European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T171610.20110506 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Mai 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1716/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07010099.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61F 13/56 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verschlussband, Bandmaterial, Wicklung, Windel und Herstellungsverfahren | ||||||||
Name des Anmelders: | Koester GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag - Anspruch 1 nicht klar und deutlich - nicht zugelassen Hilfsantrag - Anspruch 1 - nein Zurückverweisung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 6. April 2010, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 07010099.5 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung hat die Prüfungsabteilung angeführt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus
D2 US-A-2003/100878
bekannt und daher nicht neu sei.
II. Am 26. Mai 2010 hat die Patentanmelderin Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die vorgeschriebene Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 6. August 2010 eingereicht. Die Beschwerdeführerin erläutert darin ihre Auffassung, dass die Zurückweisung der Patentanmeldung auf einer unzutreffenden Beurteilung des Gegenstands des Anspruchs 1 beruhe. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D2, da diese kein Fenster aufweise.
III. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 24. Februar 2011 mitgeteilt, dass sie keine fehlerhafte Beurteilung der Prüfungsabteilung in Bezug auf die mangelnde Neuheit erkennen könne und brachte zusätzliche Klarheitseinwände vor.
IV. Mit Schreiben vom 6. April 2011 reichte die Beschwerdeführerin einen in Bezug auf die Beschreibung geänderten Hauptantrag, sowie neue Hilfsanträge 1 und 2 ein.
V. Am 6. Mai 2011 fand eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 14 des Hauptantrags, alternativ auf der Grundlage der ebenfalls während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 13 des Hilfsantrags, zu erteilen.
Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"Verschlussband (1) für einen Hygieneartikel (6) mit einem Befestigungsbereich (9) zum permanenten (7) Befestigen am Hygieneartikel (6) und mit einem Schließbereich (19) zum gleichzeitigen lösbaren Verbinden mit einer Oberfläche des Hygieneartikels (6) mit einer auf einem Fasteningträger (4) getragenen Komponente (5) eines mechanischen zwei-Komponenten-Verschlusssystems,
dadurch gekennzeichnet, dass der Fasteningträger (4) im Schließbereich (19) eine Ausnehmung aufweist, welche unter einer Basis (17) der Verschlusssystem-Komponente (5) angeordnet ist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags lautet:
"Verschlussband (1) mit einer auf einem Fasteningträger (4) getragenen Komponente (5) eines mechanischen zwei-Komponenten-Verschlusssystems, dadurch gekennzeichnet, dass der Fasteningträger (4) unter der Verschlusssystem-Komponente (5) eine Ausstanzung (20, 21) aufweist."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei klar und deutlich, da in der Beschreibung - insbesondere in den Absätzen [0018] und [0019] - erläutert werde, wodurch eine Ausnehmung gekennzeichnet sei. Der Antrag solle daher zugelassen werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags sei eingeschränkt gegenüber dem Gegenstand des ursprünglich offenbarten Anspruchs 2, da nunmehr eine Ausstanzung beansprucht sei. Damit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber D2. D2 offenbare einen Fasteningträger aus zwei nebeneinander angeordneten und durch einen deutlichen Abstand voneinander getrennten Bereichen, welche strukturell nicht miteinander verbunden seien. Diese Bereiche seien nicht durch Ränder verbunden, wie sie für eine Ausstanzung vorhanden sein müssten. Die Gründe, welche zur Zurückweisung führten, seien daher gegenstandslos und der Antrag solle zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückgegeben werden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1 Der Wortlaut des Anspruchs 1 beinhaltet im kennzeichnenden Teil, dass der Fasteningträger (4) im Schließbereich (19) eine Ausnehmung aufweist.
2.2 In der Beschreibung der Anmeldung wird hierzu in den Absätzen [0009] und [0018] erläutert, dass unter der "Ausnehmung" eine makroskopische Veränderung des Trägers verstanden werden soll. Als Beispiel dafür wird in Absatz [0018] auf eine Banddickenänderung hingewiesen. Somit ist unter Ausnehmung nicht ein partielles Fehlen des Fasteningträgers anzusehen, sondern lediglich eine undefinierte Dickenänderung des Fasteningträgers. Da Abweichungen in der Dicke des Fasteningträgers aber bereits durch eine produktionsbedingte Schwankungsbreite - wie ebenfalls in Absatz [0018] zutreffend erläutert - üblicherweise auftreten, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 somit nicht klar Artikel 84 EPÜ 1973).
2.3 Der Hauptantrag wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Nach Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Die Zulassung von Anträgen in einem späten Verfahrensstadiums ist nur dann verfahrensökonomisch, wenn sie nicht vor vornherein ungeeignet sind, die Zweifel an der Gewährbarkeit von Ansprüchen auszuräumen. Letzteres ist im Hinblick auf die im Bescheid der Kammer geäußerten Bedenken, die die Beschwerdeführerin nicht ausräumen konnte, nicht der Fall. Auch die während der mündlichen Verhandlung erfolgte Änderung des Wortlauts führt nicht zu einem beanspruchten Gegenstand, welcher im Sinne von Artikel 84 EPÜ 1973 klar ist. Deshalb wird dieser Antrag nicht zugelassen.
3. Hilfsantrag
3.1 Gegenstand des Anspruchs 1 - Änderungen
Der Wortlaut des Anspruchs 1 beruht auf dem Wortlaut der ursprünglich eingereichten Ansprüche 2 und 12 sowie den Absätzen [0016, 0032, 0040 bis 0045] der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Während der ursprünglich eingereichte Anspruch 2 auf einen Fasteningträger mit einer "Ausnehmung" gerichtet war, beschränkt sich der nunmehr vorliegende Anspruch 1 auf den Spezialfall einer Ausstanzung. Dies ist für das Verfahren gemäß dem ursprünglich eingereichten Anspruch 12, sowie in den oben genannten Absätzen der Beschreibung offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist klar und deutlich und durch die Beschreibung gestützt. Die Erfordernisse der Artikel 84 EPÜ 1973 und 123(2) EPÜ sind erfüllt.
3.2 Neuheit (Artikel 54 EPÜ 1973)
3.2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist auf ein Verschlussband gerichtet, welches im Fasteningträger unter der Verschlusssystem-Komponente eine Ausstanzung beinhaltet. Dies bedeutet, dass bei gleichbleibender Banddicke ein Teilbereich des Fasteningträgers ausgestanzt worden ist. Ein Fasteningträger, welcher eine derartige "Ausstanzung" aufweist, wird in den Figuren 2 und 3 der Anmeldung gezeigt.
3.2.2 D2 offenbart in Figur 16 einen Fasteningträger 60 mit einem Bereich 70, in welchem dieser Fasteningträger lediglich über eine Verschlusssystem-Komponente 64 strukturell zu einem Windelverschlussverband verbunden ist.
3.2.3 Davon unterscheidet sich das beanspruchte Verschlussband insofern, als nunmehr der Fasteningträger unter der Verschlusssystem-Komponente eine Ausstanzung aufweist.
3.2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 umfasst daher nicht mehr den in Absatz [0021] dargestellten Extremfall, bei welchem der Fasteningträger ein Fenster enthält, welches sich über die gesamte Breite des Verschlussbandes im Schließbereich erstrecken könnte, so dass unter der mechanischen Verschlusssystem-Komponente der Fasteningträger vollständig in zwei oder mehr Teile getrennt wäre. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu (Artikel 54 EPÜ 1973) gegenüber dem in D2 offenbarten Verschlussband.
4. Zurückverweisung an die erste Instanz
4.1 Damit ist die Beschwerde begründet (Artikel 110 EPÜ).
4.2 Nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, entscheidet die Beschwerdekammer über die Beschwerde. Die Beschwerdekammer wird entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück (Artikel 111 (1) EPÜ 1973). Da die Prüfungsabteilung noch nicht zur Frage der Neuheit gegenüber den weiteren Dokumenten sowie zur Frage der erfinderischen Tätigkeit Stellung genommen hat, übt die Kammer das ihr eingeräumte Ermessen dahingehend aus, dass sie die Sache zur weiteren Entscheidung zurückverweist. Dies steht insbesondere auch im Einklang mit der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 9/91, die die Beschwerdekammern in erster Linie als Überprüfungsinstanz sieht. In Ziffer 18 dieser Entscheidung führt die Große Beschwerdekammer zum Einspruchsbeschwerdeverfahren aus: "Hauptzweck des mehrseitigen Beschwerdeverfahrens ist es, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit zu geben, die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anzufechten. Überdies ist das Beschwerdeverfahren - anders als das rein administrative Einspruchsverfahren - als verwaltungsgerichtliches Verfahren anzusehen . Ein solches Verfahren ist seiner Natur nach weniger auf Ermittlungen ausgerichtet als ein Verwaltungsverfahren."
Diese Grundsätze gelten für das Prüfungsverfahren entsprechend.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens zurückverwiesen.