T 1889/10 (Polypeptidmarker für Prostatakrebs/MOSAIQUES) of 13.1.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T188910.20150113
Datum der Entscheidung: 13 Januar 2015
Aktenzeichen: T 1889/10
Anmeldenummer: 06725599.2
IPC-Klasse: G01N 33/574
G01N 33/68
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: POLYPEPTIDMARKER ZUR DIAGNOSE VON PROSTATAKREBS
Name des Anmelders: mosaiques diagnostics and therapeutics AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 114(2)
European Patent Convention Art 111(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die an der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2010 verkündete und am 26. Februar 2010 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung nach Artikel 97(2) EPÜ, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 06725599.2 (basierend auf der internationalen Anmeldung mit der Nr. WO 2006/106129) zurückgewiesen wurde.

II. Die folgenden Entgegenhaltungen wurden unter anderen im Prüfungsverfahren und im anschließenden Beschwerdeverfahren genannt:

D8 Dissertation T. Kaiser (27. August 2004)

D9 Theodorescu et al. 2005, Electrophoresis 26, 2797-2808

D12 Mischak et al. 2007, Proteomics Clin. Appl. 1, 792-804

III. Die Prüfungsabteilung gründete ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der Hauptantrag die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ, Artikel 84 EPÜ, Artikel 83 EPÜ und Artikel 82 EPÜ nicht erfülle, und dass der Hilfsantrag die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ und von Artikel 82 EPÜ nicht erfülle.

IV. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen Hauptantrag und drei Hilfsanträge ein und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Hilfsweise, hat die Beschwerdeführerin die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

V. Ihrem Antrag entsprechend wurde die Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Mitteilung der Beschwerdekammer, die der Ladung beigefügt wurde, teilte die Beschwerdekammer u.a. mit, dass nach ihrer vorläufigen Auffassung die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt seien. Es wurde auch angekündigt, dass die Zulässigkeit der Hilfsanträge diskutiert werden müsste.

VI. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 die Ausführungen der Kammer erwidert.

VII. In Folge der Diskussion während der mündlichen Verhandlung, reichte die Beschwerdeführerin neue Hilfsanträge I und II und nahm die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge I und II zurück.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 vom Hauptantrag ist:

"1. Verfahren zur Diagnose von Prostatakrebs umfassend den Schritt der Bestimmung einer An- oder Abwesenheit mindestens dreier Polypeptidmarker in einer Probe, wobei der Polypeptidmarker ausgewählt ist aus den Markern 1 bis 44 und 52 bis 78 (Frequenzmarker), oder der Bestimmung der Amplitude mindestens eines Polypeptidmarkers, ausgewählt aus den Markern 45 bis 51 und 79-115 (Amplitudenmarker), die aus Urinproben stammen und durch folgende Werte für die Molekularmassen und die Migrationszeit charakterisiert sind:

<Tabellen, die hier nicht reproduziert werden>

wobei

- mindestens drei Polypeptidmarker ausgewählt aus den Markern 1 bis 115 verwendet werden

- es sich bei der Probe um eine Urinprobe oder Samenflüssigkeitsprobe handelt

- die CE-Zeit bezogen ist auf eine CE-Kapillare mit einem ID/OD von 50/360 mym und einer Länge von 90 cm mit einer mobilen Phase von 30% Methanol unter 0,5% Ameisensäure bei einer Trennspannung von 30 KV und folgende Kalibration

<Kalibration wie auf Seite 19, Zeilen 1 bis 8, aufgeführt, hier nicht reproduziert>"

Anspruch 1 vom Hilfsantrag I unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrages in dem es angegeben wird, welche von den Marker häufiger in der Prostatakrebsgruppe oder in der Kontrollgruppe vorkommen, und welche mit höher Amplitude in der Prostatakrebsgruppe oder in der Kontrollgruppe vorkommen.

Anspruch 1 vom Hilfsantrag II unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrages in dem die Merkmale von den Ansprüchen 2 und 3 hinzugefügt wurden:

"... und wobei eine Auswertung der bestimmten An- oder Abwesenheit der Marker 1 bis 44 und 52-78 anhand folgender Referenzwerte erfolgt:

<Tabelle, hier nicht reproduziert>

und eine Auswertung der Amplitude der Marker 45 bis 51 und 79 bis 115 anhand folgender Referenzwerte erfolgt:

<Tabelle, hier nicht reproduziert>"

Auch Anspruch 13 des Hauptantrags wurde in ähnlicher Weise geändert (Anspruch 10 des Hilfsantrags II).

Anspruch 1 vom Hilfsantrag III basiert auf Anspruch 1 vom Hilfsantrag II, mit weiterer Angabe vom Messungsverfahren und Probenvorbereitungsbedingungen wie folgt:

"(...)

- die Massen bezogen sind auf eine Messung im ESI-TOF

- wobei die Probe an einer 30 kDa Membran ultrafiltriert wurde, das Ultrafiltrat über einer C2-Säule gereinigt, lyophilisiert und in Wasser resuspendiert wurde."

VIII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag

Die vorliegende Anmeldung richtete sich auf die Diagnose von Prostatakrebs auf Basis einer Vielzahl von Peptidmarkern aus Urinproben, und nicht auf Basis eines einzigen Moleküls; je mehr Marker analysiert werden, desto höher sei die statistische Absicherung des Ergebnisses. Ein angemessener Patentschutz könne nicht auf alle 115 Marker zusammen eingeschränkt sein, und auch nicht auf ein bestimmtes Nachweisverfahren. Die Definition der Marker durch Masse und CE-Zeit Angaben sei informativer als eine Definition durch Sequenzen, da diese letztendlich keinerlei Information über die vielfältigen posttranslationalen Modifikationen der Proteine ermögliche. Nicht alle Merkmale, die zur Ausführung der Erfindung notwendig sind, seien im Patentanspruch auszuweisen, sondern nur die wesentlichen Merkmale. Die vorliegende Anmeldung enthalte sehr detaillierte Angaben darüber, welche Marker in welchen Zuständen, anwesend, abwesend, erhöht oder erniedrigt seien, wie zum Beispiel auf Tabelle 3 auf Seite 8. Diese Tabelle zeige die Häufigkeit des Vorkommnis von einzelnen Markern in Proben von Patienten mit oder ohne Prostatakarzinom: anhand dieser Tabelle könne bestimmt werden, dass die An- oder Abwesenheit von einem beliebigen Marker einer gegebenen Wahrscheinlichkeit für die An- oder Abwesenheit von Prostatakarzinom entspreche.

Der Beitrag zum Stand der Technik liege nicht in der Anwendung von CE-MS, sondern in der Identifikation von Markern die eine Diagnose von Prostatakrebs ermöglichen. Andere Nachweisverfahren können verwendet werden, die die Abtrennung weiterer Proteine nicht erfordern: dies sei daher kein wesentliches Element der Erfindung.

Hilfsantrag I

Obwohl spät eingereicht, dieser Antrag erfolge als Reaktion auf den Einwand der Beschwerdekammer, der erst mit der Ladung vorgebracht wurde und nicht Teil der angefochtenen Entscheidung sei.

Bei den Änderungen gegenüber den Hauptantrag handele sich nicht um eine Zwischenverallgemeinerung sondern vielmehr um eine kurzgefasste Gruppierung der Marker, anhand der Werte der Referenztabellen, die eindeutig aus den Referenztabellen und von Seiten 8 und 9 der Anmeldung herzuleiten sei.

Hilfsantrag II

Anspruch 1 basiere auf einer Kombination der Ansprüche 1, 2 und 3; Anspruch 6 basiere auf der Kombination mit Anspruch 7, und Anspruch 10 basiere auf der Kombination von Anspruch 13 mit den Ansprüchen 1, 2 und 3.

Hilfsantrag III

Durch Präzisierung von weiteren Verfahrensbedingungen im Anspruch 1, sei dessen Gegenstand klarer.

Zurückverweisung an die erste Instanz

Da die Kammer neue Einwände erhoben habe, die nicht von der ersten Instanz berücksichtigt wurden, solle der Beschwerdeführerin die Gelegenheit gegeben werden, den Fall durch zwei Instanzen überprüfen zu lassen.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags oder einer der Hilfsanträge I oder II eingereicht in der mündlichen Verhandlung oder des Hilfsantrags III eingereicht mit der Beschwerdebegründung zu erteilen. Sie beantragte weiterhin, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag - Artikel 84 EPÜ

2.1 Gemäß Artikel 84 EPÜ müssen die Patentansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird; sie müssen deutlich und knapp sein und von der Beschreibung gestützt werden.

2.2 Anspruch 1 ist auf ein Verfahren zur Diagnose von Prostatakrebs gerichtet, das den Schritt der Bestimmung einer An- oder Abwesenheit mindestens dreier Polypeptidmarker, oder der Bestimmung der Amplitude eines Polypeptidmarkers, in einer Probe umfasst. Diese Polypeptidmarker sind aus 3 Tabellen mit insgesamt 115 aufgelisteten Markern auszuwählen.

2.3 Aus Anspruch 1 ist nicht herzuleiten, welche von den aufgelisteten Frequenzmarkern anwesend oder abwesend sein sollen oder welche von den Amplitudenmarkern ein höheres oder niedrigeres Signal zeigen sollen, damit eine Diagnose von Prostatakrebs gestellt werden kann. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Fachmann ausreichende Informationen in der Anmeldung hätte, um die Bestimmungen durchzuführen, wäre er aber dann nicht in der Lage, eine Schlussfolgerung daraus zu ziehen. Zudem ist es nicht deutlich wie hoch oder wie niedrig der Signal von den Amplitudenmarkern sein soll, um eine Diagnose zu ermöglichen. Auch bei den Frequenzmarkern ist es nicht klar, was der Schwellenwert für jeden beliebigen Marker ist: auf Seite 6 der Anmeldung wird lediglich erläutert, dass der Schwellenwert entweder durch die Sensitivität des Messverfahrens (Nachweisgrenze) bestimmt werden kann oder anhand von Erfahrungen definiert werden kann.

Der Fachmann musste selbst bestimmen, welche Marker / Markermuster mit einer Diagnose von Prostatakrebs zu assoziieren wären. Auch wenn die Tabellen auf Seiten 8, 10 und 11 der Anmeldung einen Faktor für jeden der 115 Markern bei Patientengruppen mit und ohne Prostatakrebs (PCA) zeigen, ist es trotzdem nicht herzuleiten, welche dreier-Kombinationen aussagekräftig sind, und wie aus den Ergebnissen eine Diagnose zu stellen ist.

2.4 In Anspruch 1 werden die Polypeptidmarker durch bestimmte Werte für die Molekularmassen und die Migrationszeit charakterisiert. Wie selbst von der Beschwerdeführerin zugegeben, ist der Bestimmungsschritt nicht auf ein Masse/CE-Zeit Nachweisverfahren eingeschränkt, sondern kann auch durch jedes beliebige Polypeptid-Nachweisverfahren, wie zum Beispiel auch Antikörper-basierte Verfahren, durchgeführt werden.

Die Kammer stellt aber fest, dass die Definition von den Polypeptidmarkern, wie sie im Anspruch 1 gegeben ist, über Molekularmasse und CE-Migrationszeit nur ausreichend ist im Zusammenhang mit Polypeptidprofilen, die wie in der Anmeldung beschrieben erstellt wurden. Ohne zuerst das gleiche Masse-CE Nachweisverfahren, unter den gleichen Bedingungen durchzuführen, wäre der Fachmann nicht in der Lage zu bestimmen, ob irgendwelche Polypeptide, die anhand z.B. von Antikörper- oder Sequenz-basierten Verfahren nachgewiesen wurden, irgendeinem der aufgelisteten Peptidmarkern entsprechen würden. Alternativ müsste der Fachmann erstmals die mittels dem in der Anmeldung beschriebenen Verfahren nachgewiesenen Polypeptide isolieren und charakterisieren, um dann feststellen zu können, ob sie identisch seien oder nicht mit den anhand anderer Verfahren identifizierten Polypeptiden. Auch dann könnte der Fachmann nicht unbedingt und ohne Zweifel feststellen, ob es sich um die gleichen Polypeptide handele, da, wie von der Beschwerdeführerin erläutert, die Peptide, die über Masse und CE-Migrationszeit definiert sind, auch posttranslationale Modifikationen enthalten oder auch Abbauprodukte sein können, die nicht immer mit anderen Methoden nachzuweisen seien.

2.5 Es ist nicht zu erwarten, dass genau die gleichen Markerprofile wie in den Tabellen aufgezeigt auch durch andere Nachweisverfahren erhalten werden. Auch mit dem gleichen Nachweisverfahren, müssten die gleichen Bedingungen wie in der Anmeldung benutzt werden, damit die erhaltene Polypeptidprofile vergleichbar sind. Zu diesen Bedingungen gehört die Abtrennung von in höherer Konzentration vorkommenden Proteine wie Albumin und Immunoglobuline, wie es im Beispiel der Anmeldung explizit ausgeführt wird (Seite 17, Zeilen 11 bis 13), und auch von Dokument D9 (Seite 2800, linke Spalte, letzter Absatz) und D8 (Seite 87, erster Absatz) bestätigt wird. Die Notwendigkeit, eine standardisierte Probenvorbereitung zu verwenden - unter anderem, mit Abtrennung der Komponenten mit großem Molekulargewicht - ist üblich und wird auch in dem nachveröffentlichten Review-Artikel Dokument D12 betont (Seite 795, rechte Spalte, letzten 4 Zeilen - Seite 796, linke Spalte, zweiter Absatz).

2.6 Es stimmt, dass andere Nachweisverfahren - die, laut Beschwerdeführerin auch erfindungsgemäß verwendet werden könnten - die Abtrennung weiterer Proteine nicht erfordern. Trotzdem ist die Charakterisierung von den Polypeptiden durch Masse und CE-Migrationszeit, wie sie auf den Tabellen vom Anspruch 1 erscheint, unvollständig wenn diese Bedingungen nicht angegeben werden, weil, wie oben erläutert, nicht zu erwarten ist, dass genau die gleichen Profile erhalten werden können.

2.7 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Hauptantrag die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ nicht erfüllt.

3. Hilfsantrag I - Zulassung

3.1 Es steht im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt (Artikel 13(1) VOBK und Artikel 114(2) EPÜ). Sehr spät gestellte Anträge (kurz vor oder in der mündlichen Verhandlung) werden in der Regel nur dann zum Verfahren zugelassen, wenn sie bereits prima facie gewährbar erscheinen.

3.2 Nach ständiger Rechtssprechung der Beschwerdekammern gelten solche späteren Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten als rechtzeitig vorgebracht, wenn das Vorbringen durch ein Argument eines anderen Beteiligten - oder der Kammer - veranlasst wurde und unter den gegebenen Umständen nicht hätte früher vorgebracht werden können.

3.3 Die Kammer akzeptiert die Argumente der Beschwerdeführerin, dass der Hilfsantrag I als Reaktion zu den neuen Einwänden der Kammer eingereicht wurde. Jedoch wurden solche neue Einwände der Kammer schon mit dem Bescheid, der die Ladung beigefügt wurde, vorgebracht. Die Beschwerdeführerin hat diesen Bescheid schriftlich erwidert, hat jedoch keine neue Anträge mit dieser Erwiderung eingereicht. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Hilfsantrag I, der schon früher hätte vorgebracht werden können, nur nach Ermessen der Beschwerdekammer als Änderung nach Artikel 13 VOBK in das Verfahren eingeführt werden kann.

3.4 Anspruch 1 beinhaltet Änderungen, die nicht wortwörtlich in der Anmeldung zu finden sind. Laut Beschwerdeführerin ist die Basis für solche Änderungen in den Ansprüchen 2 und 3 des Hauptantrags zu finden und auch auf den Seiten 8 und 9. Die Kammer kann dies aber nicht nachvollziehen. In den Ansprüchen 2 und 3 sind Tabellen enthalten, die die Häufigkeit des Vorkommens bzw. die Signalamplitude für jedes Polypeptid in Patienten- und Kontrollgruppen zeigen: dies wird jedoch durch ganz konkrete Werte dargelegt, und kann daher nur Basis für die angegebenen Häufigkeits- bzw. Amplitudewerte sein und nicht für die Verallgemeinerung wie jetzt im Anspruch. Somit ist Anspruch 1 des Hilfsantrags I prima facie nicht konform mit Artikel 123(2) EPÜ.

3.5 Die Kammer übt daher ihr Ermessen aus, und entscheidet, Hilfsantrag I ist nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13 VOBK, Artikel 114(2) EPÜ).

4. Hilfsantrag II - Zulassung

4.1 Wie der Hilfsantrag I wurde dieser Antrag auch erst in der mündlichen Verhandlung eingereicht. Aus den gleichen Gründen wie beim Hilfsantrag I (siehe 3.3) ist dieser Antrag auch als verspätetes Vorbringen anzusehen.

4.2 Im Hilfsantrag II wurden die Ansprüche 1 und 6 des Hauptantrags durch Kombination mit den Ansprüchen 2 und 3 bzw. 7 eingeschränkt. Außerdem wurde auch Anspruch 13 des Hauptantrags (Anspruch 10 im Hilfsantrag II) durch Kombination mit den Ansprüchen 1, 2, 3 und 7 geändert. Anspruch 13 des Hauptantrags hat sich aber nur auf Anspruch 1 zurückbezogen und daher ist eine Basis für die neue Kombination von Merkmalen im jetzigen Anspruch 10 nicht eindeutig: insbesondere ist anzumerken, dass die Tabelle von Anspruch 2 vom Hauptantrag Werte für Prostatakrebs- und Kontrollproben zeigt, aber nicht für Proben von benigner Prostatahyperplasia: daher lässt es sich nicht eindeutig mit einer Verwendung zur Differentialdiagnose zwischen Prostatakrebs und benigner Prostatahyperplasia, wie im Anspruch 10, kombinieren.

4.3 Da auch der Hilfsantrag II die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ prima facie nicht erfüllt, entscheidet die Kammer diesen Antrag nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 VOBK, Artikel 114(2) EPÜ).

5. Hilfsantrag III - Artikel 84 EPÜ

5.1 Anspruch 1 wurde in diesem Antrag auf Messungen mit ESI-TOF und gegebene Probenvorbereitungsbedingungen eingeschränkt. Jedoch, sind diese Änderungen nicht ausreichend um die Klarheitseinwände auszuräumen, insbesondere den Einwand unter 2.3 oben.

5.2 Der Hilfsantrag III erfüllt daher Artikel 84 EPÜ nicht.

6. Antrag auf Zurückverweisung an die erste Instanz

6.1 Nach Artikel 111(1) EPÜ steht es im Ermessen der Beschwerdekammer, ob sie in der Sache selbst entscheidet oder ob sie an die erste Instanz zurückverweist, die die Entscheidung erlassen hat.

6.2 Die neuen Einwände im Beschwerdeverfahren wurden zeitlich mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vorgebracht und erörtert, so dass die Beschwerdeführerin reichlich Zeit hatte, um darauf zu reagieren. Zudem, fallen diese Einwände innerhalb des rechtlichen Rahmens der Entscheidung der Prüfungsabteilung, wo auch Artikel 84 EPÜ behandelt wurde. Die Kammer ist nicht verpflichtet, bei jedem Vorbringen eines neuen Sachverhalts zurückzuverweisen, da es keinen absoluten Anspruch auf Entscheidung einer Frage in zwei Instanzen gibt. Das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin wurde gewährt und die Kammer ist in der Lage, zu einer Endentscheidung zu gelangen. Aus Gründen der Verfahrensökonomie weist somit die Kammer den Zurückverweisungsantrag der Beschwerdeführerin zurück.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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