T 1507/10 (Elektrolumineszierende Polymere / Merck) of 12.11.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T150710.20151112
Datum der Entscheidung: 12 November 2015
Aktenzeichen: T 1507/10
Anmeldenummer: 05760036.3
IPC-Klasse: C09K 11/06
H01L 51/30
H05B 33/14
C07F 15/00
C08G 61/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: ELEKTROLUMINESZIERENDE POLYMERE
Name des Anmelders: Merck Patent GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Patentansprüche - Verhältnis von Art. 83 zu Art. 84 EPÜ
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/93
T 0593/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2290/12
T 1811/13
T 0647/15

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit welcher die europäische Patentanmeldung Nr. 05 760 036.3 zurückgewiesen wurde.

II. Der unabhängige Anspruch 1 des einzigen Antrages, auf dem die angefochtene Entscheidung basierte, lautet wie folgt:

"1. Phosphoreszierende Copolymere, enthaltend 0.05 bis 10 mol-% mindestens eines Triplett-Emitters, dadurch gekennzeichnet, dass der Triplett-Emitter mindestens drei Verknüpfungen zu dem Polymer aufweist, mit der Maßgabe, dass das Polymer kein 9,9-Dioctylfluoren enthält, wenn der Triplett-Emitter ein unsubstituiertes Tris(phenylpyridin)iridium(III) ist."

III. In der angefochtenen Entscheidung führte die Prüfungsabteilung aus, dass der Gegenstand der Ansprüche nicht die Erfordernisse der Artikel 84 und 83 EPÜ erfülle, da dem Fachmann keine Messmethode bekannt sei, mithilfe derer er ermitteln könne, ob die im Polymer vorhandenen Triplett-Emitter tatsächlich mindestens drei Verknüpfungen zu dem Polymer aufweisen, oder ob auch einige Triplett-Emitter direkt an den Endcapper gebunden seien. Es war während des Prüfungsverfahrens von der Beschwerdeführerin behauptet worden, dass dies mittels NMR-Methoden möglich sei. Da jedoch von Seiten der Beschwerdeführerin im Prüfungsverfahren keine NMR-Spektren vorgelegt wurden, könne diese Behauptung der Beschwerdeführerin nicht als Beleg dafür angesehen werden, dass eine Bestimmung der Art der Verknüpfung der Triplett-Emitter im Polymer durch NMR-Spektroskopie möglich sei. Da der Fachmann somit nicht feststellen könne, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereiches arbeite, könne er den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht ausführen.

IV. Die Beschwerdeführerin reichte mit der Beschwerdebegründung vom 18. Juni 2010 als Anlagen A bis D mehrere Versuchsberichte ein.

V. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass bei der Herstellung des Polymers gemäß Anlage C zunächst die Umsetzung des Triplett-Emitters mit dem Endcapper durchgeführt wurde. Im**(1)H-NMR- Spektrum des daraus hergestellten Polymers sei erkennbar, dass eine charakteristische Bande bei 3.8 ppm auftrete, welche den Protonen des Endcappers zuzuordnen sei. Ein derartiges Signal fehle jedoch bei den beanspruchten Polymeren, in welchen der Triplett-Emitter drei Verknüpfungen zum Polymer aufweise, wie aus dem **(1)H-NMR- Spektrum des anspruchsgemäßen Polymers in Anlage A hervorgehe.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des Anspruchs 1, wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 21. Januar 2010 vor der Prüfungsabteilung und den Ansprüchen 2 bis 24, eingereicht mit Telefax vom 9. Dezember 2008.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 84 EPÜ

3. Die Prüfungsabteilung hatte die Streitanmeldung wegen mangelnder Klarheit zurückgewiesen, da die Streitanmeldung keine Methode nenne, mithilfe derer der Fachmann die Menge des Triplett-Emitters mit mindestens drei Verknüpfungen zu dem Polymer bestimmen könne. Daher könne er nicht erkennen, ob in dem untersuchten Polymer möglicherweise ein Triplett-Emitter direkt mit einem Endcapper verbunden ist.

4. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin weitere experimentelle Daten eingereicht, anhand derer eine Unterscheidung zwischen Triplett-Emittern, welche mindestens drei Verknüpfungen zu dem Polymer aufweisen, und jenen, bei welchen eine Verknüpfung zu einem Endcapper vorliegt, mittels **(1)H-NMR möglich sein soll.

4.1 Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Anhänge A, B und C betreffen die Herstellung verschiedener Polymere und deren Charakterisierung mittels **(1)H-NMR-Spektroskopie.

4.2 In Anhang A wurde dabei ein Polymer mit einer bestimmten Menge an Triplett-Emittern in Gegenwart von Endcappern entsprechend dem Polymer P6 der Streitanmeldung hergestellt, in welchem keine direkte Bindung von Endcappern an den Triplett-Emitter vorliegen soll. Das gemäß Anhang B hergestellte Polymer wurde entsprechend dem Polymer in Anhang A hergestellt, wobei jedoch auf den Zusatz von Endcappern verzichtet wurde. Das in Anhang C hergestellte Polymer enthielt die gleichen Monomeren und Triplett-Emitter, wie die Polymere in Anhang A und B. Jedoch wurde hier zunächst eine Umsetzung des Triplett-Emitters mit dem auch in Anhang A verwendeten Endcapper durchgeführt, um gezielt eine Verbindung des Endcappers an den Triplett-Emitter herbeizuführen. Erst im Anschluss daran wurde die Polykondensation durchgeführt.

4.3 Dabei zeigte sich, dass das **(1)H-NMR-Spektrum des Polymers C ein zusätzliches Signal bei 3.8 ppm aufwies, welches im - ansonsten identischen - **(1)H-NMR-Spektrum des Polymers A nicht vorhanden war (siehe **(1)H-NMR-Spektren in Anhängen A, C und D). Dieses zusätzliche Signal entspricht den Protonen der Endcapper, die in Polymer C direkt an den Triplett-Emitter gebunden wurden und damit eine andere Verschiebung zeigten, als Protonen des Endcappers, die wie in Polymer A an eine Polymerkette gebunden sind. Eine Unterscheidung von Triplett-Emittern, welche drei Bindungen zum Polymer aufweisen und jenen, welche direkt mit einem Endcapper verbunden sind, ist folglich mit **(1)H-NMR-Spektrometrie möglich.

4.4 Im Verfahren vor der Prüfungsabteilung hatte die Beschwerdeführerin bereits vorgebracht, dass die Abwesenheit von Brom im Polymer als ein Indiz dafür gelten kann, dass die mindestens dreibindigen Triplett-Emitter vollständig umgesetzt worden seien. Die **(1)H-NMR-Spektren zeigten, dass diese Umsetzung im Falle der anmeldungsgemäßen Polymere nicht durch Bindung des Triplett-Emitters an einen Endcapper, sondern durch Einbau in das Polymer erfolgt.

4.5 Zum Argument der Prüfungsabteilung, dass dem Fachmann in der Streitanmeldung eine Methode der Bestimmung des Parameters angegeben hätte werden müssen, ist zu sagen, dass das Merkmal wonach "der Triplett-Emitter mindestens drei Verknüpfungen zu dem Polymer aufweist" kein ungewöhnlicher oder mehrdeutiger Parameter ist, sondern die chemische Struktur des Polymers betrifft, welche sich durch die jeweils angewendete Messmethode nicht ändert. Die zur Strukturaufklärung in der organischen und metallorganischen Chemie eingesetzten üblichen Methoden, wie Massenspektrometrie oder NMR-Spektrometrie, sind dem Fachmann hinlänglich bekannt und er hätte sie, auch ohne einen expliziten Hinweis zur Untersuchung der Struktur des Polymere herangezogen.

4.6 Die Kammer gelangt daher zu der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 der Streitanmeldung die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

5. Artikel 83 EPÜ

Die Begründung der angefochtenen Entscheidung führt gegen die Ausführbarkeit des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 nur an, dass der Fachmann nicht wisse, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereiches arbeite (siehe angefochtene Entscheidung insbesondere Punkt 4.13 bis 4.15).

Indessen ist die Frage, ob der Fachmann weiß, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs arbeitet, selbst im Falle eines unklaren oder mehrdeutigen Parameters keine Frage der ausreichenden Offenbarung, sondern eine Angelegenheit des Artikels 84 EPÜ (siehe T 593/09, Entscheidungsgründe Punkt 4.1.2 bis 4.1.4).

Da im Verfahren die Herstellbarkeit der beanspruchten Polymere nicht angegriffen worden war, sieht die Kammer keine Veranlassung, die Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstandes in Zweifel zu ziehen. Die Kammer ist daher der Auffassung, das die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt sind.

6. Da das Verfahren vor den Beschwerdekammern im ex-parte Verfahren primär auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung abgestellt ist (siehe Entscheidung G 10/93, ABl. EPA 1995, 172, Punkt 4 der Entscheidungsgründe), verweist die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an die erste Instanz zurück.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

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