T 1464/10 () of 29.1.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T146410.20150129
Datum der Entscheidung: 29 Januar 2015
Aktenzeichen: T 1464/10
Anmeldenummer: 01107100.8
IPC-Klasse: F23N 5/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Messeinrichtung für eine Flamme
Name des Anmelders: Siemens Schweiz AG
Name des Einsprechenden: Stiebel Eltron GmbH & Co.KG
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs, welche am 29. April 2010 zur Post gegeben wurde.

Die Einspruchsabteilung begründete ihre Entscheidung damit, dass der Gegenstand des Streitpatents sowohl ausreichend offenbart und neu sei, als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

I. In einer zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Post gegebenen Mitteilung teilte die Kammer den Parteien mit, dass nach ihrer Auffassung der Gegenstand des Streitpatents ausreichend offenbart sei, sie jedoch Bedenken hinsichtlich der Neuheit des Anspruchs 1 des Streitpatents habe.

II. Mit Fax vom 17. Dezember 2014 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückziehe, an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, sowie eine Entscheidung nach Aktenlage beantrage.

III. Die mündliche Verhandlung fand am 29. Januar 2015 vor der Kammer wie angekündigt in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte schriftlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Form mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung: Seiten 2 und 3 der Patentschrift;

- Ansprüche 1 bis 10 des Hilfsantrags 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2015;

- Zeichnungen: Fig. 1 und 2 der Patentschrift.

IV. Folgende Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:

D2: DE 196 32 983 C2

D3: JP 02302520 A

V. Anspruch 1 des Streitpatents lautet:

"Messeinrichtung für eine Flamme, insbesondere zur Verwendung in einer Regeleinrichtung für einen Brenner(13), mit einer im Flammenbereich (14) des Brenners angeordneten Ionisationselektrode (15), auf die eine Wechselspannung aufgeschaltet ist, wodurch sich in Abhängigkeit vom Ionisationsstrom ein Gleichspannungsanteil überlagert,

dadurch gekennzeichnet,

dass der vom Flammenwiderstand beeinflusste Wechselspannungsanteil über erste Mittel (5, 6) vom Gleichspannungsanteil trennbar ist und die getrennte Wechselspannung mit dem abgetrennten Gleichspannungsanteil über zweite Mittel (9, 10) vergleichbar ist um ein pulsweitenmoduliertes Signal zu erzeugen."

VI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautet:

"Messeinrichtung für eine Flamme, insbesondere zur Verwendung in einer Regeleinrichtung für einen Brenner(13), mit einer im Flammenbereich (14) des Brenners angeordneten Ionisationselektrode (15), auf die eine Wechselspannung aufgeschaltet ist, wodurch sich in Abhängigkeit vom Ionisationsstrom ein Gleichspannungsanteil überlagert,

dadurch gekennzeichnet,

dass der vom Flammenwiderstand beeinflusste Wechselspannungsanteil über erste Mittel (5, 6) vom Gleichspannungsanteil getrennt wird und die getrennte Wechselspannung mit dem abgetrennten Gleichspannungsanteil über zweite Mittel (9, 10)verglichen wird um ein pulsweitenmoduliertes Signal zu erzeugen."

VII. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Mangelnde Offenbarung

Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die Erfindung des Streitpatents nicht ausführbar sei. Als Gründe gab sie an, die beanspruchten Eigenschaften der Signale seien nicht Teil der Messeinrichtung, sodass der Anspruch 1 des Streitpatents nicht ausführbar sei. Außerdem bestehe ein Widerspruch zwischen dem Merkmal des Anspruchs 1, dass der vom Flammenwiderstand beeinflusste Wechselspannungsanteil über erste Mittel vom Gleichspannungsanteil trennbar ist, und der Beschreibung. Darüber hinaus sei auch das beanspruchte pulsweitenmodulierte Signal nicht ausführbar, da unter einem pulsweitenmodulierten Signal ein näherungsweise kontinuierliches Signal zu verstehen sei, welches sich aus einem Pulssignal mit unterschiedlichen Pulsweiten ergebe.

Patentierbarkeit

Sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents seien aus der Offenbarung des Dokuments D2 bekannt, insbesondere stellten die Merkmale, wonach der vom Flammenwiderstand beeinflusste Wechselspannungsanteil über erste Mittel vom Gleichspannungsanteil trennbar ist und die getrennte Wechselspannung mit dem abgetrennten

Gleichspannungsanteil über zweite Mittel vergleichbar ist, keine Merkmale dar, welche den Anspruch 1 einschränkten, da sie lediglich Eigenschaften des Messsignals und nicht Merkmale der Messeinrichtung darstellten. Jedenfalls seien die genannten unterscheidenden Merkmale dem Dokument D3 zu entnehmen, welches ebenfalls eine Regeleinrichtung für einen Brenner betreffe, sodass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von Dokument D2 durch eine Kombination der Dokumente D2 und D3 nahegelegt sei.

Mit ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin drei neue Dokumente B1 (eine Wikipedia Seite über Pulsweitenmodulation), B2 (EP 0 953 805 A1) und B3 (DE 26 58 837 A1) eingereicht und beantragt diese ins Verfahren zuzulassen.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Mangelnde Offenbarung

Laut der Beschwerdeführerin ist die einzig sinnvolle Lesart des Anspruchs 1 des Streitpatents, dass die ersten und zweiten Mittel sowie die trennbaren und vergleichbaren Signalanteile als Teil der Messeinrichtung zu verstehen sind. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente hinsichtlich eines angeblichen Widerspruchs zwischen Merkmalen des Anspruchs und der Beschreibung entsprächen einem rechtswidrigen Angriff aufgrund Artikel 84 EPÜ. Dem Fachmann sei außerdem wohlbekannt, wie er ein pulsweitenmoduliertes Signal erzeugen könne.

Patentierbarkeit

Laut der Beschwerdegegnerin ist aus keinem der genannten Dokumente bekannt, bei einer Messeinrichtung den vom Flammenwiderstand beeinflusste Wechselspannungsanteil über erste Mittel vom Gleichspannungsanteil zu trennen und die getrennte Wechselspannung mit dem abgetrennten

Gleichspannungsanteil über zweite Mittel zu vergleichen. Insofern sei der Gegenstand des Streitpatents neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Dokumente B1, B2 und B3 nicht ins Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung der Dokumente B1 bis B3

Die Dokumente B1 bis B3 wurden nach dem Ablauf der Einspruchsfrist und somit verspätet eingereicht. Eine Zulassung kommt daher lediglich dann in Betracht, wenn sie prima facie relevant sind.

Dokument B1 offenbart lediglich das allgemeine Fachwissen zur Pulsweitenmodulation und fügt somit nichts zur Argumentation der Beschwerdeführerin hinzu, was nicht ohnehin bereits im Verfahren war.

Zum Dokument B2 bringt die Beschwerdeführerin vor, das Dokument beträfe einen Flammendetektor und sei daher relevant. Nach dem Dokument B2 wird zwar ein Signal eines Flammendetektors, der im ultravioletten und/oder sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums empfindlich ist, einerseits über einen Tiefpass und andererseits über einen Hochpass mit nachgeschaltetem Gleichrichter einem Subtrahierer zugeführt. Das Signal wird mit einem Strahlungssensor, nicht mit einer Ionisationselektrode auf die eine Wechselspannung aufgeschaltet ist, gewonnen. Insofern geht die Offenbarung des Dokuments B2 nicht über jene des Dokuments D3 hinaus und ist daher auch nicht prima facie relevant.

Zum Dokument B3 gibt die Beschwerdeführerin keine spezifische Stelle an. Da das Dokument B3 die räumliche Verteilung von Fehlern an einer glatten Oberfläche betrifft vermag die Kammer nicht zu erkennen, warum Dokument B3 prima facie als relevant anzusehen sein sollte.

Zusammenfassend stellt die Kammer fest, dass keines der verspätet vorgelegten Dokumente B1 bis B3 prima facie relevant ist. Die Dokumente B1 bis B3 werden daher nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.

2. Offenbarung - Artikel 100 b) EPÜ

Die Argumente der Beschwerdeführerin stellen darauf ab, dass einzelne Anspruchsmerkmale nicht ausführbar sind. Bei der Prüfung der Erfordernisse der ausreichenden Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ kommt es jedoch darauf an, ob die Erfindung, die das Streitpatent zum Gegenstand hat, insgesamt so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann. In der Figur 1 des Streitpatents und der zugehörigen

Beschreibung Seite 1, Zeile 35 bis Seite 2, Zeile 15 ist ein Blockschaltbild der Schaltung des Ausführungsbeispiels gezeigt und auch beschrieben. Sämtliche elektrischen Leitungen und Baugruppen sind beschrieben oder aus der Figur ersichtlich. Daher ist die Kammer der Auffassung, dass das Streitpatent die

Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt.

3. Patentierbarkeit

3.1 Hauptantrag - Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54(2) EPÜ

Hinsichtlich des Oberbegriffs des Anspruchs 1 ist unstrittig, dass sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aus dem Dokument D2 bekannt sind.

Aus Dokument D2 ist daher eine Messeinrichtung für eine Flamme bekannt, insbesondere zur Verwendung in einer Regeleinrichtung für einen Brenner, mit einer im Flammenbereich des Brenners angeordneten Ionisationselektrode (6), auf die eine Wechselspannung (U) aufgeschaltet ist, wodurch sich in Abhängigkeit vom Ionisationsstrom ein Gleichspannungsanteil überlagert.

Dokument D2 offenbart auch das Merkmal des Kennzeichens des Anspruchs 1, dass von der Messeinrichtung ein pulsweitenmoduliertes Signal erzeugt wird, siehe Spalte 3, Zeilen 56 bis 61 sowie Figur 3a.

Die verbleibenden Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 können so gelesen werden, dass die ersten und zweiten Mittel nicht Teil der Messeinrichtung sind.

Darüber hinaus ist im Kennzeichen des Anspruchs 1 lediglich definiert, dass der Wechselspannungsanteil vom Gleichspannungsanteil trennbar ist und mit diesem vergleichbar ist. Dies bedeutet nicht, dass die entsprechende Trennung und der entsprechende Vergleich auch zwingend vorliegt.

Die Kammer stellt fest, dass auch bei der Messeinrichtung nach Dokument D2 der Wechselspannungsanteil vom Gleichspannungsanteil trennbar ist. Der derart abgetrennte Wechselspannungsanteil wäre auch mit dem Gleichspannungsanteil vergleichbar.

Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die im Kennzeichen des Anspruchs 1 angegebenen Merkmale den Anspruch 1 nicht einschränken.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher nicht neu im Sinne des Artikels 100(a) EPÜ i.V.m. Artikel 54(2) EPÜ. Dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin kann daher nicht stattgegeben werden.

3.2 Hilfsantrag 1 - Artikel 54(2) und 56 EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich durch die folgenden Merkmale von der Offenbarung des Dokuments D2:

"dass der vom Flammenwiderstand beeinflusste Wechselspannungsanteil über erste Mittel (5, 6) vom Gleichspannungsanteil getrennt wird und die getrennte Wechselspannung mit dem abgetrennten Gleichspannungsanteil über zweite Mittel (9, 10) verglichen wird".

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu im Sinne des Artikels 54(2) EPÜ.

Die ermittelten Unterschiede erzielen den technischen Effekt, dass Wechselspannungsanteil und Gleichspannungsanteil getrennt beeinflusst werden können, wodurch eine bessere Signalauswertung möglich ist.

Als objektive Aufgabe kann daher angesehen werden, eine Messeinrichtung für eine Flamme zu schaffen, welche eine verbesserte Signalauswertung ermöglicht.

Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 dadurch gelöst, dass der vom Flammenwiderstand beeinflusste Wechselspannungsanteil über erste Mittel (5, 6) vom Gleichspannungsanteil getrennt wird und die getrennte Wechselspannung mit dem abgetrennten Gleichspannungsanteil über zweite Mittel (9, 10) verglichen wird.

Im Dokument D2 findet sich keine Anregung dazu, eine tatsächliche Trennung von Gleichspannungsanteil und Wechselspannungsanteil vorzunehmen.

Bei der Messeinrichtung nach Dokument D3 werden einem "computing element 27" zwei Signale A und B zugeführt, die beide vom Signal einer Ionisationselektrode 13 abgeleitet werden. Jedoch scheint das Dokument D3 keine Angabe zu enthalten, dass eine Wechselspannung auf die Ionisationselektrode aufgeschaltet ist, insbesondere da D3 vorsieht, dass die Ionisationselektrode durch einen optischen Sensor (Strahlungssensor) ersetzt werden kann. Ein Vergleich eines vom Gleichspannungsanteil abgetrennten Wechselspannungsanteils mit dem abgetrennten Gleichspannungsanteil ist daher aus der Offenbarung des Dokuments D3 weder bekannt noch nahegelegt.

Auch aus einer Zusammenschau der Offenbarungen der Dokumente D2 und D3 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahegelegt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht daher auch auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

4. Die Ansprüche 2 bis 9 des Hilfsantrags sind von Anspruch 1 abhängig und entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 9.

Der Anspruch 10 betrifft eine Verwendung der Messeinrichtung nach einem der Ansprüche 1 - 8 in einem Feuerungsautomat und ist identisch mit dem erteilten Anspruch 10.

Die Gegenstände der Ansprüche 2 bis 10 sind deswegen auch neu und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die 1. Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Form mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung Seiten 2 und 3 der Patentschrift;

- Ansprüche 1 bis 10 des Hilfsantrags 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2015;

- Zeichnungen: Fig. 1 und 2 der Patentschrift.

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