T 2027/10 () of 29.11.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T202710.20131129
Datum der Entscheidung: 29 November 2013
Aktenzeichen: T 2027/10
Anmeldenummer: 05802362.3
IPC-Klasse: F02M 25/07
F02D 9/04
F02B 29/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FAHRZEUG MIT TURBO-DIESELMOTOR UND ABGASRÜCKFÜHRUNG
Name des Anmelders: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: PIERBURG GMBH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit - Hilfsantrag 6 (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung Hilfsanträge 2-4 und 2a-4a (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1,5 und 5a (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2010, zur Post gegeben am 20. Juli 2010, das Europäische Patent Nr. 1 812 705 in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag 1, wie eingereicht mit Fax vom 10. Mai 2010, nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte am 24. September 2010 zusammen mit der Begründung Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet.

III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 24. September 2013 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 29. November 2013 unter Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

Für die vorliegende Entscheidung wurden folgende Beweismittel herangezogen:

eingereicht mit Einspruchseinlegung

D1 = EP 1 213 468 A2

D2 = EP 1 455 078 A1

D7 = DE 600 24 776 T2

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des europäischen Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 5, eingereicht am 21. Oktober 2013 wie Hilfsanträge 2 bis 6 vor der Einspruchsabteilung, oder eines der Hilfsanträge 2a, 3a, 4a, 5a und 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

V. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Hauptantrag (wie im Einspruch aufrechterhalten):

"Fahrzeug mit einem Dieselmotor (1), der folgendes aufweist:

- einen Ansaugtrakt (2), über den Frischluft durch einen Verdichter (4) eines Abgas-Turboladers (4, 5) angesaugt, verdichtet und über einen Ladeluftkühler (6) dem Dieselmotor (1) zugeführt wird,

- eine Abgasanlage (3), in der aus dem Dieselmotor (1) ausströmendes Abgas eine mit dem Verdichter (4) drehgekoppelte Turbine (5) des Abgas-Turboladers (4, 5) antreibt und das Abgas nach der Turbine (5) durch einen Rußpartikelfilter (7) strömt,

eine Einrichtung (8), die

-in der Abgasanlage (3) angeordnet ist,

- in Strömungsrichtung des Abgases nach dem Rußpartikelfilter (7) angeordnet ist, und

- in Fluidverbindung mit dem Ansaugtrakt (2) steht,

wobei über die Einrichtung (8) ein Teilvolumenstrom des Abgases aus einem Abgastrakt der Abgasanlage (3) entnommen und dem Ansaugtrakt (2) zugeführt werden kann,

dadurch gekennzeichnet, dass

a) die Einrichtung (8) ein Abzweigventil ist,

b) das Abzweigventil (8) eine unbetätigte Grundstellung aufweist, in der es die Fluidverbindung zum Ansaugtrakt (2) hin verschließt,

c) das Abzweigventil (8) mehrere Öffnungsstellungen aufweist, wobei sich durch zunehmendes Öffnen des Abzweigventils (8) der Strömungsquerschnitt der Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin vergrößert und gleichzeitig der Strömungsquerschnitt der Abgasanlage (3) zu einem Endrohr hin verringert, und umgekehrt."

Hilfsantrag 1:

Wie Hauptantrag, unter Einfügung des Wortes "stets" in Merkmal c) des Kennzeichens Kennzeichens (Änderung von der Kammer hervorgehoben):

" ...

c) das Abzweigventil (8) mehrere Öffnungsstellungen aufweist, wobei sich stets durch zunehmendes Öffnen des Abzweigventils (8) der Strömungsquerschnitt der Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin vergrößert und gleichzeitig der Strömungsquerschnitt der Abgasanlage (3) zu einem Endrohr hin verringert, und umgekehrt."

Hilfsantrag 2:

Wie Hauptantrag, unter Hinzufügung folgender neuer Merkmale nach Merkmal a) im Kennzeichen Kennzeichen (Änderungen wiederum hervorgehoben):

" ...

b) das Abzweigventil (8) eine drehbar oder schwenkbar angeordnete Ventileinrichtung (10, 10a, 10b) aufweist,

c) das Abzweigventil (8) eine unbetätigte Grundstellung aufweist, in der die Ventileinrichtung (10, 10a, 10b) die Fluidverbindung zum Ansaugtrakt (2) hin verschließt,

d) das Abzweigventil (8) mehrere Öffnungsstellungen aufweist, wobei die Ventileinrichtung (10, 10a, 10b) durch zunehmendes Drehen bzw. Schwenken der Ventileinrichtung in eine Öffnungsrichtung des Abzweigventils (8) den Strömungsquerschnitt der Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin vergrößert und gleichzeitig den Strömungsquerschnitt der Abgasanlage (3) zu einem Endrohr hin verringert, und umgekehrt."

Hilfsantrag 2a:

wie Hilfsantrag 2, unter Einfügung des Wortes "stets" in Merkmal d) des Kennzeichens (Änderungen hervorgehoben):

"...

d) das Abzweigventil (8) mehrere Öffnungsstellungen aufweist, wobei die Ventileinrichtung (10, 10a, 10b) stets durch zunehmendes Drehen bzw. Schwenken der Ventileinrichtung in eine Öffnungsrichtung des Abzweigventils (8) den Strömungsquerschnitt der Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin vergrößert und gleichzeitig den Strömungsquerschnitt der Abgasanlage (3) zu einem Endrohr hin verringert, und umgekehrt."

Hilfsantrag 3:

Wie Hilfsantrag 2, wobei in den Merkmalen b),c) und d) der Ausdruck "Ventileinrichtung" durch "Ventilkörper" ersetzt wurde (Änderungen hervorgehoben):

"...

b) das Abzweigventil (8) einen drehbar oder schwenkbar angeordneten Ventilkörper (10,10a, 10b) aufweist,

c) das Abzweigventil (8) eine unbetätigte Grundstellung aufweist, in der der Ventilkörper (10, 10a, 10b) die Fluidverbindung zum Ansaugtrakt (2) hin verschließt,

d) das Abzweigventil (8) mehrere Öffnungsstellungen aufweist, wobei der Ventilkörper (10, 10a, 10b) durch zunehmendes Drehen bzw. Schwenken der Ventileinrichtung in eine Öffnungsrichtung des Abzweigventils (8) den Strömungsquerschnitt der Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin vergrößert und gleichzeitig den Strömungsquerschnitt der Abgasanlage (3) zu einem Endrohr hin verringert, und umgekehrt."

Hilfsantrag 3a:

Wie Hilfsantrag 3, unter Einfügung des Wortes "stets" in Merkmal d) des Kennzeichens (Änderungen hervorgehoben):

"...

d) das Abzweigventil (8) mehrere Öffnungsstellungen aufweist, wobei der Ventilkörper (10, 10a, 10b) stets durch zunehmendes Drehen bzw. Schwenken der Ventileinrichtung in eine Öffnungsrichtung des Abzweigventils (8) den Strömungsquerschnitt der Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin vergrößert und gleichzeitig den Strömungsquerschnitt der Abgasanlage (3) zu einem Endrohr hin verringert, und umgekehrt."

Hilfsantrag 4:

Wie Hauptantrag, wobei nach Merkmal a) im Kennzeichen ein neues Merkmal b) eingefügt wurde. Die alten Merkmale b) und c) wurden in Merkmal c) und d) umbenannt:

"...

b) das Abzweigventil (8) eine drehbare oder schwenkbare Ventilklappe (10) aufweist, wobei durch die Schwenkstellung der Ventilklappe der Strömungsquerschnitt zum Ansaugtrakt (2) hin und der Strömungsquerschnitt zum Endrohr der Abgasanlage (3) hin bestimmt ist,

..."

Hilfsantrag 4a:

Wie Hilfsantrag 4, unter Einfügung des Wortes "stets" in Merkmal d) des Kennzeichens (Änderung hervorgehoben):

"...

d) das Abzweigventil (8) mehrere Öffnungsstellungen aufweist, wobei sich stets durch zunehmendes Öffnen des Abzweigventils (8) der Strömungsquerschnitt der Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin vergrößert und gleichzeitig der Strömungsquerschnitt der Abgasanlage (3) zu einem Endrohr hin verringert, und umgekehrt."

Hilfsantrag 5:

Wie Hilfsantrag 4, wobei in Merkmal b) der Wortlaut "drehbare oder" entfiel (Änderungen hervorgehoben):

"...

b) das Abzweigventil (8) eine [deleted: drehbare oder] schwenkbare Ventilklappe (10) aufweist, wobei durch die Schwenkstellung der Ventilklappe der Strömungsquerschnitt zum Ansaugtrakt (2) hin und der Strömungsquerschnitt zum Endrohr der Abgasanlage (3) hin bestimmt ist,

..."

Hilfsantrag 5a:

Wie Hilfsantrag 5, unter Einfügung des Wortes "stets" in Merkmal d) des Kennzeichens (Änderung hervorgehoben):

"...

d) das Abzweigventil (8) mehrere Öffnungsstellungen aufweist, wobei sich stets durch zunehmendes Öffnen des Abzweigventils (8) der Strömungsquerschnitt der Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin vergrößert und gleichzeitig der Strömungsquerschnitt der Abgasanlage (3) zu einem Endrohr hin verringert, und umgekehrt."

Hilfsantrag 6:

Wie Hilfsantrag 5a, wobei am Ende des Merkmals d) folgender Wortlaut angefügt wurde:

"...

d) ..., wobei an den Dieselmotor (1) ein Auspuffkrümmer angeflanscht ist, der zusammen mit dem Abgas-Turbolader (4, 5), dem Rußpartikelfilter (7) und dem Abzweigventil (8) zu einer baulichen Einheit miteinander verbunden ist".

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Hauptantrag

In der Abgasrückführung (AGR) nach Figur 2 der D2 für Fahrzeuge (vgl. D2, Abs. 0019) gebe es keine konkrete Ausführungsform für das dort gezeigte Abzweigventil in Form des "Abgasdruck-Regelventils 33". Ein passendes Abzweigventil finde sich in den Figuren 2A-2C der D7. Dabei sei es unerheblich, dass D7 eine Hochdruck-AGR beschreibe, wohingegen Figur 2 der D2 eine Niederdruck-AGR betreffe. Das AGR-Ventil aus Figur 2A-2C der D7 sei zwar einer höheren Belastung durch Druck und Rußpartikel ausgesetzt, was aber im Falle des Einbaus als AGR-Ventil in der Niederdruck-AGR nach Figur 2 der D2 für den Fachmann keine ersichtlichen Nachteile oder Hindernisse nach sich ziehe. Die in Anspruch 1 des Hauptantrags angegebene "unbetätigte Grundstellung", sei lediglich eine Ventilposition, in der momentan keine Kraft von außen eine Bewegung bewirke, d.h. irgendeine Ausgangs- oder Normalstellung des Ventils. Auch dem Patent sei die automatische Einnahme einer Grundstellung nicht zu entnehmen. Abgesehen davon wäre dem Fachmann bei Versagen des AGR-Ventiltriebs eine selbsttätig eingenommene "Notfallposition" unter Verschluss des AGR-Bereichs erst recht bekannt. Somit würde der Fachmann auf der Suche nach einem "Abgasdruck-Regelventil 33" für Figur 2 der D2 durch den Einbau des hierfür geeigneten Drosselventils aus Figur 2A-2C der D7 mit seiner unbetätigten Grundstellung in Figur 2B unmittelbar zu Anspruch 1 gelangen. Und schließlich sei Anspruch 1 des Hauptantrags auch im Lichte der D2 und dem Ausführungsbeispiel des Ventils nach Figur 5 aus Abs. 0054 der D7 nahe gelegt.

Hilfsantrag 1

Zur verbesserten Sicherheit aufgrund der "steten" Kopplung der Ausgangsöffnungen des Abzweigventils in Anspruch 1 gebe das Patent keinen direkten Hinweis. Daher könne auch in D7 ein Aufstauen des Abgases, also der Stellweg von Figur 2B nach Figur 2A in D7 etwa aus Gründen der Überhitzung entfallen, und der Fachmann würde durch den Einbau eines solcherart modifizierten Drosselventils in Figur 2 der D2 naheliegend zum Gegenstand des Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 gelangen.

Hilfsanträge 2 bis 4 (bzw. 2a bis 4a)

Da die Begriffe "drehbar" und "schwenkbar" ursprünglich nur im Kontext mit ganz bestimmten Ventilelementen offenbart seien, sei Anspruch 1 dieser Hilfsanträge unzulässig erweitert worden.

Hilfsantrag 5 (bzw. 5a)

Als Reaktion auf die neuen Hilfsanträge werde nun, ausgehend von Figur 2 der D2, das Abzweigventil aus Figur 5 der D1 für die Beurteilung der erfind. Tätigkeit des Anspruchs 1 herangezogen. D1 offenbare in Figur 5 eine schwenkbare Ventilklappe (paddle valve member 82) mit einer unbetätigten Grundstellung in seiner am Ventilsitz (valve seat 74) anliegenden Schließposition (closed position). Obwohl das Ventil aus D1 wieder am Abzweig einer Hochdruck-AGR-Leitung verbaut sei, stelle dessen Anwendung in D2, wie schon zur D7 erläutert, für den Fachmann kein Hindernis dar. Aus diesem Grund führe ausgehend von D2 die Suche nach einem geeigneten "Abgasdruck-Regelventil 33" für Figur 2 der D2 zum Einbau einer Ventilklappe nach Figur 5 der D1 und somit unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 5 (bzw. 5a).

Hilfsantrag 6

Durch den neu aufgeworfenen Diskussionsrahmen eines nunmehr beanspruchten Auspuffkrümmers sei Anspruch 1 des verspäteten Hilfsantrags 6 nicht ins Verfahren zuzulassen.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Hauptantrag

Das AGR-System in Figur 2 der D2 werde nicht unbedingt in Fahrzeugen eingesetzt. Zudem sei das "Abgasdruck-Regelventil 33" in Figur 2 am Abzweig der AGR-Leitung nur optional. Dieses Ventil stelle zwar ein Abzweigventil im Sinne des Anspruchs 1 des Patents dar, nämlich ein Abzweigventil mit einem Eingang und zwei Ausgängen. Falls der Fachmann hierfür eine Ausführungsform suche, würde er das Drosselventil aus Figur 2A-2C der D7 aber nicht einfach in Betracht ziehen. Es stelle sich nämlich vorrangig die Frage, ob die Funktion des AGR-Systems in Figur 2 der D2 durch ein solches Ventil dann überhaupt gewährleistet sei. Abgesehen davon würde der Fachmann auch kein Drosselventil einer Hochdruck-AGR aus D7 verwenden, da es für die Niederdruck-AGR in D2 wohl völlig überdimensioniert sei. Darüber hinaus definiere Anspruch 1 des Patents eine "unbetätigte Grundstellung" des Abzweigventils. Aus der Sicht des Fachmanns werde diese Ventilstellung vom System immer dann selbsttätig eingenommen, wenn jede Steuerung abgeschaltet sei und von außen kein Steuersignal einwirke, auch nicht mechanisch. Eine solch unbetätigte, also automatisch eingenommene Grundstellung weise das Drosselventil in den Figuren 2A-2C der D7 nicht auf. Auch eine "Notlaufposition" bei gleichzeitigem Verschluss des AGR-Kanals ist D7 zu den Figuren 2A-2C nicht entnehmbar. Aus diesem Grunde würde selbst der Ersatz des "Abgasdruck-Regelventils 33" in Figur 2 der D2 durch das Drosselventil der Figuren 2A-2C der D7 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen. Abschließend sei in Abs. 0054 zu Figur 5 der D7 explizit erwähnt, dass dieses Ausführungsbeispiel eines Abzweigventils nicht Gegenstand der in D7 gelehrten Erfindung sei. Absatz 0054 sei daher isoliert vom übrigen Offenbarungsgehalt der D7. Ein Einbau als AGR-Ventil anstatt des "Abgasdruck-Regelventils 33" in Figur 2 der D2 sei daher durch Figur 5 aus D7 nicht angeregt und daher für den Fachmann ebenfalls nicht nahe gelegt. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei daher erfinderisch.

Hilfsantrag 1

Der Fachmann für Abgasrückführungen würde aus dem Patent unmittelbar und zweifelsfrei erkennen, dass die nun stete Kopplung der Auslassquerschnitte in Anspruch 1 bei vereinfachtem Ventilaufbau eine größere Sicherheit in allen Stellungen gegen Überhitzung bewirke: siehe z.B. Figuren 3 und 4 des Patents. Diese mechanische Kopplung der Ventilöffnungen ermögliche immer einen definierten Mindestquerschnitt an einem der beiden Auslässe, und Anspruch 1 vermeide daher Zwangszustände wie das gleichzeitige Schließen des AGR-Kanals und Abgaskanals (Volumenstromaufteilung des Schöpfventils). Im Gegensatz dazu stiegen in D7 von der Ventilstellung 2B nach 2A der Figur 2 Druck und Temperatur permanent an, da der Gesamtquerschnitt immer kleiner werde. Der Gegenstand des Anspruchs des Hilfsantrags 1 beruhe folglich selbst unter Zusammenschau von D2 mit D7 auf einer erfind. Tätigkeit.

Hilfsanträge 2 bis 4 (bzw. 2a bis 4a)

In der ursprünglichen Anmeldung sei "drehbar" als kontinuierliches Drehen, "schwenkbar" als eine Drehung mit weniger als 360**(0) zu verstehen. Anspruch 1 der Hilfsanträge basiere auf den Ausführungsformen in den Figuren 3, 4, 6a und 6b.

Hilfsantrag 5 (bzw. 5a)

Ausgehend von Figur 2 der D2 würde der Fachmann die schwenkbare Ventilklappe (paddle valve member 82) aus Figur 5 der D1 wieder nicht als Abzweigventil berücksichtigen, da es ebenfalls einer Hochdruck-Abgasrückführung dient. Wie schon zur D7 angemerkt, sei die Vermischung von Hochdruck- und Niederdrucksystemen aufgrund der unterschiedlichen Auslegung von Ventilelementen zumindest bedenklich. Jedenfalls offenbare auch D1 zur Ventilklappe der Figur 5 keine "unbetätigte Grundstellung" nach Anspruch 1 des Patents, welche vom System bei abgeschalteter Ventilsteuerung automatisch eingenommen werde. Selbst eine Zusammenschau von Figur 2 der D2 mit einer schwenkbaren Ventilklappe aus D1 würde den Fachmann somit nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 5 (bzw. 5a) führen.

Hilfsantrag 6

Zur Zulässigkeit erfolgte seitens der Beschwerdegegnerin kein Vortrag.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag

2.1 In Übereinstimmung mit den Parteien wird Figur 2 der D2 als nächstliegender Stand der Technik erachtet. Dokument D2 beschreibt in diesem Ausführungsbeispiel eine sogenannte Niederdruck-AGR, vgl. D2, Absatz 0031: hierbei erfolgt wie in Anspruch 1 des Patents die Abgasentnahme nach der Abgasnachbehandlung (Dieselpartikelfilter 23), und die Abgaseinleitung in den Ansaugtrakt - im vorliegenden Fall vor dem Verdichter des Turboladers (Kompressor 12). Absatz 0019 aus D2 folgend, findet das in Figur 2 dargestellte AGR-System, wie nach Anspruch 1 des Patents gefordert, in Fahrzeugen mit Dieselmotor Anwendung.

2.2 Während des Betriebs wird Frischluft aus dem Luftfilter 11 mit Abgas aus der Niederdruck-AGR-Leitung 32 gemischt, wobei das Mischungsverhältnis durch ein "Abgasdruck-Regelventil 33" am Eingang der AGR-Leitung und ein "AGR-Regelventil 31" an deren Ausgang eingestellt werden kann. Vgl. D2, Absatz 0033 und Figur 2. Eine optionale Anordnung des "Abgasdruck-Regelventils 33" ist nach Ansicht der Kammer nur in Zusammenhang mit Figur 1 beabsichtigt. Vgl. D2, Spalte 8, Zeilen 35 bis 38 und Figuren 1 und 2. Aber selbst wenn das Ventil "33" am Einlass der AGR-Leitung, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, auch in Figur 2 der D2 optional vorgesehen wäre, würde diese Einbauoption dennoch eine mögliche Ausführungsform nach Figur 2 darstellen.

2.3 Zur näheren Bedeutung des "Abgasdruck-Regelventils 33" in Figur 2 wird im Absatz 0031 der D2 auf die Absätze 0027 und 0028 verwiesen. Das Ventil regelt in Figur 2 also den Druck im Abgasweg nach dem Dieselpartikelfilter 23, sowie die Zuteilung des Abgases in die Niederdruck-AGR-Leitung 32. Es ermöglicht auch eine Regelung des Gegendruckes im Abgasweg.

Wie von der Beschwerdegegnerin eingeräumt, sind am "Abgasdruck-Regelventil 33" in Figur 2 der D2 ein Einlass und zwei Auslässe dargestellt. Folglich ist in dieser Ausführungsform nach Figur 2 ein Ventil zur Abzweigung eines Teilvolumenstroms des Abgases, also ein "Abzweigventil" im Sinne der in Anspruch 1 des Patents geforderten Einrichtung offenbart (vgl. Merkmal a) im Kennzeichen). Ein solches Abzweigventil muss beim Regeln der in D2 beschriebenen Parameter zudem mehrere Öffnungsstellungen aufweisen (vgl. Merkmal c) im Kennzeichen des Anspruchs 1).

2.4 Da D2 jedoch nirgends Auskunft gibt, welche Merkmale das in Figur 2 verwandte Abzweigventil "33" ansonsten im Detail aufweist, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents von der Offenbarung aus Figur 2 der D2 dadurch,

- dass das Abzweigventil eine unbetätigte Grundstellung aufweist, in der es die Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin verschliesst (vgl. Merkmal b) im Kennzeichen) und

- dass sich durch zunehmendes Öffnen des Abzweigventils der Strömungsquerschnitt der Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin vergrößert und gleichzeitig der Strömungsquerschnitt der Abgasanlage zu einem Endrohr hin verringert, und umgekehrt (vgl. Merkmal c) im Kennzeichen).

Die diesen unterscheidenden Merkmalen zugrunde liegende Aufgabe kann somit in der Suche nach einem geeignet ausgeführten "Abgasdruck-Regelventil 33" für die Regelung am Abzweig der Niederdruck-AGR nach Figur 2 der D2 gesehen werden.

2.5 Auf der Suche nach Abzweigventilen zur Rückführung von Abgas stösst der Fachmann auf Dokument D7. Im Gegensatz zu D2 beschreibt D7 detailliert den Aufbau eines Abzweigventils mit einem Einlass und zwei Auslässen, und zwar in Form des trommelförmigen Drosselventils 132 nach dem Ausführungsbeispiel der Figuren 2A bis 2C. Ein Auslass 138 dieses Ventils steht vorzugsweise (AGR-Verbindungsleitung in Figur 1 der D7 nicht dargestellt) in Strömungsmittelverbindung mit einem AGR-Regelventil, nämlich mit dem EGR-Ventil 34 (für: Exhaust Gas Recirculation), vgl. D7, Absatz 0046. Dadurch kann mittels des Drosselventils 132 von dessen Einlass 40 über seinen Auslass 138 Abgas dem EGR-Ventil 34 zugeführt, und der Strom des rückgeführten Abgases konditioniert bzw. gesteuert werden. Beispielsweise erzeugt die halbzylindrische Trommel des Ventils 132 in der in Figur 2C gezeigten Position einen größeren Strömungswiderstand als der Turbineneinlasskanal 42 des Turboladers 36. Eine Ventilposition nach Figur 2C hat daher zur Folge, dass der Druck des Abgases am Auslass 138 zum EGR-Ventil 34 hin ansteigt, vgl. D7, Absatz 0048.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin ist die Kammer folglich der Auffassung, dass das gemäß Figur 2A bis 2C der D7 beschriebene Drosselventil 132 prinzipiell geeignet ist, die zuvor unter Punkt 2.2 und 2.3 dieser Entscheidung erörterten Regelfunktionen des "Abgasdruck-Regelventils 33" in Zusammenspiel mit dem "AGR-Ventil 31" im AGR-system nach Figur 2 der D2 zu erfüllen.

2.6 In D7 erfolgt allerdings die Abgasentnahme vor der Turbine 46 des Turboladers 36: siehe D7, Figur 1 (Drosselventil 32) und Figuren 2A bis 2C (Ausführungsform Drosselventil 132). Diese Anordnung im Hochdruckzweig der Abgasführung kann nach Ansicht der Beschwerdeführerin in D7 zwar eine stärkere Belastung des Drosselventils 132 durch höheren Druck und Russ nach sich ziehen. Dennoch kann die Beschwerdeführerin keine Nachteile oder Widerstände erkennen, die ein solches Ventil aus der Sicht des Fachmanns zum Einsatz an einem Niederdruckzweig ungeeignet machen würden. Die Beschwerdegegnerin kann, außer vagen Bedenken zur Überdimensionierung des Hochdruckventils, der Kammer keinerlei Hinweis auf speziell abgestimmte oder angepasste Designmerkmale des Drosselventils 132 aufgrund der Hochdruck-AGR in D7 geben.

2.7 Die Kammer schließt sich daher der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass sich der Fachmann, ausgehend vom in Figur 2 der D2 gelehrten Niederdruck-AGR-System, auf der Suche nach einem funktionsgerechten "Abgasdruck-Regelventil 33" ohne weiters des Drosselventils 132 der D7 gemäss der Figuren 2A bis 2C bedienen würde.

2.8 Unstrittig offenbart das Drosselventil 132 aus D7 den im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Patents nach Merkmal c) geforderten Bereich einer abhängigen Verstellung der beiden Auslassquerschnitte des Abzweigventils: siehe Übergang der Ventilposition von Figur 2B nach Figur 2C in D7. Insbesondere die Tatsache, dass das Drosselventil nach D7 eine ähnliche Doppelfunktion wie das Abgasdruck-Regelventil 33 der D2 erfüllt - nämlich die der Druckerhöhung im Abgasweg und der Regelung des rückgeführten Abgasstroms - wird nach Ansicht der Kammer dem Fachmann nahelegen, bei der Wahl eines geeigneten Ventils für die Anordnung nach Figur 2 der D2 das Ventil nach Figur 2 der D7 in Erwägung zu ziehen.

2.9 Für die Kammer ist jedoch zu entscheiden, ob das Drosselventil 132 der D7 auch eine unbetätigte Grundstellung aufweist, oder nicht. Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin ist die in Anspruch 1 des Patents geforderte "unbetätigte Grundstellung" als definierte Stellung zu verstehen, die immer dann vom Abzweigventil selbstständig eingenommen wird, wenn von aussen kein Steuersignal auf das Ventil einwirkt. Für solch eine automatische Einnahme der Grundstellung des Ventils findet sich nach Auffassung der Kammer aber weder in Anspruch 1 selbst, noch im Patent eine für den Fachmann nachvollziehbare Grundlage: vgl. Patent, Absätze 0009 und 0016. Die Kammer folgt daher vielmehr der Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach eine "unbetätigte Grundstellung" gemäß Anspruch 1 nur eine Art Ausgangsstellung oder Normalstellung des Ventils beschreiben kann, in der momentan keine Kraft von außen eine Ventilbewegung bewirkt. Ob generell bei Störungen des Ventiltriebs eine selbständig eingenommene Ventilstellung unter Verschluss der Abgasrückführung (z.B. durch Federbelastung) als "Notlaufposition" durch allgemeines Fachwissen nahe gelegt ist, wie von der Beschwerdeführerin ebenfalls vorgetragen, oder nicht, ist für die vorliegende Entscheidung also ohne Belang.

2.10 Folglich offenbart beispielsweise die in Absatz 0047 der D7 beschriebene und in Figur 2B gezeigte normale Betriebsposition des Drosselventils 132 die Einnahme einer unbetätigten Grundstellung nach Merkmal b) des Kennzeichens des Anspruchs 1, da in dieser Stellung auch die Abgasrückführung, also eine Fluidverbindung zum Ansaugtrakt in einer Niederdruck-AGR gemäß Figur 2 der D2 verschlossen werden kann.

2.11 Aus den vorstehenden Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass, ausgehend vom AGR-system nach Figur 2 der D2, das vom Fachmann als "Abgasdruck-Regelventil 33" naheliegend verbaute Abzweigventil in Form des Drosselventils 132 der Figuren 2A bis 2C aus D7 alle Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 des Patents aufweist.

Ob darüber hinaus die Lehre der D7 in Absatz 0054 auch ein in Figur 5 der D7 gezeigtes Kombi-Ventil (Drosselventil 233 mit EGR-Ventil 135) als geeignetes Abzweigventil suggeriert, oder nicht, kann somit dahingestellt bleiben.

2.12 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht daher auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

3. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1

3.1 In Merkmal c) im Kennzeichen des Anspruchs 1 wurde das Wort "stets" eingefügt. Dadurch ändert sich nun in allen Stellungen des Abzweigventils nicht nur der Querschnitt des einen Auslasses, sondern immer auch der Querschnitt des zweiten Auslasses. Dieser Erfindungsgedanke ist z.B. in Absatz 0009 des Patents (vgl. Anmeldung, Seite 3, erster Absatz (wie veröffentlicht)) beschrieben.

3.2 Zur technischen Wirkung solch einer steten Kopplung der Auslassöffnungen des Abzweigventils in Anspruch 1 ist aus dem Patent, zumindest explizit, kein Hinweis abzuleiten. Die Beschwerdegegnerin ist jedoch der Ansicht, dass der mit Abzweigventilen für Abgasrückführung vertraute Fachmann unmittelbar aus der Patentschrift (vgl. Figuren) erkennt, dass mit diesem vorteilhaften Merkmal das Abzweigventil vereinfacht und insbesondere sicherer aufgebaut ist: unabhängig vom Betriebszustand konnte zuvor die Gefahr der Überhitzung eintreten, wenn beide Abgaskanäle ganz oder fast geschlossen sind. Dies wurde in Anspruch 1 mittels eines Schöpfventils zur Entnahme eines Teilvolumenstroms nun in allen Ventilstellungen mechanisch ausgeschlossen (vgl. Patent, Absatz 0008, Einleitung).

3.3 Ausgehend von Figur 2 der D2 ist der Fachmann nun daher mit der Suche nach einem sicheren und zugleich einfach ausgeführten Abzweigventil als Ausgestaltung für das "Abgasdruck-Regelventil 33" der D2 befasst. Der Fachmann würde zunächst wieder ohne weiters das Drosselventil 132 der Figuren 2A bis 2C der D7 als hierfür geeignet in Betracht ziehen. Vgl. die Ausführungen unter Punkt 2.3 bis 2.7 dieser Entscheidung.

3.4 Wenn, der Argumentation der Beschwerdegegnerin folgend, ein Fachmann auf dem Gebiet der Abgasrückführung z.B. aus Figur 3 und 4 des Patents unzweifelhaft eine Verbesserung der Überhitzungsproblematik aufgrund einer Zwangskopplung der beiden Ventilöffnungen in jeder Stellung der Klappe implizit entnehmen würde, muss dies im Umkehrschluss auch für implizite Offenbarungen aus dem Stand der Technik, im vorliegenden Fall der D7, gelten.

Aus diesem Grund würde der Fachmann nach Auffassung der Kammer durchaus erhöhte Temperaturen als Gefahrenquelle erkennen, falls, wie am Stellweg von Figur 2B nach Figur 2A der D7 ersichtlich, beide Auslassquerschnitte des Abzweigventils am Ende fast verschlossen sind. Darüber hinaus würde der Fachmann aus den in den Figuren gezeigten Stellungen unmittelbar erkennen, dass ein Weglassen der temperaturkritischen Stellungen von Figur 2B nach 2A aber auch dem Zweck der Vereinfachung des Drosselventils 132 dienen würde.

3.5 Durch die naheliegende Modifizierung zum sicheren und zugleich vereinfachten Drosselventil 132 aus D7 beim Einbau in Figur 2 der D2, nämlich vorteilhaft immer nur mit Öffnungsstellungen von Figur 2B nach Figur 2C, würde der Fachmann jedoch direkt zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 gelangen, da dadurch "stets" eine Kopplung der Auslassöffnungen in allen Stellungen des Abzweigventils erreicht wird. Siehe hierzu auch die Erläuterungen unter Punkt 2.9 und 2.10 dieser Entscheidung zur unbetätigten Grundstellung in Figur 2B der D7.

Welche Lehre Absatz 0054 zu Figur 5 der D7 entnommen werden kann ist, wie schon zum Hauptantrag, somit wieder gegenstandslos.

3.6 Daher erfüllt Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ebenfalls nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

4. Änderungen - Hilfsanträge 2 bis 4 und 2a bis 4a

4.1 In den Hilfsanträgen 2 und 3 (bzw. 2a und 3a) wird das Abzweigventil nun als eine drehbar oder schwenkbar angeordnete Ventileinrichtung (bzw. angeordneter Ventilkörper) beschrieben. Vgl. Merkmal b) im Kennzeichen des Anspruchs 1.

Den Ausführungen der Beschwerdegegnerin folgend, ist für den Fachmann unter "drehbar" kontinuierliches Drehen, unter "schwenkbar" hingegen ein Drehen mit weniger als 360**(0) zu verstehen. Ein solcherart gestaltetes Abzweigventil ist nach Auffassung der Kammer jedoch nur in Zusammenhang mit dem konkreten Ausführungsbeipiel einer Doppelklappe ursprünglich offenbart: vgl. Anmeldung, Seite 6, die letzten beiden Absätze, und die Figuren 6a und 6b (wie veröffentlicht). Da die nunmehr in Anspruch 1 geforderte Ventileinrichtung (bzw. der Ventilkörper) aber nicht unbedingt als Doppelklappe ausgebildet sein muss, geht der Gegenstand des Anspruchs 1 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus.

4.2 Im Hilfsantrag 4 (bzw. 4a) wird das Abzweigventil als drehbare oder schwenkbare Ventilklappe beschrieben. Vgl. Merkmal b) im Kennzeichen des Anspruchs 1.

Wie von der Beschwerdegegnerin erläutert, ist zwischen "drehbar" und "schwenkbar" zu unterscheiden, siehe vorstehenden Absatz dieser Entscheidung. Da eine Ventilklappe ursprünglich nur als schwenkbar angeordnet offenbart ist, und drehbar oder schwenkbar nur als Doppelklappe, wurde der Gegenstand des Anspruchs 1 auch in Hilfsantrag 4 (bzw. 4a) gegenüber der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert: vgl. Anmeldung, Seite 5, dritter Absatz, Seite 6, die letzten beiden Absätze, und die Figuren 3, 6a und 6b (wie veröffentlicht).

4.3 Ungeachtet deren Zulässigkeit erfüllt Anspruch 1 der verspätet eingereichten Hilfsanträge 2 bis 4 und 2a bis 4a daher nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

5. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 5 und 5a

5.1 Im Kennzeichen des Anspruchs 1 wurde in Hilfsantrag 5 (bzw. 5a) gegenüber dem Hauptantrag ein neues Merkmal b) eingefügt: Das Abzweigventil weist nun eine schwenkbare Ventilklappe auf, wobei durch deren Schwenkstellung die Öffnung zu den beiden Auslässen des Abzweigventils bestimmt ist. Die alten Merkmale b) und c) wurden in Merkmal c) und d) umbenannt.

In Hilfsantrag 5a wurde, so wie in Hilfsantrag 1, im letzten Merkmal des Kennzeichens zudem das Wort "stets" eingefügt, um eine Kopplung der beiden Auslassöffnungen in allen Stellungen des Abzweigventils zu erreichen. Vgl. Merkmal d) in Anspruch 1.

5.2 Als bester Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 wurde von den Parteien wieder ein Fahrzeug mit einer Abgasrückführung nach Figur 2 der D2 angesehen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 (bzw. 5a) unterscheidet sich von diesem Stand der Technik im Vergleich zum Hauptantrag nun auch noch durch das neue Merkmal b) im Kennzeichen. Siehe zum Hauptantrag die Ausführungen unter Punkt 2.2 bis 2.4 dieser Entscheidung.

Ausgehend von Figur 2 der D2 ist der Fachmann also wieder mit der Suche nach einer geeigneten Ausführungsform für das "Abgasdruck-Regelventil 33" in D2 befasst.

5.3 Als Reaktion auf den neu eingereichten Hilfsantrag 5 (bzw. 5a) der Beschwerdegegnerin bezieht sich die Beschwerdeführerin nunmehr auf das dem erteilten Anspruch 5 bereits im Einspruchsverfahren entgegengehaltene Dokument D1. Siehe prima facie Figur 5 der D1. Anspruch 5 wie erteilt entspricht im Wortlaut dem neuen Merkmal b) in Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 (bzw. 5a). Gegen die Zulässigkeit der D1 ins Verfahren erhob die Beschwerdegegnerin auch keinen Einwand.

Dokument D1 offenbart in Figur 5 die Ausführungsform eines Abzweigventils mit einem Einlass und zwei Auslässen. Dieses Abzweigventil wird als Abgasgegendruck-Ventileinrichtung (exhaust gas recirculation (EGR) back pressure valve assembly 36) beschrieben. Vgl. D1, Absätze 0022 und 0023, und Figur 5. Das Ventil weist eine schwenkbare Ventilklappe (paddle valve member 82) auf, wobei durch deren Schwenkstellung die Öffnung zu den beiden Auslässen bestimmt ist. Daraus folgt auch "stets" eine Kopplung der Auslassöffnungen in allen Ventilstellungen, ähnlich wie bei der Klappe 10 des Schöpfventils 8 im Ausführungsbeispiel nach Figur 3 des Streitpatents, siehe dort Absatz 0016.

5.4 Ein Auslass (exhaust port aperture 74) des Ventils in Figur 5 der D1 regelt die Zuteilung des Abgases in die AGR-Leitung (exhaust gas recirculation (EGR) loop 20) und ermöglicht so die Abgasrückführung. Bei geöffnetem Auslass 74 wird mittels der schwenkbaren Ventilklappe 82 zudem ein Gegendruck (back pressure) im Abgasweg (upstream portion 84) erzeugt, wodurch die Abgasrückführung verstärkt wird. Siehe D1, Absätze 0023 und 0024.

Die in Figur 5 der D1 gezeigte Abgasgegendruck-Ventileinrichtung 36 ist daher ebenfalls geeignet, die unter Punkt 2.2 bis 2.3 dieser Entscheidung ausführlich erläuterten Regelfunktionen des "Abgas-Regelventils 33" der D2 zu erfüllen, was im Übrigen von der Beschwerdegegnerin in Bezug auf D1 auch nicht angezweifelt wurde.

5.5 Die Beschwerdegegnerin wandte jedoch erneut ein, dass auch D1, wie schon zuvor D7, die Abgasentnahme vor der Turbine (turbine stage 24) eines Turboladers (turbo-compressor 26) beschreibt. So zeigt D1 in den Figuren 1 und 5 das Abzweigventil 36 am oder im spiralförmigen Einlass (scroll element 37) der Turbine 24 des Turboladers 26, also wieder eine Hochdruck-AGR. Aufgrund der von den Parteien sinngemäß wie zur D7 vorgetragenen Argumente ist die Kammer jedoch auch hier zur Auffassung gelangt, dass der Fachmann die Abgasgegendruck-Ventileinrichtung 36 der D1 ebenfalls als "Abgas-Regelventil 33" des in Figur 2 der D2 beschriebenen Niederdruck-AGR-Systems heranziehen würde. Vgl. Punkt 2.6 und 2.7 dieser Entscheidung zur D7.

5.6 Die Offenbarung der Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 (bzw. 5a) aus Figur 5 der D1 ist seitens der Beschwerdegegnerin unbestritten, mit Ausnahme einer unbetätigten Grundstellung des Abzweigventils nach Merkmal c) des Anspruchs 1.

Zum Verständnis des Fachmanns bezüglich einer "unbetätigten Grundstellung" im Sinne des Anspruchs 1 wird auf Punkt 2.9 dieser Entscheidung verwiesen, wonach dieses Merkmal nur eine Art Ausgangsstellung oder Normalstellung des Abzweigventils beschreiben kann, in der momentan keine Kraft von außen eine Ventilbewegung bewirkt. Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdegegnerin wird nach Auffassung der Kammer die in Anspruch 1 geforderte Grundstellung also nicht unbedingt automatisch vom System eingenommen. Eine solche Ausgangs- oder Normalstellung findet sich in Figur 5 der D1, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, zunächst in der geschlossenen Position der schwenkbaren Ventilklappe 82, nämlich dann, wenn die Ventilklappe am Ventilsitz (valve seat 74) anliegt. Vgl. D1, Absatz 0022, Zeilen 54 bis 56. Erst im Falle der Abgasrückführung wird die Ventilklappe aus ihrer unbetätigten Grundstellung, also von der Anlage des Ventilsitzes, abgehoben: "...the paddle valve member 82 is now disengaged from the valve seat 74..."; vgl. D1, Absatz 0023, Zeilen 12 und 13.

Wenn das Abzweigventil aus Figur 5 der D1 seine unbetätigte Grundstellung einnimmt, wird darüber hinaus die Abgasrückführung, also beim Einbau am Abzweig in Figur 2 der D2 die Fluidverbindung zum Ansaugtrakt hin verschlossen.

5.7 Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass, wieder ausgehend von der Abgasrückführung nach Figur 2 der D2, die vom Fachmann auf der Suche nach einem "Abgasdruck-Regelventil 33" herangezogene Ventileinrichtung 36 aus Figur 5 der D1 unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 (bzw. 5a) führt.

5.8 Ungeachtet deren Zulässigkeit erfüllt Anspruch 1 der verspäteten Hilfsanträge 5 und 5a daher nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

5.9 Obwohl Dokument D1 erst in Reaktion zu Hilfsantrag 5 und 5a von der Beschwerdeführerin angezogen wurde, ist aus Sicht der Kammer abschließend zu ergänzen, dass auf Grund der vorgehenden Argumentation offenbar auch der breitere Anspruch 1 des Haupt- und Hilfsantrags 1 im Lichte der Dokumente D2 und D1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.

6. Zulässigkeit - Hilfsantrag 6

Die Einreichung des Hilfsantrags 6 erfolgte sehr spät, nämlich erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Der neu vorgelegte Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 wurde gegenüber Hilfsantrag 5a um die Merkmale des Anspruchs 6 wie erteilt ergänzt. Da der Gegenstand im Kennzeichen des Anspruchs 1 anstatt der Ausbildung des Abzweigventils jetzt einen Auspuffkrümmer einer Baueinheit betrifft, geht Hilfsantrag 6 über den bisherigen Diskussionsrahmen hinaus. Aus diesem Grund ist für die Kammer und die Beschwerdeführerin prima facie auch nicht ersichtlich, ob Anspruch 1 im Lichte des bisher im Verfahren befindlichen Standes der Technik nun den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit behebt, oder nicht. Und schließlich wirft die Diskussion zur Baueinheit in Anspruch 1 prima facie auch die neue Frage der Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ, auf: vgl. Einspruchsentscheidung Seite 5, letzter Absatz, und Einspruchsbegründung der Beschwerdeführerin, Seite 10.

Eine Zulassung von Hilfsantrag 6 war aus vorstehenden Gründen der Kammer bzw. der Beschwerdeführerin ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten, Artikel 13(3) VOBK. Eine Zulassung dieses Antrags kam deshalb nicht in Betracht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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