T 1607/10 () of 18.6.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T160710.20130618
Datum der Entscheidung: 18 Juni 2013
Aktenzeichen: T 1607/10
Anmeldenummer: 05101587.3
IPC-Klasse: G01G 21/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Wiegen gleichgearteter Wägegüter
Name des Anmelders: Mettler-Toledo AG
Name des Einsprechenden: Wipotec Wiege- und Positioniersysteme GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung hatte den Widerruf insbesondere damit begründet, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Einspruchsabteilung hatte sich in ihrer Entscheidung im Wesentlichen auf das Dokument

D6 (EP-B-1 092 473) gestützt.

II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, den Widerruf des Patents aufzuheben (Hauptantrag) oder das Patent auf Grundlage der mit Schreiben vom 14. Mai 2013 eingereichten Ansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 1 oder 2 aufrechtzuerhalten.

III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Die unabhängigen Ansprüche lauten wie folgt:

a) Anspruch 1 gemäß Hauptantrag:

1. Vorrichtung zum Wiegen gleichgearteter Wägegüter mit einer Mehrzahl von Wägemodulen (4, 104) und einer gleichen Anzahl von eine in Lastrichtung verlaufende Mittellängsachse aufweisenden Lastträgen (14), die je mittels eines Kraftübertragungsgestänges (13) mit jeweils einem Wägemodul (4, 104) verbunden sind, und sich in einer vorgegebenen räumlichen oder flächigen Anordnung befinden, in welcher die Abstände benachbarter Mittellängsachsen kleiner als die maximale Längsausdehnung der jeweiligen Wägemodule (4, 104) sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Wägemodule (4, 104) in mindestens zwei Ebenen (1, 2, 3) übereinander angeordnet sind, in welchen die Wägemodule (4, 104) jeweils eine Reihen- und/oder Flächenanordnung bilden.

b) Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1:

1. Vorrichtung zum Wiegen gleichgearteter Wägegüter mit einer Mehrzahl von Wägemodulen (4, 104) und einer gleichen Anzahl von eine in Lastrichtung verlaufende Mittellängsachse aufweisenden Lastträgern (14), die je mittels eines Kraftübertragungsgestänges (13) mit jeweils einem Wägemodul (4, 104) verbunden sind, und sich in einer vorgegebenen räumlichen oder flächigen Anordnung, eine Matrixanordnung bildend, befinden, in welcher die Abstände benachbarter Mittellängsachsen kleiner als die maximale Längsausdehnung der jeweiligen Wägemodule (4, 104) sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Wägemodule (4, 104) in mindestens zwei Ebenen (1, 2, 3) übereinander angeordnet sind, in welchen die Wägemodule (4, 104) jeweils eine Reihen- und/oder Flächenanordnung bilden.

c) Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2:

Vorrichtung zum Wiegen gleichgearteter Wägegüter mit einer Mehrzahl von Wägemodulen (4, 104) und einer gleichen Anzahl von eine in Lastrichtung verlaufende Mittellängsachse aufweisenden Lastträgern (14), die je mittels eines Kraftübertragungsgestänges (13) mit jeweils einem Wägemodul (4, 104) verbunden sind, und sich in einer vorgegebenen räumlichen oder flächigen Anordnung befinden, in welcher die Abstände benachbarter Mittellängsachsen kleiner als die maximale Längsausdehnung der jeweiligen Wägemodule (4, 104) sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Wägemodule (4, 104) in mindestens zwei Ebenen (1, 2, 3) übereinander angeordnet sind, in welchen die Wägemodule (4, 104) jeweils eine Reihen- und/oder Flächenanordnung bilden, wobei die Wägemodule (4, 104) einer Ebene (1, 2, 3) gegenüber denjenigen der darunter und/oder der darüber liegenden Ebene (1, 2, 3) in versetzter Position angeordnet sind.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Auslegung des unabhängigen Anspruchs 1.

Im Anspruch 1 wird angegeben, dass sich die Lastträger in einer vorgegebenen räumlichen oder flächigen Anordnung befinden.

Die Einsprechende hat die Auffassung vertreten, dass eine Anordnung auf einer Fläche auch eine lineare Anordnung mit einschließe und die Fläche auch beliebig geformt sein könne, sodass sich die entsprechend angeordneten Lastträger auch nicht auf einer Ebene befinden müssten. Es sei nicht klar, inwieweit sich die räumliche Anordnung davon unterscheide.

Die Kammer ist der Auffassung, dass im Hinblick auf die Beschreibung des Patents und die Ansprüche, insbesondere Anspruch 5, unter einer flächigen Anordnung der Lastträger eine zweidimensionale Anordnung der Lastträger in einer Ebene orthogonal zur Krafteinwirkung verstanden werden muss. Bei einer räumlichen Anordnung sind die Lastträger entsprechend in mehreren Ebenen mit jeweils einer zweidimensionalen Anordnung vorhanden.

1.2 Patentfähigkeit.

1.2.1 Neuheit (Artikel 54 EPÜ 1973).

In Anbetracht der oben angegebenen Auslegung des Anspruchs 1 hat die Einsprechende keinen Einwand wegen mangelnder Neuheit erhoben.

1.2.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).

Als nächstliegender Stand der Technik wird das Dokument D6 betrachtet, insbesondere das Ausführungsbeispiel, das im Zusammenhang mit Figur 3 und Absatz [0025] und [0026] beschrieben ist. Dieses Ausführungsbeispiel zeigt eine Vorrichtung zum Wiegen gleichgearteter Wägegüter mit einer Mehrzahl von Wägemodulen 31 und einer gleichen Anzahl von eine in Lastrichtung verlaufende Mittellängsachse aufweisenden Lastträgern 30, die je mittels eines Kraftübertragungsgestänges 32 mit jeweils einem Wägemodul 31 verbunden sind, und sich in einer vorgegebenen Anordnung befinden, in welcher die Abstände benachbarter Mittellängsachsen kleiner als die maximale Längsausdehnung der jeweiligen Wägemodule 31 sind.

In dieser Vorrichtung sind die Lastträger in einer Linie angeordnet. In der Figur 3 liegen die Wägemodule in einer Ebene, in welcher sie horizontal aufgefächert sind, während Absatz [26] "anstatt oder zusätzlich zu der Auffächerung in der Horizontalen auch eine Auffächerung in der Vertikalen" vorschlägt.

Von diesem nächstkommenden Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch, dass a) die Lastträger räumlich oder flächig angeordnet sind und dass b) die Wägemodule in mindestens zwei Ebenen übereinander angeordnet sind, in welchen die Wägemodule jeweils eine Reihen- und/oder Flächenanordnung bilden.

a) Die Anordnung der Lastträger ist abhängig von den Abständen der Zufuhrelemente der vorgesehenen Beschickungsvorrichtung für die Wägegüter. Daher müssen die Lastträger in Abhängigkeit von der vorgesehenen Beschickungsvorrichtung angeordnet werden. Dies ist allgemeines Fachwissen und wird auch in Dokument D6, Absatz [25], Zeilen 34 bis 40 angegeben. Das erste Unterscheidungsmerkmal löst daher die Aufgabe, die Lastträger-Anordnung der D6, wo die Lastträger für eine lineare Beschickungsvorrichtung angeordnet sind, an eine andere Art von Beschickungsvorrichtungen anzupassen. Mehrkanal-Pipetten-Automaten mit einer zwei-dimensionalen Anordnung der Kanäle sind allgemein bekannt (dies wurde auch von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung bestätigt). Zwei-dimensionale Anordnungen von Wägezellen für verschiedene Anwendungen sind auch allgemein bekannt und in der Einleitung des vorliegenden Patents gewürdigt(vgl. Absätze [0006] und [0007]). Im Hinblick auf diesen Stand der Technik ist es nach Auffassung der Kammer für den Fachmann naheliegend, anstatt der in D6 offenbarten linearen Anordnung eine entsprechende zweidimensionale Anordnung von Lastträgern vorzusehen.

b) Das zweite Unterscheidungsmerkmal bewirkt, dass der Platzbedarf für die Wägemodule optimiert wird, ein einfacheres Gestänge verwendet werden kann, und die Wägemodule flexibel angeordnet werden können. Das Dokument D6 spricht das Problem von größeren Wägemodulen an: bei größeren Wägemodulen tritt das Problem auf, dass der Abstand benachbarter Wägezellen und benachbarter Aufnahmen größer ist als der Abstand benachbarter Pipettenkanäle, wenn die Aufnahmen direkt auf den Wägezellen aufliegen (siehe Absatz [25]).

In Absatz [0026] schlägt D6 vor, wie in Figur 3 dargestellt, die Wägezellen horizontal beabstandet von den zugeordneten Aufnahmen vorzusehen und mit den Aufnahmen über Gestänge bzw. Hebelanordnungen zu verbinden. Die Gestänge verlaufen somit nicht parallel zueinander und sind kompliziert. Anstatt der in Figur 3 dargestellten Auffächerung in der Horizontalen regt D6 auch an, eine Auffächerung in der Vertikalen vorzusehen, sodass "die Wägezellen 31 und die Gestänge 32 [...] dann in unterschiedlichen Höhen angeordnet sind" und "die Gestänge 32 auch parallel zueinander verlaufen" können.

Der Fachmann, der ausgehend von dieser Anregung in D6 die Wägezellen vertikal auffächern will, steht somit vor der Aufgabe, eine konkrete Realisierung für die vertikale Auffächerung mit parallelem Gestänge zu finden. Nach Auffassung der Kammer wird er dazu die Wägezellen einfach in verschieden Höhen also in mindestens zwei Ebenen übereinander anordnen, wodurch die Verbindungsgestänge mit den Lasträgern automatisch parallel verlaufen. Durch die lineare Anordnung der Aufnahmen und die auf zwei oder mehr Ebenen unter den Aufnahmen angeordneten Wägezellen ergibt sich in jeder Ebene eine Reihenanordnung der Wägezellen. Bei beispielsweise zwei Ebenen befindet sich dann die Wägezelle jeder zweiten Aufnahme in einer der beiden Ebenen, und die Wägezellen jeder Ebene bilden dort eine lineare Anordnung oder Reihe.

Der Fachmann gelangt somit in naheliegender Weise auch zum Gegenstand des Unterscheidungsmerkmals b).

Das Merkmal b) kann offensichtlich unabhängig davon, ob die Lastträger linear oder flächig angeordnet sind, realisiert werden. In Verbindung mit der an sich naheliegenden flächigen oder räumlichen Anordnung der Lastträger gemäß Merkmal a) entfaltet das naheliegende Merkmal b) keine zusätzliche technische Wirkung im Vergleich zu einer linearen Anordnung der Lastträger gemäß D6.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Patentinhaberin brachte vor, dass in D6 keine Anregung zu finden sei, die Wägemodule übereinander in mindestens zwei Ebenen anzuordnen. Die Anregung, die Wägemodule in unterschiedlichen Höhen anzuordnen bedeute nicht, die Wägemodule auf unterschiedlichen Ebenen übereinander anzuordnen. Es wäre auch denkbar, die Wägemodule stufig versetzt nebeneinander anzuordnen. Dann wären sie auch auf unterschiedlichen Höhen. Auch wenn die Wägemodule abgestuft angeordnet seien, könnten die Gestänge, wie sie in Figuren 5 und 6 der D6 zu sehen seien, wenigstens teilweise parallel verlaufen. Das Vereinfachen der Gestänge sei als zusätzliche Aufgabe zu sehen, für die es in D6 keine Anregung gäbe. Ausgehend von D6 käme man nur mit Kenntnis der Erfindung zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Die Kammer kann den Argumenten der Patentinhaberin nicht folgen.

Das Dokument D6 behandelt das Problem, größere Wägemodule mit einer vorgegebenen Anordnung von Lastträgern zu verbinden. Die Wägemodule brauchen dabei nebeneinander mehr Platz als die Lastträgeranordnung. Wenn nun gemäß D6 die Wägemodule nur vertikal verschoben werden und in unterschiedlichen Höhen angeordnet werden, um dieses Problem zu lösen, macht es für den Fachmann keinen Sinn, die Wägemodule nur so wenig zu verschieben, dass sie immer noch nebeneinander angeordnet werden müssen. Erst wenn sie soweit verschoben werden, dass sie teilweise übereinander angeordnet werden können, entsteht mehr Platz für die Wägemodule. Um die Wägemodule möglichst platzsparend anzuordnen (eine Standardaufgabe für einen Fachmann auf dem Gebiet der Waagen), wird der Fachmann die Wägemodule auch nur so weit verschieben, dass sie übereinander passen. Daher liegen die vertikal verschobenen Wägemodule auf einer Ebene oder je nach Größe der Wägemodule auch auf mehreren Ebenen und bilden dort jeweils eine Reihen- oder Flächenanordnung. Das ist schon bei zwei Modulen in einer Ebene der Fall. Wenn die Wägemodule nur vertikal von den Lastträgern weg verschoben werden, dann sind auch die verbindenden Gestänge in Lastrichtung zwangsläufig parallel.

2. Hilfsantrag 1

2.1 Der Anspruch 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags nur dadurch, dass die Lastträger in der räumlichen oder flächigen Anordnung nunmehr als eine Matrixanordnung bildend definiert sind. Gemäß der Auslegung nach Punkt 1.1 oben unterscheidet sich der Anspruch 1 inhaltlich somit nicht vom Anspruch 1 des Hauptantrags. Dies wurde auch nicht bestritten.

2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Hilfsantrag 2

3.1 Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal, dass die Wägemodule einer Ebene gegenüber denjenigen der darunter und/oder der darüber liegenden Ebene in versetzter Position angeordnet sind.

3.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Der nächstliegende Stand der Technik ist weiterhin die oben genannte Ausführungsform im Dokument D6. Wenn - wie oben ausgeführt - die Wägezellen in D6 nur vertikal von den Aufnahmen verschoben werden, dann haben alle Wägezellen zwangsläufig auch einen durch die unterschiedlichen Lagen der jeweiligen Aufnahmen vorgegebenen Versatz. Somit haben auch die Wägezellen, die in einer Ebene angeordnet sind, einen Versatz gegenüber den Wägezellen, die in einer anderen Ebene angeordnet sind. Deshalb ergibt sich dieses zusätzliche Merkmal zwangsläufig mit, wenn die Wägezellen nur vertikal verschoben werden und nicht auch noch horizontal.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Patentinhaberin argumentierte, dass durch das zusätzliche Merkmal der Platzbedarf weiter optimiert würde und besonders einfache Gestänge verwendet werden könnten. Das Realisieren eines einfachen Gestänges sei eine zusätzliche Aufgabe, die durch das Dokument D6 nicht nahegelegt sei.

Die Kammer folgt dieser Argumentation nicht. Bei der Variante, bei der die Wägezellen gegenüber den Lastaufnehmern nur vertikal verschoben werden, bleiben die Wägezellen unter den Lastaufnehmern und es ergibt sich eine entsprechend versetzte Anordnung der Wägezellen. Die verbindenden Gestänge verlaufen dann zwingend in Lastrichtung zu den Wägezellen, wie z.B. bereits in der Ausführung gemäss Figur 1 der D6 gezeigt. Die Kammer kann darin keinen Beitrag zu einer erfinderischen Tätigkeit erkennen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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