T 1785/10 () of 5.12.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T178510.20121205
Datum der Entscheidung: 05 Dezember 2012
Aktenzeichen: T 1785/10
Anmeldenummer: 97121281.6
IPC-Klasse: H02B 13/035
H01F 27/40
H02B 11/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 141 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Spannungswandler
Name des Anmelders: Schneider Electric Sachsenwerk GmbH
Name des Einsprechenden: KG Ritz Messwandler GmbH & Co.
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Geheimhaltungsvereinbarung - nein
Neuheit - nein (Hauptantrag), ja (Hilfsantrag)
Erfinderische Tätigkeit - nein (Hilfsantrag)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die festgestellt hat, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 0 856 925 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen. Grundlage für diese Entscheidung war der mit Schreiben vom 26. Mai 2010 eingereichte 1. Hilfsantrag.

II. Die Beschwerdeführerin hat folgendes Beweismaterial genannt, soweit es für die vorliegende Entscheidung von Relevanz ist:

D1: DE 1 700 520 U,

D5: DE 1 019 732 B,

D7: DE 197 24 553 A1,

D8: Zeichnung EKM-Ps-96/08 der Firma KG Ritz Messwandler, mit handschriftlichen Vermerk

D9: Zeichnung MB3.5021 der Firma KG Ritz Messwandler,

D10: "Hausmitteilung von VAC" - Besuchsbericht vom 08. Februar 1996,

D11: Fax vom 14. Februar 1996

D12: Fax vom 21. März 1996

D13: Eidesstattliche Versicherung von Herrn Brockmann,

D14: "Minutes of the Meeting" vom 28. Mai 1996

D15: "Order Sheet" vom 05. August 1996, und

D16: Eidesstattliche Versicherung von Herrn Pscheidl.

Weiterhin hat die Beschwerdegegnerin folgendes Dokument eingereicht:

D17: Deutsche Norm DIN34, Beuth Verlag, 1977, Auszug.

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 05. Dezember 2012 statt. Während der mündlichen Verhandlung sind die Herrn Arne Hermsen und Olaf Brockmann als Zeugen vernommen worden.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag); hilfsweise, das Patent in geänderter Form auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 13 des Hilfsantrags, eingereicht mit Schreiben vom 05. November 2012, aufrechtzuerhalten.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 in der Fassung gemäß dem Hauptantrag lautet:

"Metallgekapselter Spannungswandler (2) für Mittelspannung, mit einer metallischen Wandlerkapselung (3), mit einem von außen zugänglichen elektrischen Anschlussteil (7), und mit einer elektrischen Wandlerwicklung, wobei die Wandlerwicklung in elektrischem Isoliermaterial (4) eingebettet und von der metallischen Wandlerkapselung (3) umschlossen ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass eine im Isoliermaterial (4) enthaltene rohrförmige Ausnehmung (9) vorgesehen ist, die eine nach außen führende Zugrifföffnung aufweist, wobei in der Ausnehmung (9) eine elektrische Sicherung (5) aufgenommen ist, und wobei die Zugrifföffnung entweder mittels eines die vollständige Metallkapselung des Spannungswandlers (2) herstellenden, elektrisch dichten Abschlussteils verschlossen ist oder als Durchbruch durch das Anschlussteil (7) ausgebildet ist."

Der unabhängige Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags unterscheidet sich von dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass der Satzteil "entweder mittels eines die vollständige Metallkapselung des Spannungswandlers (2) herstellenden, elektrisch dichten Abschlussteils verschlossen ist oder" gestrichen ist.

V. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Die Zeugen Arne Hermsen und Olaf Brockmann seien zu vernehmen, weil sie Angaben zu den Umständen machen könnten, unter denen die Zeichnungen D8 und D9 in Mai 1996 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien, und weil dieser Zeugenbeweis bereits in der Einspruchsschrift vom 13. November 2008 angeboten worden war.

Die Dokumente D10, D13, D14, D15 und D16 in Verbindung mit den Aussagen der Zeugen Herrn Hermsen und Brockmann zeigten, dass kein besonderes Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der Firma Seondo bestanden hat, das zu irgendeiner Geheimhaltungsverpflichtung führen könnte, und insbesondere, dass die Zeichnung EKM-Ps-96/08 von der Beschwerdeführerin nicht als Reaktion auf die in März 1996 eingegangene Aufforderung von Seondo (vgl. D12) angefertigt wurde. Die Zeichnung D8 gehöre daher zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ.

Die Zeichnung D8 offenbare einen Spannungswandler gemäß der ersten Alternative des Anspruchs 1 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin, so dass der Gegenstand dieses Anspruchs nicht neu sei. Der Fachmann würde erkennen, dass die in der Zeichnung gezeigten Laschen für die elektrische Erdung vorgesehen seien, was zur Folge habe, dass sowohl die Laschen als auch die gesamte Wandlerkapselung aus Metall sein müssten. Eine solche Kapselung mache aber nur Sinn als Berührungsschutz, wenn die Metallkapselung vollständig und das Abschlussteil elektrisch dicht sei.

Der in D8 abgebildete Kanal zwischen dem Anschlussteil und der Sicherung sei hohl, so dass er als Zugriffsöffnung im weitesten Sinne betrachtet werden könnte (z.B. eine Öffnung für die visuelle Inspektion der Sicherung). Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags ebenfalls nicht neu.

Für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des ersten Hilfsantrags sei D8 nächstliegender Stand der Technik. Als technisches Problem könne mangelnder Platz für den Zugriff auf die Sicherung an dem einen Ende des Spannungswandlers gesehen werden. Da für eine rohrförmige Sicherung in einer rohrförmigen Ausnehmung lediglich zwei praktische Zugriffsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, d.h. an den zwei Enden der Sicherung, sei die beanspruchte Alternative für den Fachmann naheliegend. Öffnungen, die den Zugriff in Spannungswandler durch das Anschlussteil erlauben, waren am Prioritätsdatum des angefochtenen Patents schon bekannt, z.B. aus D1 und D5.

VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Eine Vernehmung der angebotenen Zeugen sei nicht notwendig weil die bereits vorhandenen Dokumente, insbesondere D10, D13, D14, D16 und D17, ausreichende Klarheit bezüglich der Geheimhaltungsverpflichtung beim Treffen in Mai 1996 schaffen. Dies sei besonders klar in Anbetracht der späteren Einreichung der Anmeldung D7.

Es sei zu bezweifeln, dass die Zeugen sich nach mehr als 16 Jahre noch konkret an Vorgänge aus dem beruflichen Bereich erinnern könnten. Dies werde bestätigt durch die Unstimmigkeiten bei dem Datum auf der Zeichnung D8 und bei dem handschriftlichen Vermerk auf dem Dokument D10.

Die spätere Einreichung der Anmeldung D7, deren Bestandteil die in D8 gezeigte Lösung ist, zeige, dass zumindest Herr Brockmann (der benannte Erfinder der Anmeldung D7) der Meinung war, dass die Zeichnung D8 beim Treffen vom 28. Mai 1996 einer Geheimhaltungsverpflichtung unterlag.

D8 zeige weder, dass die Wandlerkapselung metallisch sei, noch dass dies eine vollständige Metallkapselung herstelle, noch dass das Abschlussteil elektrisch dicht sei.

Der Begriff "Zugriffsöffnung" impliziere die Möglichkeit eines mechanischen Zugreifens, was bei dem in D8 gezeigten Kanal nicht der Fall ist. Deshalb sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags gegenüber D8 neu.

Technisches Problem für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des ersten Hilfsantrags sei, dass die zusätzliche Öffnung bei D8 zu mangelnder elektrischen Dichtheit führen könnte. Der beanspruchte Spannungswandler löse dieses Problem dadurch, dass lediglich der Durchbruch durch das Anschlussteil notwendig sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Antrag auf Vernehmung von Zeugen

2.1 Mit Schreiben vom 5. November 2012 beantragte die Beschwerdeführerin die Vernehmung der Zeugen Arne Hermsen und Olaf Brockmann. Diese Zeugen sind schon in der Einspruchsschrift vom 13. November 2008 angeboten worden. Die Einspruchsabteilung hat aber die Zeugen nicht vernommen. Die Kammer ist der Meinung, dass wegen der Umstände der behaupteten Zugänglichmachung von insbesondere D8 ohne Geheimhaltungsverpflichtung eine Zeugenvernehmung gemäß Artikel 117 (1) (d) EPÜ angebracht ist.

2.2 Die Beschwerdegegnerin beantragte während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, diese Zeugen nicht zu vernehmen. Sämtliche Argumente der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang betrafen aber nicht die Frage, ob eine Zeugenvernehmung sinnvoll wäre, sondern die Bewertung der bereits vorhandenen schriftlichen Beweisstücke.

2.3 Die Kammer entschied daher, Beweis zu erheben über die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Dokumente D8 und D9 seien Vertretern der Firma Seondo in Mai 1996 ohne jegliche Geheimhaltungsverpflichtung zugänglich gemacht worden, durch Vernehmung der Zeugen Arne Hermsen und Olaf Brockmann.

3. Status von Dokument D8 als Stand der Technik

3.1 Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2012 die Zeugen Hermsen und Brockmann, beide Angestellte der Beschwerdeführerin, gehört. Die Zeugen haben die Umstände geschildert, unter denen Vertretern der koreanischen Firma Seondo Anfang 1996 die in diesem Verfahren als D8 und D9 bezeichneten Dokumente zugänglich gemacht wurden.

3.2 Am Anfang stand eine Rundreise des leitenden Vertriebsdirektors der Beschwerdeführerin Dr. Voss Ende 1995 durch verschiedene Staaten Südostasiens, die dazu dienen sollte, neue Geschäftskontakte zu knüpfen, um so die damals eher geringen Geschäftsbeziehungen zu Firmen in diesem Raum zu verstärken. In dem Zusammenhang entstand der Kontakt zu der koreanischen Firma Seondo, die seinerzeit mit einem Projekt des staatlichen koreanischen Energieversorgers KEPCO (Korea Electric Power Corporation) befasst war. Dabei ging es um die Installation von 25,8kV-Schaltanlagen. Im Januar 1996 kam es zu einem ersten Treffen mit Vertretern der Firma Seondo in Hamburg, bei dem die technischen Optionen vorgestellt wurden, die die Beschwerdeführerin anbieten konnte, und zwar sowohl reine gießharzisolierte Wandler aus der Standardproduktion, als auch metallgekapselte Wandler, die aber alle nicht zur Zufriedenheit von Seondo waren. Die Beschwerdeführerin sollte einen Vorschlag ausarbeiten, der den Bedürfnissen von Seondo entsprach und von KEPCO auch genehmigt werden würde. Dies geschah in der Folgezeit; schließlich wurde die Zeichnung D9 als Lösungsvorschlag nach Korea geschickt. In März kam dann von Seondo die Aufforderung, dieses Design mit einer primärseitigen Sicherung vorzustellen, worauf die Zeichnung EKM-Ps-96/08 nach Korea geschickt wurde. Von Seondo kam jedoch die Rückmeldung, dass diese Lösung von KEPCO nicht akzeptiert würde, weil das Gerät zu groß sei. Bei einem weiteren Treffen im Mai wurde dann weiter mit Seondo eine Lösung gesucht, weil die Beschwerdeführerin sehr daran interessiert war, dass das Geschäft zustande kam. Bei diesem Gespräch lag u.a. die als D8 bezeichnete Zeichnung (Zeichnung EKM-Ps-96/08 mit handschriftlichem Vermerk) vor, anhand derer die Diskussionen mit Seondo geführt wurde. Schließlich wurde eine andere technische Lösung gefunden, die dann auch von KEPCO akzeptiert wurde; es wurden jedoch nur wenige entsprechende Geräte bestellt und geliefert. Von Geheimhaltung oder Vertraulichkeit war bei den gesamten Verhandlungen nicht die Rede gewesen; die Vertreter der Beschwerdeführerin hatten so etwas gar nicht in Betracht gezogen.

3.3 Dieser Sachverhalt steht aufgrund der Aussagen der Zeugen Hermsen und Brockmann zur Überzeugung der Kammer fest. Die Aussagen waren im Kern übereinstimmend, soweit sich der Sachverhalt deckte. Sie sind in sich stimmig und schildern plausibel die Bemühungen der Beschwerdeführerin, auf dem asiatischen Markt Fuß zu fassen, das vorhandene Angebot anzupassen und auf die Bedürfnisse des potentiellen Kunden zuzuschneiden. Dabei stand im Hintergrund immer die Akzeptanz des Produkts durch den staatlichen Energieversorger KEPCO. Die Aussagen passen auch zum Inhalt der wenigen bei den Akten befindlichen Dokumente aus diesem Kontext, nämlich D10, D11, D12 und D15.

3.4 Die gegen die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugen gerichteten Argumente der Beschwerdegegnerin sind nicht geeignet, Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen oder der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zu wecken.

3.4.1 Die Beschwerdegegnerin hat zunächst darauf hingewiesen, dass die geschilderten Ereignisse mehr als 16 Jahre zurückliegen, und hat bezweifelt, dass sich jemand nach so langer Zeit noch konkret an Vorgänge aus dem beruflichen Bereich erinnern könnte. Dazu hat der Zeuge Hermsen erklärt, es habe sich damals um sein erstes größeres Südostasienprojekt gehandelt, in das er eine Menge Zeit und Energie gesteckt habe und dass dennoch enttäuschend mit dem Verkauf nur weniger Geräte geendet sei. Die Kammer findet diese Erklärung plausibel. Es ist nachvollziehbar, dass sich jemand auch nach vielen Jahren an ein größeres Projekt erinnert, dass eher am Beginn seiner beruflichen Laufbahn stand und dann einen derartigen Verlauf genommen hat.

3.4.2 Die von der Beschwerdegegnerin behauptete Unstimmigkeit zwischen dem Datum 27.02.96 auf der D8 und den Aussagen der Zeugen sieht die Kammer nicht als Widerspruch an. Vielmehr bestätigt dieses Datum, dass die Zeichnung EKM-Ps-96/08 von den Technikern der Beschwerdeführerin auf firmeninterne Initiative, nicht als Reaktion auf die in März 1996 eingegangene Aufforderung von Seondo (s. auch D12), angefertigt wurde. Die Richtigkeit dieses Datums ist auch in der D16 bestätigt.

3.4.3 Der von der Beschwerdegegnerin behaupteten Unstimmigkeit bei dem handschriftlichen Vermerk auf dem Dokument D10 misst die Kammer keine besondere Bedeutung bei. Es handelt sich um eine Kleinigkeit, die aufzuklären heute kaum mehr möglich sein dürfte und die keinen Zweifel an den Aussagen der Zeugen weckt.

3.4.4 Die Kammer misst auch der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin später eine Anmeldung (D7) eingereicht hat, deren Bestandteil auch die in D8 gezeigte Lösung ist, keine Bedeutung bei. Der Zeuge Brockmann hat dazu bekundet, er wisse nichts über die Gründe dafür; die Entscheidung darüber, was zum Patent angemeldet werde, gehöre auch nicht zu seinen Aufgaben. Die Kammer merkt hierzu an, dass sich viele Ursachen dafür denken lassen, dass etwas zum Patent angemeldet wird, was von vornherein nicht patentfähig ist, sogar dann, wenn der Anmelder dies von vornherein weiß. Jedenfalls aber bewegen sich derartige Überlegungen im Bereich reiner Spekulation und sind nicht geeignet, die Aussagen der Zeugen in Frage zu stellen.

3.5 Die Kammer geht demnach davon aus, dass ein Sachverhalt vorlag, bei dem der Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung eher unwahrscheinlich gewesen wäre. Es handelte sich nämlich eben nicht um die Zusammenarbeit zweier Firmen zur Entwicklung eines neuen Produkts, sondern um Verkaufsverhandlungen, bei denen es zunächst darum ging, ein Produkt so zuzuschneiden, dass es dem Kunden zusagt. Und es ging vor allem darum, überhaupt erst ins Geschäft zu kommen. In diesem Zusammenhang merkt die Kammer an, dass eine Geheimhaltungsvereinbarung, hätte man denn eine abschließen wollen, nur Sinn gemacht hätte, wenn auch KEPCO darin einbezogen worden wäre, denn dort musste der Entwurf ja geprüft und genehmigt werden. Eine solche Einbeziehung wäre aber sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich gewesen.

3.6 Ist demnach nach den Aussagen der Zeugen keine ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen worden und wäre dies in Anbetracht der Umstände auch nicht zu erwarten gewesen, so kommt die Annahme einer "stillschweigenden" Geheimhaltungsvereinbarung erst recht nicht in Betracht. Die Hinweise bei D8 und D9 auf die DIN34 (s. auch D17) ändern auch nichts an diesem Schluss. Daher geht die Kammer davon aus, dass die Dokumente D8 und D9 im Prioritätszeitpunkt zum Stand der Technik gehörten.

4. Neuheit - Artikel 54 EPÜ (Hauptantrag)

4.1 Die Zeichnung D8 zeigt einen metallgekapselten Spannungswandler für Mittelspannung, mit einer metallischen Wandlerkapselung (gezeigt durch die zwei dünnen Linien am Umriss der mittleren Figur), mit einem von außen zugänglichen elektrischen Anschlussteil (rechts in der mittleren Figur) und mit einer elektrischen Wandlerwicklung (unten in der gleichen Figur). Die Wandlerwicklung ist in elektrischem Isoliermaterial eingebettet (gezeigt durch die Schraffierung in den linken und mittleren Figuren) und von der metallischen Wandlerkapselung umschlossen. Die Zeichnung D8 zeigt weiterhin eine im Isoliermaterial enthaltene rohrförmige Ausnehmung (oben in den Figuren), die eine nach außen führende Zugrifföffnung aufweist (oben in der rechten Figur und oben links in der mittleren Figur), wobei in der Ausnehmung eine elektrische Sicherung aufgenommen ist (s. Kasten unten rechts "Benennung/designation"), wobei die Zugriffsöffnung mittels eines die vollständige Metallkapselung des Spannungswandlers herstellenden, elektrisch dichten Abschlussteils verschlossen ist.

4.2 Die Beschwerdegegnerin hat argumentiert, dass D8 weder zeigt, dass die Wandlerkapselung metallisch sei, noch dass dies eine vollständige Metallkapselung herstelle, noch dass das Abschlussteil elektrisch dicht sei. Die Kammer findet dieses Argument nicht überzeugend. Wie die Beschwerdeführerin vorgebracht hat, zeigt die rechte Figur in D8 Laschen. Der Fachmann würde erkennen, dass diese Laschen für die elektrische Erdung des Spannungswandlers vorgesehen sind, was zur Folge hat, dass sowohl die Laschen als auch die gesamte Wandlerkapselung metallisch sein müssen. Weiterhin macht eine solche Kapselung nur dann Sinn als Berührungsschutz, wenn die Metallkapselung vollständig und das Abschlussteil elektrisch dicht ist. Der Fachmann würde daher D8 so verstehen, dass diese Merkmale implizit offenbart sind.

4.3 Die Kammer kommt deshalb zu dem Schluss, dass die Zeichnung D8 einen Spannungswandler gemäß der ersten Alternative des Anspruchs 1 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin offenbart, so dass der Gegenstand dieses Anspruchs nicht neu ist.

5. Neuheit - Artikel 54 EPÜ (1. Hilfsantrag)

5.1 Anspruch 1 dieses Antrags unterscheidet sich von dem Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die erste Alternative für die Zugriffsöffnung gestrichen ist, so dass der Anspruch definiert, dass die Zugriffsöffnung als Durchbruch durch das Anschlussteil ausgebildet ist. Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass auch der Gegenstand dieses Anspruchs gegenüber D8 nicht neu sei, weil der in D8 abgebildete Kanal zwischen dem Anschlussteil und der Sicherung hohl sei, so dass er als Zugriffsöffnung im weitesten Sinne betrachtet werden könnte.

5.2 Die Kammer findet diese Argumentation nicht überzeugend. Die Beschwerdeführerin hat behauptet, dass der Begriff "Zugriffsöffnung" kleine Öffnungen für die visuelle Inspektion der Sicherung abdeckt. Die Kammer ist dagegen der Meinung, dass dieser Begriff die Möglichkeit eines mechanischen Zugreifens auf die Sicherung impliziert, was bei dem kleinen Kanal in D8 eindeutig nicht der Fall ist. Die Kammer ist ohnehin nicht davon überzeugt, dass dieser Kanal hohl wäre, weil durch ihn die elektrische Verbindung zwischen dem Anschlussteil und der Sicherung hergestellt werden muss.

5.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des 1. Hilfsantrags der Beschwerdegegnerin neu ist.

6. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ (1. Hilfsantrag)

6.1 Es ist unumstritten, dass D8 der relevanteste Stand der Technik ist. Der mit dem 1. Hilfsantrag beanspruchte Spannungswandler unterscheidet sich von diesem Stand der Technik dadurch, dass die Zugrifföffnung als Durchbruch durch das Anschlussteil ausgebildet ist, statt des in D8 gezeigten Zugriffs mittels eines separaten Abschlussteils.

6.2 Die Beschwerdeführerin hat als technisches Problem vorgeschlagen, dass bei manchen Anwendungen nicht ausreichend Platz für den Zugang zu dem Abschlussteil verfügbar ist. Dagegen hat die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die zusätzliche Öffnung bei D8 zu Problemen bezüglich der elektrischen Dichtheit führen könnte.

6.3 Die Kammer betrachtet beide vorgeschlagenen technischen Probleme als plausibel. Da aber für eine rohrförmige Sicherung in einer rohrförmigen Ausnehmung lediglich zwei praktische Zugriffsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, d.h. an den zwei Enden der Sicherung, ist die Kammer der Meinung, dass, falls es bei der in D8 gezeigten Ausführungsform Probleme gibt, der Fachmann ohne weiteres den Zugriff am anderen Ende in Betracht ziehen würde. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Öffnungen in Spannungswandlern, die zum Zugriff auf die Sicherungen durch das Anschlussteil hindurch dienen, am Prioritätsdatum des angefochtenen Patents schon bekannt waren (s. D1 und D5).

6.4 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des 1. Hilfsantrags der Beschwerdegegnerin nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

7. Deshalb erfüllt keiner der beiden Anträge der Beschwerdegegnerin die Erfordernisse des EPÜ. Dem Antrag der Beschwerdeführerin, das Patent zu widerrufen, war somit stattzugeben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation