T 1175/10 (Richtmikrofonsystem/SIEMENS AUDIOLOGISCHE TECHNIK) of 26.2.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T117510.20130226
Datum der Entscheidung: 26 Februar 2013
Aktenzeichen: T 1175/10
Anmeldenummer: 00927233.7
IPC-Klasse: H04R 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hörhilfsgerät mit Richtmikrofonsystem sowie Verfahren zum Betrieb eines Hörhilfsgeräts
Name des Anmelders: Siemens Audiologische Technik GmbH
Name des Einsprechenden: Widex A/S
GN Resound A/S
Oticon A/S
Phonak AG
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 88(3)
Schlagwörter: Wirksam in Anspruch genommmene Priorität - verneint
Neuheit (Hauptantrag verneint, Hilfsantrag bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 192 838 wurde auf die am 22. Mai 2000 als internationale Anmeldung eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 00927233.7 erteilt. Die Anmeldung wurde unter dem Aktenzeichen WO 00/76268 A2 veröffentlicht. Das Patent beansprucht die deutsche Priorität Nr. DE 19925392 vom 2. Juni 1999.

II. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass das Patent in geänderter Fassung den Erfordernissen des Europäischen Patentübereinkommens genüge, legten die gemeinsam Einsprechenden Beschwerde ein.

Die Beschwerdebegründung wurde darauf gestützt, dass der von der Einspruchsabteilung als gewährbar gesehene Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch und somit nicht patentfähig sei. Unter anderem wurde auf die folgenden Druckschriften verwiesen:

D3: EP 0924958 A1

D11: WO 94/24834 A1.

III. Die Beschwerdeführerinnen beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

IV. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) reichte zusammen mit der am 12. Januar 2011 eingegangenen Erwiderung auf die Beschwerde einen Satz geänderter Ansprüche 1 bis 7 ein. Es wurde beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Hilfsweise wurde weiterhin beantragt, das Patent auf der Grundlage der zusammen mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Ansprüche aufrecht zu erhalten.

V. In einer zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung äußerte sich die Kammer vorläufig in der Sache und wies auf die in der mündlichen Verhandlung zu erörternden Punkte hin.

VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 26. Februar 2013 statt.

Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

- Ansprüche 1 bis 7, eingereicht am 12. Januar 2011,

- Beschreibung und Zeichnungen wie der angefochtenen Entscheidung beigefügt, wobei im Absatz [0006] der Beschreibung "8" durch "7" ersetzt wird.

VII. Nach Beratung der Kammer und Schließen der sachlichen Debatte wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

VIII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:

"Hörhilfsgerät mit einer Signalverarbeitungseinheit (14) und mindestens zwei Mikrofonen (1, 2, 3), die zur Bildung von Richtmikrofonsystemen unterschiedlicher Ordnung miteinander verschaltbar sind, dadurch gekennzeichnet dass von Richtmikrofonsystemen unterschiedlicher Ordnung ausgehende Mikrofonsignale (11, 12, 13) in von der Frequenz der Mikrofonsignale abhängiger Gewichtung miteinander verschaltet sind, wobei für Frequenzen der Mikrofonsignale (11, 12, 13) unterhalb einer Grenzfrequenz wenigstens im wesentlichen das vom Richtmikrofonsystem erster Ordnung erzeugte Mikrofonsignal (11) weiterverarbeitet ist."

Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag lautet:

"Hörhilfsgerät mit einer Signalverarbeitungseinheit (14) und mindestens zwei Mikrofonen (1, 2, 3), die zur Bildung von Richtmikrofonsystemen erster und höherer Ordnung miteinander verschaltet sind, dadurch gekennzeichnet dass von Richtmikrofonsystemen unterschiedlicher Ordnung ausgehende Mikrofonsignale (11, 12, 13) in von der Frequenz der Mikrofonsignale abhängiger Gewichtung miteinander verschaltet sind, wobei für Frequenzen der Mikrofonsignale (11, 12, 13) unterhalb einer unteren Grenzfrequenz (fg) wenigstens im wesentlichen das vom Richtmikrofonsystem erster Ordnung erzeugte Mikrofonsignal (11) weiterverarbeitet ist und oberhalb einer Grenzfrequenz wenigstens im wesentlichen das von dem Richtmikrofonsystem mit der höchsten vorkommenden Ordnung erzeugte Mikrofonsignal (12) weiterverarbeitet ist."

Entscheidungsgründe

1. Priorität

Der Gegenstand der Ansprüche gemäß dem Haupt- und dem Hilfsantrag betrifft ein "Hörgerät mit einer Signalverarbeitungs einheit und mindestens zwei Mikrophonen". Die Prioritätsanmeldung bietet jedoch keine Grundlage für ein Hörhilfsgerät mit lediglich zwei Mikrophonen, vielmehr umfasst das in der Priori tätsanmeldung beschriebene Hörhilfsgerät mindestens drei Mikrophone (vgl. den letzten Absatz auf der Seite 1 sowie den Anspruch 1 der Prioritätsanmeldung). Folglich umfasst die in Anspruch genommene Priorität nicht den Gegenstand des Haupt- und des Hilfsantrags (Artikel 88(3) EPÜ) und infolgedessen ist für die Zwecke des Artikels 54(2) EPÜ der Anmeldetag des Patents, also der 22. Mai 2000 maßgeblich. Die Druckschrift D3 gehört somit zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin zuletzt auch nicht mehr in Frage gestellt.

2. Anspruch 1 des Hauptantrags - Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ)

2.1 Die Druckschrift D3 offenbart ein Hörhilfsgerät mit wenigstens zwei omnidirektionalen Mikrophonen (m1, m2 in Figur 1; m1, m3 in Figur 2) und einer Signalverarbeitungseinheit GP1, die im Detail in der Figur 1 dargestellt wird (vgl. die Absätze [0009, 0010] der Beschreibung). Die Mikrophone sind mittels eines Subtrahierers S1 sowie eines Addierers S2 zu jeweiligen Mikrophonsystemen zusammengeschaltet. Das Ausgangssignal des Subtrahierers S1 weist eine als "first order gradient" bekannte Richtungsabhängigkeit auf. Somit bilden m1, m2 und S1 ein Richtmikrophonsystem erster Ordnung. Weiterhin bilden die Mikrophone m1, m2 zusammen mit dem Addierer S2 ein zweites Mikrophonsystem. Die Ausgangssignale des ersten und des zweiten Mikrophonsystems sind durch einen weiteren Addierer S3 zusammengeschaltet. Der Integrator I hebt die Signalpegel der niederfrequenten Signalanteile des Richtmikrophonsystems erster Ordnung an, so dass die Verschaltung der Mikrophonsignale der beiden Richtmikrophonsysteme, also der Eingangssignale des Addierers S3, frequenzabhängig gewichtet ist. Das Ausgangssignal des Addierers S3 stellt wiederum ein Mikrophonsignal erster Ordnung dar ("first order gradient receiver", vgl. Absatz [0013] von D3), welches durch das Tiefpassfilter LF gefiltert wird, wodurch unterhalb der Grenzfrequenz des Tiefpassfilters wenigstens im Wesentlichen das vom Richtmikrophonsystem erster Ordnung erzeugte Mikrophonsignal verarbeitet wird. Soweit stimmt das Verständnis der Parteien von der Offenbarung von D3 überein.

2.2 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, aus D3 sei das weitere Merkmal, dass die Richtmikrophonsysteme unterschiedlicher Ordnung seien, nicht bekannt. Vielmehr seien sämtliche Richtmikrophonsysteme in D3 solche erster Ordnung, auch das durch m1, m2 und den Addierer S2 gebildete Richtmikrophonsystem, denn die Addition der Signale von zwei omnidirektionalen Mikrophonen ergebe ein Richtmikrophon nicht nullter, sondern erster Ordnung. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf den Absatz [0007] der Patentschrift, wonach ein Richtmikrophon nullter Ordnung überhaupt keine Richtwirkung aufweisen dürfe und somit lediglich durch ein einzelnes omnidirektionales Mikrophon gebildet werden könne. Folglich seien in dem Hörhilfsgerät gemäß D3 die Mikrophone nur zu Mikrophonsystemen erster Ordnung, nicht jedoch unterschiedlicher Ordnungen verschaltet.

2.3 Diese Argumente der Beschwerdeführerin sind nicht stichhaltig. Der Begriff der "Ordnung" eines Mikrophonsystems ist in der Patentschrift selbst nicht weiter erklärt, ein Hinweis auf dessen genaue Bedeutung findet sich jedoch in D11. Demnach gibt die Ordnung den Abfall der Empfindlichkeit des Mikrophonsystems zu niedrigen Frequenzen hin an (vgl. auf Seite 14 von D11 die Zeilen 4 bis 8 und 18 bis 23). Gemäß den Angaben in D11 weist ein Richtmikrophonsystem erster Ordnung einen Abfall der Empfindlichkeit von 6dB je Oktave, also bei einer Halbierung der Frequenz, auf. Das durch m1, m2 und S2 gebildete zweite Mikrophonsystem in D3 ist jedoch so ausgelegt, dass seine Richtcharakteristik zu niedrigen Frequenzen hin keinen inhärenten Abfall aufweist. Daher kann dieses Mikrophonsystem nicht ein Richtmikrophon system erster Ordnung sein, sondern weist vielmehr eine Frequenzcharakteristik nullter Ordnung auf. Folglich handelt es sich bei den oben in Absatz 2.1 genannten ersten und zweiten Richtmikrophonsystemen in D3 um solche unterschiedlicher Ordnung.

2.4 Somit sind alle Merkmale des Hörhilfsgeräts des Anspruchs 1 des Hauptantrags aus D3 bekannt. Somit steht der Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung des Hauptantrags entgegen.

3. Der Hilfsantrag - Grundlage der Änderungen

Die Beschwerdeführerinnen haben keine Einwände gegen die im Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen in Bezug auf Artikel 123(2) oder (3) EPÜ erhoben. Auch die Kammer hat diesbezüglich keine Einwände, denn der Anspruch 1 des Hilfsantrags umfasst die Merkmale der Ansprüche 1, 4 und 5 in der erteilten Fassung sowie die genauere Bezeichnung der Richtmikrophonsysteme als "erster und höherer Ordnung" (vgl. Seite 2, Zeile 34 bis Seite 3, Zeile 2 der veröffentlichten Anmeldung) sowie der Grenzfrequenz, unterhalb derer im wesentlichen das Signal eines Richtmikrophonsystems erster Ordnung weiterverarbeitet ist, als "untere Grenzfrequenz" (Seite 6, Zeilen 4 bis 7 der veröffentlichten Anmeldung); die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den Ansprüchen 2, 3 und 6 bis 9 in der erteilten Fassung.

4. Gegen den Hilfsantrag haben die Beschwerdeführerinnen in der mündlichen Verhandlung lediglich den Einwand fehlender Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit des Hörhilfsgeräts gemäß Anspruch 1 vorgebracht und diesen Einwand ausschließlich auf die Druckschrift D11, insbesondere auf das Hörhilfsgerät gemäß der Figur 14 von D11 gestützt. Daher kann sich die Kammer bei der Erörterung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit auf die Betrachtung der Druckschrift D11 beschränken.

5. Anspruch 1 des Hilfsantrags - Neuheit

5.1 Die Figur 14 von D11 zeigt ein Hörhilfsgerät 10 mit zwei Richtmikrophonen 290, 295 erster Ordnung sowie einem omnidirektionalen Mikrophon 230. Das Mikrophonsignal des Richtmikrophons 290 erster Ordnung steht an einem FET-Schalter 255 zur Weiterverarbeitung zur Verfügung. Die beiden Richtmikrophone 290, 295 erster Ordnung sind am Punkt 300 zu einem Richtmikrophon zweiter Ordnung verschaltet; dessen Ausgangssignal steht nach Korrektur des Frequenzgangs durch den Entzerrer 250 (vgl. die analoge Beschreibung des Entzerrers 40 in Figur 7 auf Seite 17, Zeilen 18 bis 24) an einem zweiten FET-Schalter 260 zur Weiter verarbeitung zur Verfügung. Das Mikrophonsignal des omnidirektionalen Mikrophons 230 steht zum einen an einem dritten FET-Schalter 275 zur Weiterverarbeitung zur Verfügung, zum anderen wird es einer Über blendschaltung 265-285 (siehe auch Figur 13) zugeführt. Die Überblendschaltung ermittelt aus dem Mikrophonsignal des omnidirektionalen Mikrophons 230 den Pegel der Umgebungs geräusche und steuert abhängig von diesem Pegel die FET-Schalter 255, 260 und 275, deren Ausgänge zu einem weiterzuverarbeitenden Signal überlagert werden. Die Steuerung der FET-Schalter ist so ausgelegt, dass in dem weiterzuverarbeitenden Signal bei niedrigem Umgebungsgeräuschpegel das Mikrophonsignal des onmidirektionalen Mikrophons dominiert, während bei mittlerem Umgebungsgeräuschpegel das Mikrophonsignal des Richtmikrophons erster Ordnung und bei hohem Umgebungsgeräuschpegel das Mikrophonsignal des Richtmikrophons zweiter Ordnung dominiert (vgl. Seite 25, Zeile 19 bis Seite 26, Zeile 6).

5.2 Die Beschwerdeführerinnen argumentierten, die weiteren Merkmale des Anspruchs 1, wonach (a) unterhalb einer unteren Grenzfrequenz wenigstens im wesentlichen das vom Richtmikrofonsystem erster Ordnung erzeugte Mikrofonsignal und (b) oberhalb einer Grenzfrequenz wenigstens im wesentlichen das von dem Richtmikrofonsystem mit der höchsten vorkommenden Ordnung erzeugte Mikrofonsignal weiterverarbeitet ist, ergebe sich implizit aus D11. Insbesondere die in der Figur 3 dargestellten Frequenz charakteristiken der Richtmikrophone zeigten bereits, dass ein Richtmikrophon erster Ordnung bei niedrigen Frequenzen empfindlicher ist als das Richtmikrophon zweiter Ordnung. Daraus ergebe sich für die Schaltung gemäß der Figur 14 zwangläufig, dass bei niedrigen Frequenzen und einem mittleren Umgebungsgeräuschpegel das Signal des Richtmikrophons erster Ordnung dominiert und damit im wesentlich dieses Signal weiterverarbeitet wird. Weiterhin sei es allgemein bekannt, dass die Empfindlichkeit des Richtmikrophons zweiter Ordnung bei höheren Frequenzen größer ist als die des Richtmikrophons erster Ordnung, so dass bei höheren Frequenzen das Signal des Richtmikrophons zweiter Ordnung dominiert und damit im wesentlichen dieses Signal weiterverarbeitet wird.

5.3 Die Kammer schließt sich dieser Sichtweise nicht an. D11 enthält keinen Hinweis auf eine frequenzabhängige Gewichtung der Signalbeiträge der Mikrophone 230, 290 und 295 bei deren Überlagerung zu dem weiter zu verarbeitenden Signal. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen zeigen die in der Figur 3 von D11 dargestellten Frequenzverläufe nicht die jeweiligen Beiträge der einzelnen Mikrophone zu dem weiter zu verarbeitenden Signal, sondern die Empfindlichkeiten von Richtmikrophonen nullter, erster und zweiter Ordnung für sich genommen. Die Sichtweise der Beschwerdeführerinnen beruht daher auf rückschauender Betrachtung, indem versucht wird, unter Kenntnis der in Punkt 5.2 erwähnten Merkmale (a) und (b) aus dem angegriffenen Patent eine dominante Weiterverarbeitung der Richtmikrophonsignale erster bzw. zweiter Ordnung bei niedrigen bzw. hohen Frequenzen in die Mikrophonschaltung gemäß der Figur 14 von D11 hineinzulesen; diese Merkmale ergeben sich für den Fachmann jedoch nicht aus D11 selbst.

5.4 Somit ist das Hörhilfsgerät gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags neu gegenüber D11 und unterscheidet sich von diesem durch die unter Punkt 5.2 genannten Merkmale (a) und (b).

6. Anspruch 1 des Hilfsantrags - erfinderische Tätigkeit

6.1 Ausgehend von dem Hörhilfsgerät gemäß der Figur 14 von D11 und unter Berücksichtigung der unterscheidenden Merkmale (a) und (b) stellt sich für den Fachmann die im Absatz [0005] der Patentschrift genannte objektive technische Aufgabe, nämlich eine hohe Richtwirkung des Hörhilfsgeräts über einen großen Frequenzbereich zu erreichen.

6.2 Wie bereits oben unter Punkt 5.3 ausgeführt, erhält der Fachmann aus D11 weder einen Hinweis auf die genannte Aufgabe noch auf deren Lösung. D11 offenbart ein Innenohrhörhilfsgerät mit einer für den Benutzer verbesserten Sprachverständlichkeit speziell in einer störgeräuscherfüllten Umgebung (vgl. Seite 7, Zeilen 2 bis 5). Zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit sieht die Mikrophonschaltung gemäß der Figur 14 vor, die Mikrophonsignale der Mikrophonsysteme nullter, erster und zweiter Ordnung abhängig vom Pegel des Umgebungsgeräusches zu gewichten. Eine frequenzabhängige Gewichtung ist bei der Mikrophonschaltung nicht vorgesehen und es ist auch nicht ersichtlich, dass eine frequenzabhängige Gewichtung zu einer verbesserten Sprachverständlichkeit in einer störgeräuscherfüllten Umgebung führen würde. Insbesondere ist aus D11 nicht zu entnehmen, dass unterhalb einer unteren Frequenz im wesentlichen Signalanteile des Richtmikrophons erster Ordnung und oberhalb einer Grenzfrequenz Signalanteile des Richtmikrophons zweiter Ordnung weiterverarbeitet werden. Vielmehr bleibt es infolge der auf Seite 6, Zeilen 15 bis 18 von D11 vorgesehenen Entzerrung der niederfrequenten Signalanteile der Richtmikrophone gegenüber den mittel- und hochfrequenten Signalanteilen letztendlich unbestimmt, welche Signalanteile in welchem Frequenzbereich des weiter zu verarbeitenden Signals dominieren. Folglich ist das Hörhilfsgerät gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags dem Fachmann durch die Druckschrift D11 nicht nahegelegt.

6.3 Da die Ansprüche 2 bis 7 den Gegenstand des Anspruchs 1 weiter einschränken, sind die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 7 dem Fachmann aus denselben Gründen nicht durch D11 nahegelegt.

6.4 Da von der Beschwerdeführerinnen kein weiterer Einwand gegen die erfinderische Tätigkeit vorgetragen wurde und der Kammer auch kein weiterer diesbezüglicher Einwand ersichtlich ist, beruht das Hörhilfsgerät gemäß dem Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.

7. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass dem angefochtenen Patent in der Fassung des Hilfsantrags keiner der in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe entgegensteht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

- Ansprüche 1 bis 7, eingereicht am 12. Januar 2011,

- Beschreibung und Zeichnungen wie der angefochtenen Entscheidung beigefügt, wobei im Absatz [0006] der Beschreibung "8" durch "7" ersetzt wird.

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