T 1750/10 (EVONIK DEGUSSA / NIPPON SHOKUBAI / BASF SE) of 20.1.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T175010.20150120
Datum der Entscheidung: 20 Januar 2015
Aktenzeichen: T 1750/10
Anmeldenummer: 03763772.5
IPC-Klasse: A61L 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: WASSERABSORBIERENDE, SCHAUMF RMIGE POLYMERGEBILDE
Name des Anmelders: Evonik Degussa GmbH
Name des Einsprechenden: Nippon Shokubai Co., Ltd.
BASF SE
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Hauptantrag - Anspruch 1
Hauptantrag - Neuheit (ja)
Hauptantrag - Anspruch 5
Hauptantrag - Neuheit (nein)
Hilfsantrag 1 - Neuheit
Hilfsantrag 1 - (ja)
Zurückverweisung an Erstinstanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers (Patentinhabers) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr. 1 521 601 widerrufen wurde. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche 1, 5 und 9 lautete wie folgt:

"1. Ein Verfahren zur Herstellung von wasserabsorbierenden, schaumförmigen Polymergebilden, wobei eine wässrige Zusammensetzung (A) beinhaltend

(A1) Wasser,

(A2) ein oder mehrere Polymere, welche mindestens auf

(alpha1) 55-100 Gew.-% einem polymerisierten, monoethylenisch ungesättigten, säuregruppenhaltigen Monomeren oder dessen Salz sowie auf

(alpha2) 0-45 Gew.-% einem polymerisierten, monoethylenisch ungesättigten, mit (alpha1) copolymerisierbaren Monomeren basiert,

wobei die Summe der Gewichtsmengen (alpha1) und (alpha2) 100 Gew.-% beträgt und wobei mindestens 31.5 Gew.-% der Monomeren, bezogen auf das Gesamtgewicht der Monomeren (alpha1) und (alpha2), Acrylssäure oder Salze der Acrylsäure sind,

(A3) einen oder mehrere Vernetzer,

(A4) ein oder mehrere Blähmittel,

(A5) ein oder mehrere Tenside,

(A6) sowie gegebenenfalls weitere Hilfsstoffe

aufgeschäumt und die geschäumte, wässrige Zusammensetzung anschließend bei einer Temperatur in einem Bereich von 50 bis 300°C erhitzt wird, so dass die Polymere (A2) zumindest teilweise vernetzt und der Gehalt an Wasser (A1) auf höchstens 15 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des entstehenden, schaumförmigen Polymergebildes, eingestellt wird."

"5. Ein wasserabsorbierendes, schaumförmiges Polymergebilde, erhältlich nach einem Verfahren gemäß Ansprüche 1 bis 4."

"9. Ein Verfahren zur Herstellung eines Verbundes nach Anspruch 8, wobei eine geschäumte Zusammensetzung, wie in Anspruch 1 bis 3 definiert, mit mindestens einem Teil der Oberfläche eines Substrates in Kontakt gebracht wird und das mit der geschäumten Zusammensetzung in Kontakt gebrachte Substrat anschliessend bei einer Temperatur in einem Bereich von 50 bis 300 °C erhitzt wird, so dass die Polymere (A2) zumindest teilweise vernetzt, der Gehalt an Wasser (A1) auf höchstens 15 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des entstehenden, schaumförmigen Polymergebildes, eingestellt und das entstehende, schaumförmige Polymergebilde auf zumindest einem Teil der Substratoberfläche immobilisiert wird."

II. Im Einspruchsverfahren war das Streitpatent unter anderem wegen mangelnder Ausführbarkeit gemäß Artikel 100 b) EPÜ, sowie mangelnder Neuheit gemäß Artikel 100 a) EPÜ angegriffen worden. Es wurden unter anderem die folgenden Druckschriften angezogen:

(2) EP-A-0 744 435,

(10) WO 97/17397 und

(11) WO 00/52087.

III. In ihrer Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand der erteilten Stoffansprüche 6 und 7 nicht ausführbar sei. Das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren gemäß den damals geltenden Hilfsanträgen 2, 3 und 5 sei nicht neu gegenüber der Druckschrift (10), da gemäß Anspruch 1 des Streitpatentes die Anwesenheit von Monomeren nicht ausgeschlossen sei und sich aus den Monomeren bereits beim Aufschäumen der wässrigen Zusammensetzung in Druckschrift (10) Polymere entsprechend der Definition (A2) des Streitpatentes bildeten. Daher nehme die Druckschrift (10) das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatentes neuheitsschädlich vorweg.

IV. Die Beschwerdeführerin reichte in der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2015 vor der Kammer unter anderem einen neuen Hilfsantrag 1 ein, der nur noch die erteilten Verfahrensansprüche 1 bis 4 und 9 bis 11 mit jeweils angepasstem Wortlaut und angepasster Nummerierung enthielt. Der Wortlaut des unabhängigen Verfahrensanspruchs 5 lautete wie folgt:

"5. Verfahren zur Herstellung eines Verbundes umfassend ein wasserabsorbierendes, schaumförmiges Polymergebilde erhältlich nach einem Verfahren gemäß Anspruch 1 bis 4 und ein Substrat, wobei eine geschäumte Zusammensetzung, wie in Anspruch 1 bis 3 definiert, mit mindestens einem Teil der Oberfläche eines Substrates in Kontakt gebracht wird und das mit der geschäumten Zusammensetzung in Kontakt gebrachte Substrat anschließend bei einer Temperatur in einem Bereich von 50 bis 300°C erhitzt wird, so dass die Polymere (A2) zumindest teilweise vernetzt, der Gehalt an Wasser (A1) auf höchstens 15 Gew. -%, bezogen auf das Gesamtgewicht des entstehenden, schaumförmigen Polymergebildes, eingestellt und das entstehende, schaumförmige Polymergebilde auf zumindest einem Teil der Substratoberfläche immobilisiert wird."

V. Hinsichtlich des Hauptantrages (Patent wie erteilt) brachte die Beschwerdeführerin vor, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 ausführbar und nicht im Stand der Technik offenbart sei. Das in den angezogenen Druckschriften (10) und (11) eingesetzte Verfahren sei in jedem Falle so durchzuführen, dass während des Aufschäumens der wässrigen Monomerzusammensetzungen auch in Gegenwart des Initiators keine Polymerisierung erfolge. Dass bei geeigneter Auswahl der Temperaturen und Initiatoren auch schon bei Raumtemperatur eine Polymerisation stattfinden könne, sei somit eine Interpretation entgegen der Lehre dieser Druckschriften. In Bezug auf den Neuheitseinwand der Beschwerdegegnerin I gegen das Verfahren des erteilten Anspruchs 1 auf der Basis der Druckschrift (2) beantragte die Beschwerdeführerin, diesen Einwand als verspätet nicht zuzulassen, da die Beschwerdegegnerin während des gesamten schriftlichen Beschwerdeverfahrens diese Druckschrift nicht angezogen habe, sondern erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer einen Neuheitseinwand auf der Basis dieser Druckschrift vorbrachte. Die Einspruchsabteilung habe jedoch bereits die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes gegenüber dieser Druchschrift im Einspruchsverfahren festgestellt.

VI. Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende II) brachte vor, dass das Verfahren, wie im erteilten Anspruch 1 definiert, nicht ausführbar sei, da die Menge der Komponente (A1) nur in Bezug auf das Endprodukt definiert werde. Der Fachmann könne diese Menge an Wasser jedoch erst am Ende des Verfahrens feststellen, so dass er nicht wisse, welchen Menge Wasser er zu Beginn als Komponente (A1) in der wässrigen Zusammensetzung (A) einsetzen solle. Weiterhin sei die Syntax in Anspruch 1 so fehlerhaft, dass der Fachmann nicht wisse, welche Verfahrensschritte durchzuführen seien. Hinsichtlich der Neuheit brachten die Beschwerdegegnerinnen I (Einsprechende I) und II vor, dass in den Druckschriften (10) und (11) bereits eine Polymerisation der Monomeren (alpha1) und (alpha2) während des Aufschäumens der wässrigen Zusammensetzung stattfinde, so dass auch im Stand der Technik während des ersten Verfahrensschrittes der Aufschäumung schon Polymere gemäß der Definition (A2) vorlägen, bevor im zweiten Verfahrensschritt neben der weiteren Polymerisation auch eine Vernetzung stattfinde. Damit seien auch im Stand der Technik die Verfahrensschritte in der gleichen Reihenfolge auszuführen, wie im Verfahren gemäß Streitpatent. Das mit dem Verfahren gemäß Anspruch 1 erhaltene Produkt, das Gegenstand des erteilten Anspruchs 5 sei, sei in jedem Falle nicht neu, da auch im Falle einer unterschiedlichen Reihenfolge der Verfahrensschritte keine strukturell unterscheidbaren schaumförmigen Polymergebilde erhalten würden. Die Beschwerdegegnerin I brachte vor, dass auch Druckschrift (2) den Gegenstand des Verfahrens gemäß des erteilten Anspruchs 1 vorwegnehme. Die in Anspruch 5 des Hilfsantrages vorgenommenen Änderungen führten zur mangelnden Klarheit des Wortlautes des neuen Anspruchs 5.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, sowie hilfsweise die Zurückverweisung des Falles an die Erstinstanz zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit auf der Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 8, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, oder auf der Basis eines der Hilfsanträge 9 bis 16 eingereicht mit Schreiben vom 4. Dezember 2014.

Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag - Anspruch 1

2. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)

2.1 Die Beschwerdegegnerin II bemängelte die Ausführbarkeit des in Anspruch 1 des Streitpatentes beanspruchten Verfahrens. Insbesondere enthalte das Streitpatent keine Informationen darüber, wie in dem beanspruchten Verfahren "der Gehalt an Wasser (A1) auf höchstens 15 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des entstehenden, schaumförmigen Polymergebildes" eingestellt werden könne. In Anspruch 1 werde mit (A1) sowohl die Komponente Wasser beschrieben, die in der wässrigen Zusammensetzung (A) vor dem Auschäumen in einer nicht definierten Menge vorhanden sein muss, als auch die Menge von höchstens 15 Gew.-% Wasser (A1), die im Endprodukt nicht überschritten werden soll. Darüberhinaus sei auch die Syntax des Anspruchs fehlerhaft, da entweder nach dem Wort "vernetzt" ein Verb fehlt, oder am Ende des Anspruchs "werden" anstelle von "wird" stehen sollte. Daher wisse der Fachmann nicht, welche Massnahmen er durchführen solle, um zu einem schaumförmigen Polymergebilde mit einem Gehalt von höchstens 15 Gew.-% Wasser (A1) zu gelangen.

2.2 Indessen ist festzustellen, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 von einer wässrigen Zusammensetzung (A) ausgeht, bei welcher die Mengen der Komponenten (A1) bis (A6) nicht weiter spezifiziert werden. Nach dem Aufschäumen wird die geschäumte wässrige Zusammensetzung (A) anschließend bei einer Temperatur in einem Bereich von 50 bis 300°C erhitzt, "so dass die Polymere (A2) zumindest teilweise vernetzt und der Gehalt an Wasser (A1) auf höchstens 15 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des entstehenden, schaumförmigen Polymergebildes, eingestellt wird." Obwohl, wie von der Beschwerdegegnerin II festgestellt, die Syntax dieser Passage in Anspruch 1 fehlerhaft ist, so wird der Fachmann beim Lesen des Anspruchs die einzige technisch sinnvolle Information entnehmen, nämlich dass die Polymere (A2) teilweise vernetzt werden und der Gehalt an Wasser (A1) auf höchstens 15 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des entstehenden, schaumförmigen Polymergebildes, eingestellt wird. Sowohl die Vernetzung der Polymere (A2) mit dem Vernetzer (A3), als auch das Einstellen eines Restwassergehaltes im Endprodukt sind dem Fachmann aus seinem Fachwissen geläufige Arbeitsschritte. Für den Fachmann ist daher klar, dass er die Reaktionsbedingungen, so auswählt, dass er unabhängig von der anfangs eingesetzten Menge (A1) solange Wasser verdampft, bis im Endprodukt ein Gehalt an Wasser von höchstens 15 Gew.-% erreicht wird.

2.3 Die Kammer ist somit der Auffassung, dass das Verfahren, wie in Anspruch 1 des Streitpatentes definiert, ausführbar im Sinne von Artikel 83 EPÜ ist. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ greift somit nicht durch.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Beschwerdegegnerinnen I und II haben die Druckschriften (10) und (11), sowie die Beschwerdeführerin I auch die Druckschrift (2) gegen die Neuheit des Anspruchs 1 angezogen.

Druckschriften (10) und (11)

3.1 Druckschriften (10) und (11) sind in ihrem Offenbarungsgehalt nahezu identisch und unterscheiden sich nur durch unterschiedliche Aufschäumungsverfahren. Da das Aufschäumverfahren in Anspruch 1 des Streitpatentes nicht näher spezifiziert ist, wird im folgenden nur auf die Druckschrift (10) Bezug genommen, die auch von der Einspruchsabteilung zur Neuheit angezogen wurde.

3.2 Druckschrift (10) offenbart wasserabsorbierende, schaumförmige, vernetzte Polymerisate, die erhältlich sind durch Aufschäumen einer wässrigen, Monomere enthaltenden Zusammensetzung und anschließender Polymerisiation und Vernetzung der aufgeschäumten Zusammensetzung (Anspruch 1, Beispiel 1). Die wässrige Zusammensetzung enthält die streitpatentgemäßen Komponenten (A1), (A3), (A4), (A5) und gegebenenfalls (A6), sowie anstelle der Polymere (A2) des Streitpatentes die entsprechenden Monomere (alpha1) und (alpha2) gemäß Streitpatent. Kurz vor Beendigung des Aufschäumens wird dieser Zusammensetzung ein Polymerisationsinitiator zugesetzt. Die aufgeschäumte Zusammensetzung wird anschliessend polymerisiert und der Wassergehalt auf 1 bis 45 Gew.-% eingestellt (Seite 4, Zeilen 18 bis 22). Entsprechend der Erfindung von Druckschrift (10) erfolgt die Herstellung des Schaum getrennt von der Polymerisation (Seite 14, Zeile 45 bis 46).

3.3 Zwischen den Parteien war strittig, ob die Reihenfolge der Verfahrensschritte gemäß Anspruch 1 des Streitpatentes, nämlich zunächst Aufschäumen einer Polymere enthaltenden, wässrigen Zusammensetzung und eine daran anschließende Vernetzung der geschäumten Zusammensetzung, auch in Druckschrift (10) offenbart sei.

3.3.1 Die Beschwerdegegnerinnen I und II brachten vor, dass bereits in Beispiel 1 in der wässrigen Zusammensetzung neben den Monomeren bereits ein Polymer, nämlich ein Superabsorber entsprechend der streitpatentgemäßen Komponente (A2) vorhanden sei. Somit sei bereits in Beispiel 1 die Reihenfolge der Verfahrensschritte wie im Anspruch 1 des Streitpatentes offenbart.

Indessen ist festzustellen, dass nicht jeder Superabsorber automatisch die für Polymer (A2) geforderte chemische Struktur aufweisen muss, jedoch in Beispiel 1 die Struktur des Superabsorbers nicht offenbart ist. Darüber hinaus enthält das Beispiel 1, welches als Ausführungsform mit einer spezifischen Merkmalskombination zu sehen ist, einen Restwassergehalt im Endprodukt von 25 %.

Daher kann dieses Argument der Beschwerdegegnerinnen nicht durchgreifen.

3.3.2 Die Beschwerdegegnerinnen I und II brachten weiterhin vor, dass die in Druckschrift (10) als Polymerisationsinitiatoren eingesetzten Verbindungen nicht nur durch UV-Strahlung, sondern auch thermisch aktivierbar seien. Wie auf Seite 15, Zeilen 26 bis 28 der Druckschrift (10) offenbart, lägen die Temperaturen der wässrigen Zusammensetzung während des Aufschäumens im Bereich von -10 bis 100 °C. Daher beginne im Moment des Zusetzens des Polymerisationsinitiators, d.h. vor Beendigung des Aufschäumens, bereits die Polymerisation der Monomeren. Die von der Beschwerdeführerin postulierte Trennung der beiden Verfahrensschritte "Aufschäumung" und "Polymerisation" in Druckschrift (10) sei lediglich eine gedankliche Abgrenzung, die jedoch den real stattfindenden chemischen Prozessen nicht Rechnung trage.

Indessen ist der Hinweis auf die Aufschäumung bei höheren Temperaturen und die damit verbundene Möglichkeit der vorzeitigen Aktivierung der Polymerisationsinitiatoren alleine nicht ausreichend, um eine neuheitsschädliche Offenbarung der Druckschrift (10) zu belegen. Vielmehr ist festzustellen, dass die Möglichkeit einer vorzeitigen Polymerisation der Monomeren während des Aufschäumens der allgemeinen Lehre der Druckschrift (10) entgegenstünde, welche ausdrücklich lehrt, dass die Herstellung des Schaum erfindungsgemäß getrennt von der Polymerisation stattfinde (Seite 14, Zeile 45 bis 46). Dieser Lehre zufolge würde der Fachmann die Reaktionsbedingungen im Rahmen der allgemeinen Offenbarung der Druckschrift (10) so auswählen, dass während des Aufschäumens keine vorzeitige Polymerisation erfolgt.

Daher kann dieses Argument der Beschwerdeführerinnen ebenfalls nicht zum Erfolg führen.

3.4 Infolgedessen kommt die Kammer zu der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu ist gegenüber Druckschrift (10). Dies gilt gleichermassen für die Druckschrift (11), die sich in ihrem Offenbarungsgehalt lediglich durch ein anderes Aufschäumverfahren von Druckschrift (10) unterscheidet.

Druckschrift (2)

4. Verspätetes Vorbringen

4.1 Im Beschwerdeverfahren brachte die Beschwerdegegnerin I erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer einen Neuheitseinwand gegen den Anspruch 1 des Streitpatentes vor, der auf der Offenbarung der Druckschrift (2) basierte. Die Beschwerdeführerin beantragte, diesen Einwand als verspätet nicht in das Verfahren zuzulassen.

4.2 Tatsächlich wurde im gesamten schriftlichen Beschwerdeverfahren die Neuheit nur im Hinblick auf die Druckschriften (10) und (11) diskutiert. Der Einwand gegen die Neuheit auf Basis der Druckschrift (2), der im Beschwerdeverfahren erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht wurde, gilt daher als verspätet. Die Einspruchsabteilung hatte in ihrer Entscheidung bereits entschieden, dass der Gegenstand des Ansspruchs 1 neu sei gegenüber der Druckschrift (2), da diese Druckschrift den Verfahrensschritt des Erhitzens nicht offenbare. Daher sieht die Kammer keine Veranlassung diese Einwand weiter zu verfolgen.

Hauptantrag - Anspruch 5

5. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Der Anspruch 5 betrifft ein wasserabsorbierendes, schaumförmiges Polymergebilde, welches erhältlich ist nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1. Die Diskussion der Neuheit dieses product-by-process-Anspruchs 5 kann sich hier auf die Frage beschränken, ob sich die Verfahrensmerkmale des Anspruchs 1 am fertigen Produkt des Anspruchs 5 feststellen lassen.

Die einzelnen Verfahrenschritte des Verfahrens gemäß Anspruch 1 finden sich auch in der Offenbarung der Druckschriften (10) und (11) (siehe Punkt 3. supra), wobei unter den Parteien in erster Linie die Reihenfolge dieser Verfahrensschritte im Stand der Technik strittig war.

Die Beschwerdeführerin konnte jedoch nicht belegen, dass durch eine unterschiedliche Reihenfolge der Verfahrensschritte ein strukturell unterscheidbares Endprodukt erhalten wird.

Infolgedessen kommt die Kammer zu der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 5 des Hauptantrages nicht neu ist gegenüber den Druckschriften (10) und (11).

Hilfsantrag 1

6. Änderungen (Artikel 123(2) und (3) EPÜ)

Die Ansprüche 1 bis 7 des Hilfsantrages 1 entsprachen den erteilten Verfahrensansprüchen 1 bis 4 und 9 bis 11. Die Ansprüche 9 bis 11 waren umnumeriert als Ansprüche 5 bis 7. Der Wortlaut der Ansprüche wurde in Hinblick auf die Rückbezüge den neuen Numerierungen angepasst. Der Wortlaut des neuen Anspruchs 5 (siehe Paragraph IV supra) basierte auf dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 9 (siehe Paragraph I supra) und wurde lediglich in seiner einleitenden Passage redaktionell angepasst, indem die Rückbezüge auf die erteilten Stoffansprüche 5 und 8, die in Hilfsantrag 1 gestrichen worden waren, ausformuliert wurden. Der im erteilten Anspruch 9 enthaltene Rückbezug auf den Verbund "nach Anspruch 8" wurde daher ersetzt durch die Passage "umfassend ein wasserabsorbierendes, schaumförmiges Polymergebilde [nach Anspruch 5] und ein Substrat" in der wiederum der Rückbezug auf Anspruch 5 durch die Passage "erhältlich nach einem Verfahren gemäß Anspruch 1 bis 4" ersetzt wurde. Daher sind die vorgenommenen Änderungen lediglich als redaktionelle Anpassungen des Wortlautes an die Streichung der Stoffansprüche zu sehen. Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind daher erfüllt.

Durch die Streichung der erteilten Stoffansprüche 5 bis 8, sowie der erteilten Ansprüche 12 bis 16 resultiert eine Beschränkung des Schutzumfanges. Daher sind auch die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ erfüllt.

7. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

7.1 Die Beschwerdegegnerin I bemängelte, dass durch die Änderung der einleitenden Passage der neue Anspruch 5 unklar sei, da er ein Verfahren betreffe, welches durch Aufnahme mehrere Bezüge auf Stoffansprüche im einleitenden Teil nicht mehr eindeutig eine Anspruchskategorie zugeordnet werden könne. Ausserdem sei nicht klar, welche "geschäumte Zusammensetzung wie in Anspruch 1 bis 3 definiert" in Anspruch 5 gemeint sei.

7.2 Indessen ist festzustellen, dass alle Änderungen im einleitenden Teil des neuen Anspruchs 5 bereits als Rückbezüge auf die erteilten Ansprüche 5 und 8 in der erteilten Fassung dieses Anspruchs enthalten waren. Ebenso war die geschäumte Zusammensetzung bereits Bestandteil des erteilte Anspruchs. Nach Auffassung der Kammer waren die Ansprüche in ihrer erteilten Fassung klar und durch die redaktionellen Änderungen in Anspruch 5 sind keine neuen Unklarheiten entstanden. Daher kann das Vorbringen der Beschwerdegegnerin I, das einen Klarheitseinwand gegen die erteilte Fassung darstellt, nicht durchgreifen.

8. Neuheit und 100 b) EPÜ

8.1 Da der Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 identisch ist mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, gelten für die Beurteilung der Ausführbarkeit und der Neuheit die gleichen Argumente und Schlussfolgerungen, wie für den Hauptantrag (siehe Punkt 2. bis 4. supra). Daher gilt der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag als neu.

8.2 Aus den gleichen Gründen gilt das Verfahren gemäß des neuen Anspruchs 5 als neu, da es sich auf das Verfahren des Anspruchs 1 bezieht.

9. Zurückverweisung Artikel 111(1) EPÜ

Da das Streitpatent in Bezug auf den erteilten Anspruch 1 gemäß geltendem Hilfsantrag 1 nur wegen Neuheit gegenüber der Druckschrift (10) widerrufen worden ist, die Kammer indessen die Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber dieser Entgegenhaltung festgestellt hat, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Gleichwohl hat die Kammer keine Entscheidung in der ganzen Angelegenheit getroffen, da die Einspruchsabteilung zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit noch keine beschwerdefähige Entscheidung getroffen hat. Hierzu steht eine abschließende Prüfung der ersten Instanz noch aus. Die Kammer hält es daher nicht für angezeigt, an deren Statt diese Fragen zu entscheiden, um auch diesbezüglich den Parteien die Möglichkeit auf eine Beschwerde vor der zweiten Instanz zu erhalten. Unter diesen Umständen verweist die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurück.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur Fortsetzung des Verfahrens auf der Basis der Ansprüche 1 bis 7 gemäbeta des Hilfantrags 1 an die erste Instanz zurückverwiesen.

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