.3 Bei dem Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1 bis 5 von E2 hängen die Bodensegmente 11 aneinander (siehe Seite 14, Zeilen 17 bis 25). Ein anderes Ausführungsbeispiel (Fig.27) sieht vor, die Bodensegmente 11 einer Reihe von einzelnen Schutzelementen 1 an ein Führungsband 22 oder an Führungsfäden anzuspritzen (siehe E2, Seite 19, Zeilen 4 bis 14). Das Führungsband wirkt als ein Tragband, mit dem die Schutzelemente verbunden sind.
Aus der Beschreibung von E2 geht eindeutig hervor, dass Fig.27 eine schematische Darstellung ist (siehe Seite 19, Zeile 4). Der Abstand zwischen den in dieser Figur gezeigten einzelnen Schutzelementen 1 ist größer als derjenige zwischen den Schutzelementen 1 des ersten Ausführungsbeispiels. Die Kammer ist der Auffassung, dass der größere Abstand lediglich dazu dient, das darunter liegende Tragband besser darzustellen. Der Abstand würde den Fachmann dennoch nicht daran zweifeln lassen, dass die in der Figur 27 gezeigten einzelnen Schutzelemente ansonsten den Schutzelementen nach Figur 1 entsprechen.
Folglich ist die Kammer der Auffassung, dass E2 das Merkmal F4 in Kombination mit den unter Punkt 2.2 erwähnten Merkmalen, insbesondere Merkmal F5, offenbart.
2.4 Die Bodensegmente 11 sind im Ausführungsbeispiel nach Figur 27 auf dem Tragband angespritzt. Dies ist eine Alternative zu dem Aneinanderhängen der Schutzelemente nach den Figuren 1 bis 5 von E2. Der Fachmann würde daher nicht auf die Idee kommen, die Bodenteile 11 als Teile des Tragbands (Führungsband 22) statt der Schutzelemente, die den Kanal der Leitungseinheit bilden, anzusehen.
2.5 Jedoch selbst unter der Annahme der Richtigkeit des Arguments, dass die Bodenteile 11 als Teile des Tragbands (Führungsband 22) statt der Schutzelemente angesehen werden können, kommt man nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. Die Segmente der Leitungseinheit sind im Anspruch 1 des Streitpatents dahingehend definiert, dass sie einen Kanal bilden. In Kenntnis der Erfindung und indem man davon absieht, dass jedes Schutzelement aus E2 ein Bodensegment 11 beinhaltet, könnte man argumentieren, dass das Führungsband nach E2 sich abwechselnden Tragabschnitte und Gelenkabschnitte aufweisen würde, wobei jeder Tragabschnitt aus einem Teil des Führungsbands mit einem darauf angespritzten Bodensegment 11 bestehen würde. Wenn dabei zwei unterschiedlichen Materialien für die Bodensegmente und das Führungsband ausgewählt werden, wie in E2 als Möglichkeit vorgesehen ist (siehe E2, Seite 19, Zeilen 10 bis 12), könnte dann das somit hergestellte Tragband als ein die Merkmale F8.1 bis F8.3 aufweisendes Tragband betrachtet werden. Die restlichen Wandsegmente 12, 13 zusammen mit dem Deckelsegment 14 würden aber dann keinen Kanal bilden.
2.6 E2 lehrt, dass die Materialien von Bodensegmenten 11 und Führungsband 22 bzw. Führungsfäden 24 unterschiedlich gewählt werden können, um flexible und haltbare Schutzelemente herzustellen (siehe Seite 19, Zeilen 12 bis 14). Ein Hinweis, dass das Anspritzen der Bodensegmenten auf das Tragband einen zusätzlichen technischen Effekt ergebe und damit ein Tragband mit sich abwechselnden, aus Werkstoffen mit sich unterscheidenden Eigenschaften bestehenden Tragabschnitten und Gelenkabschnitten gebildet werden könnte, gibt es in E2 jedoch nicht.
Eine Auslegung von E2, wonach die Bodensegmente 11 von den Schutzelementen 1 als getrennt angesehen werden, beruht daher eindeutig auf einer rückschauenden Analyse.
Die Bodensegmente der Schutzelemente nach Figur 27 von E2 sollen als den Querstegen 19 der Segmente von Figuren 1 bis 3, oder als den Verbindungselementen 18 von Figur 5 des Streitpatents entsprechend betrachtet werden.
2.7 Folglich offenbart E2 kein Tragband, das abwechselnde Tragabschnitte und Gelenkabschnitte (F8.1) aufweist, die aus Werkstoffen mit sich unterscheidenden Eigenschaften gebildet sind (F8.2), und zwar im Mehrkomponentenverfahren (F8.3). Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 ist somit durch E2 nicht vorweggenommen (Artikel 54 EPÜ).
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Ausgehend von E2 solle, nach der Beschwerdeführerin, das mit den Merkmalen F8.1 bis F8.3 gelöste Problem darin gesehen werden, ein Tragband mit gegenüber den Tragabschnitten elastischeren Gelenkabschnitten zu bilden.
Obwohl die auf dem Tragband angespritzten Bodensegmente der Leitungsführungseinheit nach E2 nicht als Bestandteile des Tragbands angesehen werden können, werden die die Schutzelemente tragenden Abschnitte des Tragbands damit verstärkt und steifer als die als Gelenk wirkenden frei bleibenden Abschnitte. Die Leitungsführungseinheit nach E2 weist somit Gelenkabschnitte auf, die elastischer sind als die durch die Bodensegmente gedeckten anderen Tragabschnitten des Tragbands. Das oben erwähnte Problem ist daher nicht im Hinblick auf den nächstliegenden Stand der Technik objektiv formuliert.
3.1.2 Das zu lösende Problem kann deshalb höchstens darin gesehen werden, Gelenkabschnitte mit verbesserter Elastizität zu bilden.
3.1.3 Die Erfindung löst dieses Problem mit einem im Mehrkomponentenverfahren hergestellten Tragband. Andere Lösungen wären aber auch denkbar, wie z.B. eine geringere Materialdicke und/oder Materialbreite für die Gelenkabschnitte als für die übrigen Teile des Tragbands, wie beim Ausführungsbeispiel nach Figur 1 von E2 vorgeschlagen (siehe E2, Seite 14, Zeilen 21 bis 25).
3.1.4 In Ausübung ihres Ermessens ließ die Kammer die Druckschrift E10, dessen Lehre vielfältig ist, wegen ihrer Relevanz in das Verfahren zu.
Nach E10 können thermoplastische Elastomere (TPE) aus Weich - und Hartkomponenten bestehen und mittels Mehrkomponentenverfahren hergestellt werden. Durch Veränderung der Anteile der Hart- und Weichkomponenten lassen sich die Eigenschaften des Materials, wie Griffigkeit, Abrollverhalten, Lärmentwicklung, Feuchtigkeits-, Lärm- und Staubschutz und Haftung zwischen den beiden Materialen (Verankerung oder Diffusion) einstellen. Die beiden Materialen können miteinander unlösbar verbunden werden oder durch Spritzgießen als drehbare Teile hergestellt werden.
3.1.5 Der Fachmann hätte daher sicherlich die Lehre aus E10 heranziehen können, um das Führungsband nach E2 zu verbessern. Ein Mehrkomponentenverfahren setzt aber nicht voraus, dass die Komponenten abschnittsweise gespritzt werden müssen. Der Fachmann wäre daher nicht unbedingt zu einem Tragband mit sich abwechselnden Tragabschnitte und Gelenkabschnitte gelangt. Er hätte genauso ein Tragband mit besserer Flexibilität über die ganze Länge herstellen können, weil ihm bewusst gewesen ist, dass die Tragabschnitte nach E2 schon mittels der darauf gespritzten Bodensegmente steifer werden.
3.1.6 Die Beschwerdekammer stimmt auch der Beschwerdeführerin zu, dass der Fachmann die Lehre aus E10 hätte heranziehen können, um die Segmente besonders flexibel und haltbar auf dem Führungsband zu schaffen, weil einerseits E2 verschiedene Materialien dafür vorsieht (siehe E2, Seite 19, Zeilen 12 bis 14), und andererseits E10 eindeutig lehrt, dass eine bessere Griffigkeit mit einem Mehrkomponentenverfahren erzielt werden kann. Dennoch wäre er dabei auch nicht zwangsläufig zu einem Gegenstand nach Anspruch 1 gelangt, d.h. zu einem Tragband mit sich abwechselnden Tragabschnitten und Gelenkabschnitten aus Werkstoffen mit unterschiedlichen Eigenschaften, da er weiß, dass sich eine erhöhte Flexibilität der Gelenkabschnitte gegenüber den Tragabschnitten schon durch die angespritzten Bodensegmente ergibt. Er hätte genauso ein Tragband herstellen können, das die gleichen Eigenschaften über die ganze Länge aufweist.
3.1.7 Folglich führt die Zusammenschau von E2 mit E10 ohne rückschauende Betrachtung nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.
3.2 Ausgehend von der E4 würde der Fachmann auch unter Berücksichtigung der Lehre nach E6 nicht zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Die Gründe sind folgende:
3.2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem der E4 zumindest durch die Merkmale F8.1 und F8.2.
Die Beschwerdekammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass ein mittels der Leitungsführungseinheit nach E4 geführtes Kabel die Segmente der Leitungsführungseinheit, welche nur mit Rastnocken an dem Tragband befestigt sind, wegstoßen könnte. Daher könnte ein zu lösendes Problem darin gesehen werden, eine stabilere formschlüssige Befestigung der Segmenten auf dem Tragband zu entwickeln.
3.2.2 Das bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung genannte Dokument E6 schlägt bei der Ausführung gemäß Figur 6 vor, einen Teil der Segmente, nämlich die Bodenstege 35, einstückig an dem Gleitband anzuformen (siehe E6, Absatz 50). Dazu entnimmt der Fachmann der E6, dass das Gleitband "alternierend zueinander angeordnete Bereiche mit erhöhter und verringerter Biegefestigkeit bezüglich der Abwinklungsrichtungen aufweisen" kann, wobei die Bereiche mit erhöhter Biegefestigkeit "vorzugsweise mittig zwischen benachbarten Führungsgliedern angeordnet" sein können (siehe E6 Absatz 25 und Anspruch 10), und wobei sich die Biegefestigkeit aus den Materialeigenschaften und/oder der Profilierung ergibt.
Die Beschwerdekammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass der Begriff "Materialeigenschaften" in der Passage "die sich in den Materialeigenschaften ... unterscheiden" auf ein Mehrkomponentenverfahren hindeutet.
3.2.3 Durch die Anformung der Bodenstege an dem Gleitband ergeben sich aus der Profilierung zwangsläufig Bereiche mit verschiedenen Biegefestigkeiten. Ein Tragband mit alternierend zueinander angeordneten Bereichen mit erhöhter und verringerter Biegefestigkeit, die im Mehrkomponentenverfahren gebildet sind, in Kombination mit Bodenstegen, die einstückig an diese angeformt sind, ist in E6 nicht eindeutig offenbart.
3.2.4 Außerdem, bei der Anwendung der Lehre von E6 auf eine Leitungsführungseinheit nach E4 wären auch die Segmente nach E4 entsprechend zu ändern. Dabei wären nur noch die Seitenwände der Segmente mit dem Tragband zu verbinden. Die Seitenwände 33 bilden jedoch allein keinen Kanal und formen folglich kein Segment im Sinne des angefochtenen Patents. Eine Zusammenschau von E4 und E6 würde daher nicht zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents führen.
3.3 Schließlich gibt die Beschwerdeführerin zu, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von einer Kette nach E1 oder E4 durch die Merkmale F8.2 und F8.3 unterscheidet (siehe Punkt 5. der Beschwerdebegründung), welche Merkmale auch aus der E2 nicht bekannt sind. Auch eine Kombination der Druckschriften E1 und E2 sowie eine Kombination der Druckschriften E4 und E2 würden daher den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahelegen.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich somit nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach E1, E2, E4, E6 oder E10 oder aus einer Kombination derselben. Der Gegenstand des Patents in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung gilt daher als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.