T 1484/10 () of 27.3.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T148410.20120327
Datum der Entscheidung: 27 März 2012
Aktenzeichen: T 1484/10
Anmeldenummer: 06724171.1
IPC-Klasse: E04B 1/68
E04D 5/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bauabdichtmaterial
Name des Anmelders: EWALD DÖRKEN AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit und erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (bejaht)
Aktenzeichen: T 1484/10 - 3.2.03
ENTSCHEIDUNG
der Technischen Beschwerdekammer 3.2.03
vom 27. März 2012
Beschwerdeführerin:
(Anmelderin)
EWALD DÖRKEN AG
Wetterstraße 58
D-58313 Herdecke (DE)
Vertreter:
Gesthuysen, von Rohr & Eggert
Patentanwälte
Huyssenallee 100
D-45128 Essen (DE)
Angefochtene Entscheidung:
Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 5. März 2010 zur Post gegeben wurde und mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 06724171.1 aufgrund des Artikels 97 (2) EPÜ zurückgewiesen worden ist.
Zusammensetzung der Kammer:
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 5. März 2010, die Europäische Patentanmeldung No. 06 724 171.1 gemäß Artikel 97(2) EPÜ zurückzuweisen. Die Prüfungsabteilung hatte entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1, eingereicht am 14. Dezember 2009, in Bezug auf den bekanntgewordenen Stand der Technik nicht neu sei (Artikel 54 EPÜ).

II. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) hat die Beschwerde am 15. März 2010 eingelegt und die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 22. Juni 2010 eingegangen.

III. Mit Ladung vom 18. Januar 2012 zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Auffassung in einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK mit, wonach sie den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruch 1 als nicht neu ansehe, und verwies auf eine gewährbare Anspruchsfassung. Bei Einreichung neuer Ansprüche sei zudem eine Anpassung der Beschreibung erforderlich.

Die Beschwerdeführerin legte daraufhin, basierend auf dem Vorschlag der Kammer, neue Unterlagen vor, und beantragte, die für 5. April 2012 anberaumte Verhandlung abzusetzen und das Verfahren bedarfsweise schriftlich fortzusetzen. In der Rücksprache vom 13. März 2012 teilte der Berichterstatter der Beschwerdeführerin seine Ansicht bezüglich der neu eingereichten Unterlagen mit, und die Beschwerdeführerin reichte am nächsten Tag nochmals geringfügig überarbeitete Unterlagen ein, die dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden sollten. Die mündliche Verhandlung wurde daraufhin abgesagt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Grundlage der am 14. März 2012 eingereichten Ansprüche 1 bis 9 und Beschreibungsseiten 1 bis 13, und den Figuren 1 bis 5 wie veröffentlicht.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Flexibles, flächiges, insbesondere bahnförmiges, Bauabdichtmaterial (1), vorzugsweise zur Verwendung als Mauerwerkssperre und/oder Horizontalbauabdichtung, mit wenigstens einer ersten wasserdichten Abdichtungsschicht (2) als erste Abdichtungsebene und einer zweiten wasserdichten Abdichtungsschicht (3) als zweite Abdichtungsebene, wobei die Gesamtdicke der Abdichtungsschichten (2, 3, 10) zwischen 250 mym und 2500 mym liegt, und wobei zwischen der ersten Abdichtungsebene und der zweiten Abdichtungsebene wenigstens eine innenliegende Entkopplungsebene (4) vorgesehen ist, über die die erste Abdichtungsschicht (2) von der zweiten Abdichtungsschicht (3) entkoppelt ist, so daß sich wenigstens zwei voneinander unabhängige und getrennte Abdichtungsschichten mit dazwischenliegender Entkopplungsebene ergeben, dadurch gekennzeichnet, daß die erste Abdichtungsschicht (2) und die zweite Abdichtungsschicht (3) partiell miteinander verbunden sind, wobei die Entkopplungsebene (4) einen unverbundenen Freiraum zwischen den Abdichtungsschichten (2, 3) aufweist."

V. Für die vorliegende Entscheidung wurden insbesondere die folgenden Druckschriften als Stand der Technik berücksichtigt:

D4 = DE 202 07 877 U1 (mit Bescheid vom 23. Januar 2009 von der Prüfungsabteilung ins Verfahren eingeführt)

D5 = DE 31 50 021 C1 (mit Bescheid vom 17. August 2009 von der Prüfungsabteilung ins Verfahren eingeführt)

D6 = DE 33 42 560 A1 (mit Bescheid vom 17. August 2009 von der Prüfungsabteilung ins Verfahren eingeführt).

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Die in dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruch 1 zu entkoppelnden Abdichtungsschichten des Bauabdichtmaterials seien in der zwischen den Schichten liegenden Entkopplungsebene nicht unmittelbar miteinander verbunden. Wären die beiden Abdichtungsschichten direkt oder indirekt über eine weitere Schicht, bei der es sich nicht um eine "Entkopplungsschicht" in der Entkopplungsebene handele, miteinander verbunden, würde eine Beschädigung in der äußeren Abdichtungsschicht dazu führen, dass sich diese über die zweite Abdichtungsschicht fortsetze. Es treffe ferner zu, dass gemäß der im Bescheid zur Ladung vom 18. Januar 2012 geäußerten vorläufigen Ansicht der Kammer gegenüber den aus D4, D5 oder D6 bereits bekanntgewordenen "Entkopplungsschichten" zur Aufnahme von Verformungsenergie, die Entkopplung der beiden Abdichtungsschichten in vorliegender Anmeldung zudem durch eine partielle Verbindung der Abdichtungsschichten erreicht werde, wobei in diesem Fall die Entkopplungsebene einen unverbundenen Freiraum zwischen den Abdichtungsschichten aufweise (vgl. zweiter Teil des Anspruchs 5 der angefochtenen Entscheidung).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1 Anspruch 1 beruht zunächst auf den ursprünglichen Ansprüchen 1,2 und 9. Die ergänzende Angabe am Ende des Oberbegriffs "..., so daß sich wenigstens zwei voneinander unabhängige und getrennte Abdichtungsschichten mit dazwischenliegender Entkopplungsebene ergeben." basiert auf der ursprünglichen Beschreibung, Seite 2, Zeilen 1 bis 15 (Artikel 123(2) EPÜ).

Nach der Formulierung "...insbesondere bahnförmiges" in Zeile 1 des Anspruchs 1 erfolgte eine Beistrichsetzung, um den Gegenstand des Anspruchs unmissverständlich auf ein flexibles und flächiges Bauabdichtmaterial zu richten (Artikel 84 EPÜ).

2.2 Die abhängigen Ansprüche 2,3 bzw. 4 basieren auf dem ursprünglichen Anspruch 2, Anspruch 3 in Kombination mit 4, bzw. Anspruch 5 in Kombination mit 6 und 7. Anspruch 5 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 10, die Ansprüche 6 bis 9 den ursprünglichen Ansprüchen 18 bis 21.

2.3 In Anpassung an Anspruch 1 wurden die ursprüngliche Seite 4, Zeilen 20 bis 27 und die Figurenbeschreibung auf Seite 9, ab Zeile 20 entsprechend umformuliert, der ursprünglich vorletzte Absatz auf Seite 7 und der letzte Absatz auf Seite 8 wurden gestrichen (Artikel 84 EPÜ).

In der Beschreibungseinleitung wurden Dokumente aus dem Stand der Technik genannt (Regel 42(1) b) EPÜ).

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

(Artikel 54 und 56 EPÜ)

3.1 Dokument D6 beschreibt eine Dachdichtungsbahn mit einer Glasfaserschicht ("Glasgelegeschicht 1") als Verstärkungseinlage, mit der im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Gesamtdicke der Abdichtungsschichten ("EPDM-Kautschukschichten 2,3" und "Kautschukschichten 4,5"), z.B.:

2 x 0,5 mm + 2 x 0,05 mm = 1,1 mm ^ 1100 mym (vgl. D6, Zusammenfassung; Seite 5 (handschriftlich), letzter Absatz; Figur).

Ein Durchgriff der Abdichtungsschichten ("EPDM-Kautschukschichten 2, 3") durch die "Glasgelegeschicht 1" scheint aus D6 nicht ersichtlich, bzw. scheint auch bei vorliegender Anmeldung in den Ausführungsbeispielen der Figuren 1 bis 3 mit den im geltenden Anspruch 4 beschriebenen Materialien der Entkopplungsschicht nicht völlig ausgeschlossen. Die Kammer ist daher der Ansicht, dass die "Glasgelegeschicht 1" der D6, etwa bei Perforation einer benachbarten Abdichtungsschicht, zwangsläufig eine gewisse, auch in der vorliegenden Anmeldung nicht näher spezifizierte, Verformungsenergie aufnimmt, und somit als "Entkopplungsschicht" einer "Entkopplungsebene" zwischen zwei Abdichtungsschichten gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 verstanden werden muss.

Diese Entkopplungsschicht in Form der "Glasgelegeschicht 1" ist jedoch nicht partiell, sondern stets vollflächig mit den Abdichtungsschichten ("EPDM-Kautschukschichten 2, 3") verbunden, so dass sich in D6 ein fester Schichtverbund ergibt.

3.2 Bei dem Abdichtmaterial der D4 sind ebenfalls zwei Abdichtungsschichten ("Polyäthylenfolien 18,20") vollflächig mit einer Entkopplungsschicht ("Polyäthylenschaumlage 12") verbunden. Die äußeren Abdichtungsschichten sind zudem relativ dünn (vgl. D4, Zusammenfassung; Seite 5, erster Absatz; Figuren - und die Beschreibungseinleitung vorliegender Anmeldung auf Seite 2, Zeilen 21 bis 26).

Schließlich liegt D5 wegen des explizit erwünschten, und wieder vollflächigen, Verbunds der Abdeckschichten ("Außenschichten 1,3") durch die "Verstärkungseinlage 2" hindurch noch weiter von einer Entkopplung der Abdeckschichten gemäß Anspruch 1 ab (siehe D5; Zusammenfassung; Anspruch 1 in Spalte 1, Zeilen 21 bis 27; Spalte 7, Zeilen 5 bis 15; und Figur 1).

Die im Kennzeichen des Anspruchs 1 geforderte, partielle Verbindung zweier Abdichtungsschichten zur Entkopplung, ist auch dem übrigen bekanntgewordenen Stand der Technik nicht zu entnehmen.

3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Bauabdichtmaterial des nächstliegenden Standes der Technik, der D6, somit dadurch, dass die erste Abdichtungsschicht und die zweite Abdichtungsschicht partiell miteinander verbunden sind, wobei die Entkopplungsebene einen unverbundenen Freiraum zwischen den Abdichtungsschichten aufweist.

Ausgehend von D6 kann diesen Merkmalen die Aufgabe zugrunde gelegt werden, eine hinreichende Dichtigkeit auch unter Berücksichtigung der rauen Einsatzbedingungen auf einer Baustelle zu gewährleisten: siehe Anmeldung, Seite 2, vorletzter Absatz.

Hierzu gibt es, ausgehend von D6, wie oben unter Punkt 3.1 und 3.2 dieser Entscheidung dargelegt, im Stand der Technik für den Fachmann keinerlei Anregung, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

3.4 Da auch beim Vorsehen einer Entkopplungsschicht gemäß Anspruch 3 in der Entkopplungsebene nach Anspruch 1 die einzelnen Abdichtungsbahnen nur teilweise bzw. teilflächig mit der Entkopplungsschicht verbunden sind, erfolgt eine Entkopplung nicht nur durch die Verformung der Entkopplungsschicht selbst, sondern zudem am Übergang von der Entkopplungsschicht zur Abdichtungsschicht in den nicht verbundenen Bereichen: siehe Anmeldung, Seite 5, letzter Absatz.

Durch die Aufnahme von Verformungsenergie mittels einer nach Anspruch 1 ausgebildeten Entkopplungsebene (mit oder ohne Entkopplungsschicht) enden Spaltbildungen, etwa durch Perforation der oben liegenden Abdichtungsschicht durch einen spitzen Gegenstand, in der Entkopplungsebene, und die kinetische Energie des spitzen Gegenstandes reicht nicht mehr aus, auch die zweite Abdichtungsschicht aufzuspalten. Die Dichtigkeit der erfindungsgemäßen Bauabdichtbahn ist daher selbst bei Perforation einer Abdichtungsbahn noch gewährleistet: siehe Anmeldung, Seite 3, zweiter Absatz.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Beschreibung, Seiten:

1-13, eingegangen am 14. März 2012,

mit Schreiben vom 14. März 2012

Patentansprüche, Nr.:

1 bis 9, eingegangen am 14. März 2012,

mit Schreiben vom 14. März 2012

Zeichnungen, Blätter:

1/2 - 2/2 wie veröffentlicht.

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