T 1474/10 () of 7.10.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T147410.20141007
Datum der Entscheidung: 07 October 2014
Aktenzeichen: T 1474/10
Anmeldenummer: 03020305.3
IPC-Klasse: A61K 6/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Zweikomponentige Zubereitung
Name des Anmelders: Heraeus Kulzer GmbH
Name des Einsprechenden: 3M Deutschland GmbH (DE)/
3M Innovative Properties Company (US)
Kammer: 3.3.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
Schlagwörter: Neuheit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 402 873 wurde mit zwölf Patentansprüchen erteilt.

II. Gegen die Erteilung wurde ein Einspruch eingelegt, der auf die unter Artikel 100 a) und 100 b) EPÜ genannten Einspruchsgründe gestützt war, mit der Begründung, dass der Gegenstand des Patents nach Artikel 52(1) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätig­keit nicht patentierbar sei und dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

III. Im Verlauf des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens wurde u.a. die folgende Entgegenhaltung genannt:

D1: EP 0 269 819 B1

IV. Die Patentinhaberin beantragte im Einspruchsverfahren als Hauptantrag die Zurückweisung des Einspruchs und legte zwei Anspruchssätze als Hilfsanträge vor.

V. Die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2010 verkündete und am 27. April 2010 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher der damalige Hauptantrag und Hilfsantrag 1 abgelehnt wurden.

Weiter wurde entschieden, dass das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2010, den Erfordernissen des EPÜ genügten.

In der Sache kam die Einspruchsabteilung unter anderem zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des erteilten Patents (Hauptantrag) nicht neu sei.

Dem Gegenstand von Anspruch 1 des mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 eingereichten Hilfsantrags 1 fehle ebenfalls die Neuheit gegenüber dem Inhalt der Entgegenhaltung D1.

VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

Mit der Beschwerdebegründung legte sie zwei Anspruchssätze als Hauptantrag und Hilfsantrag vor. Der Hilfsantrag ist identisch mit den Ansprüchen von Hilfsantrag 2 des Einspruchsverfahrens. Der Hauptantrag entspricht im wesentlichen Hilfsantrag 1 des Einspruchsverfahrens. Im Unterschied zu dem früheren Hilfsantrag 1 wurden lediglich in Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags die stickstoffhaltigen Heterozyklen zusätzlich als basisch und organisch spezifiziert.

Anspruch 1 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut:

"1. Zweikomponentige, bei Raumtemperatur zu einem elastomeren Material abbindende Zubereitung, bestehend aus einer Basis-Komponente (A) und einer Säure enthaltenden Katalysator-Komponente (B),

wobei A mindestens ein silanfunktionalisiertes Polyetherderivat, mindestens eine antacid wirkende Verbindung und gegebenenfalls weitere Zusätze enthält,

dadurch gekennzeichnet, dass die antacid wirkende Verbindung aus der Gruppe ausgewählt ist, die aus basischen oder amphoteren Carbonaten oder Carboxylaten, basischen organischen Verbindungen mit As, P oder Sb als Heteroatom, 3-Aminopropyltriethoxysilan, organischen Verbindungen mit Isocyanat-, Epoxid-, Carbodiimid- oder Aziridino-Gruppen und basischen, organischen stickstoffhaltigen Heterozyklen besteht."

VII. In ihren schriftlichen Eingaben vom 13. Januar 2011 und 10. Juli 2014 machten die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) geltend, der so beanspruchte Gegenstand sei weder neu noch erfinderisch.

VIII. Mit Schreiben vom 30. Juli 2014 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie bei der mündlichen Verhandlung nicht vertreten sein werde, und beantragte eine Entscheidung nach Aktenlage.

IX. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung mit Datum vom 21. August 2014 erläuterte die Kammer ihre vorläufige Auffassung. Unter anderem wies sie im Zusammenhang mit der Beurteilung der Neuheit darauf hin, dass in der Entgegenhaltung D1 nicht erwähnt werde, ob das in den zweikomponentigen Zubereitungen der Ausführungsbeispiele 5 bzw. 6 verwendete silanfunktionalisierte Polyetherderivat ohne vorherige Aufreinigung zum Einsatz gekommen sei.

X. Die mündliche Verhandlung fand am 7. Oktober 2014 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.

XI. Im schriftlichen Verfahren hatte die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Neuheit des Hauptantrags wie folgt argumentiert:

Die Einspruchsabteilung habe in ihrer Entscheidungs­begründung ausgeführt, das gemäß Beispiel 2 von D1 hergestellte silanfunktionalisierte Polyetherderivat werde gemäß Beispiel 6 von D1 in der Basiskomponente einer streitpatentgemäßen zweikomponentigen Zubereitung eingesetzt und enthalte eine antacid wirkende Verbindung aus der in Anspruch 1 angegebenen Gruppe.

Bei dieser handle es sich um 3-Aminopropyltriethoxy­silan (abgekürzt: 3-APTES), das bei der Herstellung des silanfunktionalisierten Polyetherderivats im Überschuss eingesetzt worden sei und daher nach der Reaktion zum Teil noch unverändert in der Reaktionsmischung vorliege.

Dieser Auffassung der Einspruchsabteilung sei aller­dings zu widersprechen:

(a) In den Ausführungsbeispielen 2 und 3 von D1 werde jeweils ein linearer Polyether mit Isophorondiisocyanat umgesetzt und die NCO-Zahl des erhaltenen Prepolymeren bestimmt. Sodann werde das Prepolymer zur Einführung endständiger Alkoxysilylgruppen mit 3-APTES umgesetzt.

Aus dem Umstand, dass bei der Bestimmung der NCO-Zahl offenbar ein geringerer als der theoretische Gehalt gefunden worden sei (wobei zumindest bei Beispiel 3 der Unterschied vernachlässigbar gering sei), ergebe sich nicht zwingend, dass das eingesetzte 3-APTES von vornherein bezüglich der reaktiven Isocyanatgruppen im Überschuss vorhanden gewesen sei.

Im Handel erhältliches 3-APTES könne nämlich bis zu 3% Verunreinigungen aufweisen, wobei in D1 keine Angaben dazu gemacht würden, in welcher Reinheit die verwendete Substanz vorgelegen habe. Somit könne die tatsächlich eingesetzte Menge an 3-APTES geringer gewesen sein als angegeben.

(b) Weiterhin sei nicht auszuschließen, dass mit den in 3-APTES und auch in den anderen Ausgangsstoffen enthaltenen Verunreinigungen weitere reaktive Moleküle in das Reaktionsgemisch der Beispiele 2 und 3 gemäß D1 eingebracht worden sein könnten. Diese reaktiven Moleküle oder Produkte aus Nebenreaktionen hätten sowohl mit 3-APTES als auch gegebenenfalls mit überschüssigen NCO-Gruppen reagieren können.

(c) Ein Entweichen relevanter Mengen von 3-APTES aus der Reaktionsmischung sei gleichfalls nicht auszuschließen.

Ein Überschuss an nicht umgesetztem 3-APTES in dem erhaltenen Reaktionsprodukt (welches sodann in der Basiskomponente der Beispiele 5 bzw. 6 zum Einsatz gelange) werde in D1 nicht explizit offenbart. Er sei vielmehr bloß rechnerisch aus der NCO-Zahl und der angegebenen Einsatzmenge von 3-APTES abgeleitet worden. Aufgrund der erläuterten Unwägbarkeiten, die im Verlauf der Reaktion zum Tragen kommen und das Mengenverhältnis verändern könnten, sei dies aber als reine Spekulation anzusehen. Somit sei auch das Vorliegen von 3-APTES in den in D1 beschriebenen zweikomponentigen Zubereitungen der Beispiele 5 bzw. 6 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

XII. Die Argumente der Beschwerdegegnerinnen zum Thema Neuheit lassen sich wie folgt zusammenfassen:

In den Ausführungsbeispielen 5 und 6 der Entgegen­haltung D1 sei jeweils eine bei Raumtemperatur zu einem elastomeren Material abbindende zweikomponentige Zubereitung mit einer Basiskomponente A und einer Säure enthaltenden Katalysatorkomponente B offenbart.

Das in der Basiskomponente dieser Zubereitungen eingesetzte Polyetherderivat, ein Polyurethan-Poly­harnstoff, sei gemäß Ausführungsbeispiel 3 von D1 unter Verwendung von 3-APTES als Reagenz zur Einführung von endständigen Alkoxysilylgruppen hergestellt worden. Aus den in Beispiel 3 von D1 enthaltenen Mengenangaben lasse sich ableiten, dass am Ende der Reaktion noch ein Überschuss an nicht umgesetztem 3-APTES in dem erhaltenen Gemisch vorgelegen haben müsse.

Eine Aufreinigung von Polymeren des beschriebenen Typs sei völlig unüblich und insbesondere bei größeren Mengen nur mit hohem Aufwand durchzuführen; sie werde durch die naturgemäß vorhandene Reaktivität der Prepolymere noch erschwert. Bei dem in D1 beschriebenen Prepolymer handle es sich zudem um eine schlecht handhabbare hochviskose Flüssigkeit. Die Offenbarung von D1 gebe im übrigen auch keinen Anlass zu der Annahme, durch die Anwesenheit von 3-APTES in der zweikomponentigen Zubereitung seien irgendwelche Nachteile zu erwarten; daher bestehe kein Grund, eine Aufreinigung in Betracht zu ziehen.

Deshalb würde der Fachmann auf dem Gebiet der Polymerchemie die Angabe in Beispiel 5 bzw. 6, der in Beispiel 3 beschriebene Polyurethan-Polyharnstoff sei für die Herstellung der Komponente A verwendet worden, in Abwesenheit ausdrücklich anderslautender Vorgaben implizit dahingehend verstehen, dass das am Ende des Verfahrens gemäß Beispiel 3 erhaltene Reaktionsgemisch als solches ohne weitere Aufreinigungsschritte eingesetzt worden sei.

Ohnehin sei aber realistischerweise in der Praxis nicht davon auszugehen, dass bei Aufreinigungsprozessen restlos alle Moleküle einer Verunreinigung entfernt würden.

Infolgedessen müssten die in Beispiel 5 bzw. 6 von D1 beschriebenen Komponenten A durch den Zusatz des Produkts aus Beispiel 3 zwangsläufig auch Moleküle von 3-APTES enthalten, das wiederum in Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags als antacid wirkende Verbindung aufgeführt sei. Für die obligatorische antacid wirkende Verbindung sei im Anspruch im übrigen keine Konzentrationsuntergrenze angegeben.

Damit wiesen die in den Beispielen 5 und 6 der Entgegenhaltung D1 beschriebenen zweikomponentigen Zubereitungen alle technischen Merkmale gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags auf.

Die Beschwerdeführerin habe ihren Einwand, wonach das Reaktionsgemisch am Ende der in den Beispielen 2 bzw. 3 von D1 beschriebenen Synthese nicht zwingend 3-APTES enthalten müsse, nicht stichhaltig begründet:

(a) Aus der Entgegenhaltung D1 sei klar und eindeutig ersichtlich, dass 3-APTES bei der Synthese des funktionalisierten Polyethers in einer Menge eingesetzt worden sei, die ausreiche, um mit der theoretisch enthaltenen Menge an Isocyanatgrupppen zu reagieren. 3-APTES sei zum Prioritätszeitpunkt durchaus in 100%iger Reinheit erhältlich gewesen oder hätte bei geringerem Reinheitsgrad ohne Schwierigkeiten aufgereinigt werden oder in entsprechend höherer Menge zum Ausgleich der Verunreinigungen eingesetzt werden können. Da der in der zweikomponentigen Zubereitung enthaltene Polyether beim Abbinden über die end­ständigen Triethoxysilylgruppen vernetzen solle, würde der Fachmann 3-APTES nicht im Unterschuß einsetzen (und damit weniger endständige Triethoxysilylgruppen in das Material einbringen als möglich). Vielmehr wäre es für den Fachmann selbstverständlich, eine durch Verun­reinigungen bewirkte Verdünnung zu vermeiden oder über die zugesetzte Menge auszugleichen.

(b) Es gebe in D1 keinen Hinweis auf Nebenreaktionen; auch die Beschwerdeführerin habe in diesem Zusammenhang keine konkrete Reaktion benennen können. Eventuell vorhandene bekannte Verunreinigungen würden im übrigen bevorzugt mit den Isocyanatgruppen reagieren, wodurch sich der in der Reaktionsmischung vorhandene Überschuss an 3-APTES noch vergrößern würde.

(c) Die Beschwerdeführerin habe ihre Behauptung, nicht vernachlässigbare Mengen an 3-APTES würden aus dem Reaktionsgemisch entweichen, nicht durch Beweise oder plausible Argumente gestützt. In Anbetracht des niedrigen Dampfdrucks von 3-APTES sei es nicht glaubhaft, dass ein solcher Effekt eintreten würde.

XIII. Die Beschwerdeführerin hatte schriftlich beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis des Hauptantrags oder des Hilfsantrags, beide eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 6. September 2010, aufrechtzuerhalten.

XIV. Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 100 a), 52(1), 54 EPÜ)

1.1 Die Entgegenhaltung D1, die wie auch das Streitpatent Abformmassen im Dentalbereich zur Verfügung stellen will, beschreibt in den Beispielen 2 und 3 jeweils die Herstellung eines silanfunktionalisierten Polyether­derivats im Sinne des Streitpatents, wobei 3-Amino­propyltriethoxysilan (3-APTES) als Reagenz zur Einführung von endständigen Alkoxysilylgruppen in das Material eingesetzt wird (vgl. D1: Seite 2, Zeile 44 bis Seite 4, Zeile 40). Das so erhaltene silan­funktionalisierte Polyetherderivat, das auch Harnstoff- und Urethangruppen enthält und deshalb in D1 als Polyurethan-Polyharnstoff bezeichnet wird, wurde gemäß Beispiel 5 bzw. 6 von D1 in der Basis-Komponente einer Zweikomponenten-Zubereitung eingesetzt.

1.2 In Ausführungsbeispiel 5 von D1 wurde das Polymer aus Beispiel 3 verwendet. Was Beispiel 6 betrifft, so ist nicht sicher, ob das Polymer aus Beispiel 2 oder das aus Beispiel 3 verwendet wurde, da hierzu in Beispiel 6 widersprüchliche Angaben gemacht werden (D1: Seite 7, Zeilen 20 und 22). Da sich im Ergebnis kein Unterschied ergibt, beschränkt sich die Kammer im folgenden der Einfachheit halber auf die Betrachtung von Beispiel 5 in Kombination mit Beispiel 3.

1.3 Die in Beispiel 5 der Entgegenhaltung D1 beschriebene zweikomponentige Zubereitung besteht aus einer Komponente A und einer Komponente B:

- Komponente A enthält 30 Gewichtsprozent Polyurethan-Polyharnstoff aus Beispiel 3 von D1, der dem silan­funktionalisierten Polyetherderivat gemäß Streitpatent entspricht, sowie weitere Zusätze in Form von Tetraethoxysilan, Paraffin, Füllstoff, Emulgator und Indikator.

- Komponente B enthält 25 Gewichtsprozent 15%ige Wein­säure, sowie Wasser, Emulgator, Glycerin, Paraffin und Füllstoffe.

In Beispiel 5 ist weiter angegeben, dass gleiche Gewichtsteile von Komponente A und Komponente B intensiv vermischt wurden und innerhalb von 3 Minuten zu einem elastischen Material vernetzten.

1.4 Da Beispiel 5 der Entgegenhaltung D1 unstreitig alle anderen technischen Merkmale von Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags aufweist, ist für die Beurteilung der Neuheit zu klären, ob eine antacid wirkende Verbindung aus der in Anspruch 1 des Hauptantrags genannten Gruppe in der Komponente A der zweikomponentigen Zubereitung enthalten ist.

1.5 Die Beschwerdegegnerinnen vertraten die Auffassung, dieses Merkmal sei durch die implizite Anwesenheit von 3-APTES in dem gemäß Beispiel 3 erhaltenen silan­funktionalisierten Polyetherderivat und damit auch in der Komponente A von Beispiel 5 erfüllt, während die Beschwerdeführerin bestritt, dass die Offenbarung von D1 in diesem Punkt unmittelbar und eindeutig sei.

1.6 3-APTES ist als "3-Aminoproplyltriethoxysilan" in der Liste antacid wirkender Verbindungen in Anspruch 1 des Hauptantrags aufgeführt, von denen mindestens eine in der Basis-Komponente (A) der beanspruchten zweikomponentigen Zubereitung enthalten sein muss.

1.7 Gemäß Beispiel 3 der Entgegenhaltung D1 wurde 3-APTES bei der Synthese des silanfunktionalisierten Polyether­derivats eingesetzt. Dabei wurden 1000 g (entsprechend 1 mol OH-Gruppen) eines linearen Polyethers mit MG 2000 entwässert und sodann mit 166,5 g Isophorondiisocyanat (entsprechend 1,5 mol NCO-Gruppen) in Gegenwart von Zinnoktoat umgesetzt. Im Anschluss wurde die NCO-Zahl des Prepolymeren mit 1,79% bestimmt, während sich rechnerisch 1,80% ergaben. Das erhaltene Prepolymer wurde danach mit 110,5 g (0,5 mol) 3-APTES zur Reaktion gebracht, woraufhin im Ansatz keine freien NCO-Gruppen mehr nachweisbar waren.

1.8 In Beispiel 3 von D1 findet sich keine explizite Angabe dazu, ob noch am Ende der Reaktion nicht umgesetztes 3-APTES im Ansatz vorlag.

In diesem Zusammenhang vertraten die Parteien unterschiedliche Auffassungen erstens zu der Frage, ob 3-APTES von vornherein im Überschuss eingesetzt wurde, und zweitens zu der Frage, ob 3-APTES durch weitere Mechanismen wie Nebenreaktionen oder Verdunstung hätte verbraucht oder aus dem Ansatz entfernt werden können.

1.9 Zunächst ist daher zu klären, ob 3-APTES von vornherein im Überschuss eingesetzt wurde.

1.9.1 In Beispiel 3 von D1 wird angegeben, dass vor der Einführung der endständigen Triethoxysilylgruppen der experimentell ermittelte Gehalt an reaktiven Isocyanatgruppen (NCO-Zahl) des Prepolymers mit 1,79% unter dem theoretischen Gehalt von 1,80% (entsprechend 0,5 mol) lag.

1.9.2 Die Aussage gemäß Beispiel 3, dass "110,5 g (0,5 mol)" 3-APTES eingesetzt wurden, würde vom Fachmann ohne Zweifel dahingehend verstanden werden, dass 3-APTES in der stöchiometrisch erforderlichen Stoffmenge von 0,5 mol eingesetzt wurde, da die Stoffmenge der für die Reaktion relevante Parameter ist.

Die zusätzliche Angabe "110,5 g", die hiermit übereinstimmend 0,5 mol reinem 3-APTES entspricht, muss sich logischerweise auf reines oder aktives Material beziehen, da sonst ein Widerspruch zwischen der Angabe der Masse und der Stoffmenge bestünde. Der Fachmann würde demgemäß den Angaben in D1 entnehmen, dass reines bzw. aufgereinigtes Material eingesetzt wurde oder dass, bei Verwendung einer entsprechend höheren Masse von Material mit geringerer Reinheit, auf Aktivsubstanz umgerechnet wurde.

1.9.3 Da für die zum Einsatz gebrachten 0,5 mol 3-APTES weniger als 0,5 mol Isocyanatgruppen zur Reaktion zur Verfügung standen, ergibt sich hieraus, dass 3-APTES im Überschuss eingesetzt wurde.

1.10 Weiter gibt es keinen Anlass zu der Annahme, ein solcher Überschuss würde, wie von der Beschwerde­führerin behauptet, durch andere Reaktionen verbraucht werden oder aus der Mischung entweichen.

1.10.1 Im Hinblick auf die behaupteten Nebenreaktionen hat die Beschwerdeführerin insbesondere nicht konkretisiert, welche Verunreinigungen in dem Ansatz vorhanden sein sollten, die erstens ausreichend reaktiv sind und die zweitens bevorzugt mit 3-APTES, jedoch nicht mit den Isocyanatgruppen, reagieren würden. Aus der Entgegenhaltung D1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen würde der Fachmann nicht entnehmen, dass zusätzliche Reaktionen stattfinden könnten, bei denen 3-APTES verbraucht wird.

1.10.2 Es gibt auch keinen konkreten Anlass zu der Annahme, die Komponente 3-APTES würde während der in Beispiel 3 von D1 beschriebenen Reaktion aus dem Reaktionsgemisch entweichen. Da die Verbindung nicht als besonders flüchtig bekannt ist, erscheint dies, zumal ohne Beleg durch experimentelle Daten, als bloße Spekulation seitens der Beschwerdeführerin.

1.10.3 Infolgedessen ist davon auszugehen, dass am Ende der gemäß Beispiel 3 durchgeführten Reaktion noch unumgesetztes 3-APTES im Ansatz vorlag.

1.11 Abschließend ist zu klären, ob dieses in die Komponente A der zweikomponentigen Zubereitung von Beispiel 5 gelangte.

1.11.1 In der Entgegenhaltung D1 wird nicht erwähnt, ob das in Beispiel 5 verwendete Polymer aus Beispiel 3 ohne vorherige Aufreinigung verwendet wurde.

1.11.2 Die Beschwerdegegnerinnen vertraten die Auffassung (vgl. oben Punkt XII), dass der Fachmann auf dem Gebiet der Polymerchemie die Angabe in Beispiel 5, der in Beispiel 3 beschriebene Polyurethan-Polyharnstoff sei für die Herstellung der Komponente A verwendet worden, in Abwesenheit ausdrücklich anderslautender Vorgaben implizit dahingehend verstehen würde, dass das am Ende des Verfahrens gemäß Beispiel 3 erhaltene Reaktions­gemisch als solches ohne weitere Aufreinigungsschritte eingesetzt worden sei. Abgesehen davon, dass durch diese Vorgehensweise kein Nachteil zu erwarten gewesen wäre, sei eine Aufreinigung von Polymeren des beschriebenen Typs völlig unüblich, da sie insbesondere bei größeren Mengen nur mit hohem Aufwand durchzuführen sei und durch die naturgemäß vorhandene Reaktivität der Prepolymere sowie die schlechte Handhabbarkeit aufgrund hoher Viskosität noch erschwert werde.

1.11.3 Die Beschwerdeführerin bestritt dies im übrigen nicht, sondern ging im Rahmen ihrer Argumentation ebenfalls davon aus, dass in Beispiel 5 von D1 das gemäß Beispiel 3 erhaltene Reaktionsgemisch zum Einsatz kam.

1.11.4 Die Kammer schließt sich in diesem Punkt der begründeten Auffassung der Beschwerdegegnerinnen an, dass die Weiterverarbeitung des in Beispiel 3 erhaltenen nicht aufgereinigten Reaktionsgemischs für den Fachmann implizit offenbart ist.

1.11.5 Da in diesem Gemisch wie oben erörtert (vgl. Punkt 1.9 bis 1.10.3) auch ein Anteil von unverbrauchtem 3-APTES enthalten war, enthielt somit auch die Komponente A von Beispiel 5 die Substanz 3-APTES und damit eine antacid wirkende Verbindung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags.

1.11.6 In Anspruch 1 ist außerdem keine Konzentrations-Untergrenze für die antacid wirkende Verbindung angegeben, so dass es für die Beurteilung der Neuheit keine Rolle spielt, ob nur geringe Mengen der Substanz enthalten waren.

1.12 Aus diesen Gründen ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass Beispiel 5 der Entgegenhaltung D1 den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags neuheitsschädlich vorwegnimmt.

2. Hilfsantrag - Verbot der "Reformatio in peius"

2.1 Die Ansprüche des vorliegenden Hilfsantrags sind identisch mit denen von Hilfsantrag 2 des Einspruchs­verfahrens (vgl. oben Punkt V-VI).

2.2 Ist der Patentinhaber der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrecht­erhaltung des Patents in geändertem Umfang, so kann weder die Beschwerdekammer noch der nicht beschwerdeführende Einsprechende als Beteiligter nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ die Fassung des Patents gemäß der Zwischenentscheidung in Frage stellen (G9/92).

2.3 Da im vorliegenden Fall die in Punkt 2.2 genannte Voraussetzung erfüllt ist, war infolgedessen über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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