T 2033/10 () of 25.3.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T203310.20150325
Datum der Entscheidung: 25 März 2015
Aktenzeichen: T 2033/10
Anmeldenummer: 07013103.2
IPC-Klasse: H01P 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hohlleiterkrümmer
Name des Anmelders: Kathrein-Werke KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Änderungen - offenbart
Klarheit (bejaht)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) richtete ihre am 29. Juli 2010 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr eingelegte Beschwerde gegen die am 4. Juni 2010 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen. Die Beschwerdebegründung wurde am 6. September 2010 eingereicht.

II. Die Prüfungsabteilung hatte ihre Entscheidung mit fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ 1973) der Gegenstände der Ansprüche des damals vorliegenden Antrags begründet.

III. In der Prüfung waren die folgenden Dokumente zitiert worden :

D1 : US-A-2 411 338;

D2 : EP-A-0 285 295; und

D3 : JP-A-03 167901.

IV. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis eines Satzes neuer Ansprüche sowie einer daran angepassten Beschreibung. Darüber hinaus wurde hilfsweise eine mündliche Verhandlung beantragt.

V. Am 11. November 2014 wurde die Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung geladen. In einem der Ladung gemäß Artikel 15(1) VOBK beigefügten Bescheid erhob die Kammer Klarheitseinwände und bezweifelte, unter Bezugnahme auf Dokument D2, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit für den Gegenstand des vorgelegten Antrags.

VI. Die Beschwerdeführerin ersetzte daraufhin mit Eingabe vom 25. Februar 2015 ihren vorherigen Antrag durch einen neuen Hauptantrag und vier Hilfsanträge.

VII. In der mündlichen Verhandlung am 25. März 2015 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patentes auf der Basis der folgenden Unterlagen :

Ansprüche : 1 und 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

Beschreibung : Seiten 1 bis 11, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

Zeichnung : Blätter 1/2 und 2/2, wie ursprünglich eingereicht.

VIII. Der Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut :

"1. 90°-Hohlleiterkrümmer mit folgenden Merkmalen:

- der Hohlleiterkrümmer weist zwei senkrecht zueinander stehende Hohlleiter-Anschlussstücke (1) auf,

- zwischen den beiden Hohlleiter-Anschlussstücken

(1) ist ein die 90°-Richtungsänderung ergebender Winkelabschnitt (17) vorgesehen;

- der Winkelabschnitt (17) weist außenliegend zur 90°-Richtungsänderung eine quadratische Abschrägung (19) und jeweils einen Ausgleichs-Wandabschnitt (23) als Begrenzungswand für den Hohlleiterkrümmer auf, wodurch der Hohlleiter-Kanal nach außen hin begrenzt ist;

- die Hohlleiter-Anschlussstücke (1) weisen einen quadratischen Innen-Querschnitt mit einer Kantenlänge a auf;

- die Seitenlänge der Abschrägung (19) ist gleich der Kantenlänge a mit einer Abweichung von weniger als ± 0,1 %;

- die Abschrägung (19) ist senkrecht zur Winkelhalbierenden (21) des 90°-Hohlleiterkrümmers ausgerichtet;

- der 90°-Hohlleiterkrümmer ist für die Übertragung eines Frequenzbereiches von 10,7 GHz bis 12,75 GHz ausgebildet; und

- der 90°-Hohlleiterkrümmer besteht aus einem Zink-Druckgussmaterial."

Der Anspruch 2 ist ein abhängiger Anspruch.

Entscheidungsgründe

1. Im Folgenden wird auf die Erfordernisse des am 13. Dezember 2007 in Kraft getretenen EPÜ 2000 Bezug genommen, es sei denn die früheren Vorschriften des EPÜ 1973 gelten weiter für anhängige Anmeldungen.

2. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 99 EPÜ und ist damit zulässig.

3. Änderungen (Offenbarung und Klarheit)

3.1 Der Patentanspruch 1 stützt sich auf die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3, 5 und 8, deren Inhalt durch die Aufnahme von der Beschreibung entnehmbaren Merkmalen ergänzt ist.

Die in den Anspruch 1 zusätzlich aufgenommenen Merkmale betreffen im Einzelnen die Angabe der geforderten Genauigkeit von weniger als ± 0,1 % für die Seitenlänge der Abschrägung (Seite 5, Zeilen 6-11 der ursprünglich eingereichten Beschreibung), die Angabe des Übertragungs-Frequenzbereiches (Seite 4, Zeilen 4-9 der ursprünglichen Beschreibung), sowie die Festlegung auf das verwendete Druckgussmaterial (Seite 7, Zeilen 5 6 der ursprünglichen Beschreibung).

Insbesondere durch die Festlegung der Symmetrie der Krümmerstruktur, der geforderten Genauigkeit für die Bemaßung der Abschrägung sowie des zu verwendenden Materials enthält der vorliegende Anspruch 1 alle Merkmale, die zur Lösung der auf Seite 3, Zeilen 16-24 der vorliegenden Beschreibung gestellten Aufgabe erforderlich sind.

3.2 Das zusätzliche Merkmal gemäß dem Unteranspruch 2 basiert auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 6.

3.3 Die vorliegenden Ansprüche erfüllen daher das Erfordernis der Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973) und enthalten keine Angaben, die über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen (Artikel 123(2) EPÜ).

4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

4.1 Dokument D2 (vgl. die Figuren 2 bis 5 mit der zugehörigen Beschreibung) stellt den dem Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 am nächsten kommenden Stand der Technik dar.

Das Dokument zeigt mit den zitierten Figuren einen 90°-Hohlleiterkrümmer mit einem die 90°-Richtungsänderung ergebenden Winkelabschnitt zwischen zwei senkrecht zueinander stehenden, einen quadratischen Innen-Querschnitt aufweisenden Hohlleiter-Anschlussstücken. Dabei besitzt der Winkelabschnitt außenliegend zur 90°-Richtungsänderung eine Abschrägung und jeweils einen Ausgleichs-Wandabschnitt als Begrenzungswand für den Hohlleiterkrümmer, wodurch der Hohlleiter-Kanal nach außen hin begrenzt ist. Die genannte Abschrägung ist senkrecht zur Winkelhalbierenden des 90°-Hohlleiterkrümmers ausgerichtet. Das Dokument beschreibt zwei konkrete Ausführungen der Struktur der Figur 2, die sich in der Größe der Abschrägung und dabei insbesondere in deren Länge in Ausbreitungsrichtung der elektromagnetischen Strahlung unterscheiden. Während sich für die eine dieser Ausführungen mit den D2 entnehmbaren Angaben eine Abweichung von der Kantenlänge des quadratischen Innen-Querschnitts von 9,99% errechnen lässt, errechnet sich für die andere Ausführung eine Abweichung von lediglich 0,88%. Anhand der in den Figuren 3 und 4 dargestellten Messkurven wird illustriert, dass sich eine Verringerung der Größe der Abschrägung positiv auf die Rückfluss-Dämpfung der beiden Grundmoden der Wellenausbreitung im Hohlleiter auswirkt. Als Frequenzbereich sieht D2 einen Betrieb in einem Band von 7 GHz bis 9,6 GHz vor (Spalte 6, Zeilen 5-6; Figuren 3-5).

4.2 Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem aus D2 bekannten 90°-Hohlleiterkrümmer in den folgenden drei Merkmalen :

- die Seitenlänge der Abschrägung ist gleich der Kantenlänge a mit einer Abweichung von weniger als ± 0,1 %;

- der 90°-Hohlleiterkrümmer ist für die Übertragung eines Frequenzbereiches von 10,7 GHz bis 12,75 GHz ausgebildet; und

- der 90°-Hohlleiterkrümmer besteht aus einem Zink-Druckgussmaterial.

4.3 Die Beschwerdeführerin hat hinsichtlich der genannten Unterschiede erläutert, dass es bei der vorliegenden Anmeldung darum gehe, in Verbindung mit der Bereitstellung eines quadratischen Hohlleiters zum Anschluss an eine Fernseh-Satellitenantenne einen 90°-Hohlleiterkrümmer zu schaffen, der sich einerseits kostengünstig als Consumer-Massenprodukt herstellen lasse und andererseits auch für schwache Signale kleinerer Antennen mit einem einzigen Krümmer eine ausreichend verlustfreie Leitung elektromagnetischer Wellen der beiden dabei auftretenden Grundmoden gewährleiste. Dabei sei es von besonderer Bedeutung, die verlustfreie Leitung ohne Einschränkungen über die gesamte Breite des für den Satellitenempfang vorgegebenen Frequenzbereiches sicherzustellen.

In diesem Zusammenhang hätten die Erfinder der vorliegenden Anmeldung erkannt, dass sich ein minimaler Leitungsverlust in einem für beide Ausbreitungsmoden gemeinsamen Hohlleiter mit einem 90°-Hohlleiterkrümmer exakt dann ergebe, wenn die Abschrägung im Hohlleiter symmetrisch angeordnet ist und ihre Länge in Ausbreitungsrichtung der elektromagnetischen Wellen genau mit der Kantenlänge a des Hohlleiters übereinstimmt. Es habe sich nämlich gezeigt, dass die Rückfluss-Dämpfung als ein die Wellenausbreitung entscheidend charakterisierender Parameter besonders sensibel auf die Länge der die 90°-Richtungsänderung bewirkenden Abschrägung reagiere. Dies belegten die in der Tabelle auf Seite 4 der Eingabe vom 25. Februar 2015 für verschiedene Abschrägungslängen zusammengestellten Daten.

Angesichts der hohen Anforderung an die Präzision für die Einhaltung der Idealgeometrie der quadratischen Abschrägung sei es zusätzlich noch darum gegangen, ein Herstellungsverfahren zu finden, welches zuverlässig eine hohe Fertigungsgenauigkeit bei niedrigem Kostenaufwand ermögliche.

4.4 Die Kammer hält die Ausführungen der Beschwerdeführerin für plausibel.

Die Prüfungsabteilung hat zwar zu Recht festgestellt, dass die Figur 2 des Dokuments eine Ausbildung der Länge der die 90°-Richtungsänderung bewirkenden Abschrägung in der Größenordnung der Kantenlänge a des Hohlleiters zeige. Auch kann der einschlägige Durchschnittsfachmann den in den Figuren 3 und 4 des Dokuments D2 dargestellten Messergebnissen für die Rückfluss-Dämpfung entnehmen, dass die Werte für eine Länge der Abschrägung, welche die Hohlleiter-Kantenlänge um 0,88% übersteigt, besser sind, als die Werte, die sich für eine Überschreitung um 9,99% ergeben. Daher ist die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, für den Fachmann habe es nahegelegen, eine Länge der Abschrägung im Bereich der Kantenlänge des Hohlleiters zu wählen, durchaus schlüssig.

Doch ist demgegenüber festzuhalten, dass Dokument D2 über die Darstellung des Frequenzverlaufs der Rückfluss-Dämpfung für das Beispiel zweier Abschrägungslängen hinaus keine weitergehende umfassende Lehre zur Verbesserung der Rückfluss-Dämpfung gibt. Insbesondere lehrt Dokument D2 nicht, dass ein scharfes Optimum für die Rückfluss-Dämpfung genau dann auftritt, wenn die Länge der Abschrägung exakt gleich der Kantenlänge des quadratischen Hohlleiters ist, und dass bereits relativ geringfügige Abweichungen hiervon im Bereich weniger Prozent eine erhebliche Verschlechterung der Wellenausbreitung zur Folge haben.

Auch wenn sich durch die Wahl eines benachbarten Frequenzbandes für die Betriebsfrequenz die der Wellenausbreitung zugrundeliegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht ändern, so ist doch der Umstand, dass der 90°-Hohlleiterkrümmer gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 im Vergleich zu dem aus dem Dokument D2 bekannten 90°-Hohlleiterkrümmer für den Betrieb bei höheren Frequenzen auszulegen ist, insofern von Bedeutung als hierbei aufgrund der kleineren Wellenlänge die Anforderungen an die einzuhaltende Genauigkeit tendenziell schwerer wiegen.

Besonders bedeutsam ist nach Auffassung der Kammer auf jeden Fall die Wahl des beanspruchten Materials, da, wie von der Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht, nur mit Hilfe eines Zink-Druckgusses im Vergleich zur Verwendung anderer Metalle und auch im Vergleich zu anderen Herstellungsmethoden als dem Druckguss sich der 90°-Hohlleiterkrümmer qualitativ hochwertig als Massenprodukt mit der geforderten extremen Genauigkeit und Zuverlässigkeit kostengünstig herstellen lässt. Demgegenüber gibt Dokument D2 keinerlei Anregung hinsichtlich der Verwendung des beanspruchten speziellen Materials.

4.5 Keines der beiden anderen Dokumente des verfügbaren Standes der Technik enthält Hinweise auf einen 90°-Hohlleiterkrümmer für einen quadratischen Hohlleiter, wie er im vorliegenden Anspruch 1 definiert ist.

Dokument D1 (vgl. die Zeichnung) betrifft einen 90°-Hohlleiterkrümmer in einem Rechteckhohlleiter, so dass das Dokument schon prinzipiell keine Bemaßungsregel für die Abschrägung in einem Hohlleiter mit quadratischem Querschnitt geben kann.

Dokument D3 zeigt in den Beispielen der Figuren 3 und 4 zwar einen 90°- Hohlleiterkrümmer für einen Hohlleiter mit quadratischem Querschnitt, bei dem die Abschrägung senkrecht zur Winkelhalbierenden des 90°-Hohlleiterkrümmers ausgerichtet ist. Eine sich auf die Kantenlänge des Hohlleiters beziehende Bemessungsangabe für die Abschrägung ist dem Dokument jedoch nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus enthalten die Dokumente D1 und D3 keinen Hinweis auf die Wahl eines Zink-Druckgussmaterials für die Herstellung des Hohlleiterkrümmers.

4.6 Damit gelangt der Fachmann auch mit Hilfe einer wie auch immer gearteten Zusammenschau des nachgewiesenen Standes der Technik nicht zu einem 90°-Hohlleiterkrümmer mit den Merkmalen des vorliegenden Anspruchs 1.

Zwar führt das Zusammenwirken der die Unterschiede zum Stand der Technik gemäß Dokument D2 begründenden beanspruchten Merkmale nicht zu einem überraschenden, die Summe der Wirkungen der Einzelmaßnahmen übersteigenden Effekt, doch wirken die genannten Merkmale in einer sich ergänzenden, durch den Stand der Technik nicht nahegelegten Weise nutzbringend zusammen.

4.7 Aus den dargelegten Gründen ist der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 neu gegenüber jedem der Dokumente D1 bis D3 und beruht auf einer erfinderischen Leistung.

4.8 Der Anspruch 2 betrifft eine vorteilhafte Weiterbildung des Gegenstandes des Anspruchs 1.

4.9 Die Kammer erachtet daher auch die Erfordernisse der Artikel 52(1), 54(1) und (2) und 56 EPÜ 1973 als erfüllt.

5. Die überarbeitete Beschreibung und die Zeichnungen erfüllen die an sie zu stellenden Anforderungen.

6. Aus den dargelegten Gründen ist der Antrag der Beschwerdeführerin gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Aus diesen Gründen wird entschieden :

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in der folgenden Fassung zu erteilen :

Ansprüche 1 und 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 25. März 2015;

Beschreibungsseiten 1 - 11, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 25. März 2015;

Zeichnungen, Blätter 1/2 - 2/2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung.

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