T 1943/10 () of 25.9.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T194310.20130925
Datum der Entscheidung: 25 September 2013
Aktenzeichen: T 1943/10
Anmeldenummer: 98109048.3
IPC-Klasse: F02M 61/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kraftstoffeinspritzventil
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: Continental Automotive GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Zulässigkeit verspätetes Vorbringen (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2010, zur Post gegeben am 20. Juli 2010, das Europäische Patent Nr. 0 890 735 in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag, wie eingereicht während der Verhandlung, nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte am 10. September 2010 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 30. November 2010 eingegangen.

III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 26. Juli 2013 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 25. September 2013 unter Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

Für die vorliegende Entscheidung wurden insbesondere folgende Beweismittel herangezogen:

eingereicht mit Einspruchseinlegung

D1 = US 4,578,164;

D2 = S.Kampmann e.a.: „The Influence of Hydro Grinding at VCO Nozzles on the Mixture Preparation in a DI Diesel Engine“, SAE TECHNICAL PAPER SERIES No. 969867, International Congress & Exposition, Detroit, Michigan February 26-29, 1996;

D3 = EP 0 809 017 A1;

D5 = EP 0 370 659 A1;

eingereicht mit Beschwerdebegründung

D6 = JP 58-106 167 A;

D6A = englischsprachige Übersetzung der D6;

D6B = Patent Abstracts of Japan, JP58106167;

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Der unabhängige Anspruch 1 wie aufrechterhalten hat folgenden Wortlaut:

„Brennkraftmaschine mit einem Brennraum und einem Kraftstoffeinspritzventil, welches Kraftstoffeinspritzventil einen Ventilkörper (43) umfasst, in dem entgegen der Rückstellkraft einer Ventilfeder (50) ein verschiebliches Ventilglied (41) angeordnet ist, das mit einer Ventildichtfläche (44) mit einem an dem Ventilkörper angeordneten Ventilsitz (45) zusammenwirkt, und mit mehreren unterhalb des Ventilsitzes (45) in dem Ventilkörper (43) angeordneten Spritzlöchern, deren Einlaßöffnungen (60) abgerundet sind, wobei ein Teil der Spritzlöcher (53) wenigstens einen von dem Rest der Spritzlöcher (57) unterschiedlichen Rundungsgrad aufweist, wobei die Einlaßöffnungen (60) einzelner Spritzlöcher (53, 57) des Kraftstoffeinspritzventils auf ihrer dem Ventilglied (41) zugewandten Seite einen anderen Rundungsgrad aufweisen als auf ihrer dem Ventilglied (41) abgewandten Seite, dadurch gekennzeichnet, daß der Rundungsgrad der Spritzlöcher (53, 57) angepaßt ist auf die Anordnung der Spritzlöcher (53, 57) in dem Ventilkörper (41), auf die Einbauposition in einem Brennraum der Brennkraftmaschine und auf die Brennraumform der Brennkraftmaschine, dergestalt, daß der Rundungsgrad der Einlaßöffnungen [sic] (60) des Spritzlochs (53), das in Richtung des ausgespritzten Kraftstoffstrahls von einer Brennraumwand im eingebauten Zustand weiter entfernt ist, einen größeren Rundungsgrad aufweist, als die Einlaßöffnung (60) eines von der Brennraumwand weniger weit entfernten Spritzlochs (57).“

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Es sei unklar, was „unterhalb des Ventilsitzes“ in Anspruch 1 bedeute. So seien in D3 die Spritzlöcher ebenfalls unterhalb der konischen Fläche des Ventilsitzes angeordnet. Zudem seien aus Figur 3 der D3 durchaus verschiedene Rundungsgrade zu entnehmen. Durch die zudem in Figur 1 dargestellte Einbauposition (Neigung Düsenachse zur Zylinderachse) sei auch das Kennzeichen des Anspruchs 1 in D3 offenbart. Anspruch 1 sei gegenüber D3 somit nicht neu.

Darüber hinaus beruhe Anspruch 1 ausgehend von D6 im Lichte der D5 auf keiner erfinderischen Tätigkeit. D6 sei insofern hochrelevant und in das Verfahren zuzulassen, als dass im Gegensatz zur D1 für die Gleichverteilung des Kraftstoffs im Brennraum klar der Bezug zwischen Verrundungsgrad verschiedener Spritzlöcher und der Brennraumform, also deren Abstand von der Wand, gegeben sei: siehe Seite 4. In D6 sei das gezeigte Ventil offenbar für den Schrägeinbau gedacht, was insbesondere bei Zweiventilmotoren zu einem exzentrischen Einbau führen könne. Allerdings könnten, um die Zentrizität der Düsenwirkung in Bezug auf die Zylinderachse zu wahren, auch exzentrische Kolbenmulden oder andere Muldenformen dienen. Zusammenfassend sei die Argumentationsline D6 mit D5 jedenfalls relevanter als D1 mit D2, um naheliegend zum kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1 zu gelangen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von D1 durch sein Merkmal im Kennzeichen. Da D1 eine Brennkraftmaschine mit schräg eingebauten Einspritzventilen betreffe, und eine möglichst zentrale Einspritzung erwünscht sei, sei die diesem Merkmal zugrunde liegende Aufgabe darin zu sehen, dass bei gegebener Brennraumgeometrie und bei exzentrischem Einbau der Düse eine gleichmäßige Verteilung im Brennraum erreicht werden solle. Dazu erhalte der Fachmann bereits aus D1 selbst in Spalte 5, letzte Absätze, die Anregung, größere Verrundungsgrade zur Anpassung an eine höhere Durchflussmenge am Spritzloch, und somit bei von der Wand weiter entfernten Spritzlöchern vorzusehen. Ausgehend von D1 rege auch D2 bei exzentrischem Düseneinbau den Fachmann an, höhere Verrundungsgrade bei größerem Wandabstand vorzusehen, da dort eindeutig der höhere Rundungsgrad des Spritzlochs zu verbessertem Durchfluss bei der Einspritzung führe. Somit lehrten sowohl D1 als auch D2 Maßnahmen, die der Fachmann beim exzentrischen Einbau der Düse für eine Gleichverteilung ergreifen müsse. Anspruch 1 sei daher ausgehend von D1 aufgrund allgemeinen Fachwissens, bzw. ausgehend von D1 im Lichte der D2 für den Fachmann nahe gelegt.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Der Wortlaut „unterhalb des Ventilsitzes“ in Anspruch 1 sei per se für den Fachmann verständlich, und beschreibe im Gegensatz zu der in D3 gezeigten eine sogenannte Sacklochdüse. Darüber hinaus könne der Fachmann aus den schematischen Zeichnungen der Figuren keine maßstäblichen Größen der Radien an den Einlassöffnungen ableiten. Dies ergebe sich schon dadurch, dass die Spritzlöcher in Wirklichkeit nur einen Durchmesser von ca. 130mym aufwiesen, und folglich in den Figuren viel zu groß dargestellt seien. Anspruch 1 sei daher neu gegenüber D3.

Der Begriff „chamfered“ sei in D6 zwar als Verrundung der Spritzlocheinlässe zu verstehen. Genau wie in D1 fehle jedoch auch in D6 jeder Bezug, dass dadurch irgendeine exzentrische Anordnung der Düse ausgeglichen werden solle. Zudem gebe, so wie D1, auch D6 keine Auskunft zu einem Bezug zwischen Verrundungsgrad der Spritzlöcher und der Brennraumform der Maschine. Die Argumentationslinie D6 mit D5 solle für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit daher nicht ins Verfahren zugelassen werden.

Selbst unter der Annahme, dass sich D1 auch auf Sacklöcher beziehe, gebe weder D1 noch D2 dem Fachmann eine Anregung, eine Beziehung zwischen Verrundungsgrad der Spritzlöcher und Brennraumform im eingebauten Zustand der Einspritzdüse herzustellen. Ausgehend von D1 sei daher jedenfalls das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht naheliegend. Anspruch 1 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

2.1 Als Ventilsitz müssen in Anspruch 1 jene schrägen Flächen des Ventilkörpers verstanden werden, an welchen das verschiebliche Ventilglied dicht anliegt, sobald das Kraftstoffeinspritzventil der beanspruchten Brennkraftmaschine verschlossen ist.

Dem Wortlaut des Anspruchs 1 folgend sind die Spritzlöcher des Einspritzventils „unterhalb des Ventilsitzes in dem Ventilkörper“ angeordnet.

Die Kammer ist der Auffassung, dass dadurch in Anspruch 1 für den Fachmann klar verständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass im Einbauzustand des Einspritzventils die Spritzlöcher jedenfalls unterhalb jenes Bereichs des Ventilkörpers angeordnet sind, der als Ventilsitz für das Ventilglied dient. So können, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, nach Anspruch 1 die Spritzlöcher nicht etwa entlang der konischen Berührungsflächen des Ventilsitzes im darunter befindlichen Ventilkörper angeordnet sein, denn dieser Bereich stellt nicht nur den Ventilkörper, sondern eben auch den Ventilsitz selbst dar. In diesem Fall wäre ein Spritzloch daher eben gerade nicht unterhalb des Ventilsitzes, sondern der Spritzlochanfang genau im Bereich des Ventilsitzes im Ventilkörper vorgesehen.

2.2 Die Ausführung der Lochdüse in Anspruch 1 betrifft also eine sogenannte „Sacklochdüse“, wo die Spritzlöcher um ein Sackloch unten im Ventilkörper angeordnet sind. Das Sackloch, jedoch nicht der Spritzlochanfang der jeweiligen Spritzlöcher, wird bei verschlossenem Ventil gegen den (Rail-) Druck nach oben hin durch den Ventilsitz abgedichtet.

Dokument D3 offenbart hingegen eine sogenannte „Sitzlochdüse“. Wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt, befindet sich hier der Spritzlochanfang im Ventilsitz, wodurch die Düsennadel, also das Ventilglied, das Spritzloch bei geschlossener Düse abdeckt: siehe Figur 3 der D3. Eine Anordnung der Spritzlöcher der Einspritzdüse unterhalb des Ventilsitzes, so wie in Anspruch 1 gefordert, ist für den Fachmann D3 daher nicht zu entnehmen.

2.3 Darüber hinaus sei auf das Merkmal des „Rundungsgrads“ der abgerundeten Einlassöffnungen der Spritzlöcher des Einspritzventils der Brennkraftmaschine nach Anspruch 1 verwiesen. Ein größerer Radius der Abrundung (im Längsschnitt des Spritzlochs gesehen) bedeutet in Anspruch 1 einen größeren Rundungsgrad und umgekehrt: vgl. Patent, Absätze [0004] und [0023]. So ist gemäß Anspruch 1 gefordert, dass

erstens ein Teil der Spritzlöcher wenigstens einen vom Rest der Spritzlöcher unterschiedlichen Rundungsgrad aufweist,

zweitens die Einlassöffnungen auf ihrer dem Ventilglied zugewandten Seite einen anderen Rundungsgrad aufweisen, als auf ihrer dem Ventilglied abgewandten Seite, und

drittens (vgl. Kennzeichen des Anspruchs 1) der Rundungsgrad der Spritzlöcher sowohl auf die Anordnung der Spritzlöcher im Ventilkörper als auch auf die Einbauposition im Brennraum und die Brennraumform der Brennkraftmaschine angepasst ist, und zwar so, dass der Rundungsgrad der Einlassöffnung des Spritzlochs, das in Richtung des ausgespritzten Kraftstoffstrahls von einer Brennraumwand im eingebauten Zustand weiter entfernt ist, einen größeren Rundungsgrad aufweist, als die Einlassöffnung eines von der Brennraumwand weniger weit entfernten Spritzlochs.

2.4 Zu den in Figur 3 und 4 der D3 gezeichneten Abrundungen 17‘ und 17“ am Einlass zweier Spritzlöcher vertritt die Kammer die Ansicht, dass die Zeichnungen keine maßstäblichen, sondern lediglich schematische Abrundungen zeigen. Wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, ergibt sich dieser Umstand schon alleine dadurch, dass, wie allgemein bekannt, die Bohrungsdurchmesser von Einspritzdüsen tatsächlich im Zehntelmillimeter Bereich liegen. Folglich sind die in den Zeichnungen dargestellten Spritzlöcher mit ihren abgerundeten Einlassöffnungen im Verhältnis zur Wandung des Ventilkörpers (bzw. zum Ventilsitz) viel zu groß dargestellt. Der Fachmann ist somit nicht in der Lage, ein maßstäbliches Verhältnis zwischen den Größen der gezeichneten Radien am Einlass der beiden Spritzlöcher aus den Figuren der D3 abzuleiten.

Zusammenfassend sind daher die in Anspruch 1 geforderten unterschiedlichen Rundungsgrade an ein und derselben Einlassöffnung einer Spritzdüse in Bezug auf das in D3 gezeigte Ventilglied („Düsennadel 7“), bzw. an zwei verschiedenen Spritzdüsen in Bezug auf die Brennraumwand im eingebauten Zustand (vgl. Figur 3: Lage der „Düsenachse 20“ der Einspritzdüse zur „Zylinderachse 21“ des Brennraums), für den Fachmann aus den schematischen Zeichnungen der D3 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Schließlich kann auch die Beschreibung der D3 zu den in Anspruch 1 geforderten unterschiedlichen Rundungsgraden an einer bzw. verschiedenen Einlassöffnungen keine eindeutige Auskunft geben. D3 beschreibt lediglich, dass der Eintritt in die Spritzbohrung mit einem Radius von 8 bis 25 Prozent des Durchmessers der jeweiligen Spritzbohrung ausgerundet ist, und dass durch die Abrundungen die umlenkungsbedingten Druckverluste bei schräg eingebauter Düse mit verschiedenen Spritzlochwinkeln weniger stark voneinander abweichen. Siehe D3, Spalte 2, Zeilen 30 bis 32 und Zeilen 51 bis 56; und Anspruch 4.

2.5 Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der in D3 offenbarte Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ die Neuheit des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 nicht vorwegnimmt. Da die Neuheit nur gegenüber Dokument D3 bestritten wurde, kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 die Erfordernisse der Artikel 100 a) und 54 EPÜ erfüllt.

3. Verspätetes Vorbringen

3.1 Unbeschadet der formalen Rechtfertigung für eine Zulassung des neu eingereichten Dokuments D6 und zugehörigen Tatsachenvortrags wonach, ausgehend von D6 der Gegenstand des Anspruchs 1 im Lichte der D5 nicht erfinderisch sei, stellt sich für die Kammer die Frage nach der prima facie Relevanz des verspäteten Vorbringens.

3.2 Die bereits im Verfahren befindliche Druckschrift D1 (siehe Spalte 1, Absätze 1 und 2) betrifft die Endbearbeitung der Grate von Spritzlöchern einer Einspritzdüse mittels elekrolytischem Abschleifen für z.B. einen Dieselmotor. Die in den Figuren der D1 gezeigten Ausführungsbeispiele beschreiben Sitzlochdüsen („sac-less type“; siehe D1, Figurenbeschreibung). Sowohl die abgeschrägten Einlassöffnungen nach Figur 6 („chamfering of the inside mouth section 19“) als auch die am Einlass abgerundeten Spritzlöcher nach Figur 7 sollen vordergründig die Problematik der ungleichmäßigen Kraftstoffverteilung bei geneigtem Einbau von Spritzlöchern einer Sitzlochdüse beheben. Durch die vergrößerten Einlässe wird in D1 bei Sitzlochdüsen ein Kraftstofffluss fast auf Niveau der Spritzlöcher von Sacklochdüsen erreicht, ohne den Spritzlochdurchmesser zu erhöhen: siehe D1, Spalte 6, Zeile 42 bis Spalte 7, Zeile 2. Eine Vergrößerung des Spritzlochdurchmessers selbst ist (bei Sitzlochdüsen) wegen der dadurch erhöhten Emissionen prinzipiell unerwünscht: siehe D1, Spalte 6, Zeilen 51 bis 54. Dennoch können die Ausführungsformen nach Figur 6 und 7 ebenso auf eine Einspritzdüse Anwendung finden, die wie in Anspruch 1 des Patents als Sacklochdüse („sac hole“) ausgebildet ist, siehe D1, Spalte 7, Zeilen 47 bis Spalte 8, Zeile 1.

3.3 Somit lehrt D1 in Figur 7, verschiedene Rundungsgrade („rounded off rather than being sharply chamfered“) an Einlassöffnungen von unterschiedlichen Spritzlöchern einer Sacklochdüse vorzusehen: vgl. D1, Spalte 7, Zeilen 18 bis 32.

Die Ausrundung der Spritzlöcher ist in D1 vor allem dann wünschenswert, wenn verschiedene Spritzlöcher in relativ großem Winkel zur Düsenachse gebohrt sind. Dadurch wird die Kraftstoffmenge von den jeweiligen (also von mindestens den zwei in Figur 7 gezeigten) Spritzlöchern gleichförmiger eingespritzt, selbst dann, wenn die Einspritzdüse unter relativ großem Neigungswinkel im Motor angeordnet ist: vgl. D1, Spalte 7, Zeilen 35 bis 42.

Über eine Beziehung zwischen der in den Motor eingebauten Einspritzdüse und den Abständen unterschiedlicher Spritzlöcher der Düse zur Brennraumwand des Motors im Einbauzustand, also die Art des Einbaus der Einspritzdüse in Bezug auf die Brennraumwand und Brennraumform eines bestimmten Motors, gibt D1 jedoch keine Auskunft. Daher ist nach Ansicht der Kammer das im Kennzeichen des Anspruchs 1 geforderte Merkmal für den Fachmann aus D1 auch nicht entnehmbar.

3.4 Die erst mit Beschwerdebegründung vorgelegte Druckschrift D6 offenbart prima facie, verschiedene Rundungsgrade an unterschiedlichen Spritzlöchern einer Einspritzdüse vorzusehen (siehe z.B. die in Figur 4 gezeigte Sacklochdüse). Hierbei wurde der zu Figur 4 der D6 auf Seite 3, zweiter Absatz, der Übersetzung D6A im Kontext verwandte Terminus „chamfered“ von den Parteien unstrittig als durch den Herstellungsprozess „abgerundet“ verstanden.

Wie in D1 soll auch in D6 für eine gleichmäßige Verteilung des Kraftstoffs im Brennraum der Rundungsgrad verschiedener Spritzlöcher an den Neigungswinkel der Spritzlöcher zur Düsenachse (Winkel theta4, theta5 in Figur 4 der D6) bzw. gegebenenfalls an die Neigung der Einspritzdüse im Zylinder des Motors (Winkel theta1 in Figur 1 der D6) angepasst werden: Siehe D6A, Seite 4, zweiter Absatz.

3.5 Zum Aufbau des Motors, und damit zum Abstand unterschiedlicher Spritzlöcher der eingebauten Düse zur Brennraumwand, gibt D6 dem Fachmann jedoch wieder keinen Hinweis. Wie von der Beschwerdeführerin eingeräumt, ist selbst unter der Annahme eines Zweiventilmotors in D6 nicht zwangsläufig ein zur Brennraumwand exzentrischer Einbau der Einspritzdüsen vonnöten, da auch andere Möglichkeiten bestehen, um die Zentrizität der Düsenwirkung zu gewährleisten, etwa mittels der (Kolben-) Muldenform oder exzentrisch gelegten (Kolben-) Mulden.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin kann die Kammer folglich prima facie auch in D6 keinen Bezug zwischen dem unterschiedlichen Verrundungsgrad der Spritzlöcher und deren Abstand von der Brennraumwand des Motors im eingebauten Zustand der Einspritzdüse nach Figur 4 der D6 erkennen, auch nicht implizit.

3.6 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass D6 als Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im Lichte der D5 prima facie nicht zielführend erscheint, um zum Merkmal des Kennzeichens nach Anspruch 1 zu gelangen, bzw. als Startpunkt jedenfalls nicht relevanter ist, als die seit Anbeginn des Einspruchsverfahrens bekannte D1.

Eine Zulassung von D6 (bzw. D6A und D6B) zusammen mit der hierzu neu vorgelegten Argumentationslinie zur erfinderischen Tätigkeit ins Verfahren war somit aus Sicht der Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK nicht gerechtfertigt. Die Frage nach der formalen Rechtfertigung des neuen Tatsachenvortrags („fresh case“) als Reaktion auf die angefochtene Entscheidung kann aus den vorstehenden Gründen dahingestellt bleiben.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Als nächstliegender Stand der Technik wird in Übereinstimmung mit den Parteien eine Brennkraftmaschine mit einem Einspritzventil nach Figur 7 der D1 angesehen. Siehe hierzu die Ausführungen zu Dokument D1 unter Punkt 3.2 und 3.3 dieser Entscheidung. Wie dort ausführlich erläutert, kann D1 zwar einen Zusammenhang zwischen Abwinkelung und Verrundungsgrad der Spritzlöcher nach Figur 7 der D1 aufzeigen. D1 gibt jedoch keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Abwinkelung und dem Abstand der Spritzlöcher von der Brennraumwand, wenn die Düse nach Figur 7 in einer Maschine, etwa einem Dieselmotor, eingebaut ist. Die Brennkraftmaschine des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung aus D1 daher in jedem Fall durch das Merkmal im Kennzeichen des Anspruchs 1.

4.2 Durch dieses Merkmal wird eine stärkere Bündelung, also Länge, des Kraftstoffstrahls bei größerem Rundungsgrad der Einlassöffnung bewirkt und zwar bei im Einbauzustand größerem Abstand zur Brennraumwand der beanspruchten Maschine, vgl. Absatz [0023] des Patents.

Ausgehend von D1 ist die dem kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1 zugrunde liegende Aufgabe nach Auffassung der Kammer somit darin zu sehen, eine Anpassung der Spritzlöcher auf unterschiedliche Einbaupositionen in Brennräumen sowie auf unterschiedliche Brennraumformen der Brennkraftmaschine zu ermöglichen, so dass der Verbrennungsvorgang weiter verbessert wird, vgl. Patent, Absatz [0008].

4.3 Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin kann bei korrekter Anwendung des nach ständiger Rechtsprechung allgemein anerkannten „Aufgabe-Lösungs-Ansatzes“, die Aufgabe jedoch nicht dahingehend eingeschränkt werden, dass bei einer gegebenen Geometrie des Brennraums und exzentrischem Einbau der Einspritzdüse eine gleichmäßige Mengenverteilung im Brennraum erreicht werden soll. Die Kammer ist der Ansicht, dass diese Aufgabenstellung bereits ein Element der in Anspruch 1 beanspruchten Lösung suggerieren würde. So könnte die Vorgabe eines in Bezug auf die Zylinderachse exzentrischen Einbaus der Düse den Fachmann zumindest zu Spritzlöchern führen, die, wie im Kennzeichen des Anspruchs 1 vorgeschrieben, an die Entfernung der Brennraumwand auf irgendeine Weise angepasst sind. Ein bestimmter Motortyp, insbesondere ein Zweiventilmotor, ist D1 nirgends entnehmbar. Aber selbst bei einem Zweiventilmotor ist ein exzentrischer Einbau der Düsenkörper für den Fachmann nicht zwingend. Dieser Umstand wurde im Übrigen von der Beschwerdeführerin selbst bestätigt, vgl. die Ausführungen zur D6 unter Punkt 3.5 dieser Entscheidung. Das Einbeziehen dieses Lösungsgedankens in die Aufgabenstellung würde daher ausgehend von D1 zu einer ex post facto Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 führen.

4.4 Dokument D2 (siehe Seite 151, linke Spalte, Zusammenfassung („ABSTRACT“)) lehrt, dass eine stärkere Verrundung am Einlass des Spritzlochs mittels hydro-erosiver Bearbeitung („hydro grinding (HG)“) einer Einspritzdüse zu einer höheren Eindringtiefe bei der Einspritzung führt, und dadurch geringere Schadstoffemmissionen erreichet werden können. Vgl. D2; Seite 156, linke Spalte, und die Figuren 9 und 10; und Seite 160, linke Spalte, letzte drei Absätze. Wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, kann D2 jedoch abermals keinen Hinweis auf eine Anpassung des Rundungsgrads am Einlass der Spritzlöcher in Bezug auf deren Entfernung von der Brennraumwand geben, um dadurch etwa den Verbrennungsvorgang der Maschine zu verbessern. Die Kammer stellt darüber hinaus der Vollständigkeit halber fest, dass D2 offenbar nicht die Bearbeitung der Spritzlöcher von Sacklochdüsen, sondern von Sitzlochdüsen betrifft, siehe Zusammenfassung auf Seite 151, linke Spalte, Zeilen 1 und 2; und Seite 153, Figur 3: „... can be used for valve covered orifice (VCO) nozzle production.“

4.5 Ausgehend von D1 erhält der Fachmann folglich zur Lösung der oben unter Punkt 4.2 gestellten Aufgabe weder durch sein allgemeines Fachwissen, noch durch die Lehre der D2 eine Anregung, zu einer Brennkraftmaschine mit Brennraum und Sacklochdüse zu gelangen, die zur Anpassung des Rundungsgrads der Einlassöffnungen der Spritzlöcher der Sacklochdüse auf die Einbauposition im Brennraum und auf die Brennraumform der Brennkraftmaschine das Merkmal gemäß Kennzeichen des Anspruchs 1 vorsehen würde.

Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von D1 in Zusammenschau mit D2 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Artikel 100 a) und 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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