T 1661/10 () of 7.7.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T166110.20150707
Datum der Entscheidung: 07 Juli 2015
Aktenzeichen: T 1661/10
Anmeldenummer: 01250319.9
IPC-Klasse: G01G 19/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Steuerung einer schnellen dynamischen Waage
Name des Anmelders: Francotyp-Postalia GmbH
Name des Einsprechenden: Wipotec Wiege- und Positioniersysteme GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet ihre am 27. Juli 2010 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr eingelegte Beschwerde gegen die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 1 189 041 vom 27. Mai 2010. Ihre Beschwerde hat sie am 28. September 2010 begründet.

In der Einspruchsschrift war das Patent durch die in Art. 100 a) EPÜ aufgeführten Einspruchsgründe der fehlenden Neuheit (Art. 54 EPÜ) und der fehlenden erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) angegriffen worden.

Zum Beleg des Einspruchsgrunds der mangelnden erfinderischen Tätigkeit wurden u.a. folgende Druckschriften genannt:

D1: EP 0 514 107 A1

D6: DE 200 01 150 U1

D7: DE 19 860 295 A1

D8: EP 1 014 050 B1.

Zur Stütze des Einspruchsgrunds der mangelnden Neuheit wurde nur eine offenkundige Vorbenutzung einer Durchlauf­waage mit Bandstopp bei langen Paketen unter der Projektbezeichnung "Nachrüstung Waagen Depot Malsch Teststrecke" genannt. Als Beweis dafür wurde ein Zeuge angeboten und dessen eidesstattliche Versicherung eingereicht.

II. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass die geltend gemachte Vorbenutzung mangels Substantiierung nicht hinreichend bewiesen worden sei und dass die druckschriftlichen Entgegenhaltungen die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens gemäß dem erteilten Anspruch 1 nicht vorwegnehmen würden.

III. In ihrer Beschwerdebegründung nahm die Beschwerdeführerin nur auf die im Einspruchsverfahren behandelten Druckschriften Bezug und nannte neben der Druckschrift D1 auch die Entgegenhaltung D8 unter der Bezeichnung "E8" als nächstliegenden Stand der Technik. Ausgehend von der Offenbarung der Druckschrift D1 sah sie die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nach dem erteilten Anspruch 1 aufgrund allgemeinen Fachwissens oder der Offenbarung in der Druckschrift D6 oder D7 vorweggenommen.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) machte in ihrer Beschwerdeerwiderung u.a. geltend, dass allein die Druckschrift D1 als nächstliegender Stand der Technik heranzuziehen sei und dass keine von der Beschwerdeführerin genannten Kombinationen die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens vorwegnehmen würde.

V. Mit einer Ladung vom 20. Februar 2015 wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung gemäß Regel 115(1) EPÜ geladen und in einer beigefügten Mitteilung nach Art. 15 (1) VOBK über die vorläufige und nicht bindende Meinung der Beschwerdekammer informiert.

VI. In der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2015, an deren Ende die Entscheidung der Kammer verkündet wurde, beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:

" Verfahren zur Steuerung einer schnellen dynamischen Waage, mit einem Steuern der Transporteinrichtung (4) beim Transport von Poststücken (A) zu einer weiteren Verarbeitungsstation (30), mit einem Messen mittels einer Wiegezelle (7) während des Transportes und einem Auswerten der Messwerte mittels des Mikroprozessors (21) der dynamischen Waage (20) zur Gewichtsbestimmung beim dynamischen Wiegen in einem ersten Betriebsmodus und Liefern von Wiegewerten zu der weiteren Verarbeitungsstation (30), sowie mit einer automatischen Umschaltung in einen zweiten Betriebsmodus zum halbdynamischen Betrieb der Waage (20) mit statischen Wiegen,

gekennzeichnet dadurch,

dass die automatische Umschaltung in Abhängigkeit vom Ergebnis einer Bestimmung der Dimensionen des nachfolgend an die Waage (20) gelieferten Poststückes (A) in einer im Poststrom aufwärts angeordneten ersten Verarbeitungsstation (10) erfolgt. "

Die erteilten Ansprüche 2 bis 9 sind abhängige Ansprüche.

VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Als nächstliegender Stand der Technik könne die Entgegenhaltung D1 angesehen werden. Wie in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt, offenbare die Druckschrift D1 alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Die objektive technische Aufgabe, die sich aus der Merkmalsdifferenz zwischen dem kennzeichnenden Teil des Hauptanspruchs und der Offenbarung der Entgegenhaltung D1 ableiten würde, könne, wie in Absatz [0014] des Streitpatents ausgeführt, in der Schaffung eines alternativen Verfahrens zur Steuerung einer schnellen dynamischen Waage gesehen werden. Auf Seite 2, Zeilen 28 und 29 der Druckschrift D1 werde mit Bezug auf Tabelle 1 ausgeführt, dass sowohl dynamische als auch statische Wiegeverfahren bekannt seien und dass diese beiden Optionen auch kombiniert werden könnten. In den Zeilen 31 - 33 dieser Seite werde angeregt, das Wiegeverfahren in Abhängigkeit der Abmessung und des Gewichts des Poststückes auszuwählen. Im anschließenden Ausführungsbeispiel in D1 werde die Auswahl des Wiegemodus dann ausschließlich anhand der Gewichtssignale vorgenommen. Wenn die technische Aufgabe in der Bereitstellung einer Alternative zum Wiegemodus mittels Gewichtssignale definiert sei, entnehme der Fachmann der Druckschrift D1, insbesondere den bereits genannten Stellen, sofort, dass die Bestimmung des Wiegemodus auch in Abhängigkeit der Abmessungen möglich sei, da diese, neben dem Gewicht des Poststückes, eine Rolle spielten. Dem Fachmann sei dabei klar, dass die Abmessungen zeitlich vor dem Wiegevorgang ermittelt werden müssten. Außerdem habe er das Ziel, die Güter möglichst schnell zu befördern, um insgesamt einen hohen Produktdurchsatz zu ermöglichen. Deshalb sei es gerade bei bewegten Gütern wichtig, deren Abmessungen nicht nur zeitlich sondern auch räumlich, d.h. bevor sich die Güter auf der Waage befänden, zu bestimmen. Für bewegte Poststücke leite sich daraus zwingend das Erfordernis ab, deren Dimensionen stromaufwärts der Wägeplattform zu ermitteln, was unmittelbar zum Gegenstand des strittigen Hauptanspruchs führe. Jede Vorrichtung zur Erfassung der Dimensionen des Poststückes könne dabei als "Verarbeitungsstation" im Sinne des strittigen Hauptanspruchs gelten, insbesondere weil die dort erfassten Daten sogar im wörtlichen Sinne zur Auswahl des Wiegeverfahrens "verarbeitet" würden. Deshalb weise das beanspruchte Verfahren schon aufgrund der Offenbarung der Druckschrift D1 und fachmännischer Überlegungen keine erfinderische Tätigkeit auf.

Darüber hinaus sei auch aus der Druckschrift D6, Seite 3, Zeilen 29 - 30, bekannt, die Abmaße der Poststücke oder Briefe im Voraus auszuwerten. Da es sich um bewegte Briefe handele, liege es somit nahe, die Abmaße der Briefe zu erfassen, bevor ein Brief die Wägestation erreiche. Damit gelange der Fachmann durch die Kombination der Entgegenhaltungen D1 und D6 zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Schließlich offenbare die Entgegenhaltung D7 eine umschaltbare, dynamische Waage und gebe ebenfalls auf Seite 8, Zeilen 38 - 49, klare Hinweise zur Ermittlung der Länge des zu wiegenden Briefs zur optimalen Positionierung auf der Waage. Dies erfolge entweder mithilfe eines unmittelbar am Briefeinlauf der Waage angeordneten Sensors oder könne alternativ von einer vorgeschalteten Briefvereinzelungsvorrichtung übermittelt werden. Diese Vereinzelungsvorrichtung sei laut der Offenbarung auf Seite 6, Zeile 3 der Entgegenhaltung D7 stromaufwärts zur Waage angeordnet. Somit erhalte der Fachmann, der die Umschaltung zwischen dynamischem und statischem Wiegeverfahren aufgrund der Dimensionen eines Poststückes vornehmen wolle, auch aus der Entgegenhaltung D1 in Zusammenschau mit der Entgegenhaltung D7, die Anregung, die als Umschaltkriterium zu Grunde liegenden Dimensionen des Poststückes zu erfassen, noch bevor dieses die Waage erreiche, also stromaufwärts davon. Eine stromaufwärts der Waage angeordnete separate Vorrichtung zur Erfassung dieser Abmessungen sei aber auch eine Verarbeitungsstation. Damit würden sich alle Verfahrensmerkmale des Anspruch 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben, so dass das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen sei.

IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Im Einvernehmen mit der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin werde die Druckschrift D1 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet. Der Patentgegenstand unterscheide sich von der Offenbarung der Druckschrift D1 durch die Merkmale im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1, nämlich:

- die automatische Umschaltung der Betriebsmodi erfolge in Abhängigkeit vom Ergebnis einer Bestimmung der Dimensionen des nachfolgend an die Waage gelieferten Poststückes in einer im Post­strom angeordneten ersten Verarbeitungsstation; und

- die automatische Umschaltung erfolge in einer im Poststrom aufwärts angeordneten ersten Verarbeitungsstation.

Die technische Aufgabe könne in einer Verbesserung der Steuerung einer dynamischen Waage gesehen werden, so dass einer weiteren Verarbeitungsstation schneller Daten zur Verfügung gestellt würden.

Zum Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit aufgrund der Offenbarung der Druckschrift D1 oder der Kombination der Druckschrift D1 mit den Entgegenhaltungen D6 oder D7 werde folgendes ausgeführt. Die Beschwerdeführerin gehe von der falschen Annahme aus, dass in der Dl als Alternative zur Auswertung einer Gewichtsmessung für die Umschaltung der Waage eine Bestimmung der Objekt­dimensionen offenbart sei, deren Ergebnis für eine automatische Umschaltung zwischen einer dynamischen und einer statischen Gewichtsbestimmung genutzt werde; sie habe sich dabei auf die Textstelle auf Seite 2, Zeilen 31 - 33 bezogen. Diese Stelle, sowie auch die auf Seite 2, Zeilen 41 - 42, offenbare lediglich, dass die Wahl eines in Hinblick auf die Dimensionen und das Gewicht des zu wiegenden Objektes geeigneten Wiegeverfahrens möglich sei. Dies lese der Fachmann aber im Kontext mit den Ausführungen auf Seite 3, Zeile 53 bis Seite 4, Zeile 10. Dort sei unter Bezugnahme auf Figur 5 erläutert, dass sich die beim Wiegen eines in Transportrichtung vergleichsweise kurzen Objektes X erfassten Gewichtssignale zu dem Zeitpunkt, zu dem der Fotosensor 12 das stromabwärts weisende Objektende erkenne, mit hoher Wahrscheinlichkeit schon stabilisiert hätten und deshalb eine Gewichtsbestimmung ohne Stopp des Transportbandes 10 an Hand dieser Gewichtssignale möglich sei, allerdings unter dem Vorbehalt, dass das Objektgewicht nicht sehr groß sei (Seite 3, Zeile 56). Dagegen sei es bei einem in Transportrichtung längeren Objekt X' eher unwahrscheinlich, dass die fortwährend erfassten Gewichtssignale zu dem Zeitpunkt, zu dem der Fotosensor 12 das stromabwärts gerichtete Objektende erfasse, schon stabil seien. In diesem Fall ermögliche das Verfahren nach Dl das Umschalten auf eine statische Gewichtsmessung, siehe auch Seite 4, Zeilen 11 - 14.

Es sei deshalb festzuhalten, dass beim Verfahren nach D1 die Abmessungen des Poststückes nicht als Kriterium für die Auswahl des Wiegeverfahrens herangezogen würden und dass nach der Offenbarung in der Druckschrift D1 eine Umschaltung ausschließlich in Auswertung einer Gewichtsmessung erfolge. Insoweit führe die Entgegenhaltung D1 von einer systemsteuernden Bestimmung der Abmessungen des Poststückes weg.

Bei einer Zusammenschau der Dokumente Dl und D6 sei festzustellen, dass die Druckschrift D6 die Umschaltung im Wesentlichen in Abhängigkeit des Gewichts der Poststücke veranlasse. Der von der Beschwerde­führerin genannte Abschnitt auf Seite 3, Zeilen 29 - 33 der Druckschrift D6 beschäftige sich mit den damals aus dem Stand der Technik bekannten Nachteilen, welche gemäß dieser Druckschrift vermieden werden sollten und zwar durch Messung des Gewichts. Sowohl in der Entgegenhaltung Dl als auch in der Entgegenhaltung D6 erfolge im Unterschied zur patentgemäßen Lösung die Umschaltung ausschließlich durch Auswertung einer Gewichtsmessung. Selbst wenn der Fachmann eine Veranlassung gehabt hätte, die beiden Druckschriften Dl und D6 miteinander zu kombinieren, so würde er dadurch immer noch nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

Im Hinblick auf eine Zusammenschau der Druckschriften Dl und D7 wurde ausgeführt, dass die in der D7 offenbarte Ermittlung der Dimensionen des Poststücks nicht als Umschaltkriterium herangezogen werde, sondern zu einem völlig anderen Zweck stattfinde, nämlich für die optimale Positionierung des Postversandstückes, siehe Seite 8, Zeile 38.

Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass die entgegengehaltenen Druckschriften weder für sich noch in ihrer Zusammenschau die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebene Merkmalskombination nahe legten, nämlich zum ersten die automatische Umschaltung der Betriebsmodi in Abhängigkeit vom Ergebnis einer Bestimmung der Objektdimensionen vorzunehmen und zum zweiten diese Bestimmung in einer im Poststrom aufwärts angeordneten ersten Verarbeitungsstation durchzuführen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit (Art. 100 a) i.V.m. Art. 54 (1) EPÜ 1973)

2.1 In ihrer Entscheidung hatte die Einspruchsabteilung befunden, dass die in der Einspruchsschrift als neuheitsschädlich geltend gemachte Vorbenutzung mangels Substantiierung nicht hinreichend bewiesen sei. Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerde­führerin diese offenkundige Vorbenutzung bzw. den Einwand der mangelnden Neuheit nicht weiterverfolgt.

2.2 Die Kammer sieht deshalb keine Veranlassung, diesen Einwand zu überprüfen.

3. Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Art. 100 a) i.V.m. Art. 56 EPÜ 1973)

3.1 Anspruch 1 - Nächstliegender Stand der Technik

3.1.1 Beide Parteien haben, in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung, die Druckschrift D1 als nächstliegenden Stand der Technik genannt und stimmen zu, dass die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruch 1 des Streitpatents aus dieser Druckschrift bekannt sind.

3.1.2 Zu der Entgegenhaltung D8, welche von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung (da unter der Bezeichnung "E8") neben der Entgegenhaltung D1 als ein Erfolg versprechender Ausgangspunkt für eine naheliegende Entwicklung des streitpatentlichen Gegenstands lediglich genannt wurde, haben sich die Parteien im Beschwerdeverfahren nicht weiter geäußert.

3.2 Objektive technische Aufgabe

3.3 Bezüglich der technischen Aufgabe, welche durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruch 1 in Verbindung mit den Merkmalen des Oberbegriffs gelöst wird, wurde von den Parteien der Absatz [0014] der Patentschrift genannt. Die Kammer stimmt zu, dass, ausgehend von der Offenbarung in der Entgegenhaltung D1, die technische Aufgabe in der Überwindung der Nachteile des Standes der Technik und in der Bereitstellung eines alternativen oder abgeänderten Verfahrens zur Steuerung einer schnellen, dynamischen Waage gesehen werden kann.

3.4 Offenbarung der Druckschrift D1

3.4.1 Diese Druckschrift offenbart ein Waage-Förderer-System mit sogenannten "dynamischen" bzw. "statischen" Wiegetechniken. Die zugrunde liegende technische Aufgabe betrifft die Auswahl zwischen diesen beiden Wiegetechniken (siehe D1, Seite 2, Zeilen 30 - 33). Als Entscheidungskriterium gilt dabei eine Stabilisierungs­bedingung durch die Analyse der Gewichtssignale in einer Steuereinrichtung 30 nach dem in der Figur 4 gezeigten Flussdiagramm. Dazu werden die Gegenstände auf der Wiegevorrichtung 5 gewogen, welche Teil des Wiegeförderers 1 ist. Die Entscheidung, ob die Fördereinrichtung angehalten werden muss (statisches Wiegen), wird anhand der Stabilisierungs­bedingung für das Gewichtsignal getroffen (Fig. 4, Schritte S1 und S2). Wenn in Schritt S2 festgestellt wird, dass die Stabilisierungsbedingung erfüllt ist, wird ein Statusindikator FA auf den Wert Eins gesetzt (Schritt S3). Falls die Bedingung noch nicht erfüllt ist, bekommt FA den Wert Null (Schritt S4). Sobald die Steuereinheit 30 in Schritt S5 die Anwesenheit eines zu wiegenden Gegenstandes mittels eines Signals vom Fotosensor 12 empfängt, wird überprüft, ob die Stabilitätsbedingung erfüllt ist (FA hat dann den Wert Eins, Schritt S6). Wenn dies der Fall ist, wird das Gewichtssignal übernommen (Schritt S12), d.h. das dynamische Wiegeverfahren wird angewandt. Sollte das Gewichtssignal noch instabil sein (FA hat den Wert Null), wird der Motor 11 angehalten (Schritt S7) bis die Gewichts­signale einen stabilen Wert erreichen (Schritte S8 und S9) und es wird das statische Wiegeverfahren angewandt. Das Umschaltkriterium zwischen einem dynamischen und einem statischen Wiegeverfahren wird in der Druckschrift D1 daher ausschließlich anhand der Stabilitätsbedingung für das Gewicht (FA=1, bzw. FA=0) definiert, siehe auch

Anspruch 1 der D1.

3.4.2 Die Beschwerdeführerin hat unter Hinweis auf Seite 2, Zeilen 31 - 33 der Druckschrift D1 ausgeführt, dass laut D1 die Wiegeverfahren für Gegenstände mit unterschiedlichen Abmessungen und Gewichten auszuwählen seien, und dass diese Offenbarung in der Druckschrift D1 als alternatives Kriterium zu der Gewichtsbestimmung das weitere Kriterium der Abmessungen angebe. Deshalb würde der Fachmann bei der Suche nach einer Alternative zum Wiegeverfahren laut D1 ein Verfahren, das auf einer Bestimmung der Dimensionen des Wiegegutes basiert, in Erwägung ziehen.

3.4.3 Die Kammer vermag dieser Interpretation der Druckschrift D1 nicht beizupflichten. Die von der Beschwerdeführerin zitierte Stelle auf Seite 2, Zeilen 31 - 33, schlägt nicht die Charakterisierung von Messgegenständen anhand von Abmessungen anstatt anhand vom Gewicht vor. Vielmehr wird offenbart, dass bei der Auswahl des Wiege­verfahrens - neben dem Gewicht - auch die Abmessungen eine Rolle spielen können. In der Druckschrift D1 wird dies anhand der Figur 5 ausgeführt, wonach sinngemäß (siehe den zusammenfassenden Satz auf Seite 4, Zeilen 11 - 13) relativ kürzere (in Bewegungs­richtung) und relativ leichte Gegenstände eher durch ein dynamisches Wiegeverfahren gewogen werden, und relativ lange und relativ schwere Gegenstände eher durch ein statisches Wiegeverfahren gewogen werden.

3.4.4 Nach Auffassung der Kammer würde der Fachmann bei der Aufgabe, das Wiegeverfahren gemäß der Druckschrift D1 abzuändern, daher die dort offenbarte und auf der Stabilität des Gewichtssignals basierende Lösung nicht komplett verwerfen, da diese Lösung erfolgversprechend erscheint.

3.4.5 Vielmehr würde er sich überlegen, ob und wie er das Verfahren aus dieser Druckschrift noch verbessern oder ergänzen kann. Er könnte z.B., in Kenntnis der Offenbarung der Druckschrift D7, neben dem schon vorhandenen Sensor 11 am Ende der Waage gemäß D1 (dem Sensor S2 in der Vorrichtung gemäß D7 entsprechend), einen zusätzlichen Sensor am Briefeinlauf der Waage anordnen, mittels welchem (bei konstanter und bekannter Transportgeschwindigkeit) die Brieflänge und somit die optimale Wiegeposition ermittelt werden kann.

Damit würde der Fachmann allerdings nicht zum Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents gelangen, da in einer solchermaßen geänderten Vorrichtung die automatische Umschaltung immer noch in Abhängigkeit vom Ergebnis einer Gewichtsbestimmung erfolgen würde, nämlich gemäß dem Flussdiagramm aus Figur 4 der Druckschrift D1.

3.4.6 Weitere Anregungen zur Abänderung des Wiegeverfahrens nach D1 werden auch in den übrigen vorhandenen Entgegenhaltungen nicht offenbart:

Gemäß der Druckschrift D6 erfolgt eine Umschaltung eines Wiegemodus aufgrund einer Gewichtsmessung mit Auswertung auf Plausibilität, siehe z.B. Seite 8, Zeilen 24 und 25, und Anspruch 1. In der von der Beschwerdeführerin genannten Textstelle auf Seite 3, Zeilen 28 bis 32, der Druckschrift D6 werden im Kontext der Würdigung des Standes der Technik lediglich mögliche Komplikationen beim Wiegen von Mischpost erläutert, wo in Abhängigkeit von den Abmaßen des Briefes die Messzeit erhöht werden muss. Laut D6 wurden in diesem Fall nach dem vorhandenen Stand der Technik im Voraus die Abmaße der Briefe ausgewertet und es wurde mittels einer komplizierten Steuerung und steuerbaren Motoren die richtige Messzeit gewählt. Diese Lösung wird in der Druckschrift D6 als unvorteilhaft dargestellt und wird in dieser Druckschrift auch nicht weiter verfolgt. Der Fachmann hätte daher, bei der Überlegung, das Verfahren nach D1 weiter zu entwickeln, keine Veranlassung gehabt, diese von der D6 als unvorteilhaft diskutierte Lösung auf das Verfahren nach D1 anzuwenden.

3.4.7 Die Druckschrift D8, welche von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung lediglich als alternative Belegung des Standes der Technik zu der Druckschrift D1 genannt wurde, offenbart ebenfalls nicht das in Anspruch 1 des Streitpatents definierte Verfahren zur Steuerung einer dynamischen Waage. Diese Druckschrift bietet auch keine Anregungen in Richtung dieser Lösung, da die Umschaltung der dynamischen Waage auch hier in Abhängigkeit von der Auswertung der Gewichtsmessung erfolgt, siehe Paragraph [0031].

3.5 Das in Anspruch 1 des Streitpatents definierte Verfahren zur Steuerung einer schnellen dynamischen Waage ist deshalb aus keinem der vorliegenden Druckschriften bekannt oder nahegelegt und somit erfinderisch.

4. Aus den oben genannten Gründen steht keiner der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des erteilten Patents entgegen. Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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