T 1170/10 (Zweistufiges virusinaktivierendes Verfahren zur Herstellung von … of 20.11.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T117010.20141120
Datum der Entscheidung: 20 November 2014
Aktenzeichen: T 1170/10
Anmeldenummer: 97109314.1
IPC-Klasse: C07K 14/755
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung einer Faktor VIII-enthaltenden Zusammensetzung
Name des Anmelders: Biotest Pharma GmbH
Name des Einsprechenden: Baxter Aktiengesellschaft
Kammer: 3.3.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 1 bis 5 (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (nachfolgend "Beschwerdeführerin") richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 0 812 858 gemäß Artikel 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen. Der Titel des Patentes lautet "Verfahren zur Herstellung einer Faktor VIII-enthaltenden Zusammensetzung".

II. Gegen das Patent wurde ein Einspruch eingelegt. Die Einspruchsgründe waren gemäß Artikel 100(a) EPÜ mangelnde Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), sowie gemäß Artikel 100(b) EPÜ mangelnde Ausführbarkeit. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand des Anspruchs 8 des Hauptantrags nicht neu war und der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart war, um die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ zu erfüllen.

III. Anspruch 1 des Hauptantrags und der identische Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags, sowie Anspruch 8 des Hauptantrags lauteten:

"1. Verfahren zur Herstellung einer nicht-immunogenen Faktor VIII-enthaltenden Zusammensetzung, umfassend die Schritte:

(a) Tri(n-butyl)phosphat-/Detergens-Behandlung einer Faktor VIII-enthaltenden Lösung, und

(b) Hitzebehandlung eines gefriergetrockneten FVIII-enthaltenden Materials, das eine Restfeuchte im Bereich von 0,3 bis 1,8 Gew.-% aufweist, bei etwa 100°C für etwa 15-120 min,

wobei die Faktor VIII-enthaltende Lösung vor dem Gefriertrocknen in flüssigem Stickstoff schockgefroren wird.

8. Nicht-immunogene FVIII-enthaltende Zusammensetzung, erhältlich durch ein gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7 gekennzeichneten Verfahren."

IV. Die Beschwerdeführerin reichte mit ihrer Beschwerdebegründung einen Hauptantrag und einen ersten Hilfsantrag ein, die jeweils mit den Anträgen aus dem Einspruchsverfahren identisch waren. Zusätzlich wurden ein zweiter und dritter Hilfsantrag eingereicht.

Der jeweilige Anspruch 1 des zweiten und dritten Hilfsantrags lautete:

"1. Verfahren zur Herstellung einer nicht-immunogenen Faktor VIII-enthaltenden Zusammensetzung, umfassend die Schritte:

(a) Tri(n-butyl)phosphat-/Detergens-Behandlung einer Faktor VIII-enthaltenden Lösung, und

(b) Hitzebehandlung eines gefriergetrockneten FVIII-enthaltenden Materials, das eine Restfeuchte im Bereich von 0,3 bis 1,8 Gew.-% aufweist, bei etwa 100°C für etwa 15-120 min,

wobei die Faktor VIII-enthaltende Lösung vor dem Gefriertrocknen in flüssigem Stickstoff schockgefroren wird und wobei dem Gefriertrocknungs-Puffer kein Stabilisator in Form von Zuckern oder Proteinen zugesetzt wird."

V. Die Einsprechende (nachfolgend "Beschwerdegegnerin") reichte in ihrer Erwiderung auf die Begründung der Beschwerde Einwände wegen mangelnder Ausführbarkeit bezüglich des Gegenstandes von Anspruch 1 aller Anträge sowie von Anspruch 8 des Haupt- und zweiten Hilfsantrags ein, und außerdem Einwände wegen mangelnder Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 8 des Haupt- und des zweiten Hilfsantrags. Des weiteren wurde der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge als nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit beruhend erachtet.

VI. Die Kammer lud die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung und nahm außerdem in einer Mitteilung gemäß

Artikel 15(1) VOBK zu einigen Punkten, die in der mündlichen Verhandlung erörtert werden sollten, Stellung, insbesondere zu der ausreichenden Offenbarung in der Patentschrift für das Merkmal "nicht-immunogen", sowie zur Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdeführerin reichte in Antwort auf die Mitteilung der Kammer die Hilfsanträge 4 und 5 ein.

Der jeweilige Anspruch 1 des vierten und fünften Hilfsantrags lautete:

"1. Verfahren zur Herstellung einer nicht-immunogenen Faktor VIII-enthaltenden Zusammensetzung, umfassend die Schritte:

(a) Tri(n-butyl)phosphat-/Detergens-Behandlung einer Faktor VIII-enthaltenden Lösung, und

(b) Hitzebehandlung eines gefriergetrockneten FVIII-enthaltenden Materials, das eine Restfeuchte im Bereich von 0,3 bis 1,8 Gew.-% aufweist, bei etwa 100°C für etwa 15-120 min,

wobei die Faktor VIII-enthaltende Lösung vor dem Gefriertrocknen in flüssigem Stickstoff bei einer Temperatur von -195°C schockgefroren wird, ohne dass dem Gefriertrocknungs-Puffer ein Stabilisator in Form von Zuckern oder Proteinen zugesetzt wird, und wobei sich die Faktor VIII-enthaltende Zusammensetzung rückstandslos mit Wasser lösen lässt."

VIII. Die mündliche Verhandlung fand am 20 November 2014 in Anwesenheit beider Parteien statt. Einziges Thema der Verhandlung war, ob der Gegenstand der vorliegenden Ansprüche den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ genügte. Am Ende der Verhandlung verkündete die Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

IX. In dieser Entscheidung werden folgende Druckschriften zitiert:

D5: Kotitschke et al., Hämostaseologie, 1994, 14, Seiten 100 bis 103

D6: Willemer, PDA Fourth International Congress, Exhibition & Workshop, Februar 1996,

Seiten 142 bis 151

D7: Arrighi et al., Thrombosis and Haemostasis, 1995, 74, Seiten 868 bis 873

D17: Chargenbericht Faktor VIII Endabfüllung vom 18 Oktober 1989

D18: Prüfbericht zur Charge von D17 vom 27 Oktober 1989

D19: Chargenbericht Faktor VIII Endabfüllung vom 20 Mai 1993

D20: Vorläufiger Prüfbericht zur Charge von D19 vom 13 Mai 1993

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können folgendermaßen zusammengefasst werden:

Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Haupt- und erster Hilfsantrag

Anspruch 1

Das in der Druckschrift D5 offenbarte zweifache Virusinaktivierungs-Verfahren von Faktor VIII Präparaten aus Blutplasma stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Das Verfahren von Anspruch 1 unterscheide sich davon durch die Verwendung von flüssigem Stickstoff zum Schockgefrieren von

Faktor VIII im Rahmen der Gefriertrocknung. Die Schockgefrierung bewirke, dass Faktor VIII bei einer anschließenden Hitzebehandlung von 100°C für 30 Minuten in Abwesenheit von zusätzlichen Stabilisatoren nicht denaturiere und sich außerdem rückstandslos in Wasser auflösen lasse. Zur Stützung dieser Effekte werde auf die Chargen- und Prüfberichte D17 bis D20 aus den Jahren 1989 und 1993 verwiesen. Es sei dabei festgestellt worden, dass seit der Umstellung der Produktion auf das erfindungsgemäße Verfahren keine Löslichkeitsprobleme mehr aufträten, was darauf hinweise, dass die Verwendung von flüssigem Stickstoff für die rückstandsfreie Löslichkeit von gefriergetrocknetem Faktor VIII verantwortlich sei.

Die zu lösende Aufgabe sei also, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das bei einer Hitzebehandlung von 100°C für 30 Minuten in Abwesenheit von Stabilisatoren zu keiner Denaturierung von Faktor VIII führe und wobei sich die Faktor VIII Zusammensetzung nach dieser Behandlung rückstandsfrei lösen lasse.

Die erfindungsgemäße Lösung dieser Aufgabe sei für den Fachmann nicht naheliegend gewesen. Die Druckschrift D6 untersuche zwar das Verhalten von Faktor VIII während des Einfrierens in flüssigem Stickstoff bei der Gefriertrocknung. In dieser Druckschrift werden jedoch ausschließlich die physikalischen Parameter des Einfriervorgangs der Faktor VIII Präparation untersucht und nur in diesem Rahmen werde festgestellt, dass die Präparation sich leicht in Wasser löse. Sie enthalte allerdings keine Informationen über die Zusammensetzung der verwendeten Faktor VIII Lösungen. Ferner gäbe es keinen Bezug auf Virusinaktivierungs-Verfahren und die Druckschrift interessiere sich auch nicht für die biologische Aktivität von Faktor VIII. Sie besäße somit keine Relevanz für das anspruchsgemäße Verfahren und der Fachmann hätte sie daher für die Lösung der technischen Aufgabe nicht in Betracht gezogen.

Falls der Fachmann die Druckschrift D6 dennoch als relevant erachtet hätte, wäre ihre Lehre so fehlerhaft, dass er bei ihrer Ausführung zu keinem Faktor VIII Präparat mit leichter Löslichkeit gelangt wäre. Die tatsächliche Geschwindigkeit der Temperaturabnahme der Faktor VIII Probe liege nicht bei den dort angegebenen 7.5 Grad Celsius pro Minute (°C/min) beim Einfrieren in flüssigem Stickstoff, sondern bei gemessenen 60°C/min und sei damit deutlich geringer. Somit erhielte der Fachmann, der die Faktor VIII Proben mit der offenbarten fehlerhaften Geschwindigkeit von 7.5°C/min einfrieren würde, Lyophilisate mit einer schlechteren Löslichkeit in Wasser, denn die Lehre der Druckschrift D6 besage, dass die leichte Löslichkeit von Faktor VIII vom schnellen Einfrieren in flüssigem Stickstoff herrühre.

Falls der Fachmann jedoch gemäß der Lehre der Druckschrift D6 dennoch ein Faktor VIII Präparat mit leichter Löslichkeit erhalten hätte, dann sei dies allein auf die Anwesenheit von Stabilisatoren und Hilfsstoffen zurückzuführen.

Die patentgemäße Lehre, dass die Verwendung von flüssigem Stickstoff im beanspruchten Verfahren zu keiner nachteiligen Veränderung hinsichtlich der Immunogenität und Aktivität von Faktor VIII führe und auch noch dessen Löslichkeit verbessere, sei somit überraschend und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zweiter- und dritter Hilfsantrag

Anspruch 1

Das Verfahren von Anspruch 1 unterscheide sich von dem Verfahren des Anspruchs 1 des Haupt- und ersten Hilfsantrags durch das zusätzliche Merkmal, dass dem Gefriertrocknungspuffer keine Zucker- oder Protein- basierten Stabilisatoren zugesetzt werden. Dies stelle ein weiteres Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Druckschrift D6 dar, da die dort offenbarte leichte Löslichkeit allein auf der Anwesenheit von Zuckern, Proteinen und Hilfsstoffen als Stabilisatoren beruhe.

Vierter- und fünfter Hilfsantrag

Anspruch 1

Im Unterschied zum Verfahren des Anspruchs 1 des Haupt- und ersten Hilfsantrags sei in diesem Anspruch nun die Temperatur des Stickstoffs durch die Angabe "-195°C" definiert, ein Zusatz von Stabilisatoren explizit ausgeschlossen und das Merkmal der rückstandslosen Löslichkeit in Wasser zusätzlich eingeführt. Die rückstandslose Löslichkeit von Faktor VIII in Folge des erfindungsgemäßen Verfahrens sei nicht mit der in der Druckschrift D6 beschriebenen leichten Löslichkeit gleichzusetzen, da diese im Gegensatz zu dem Merkmal der rückstandslosen Löslichkeit keine Aussage über den Grad und damit die Vollständigkeit der Auflösung von Faktor VIII in Wasser erlaube.

XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können folgendermaßen zusammengefasst werden:

Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Haupt- und erster Hilfsantrag

Anspruch 1

Die in den Druckschriften D5 und D7 beschriebenen Virusinaktivierungs-Verfahren von Faktor VIII Präparaten aus Blutplasma seien gleichermaßen als nächstliegender Stand der Technik geeignet. Beide Verfahren unterschieden sich von dem beanspruchten Verfahren allein dadurch, dass keine Einzelheiten über den Gefriertrocknungsschritt offenbart werden, insbesondere darüber, wie die Faktor VIII Präparate eingefroren werden. Die Verwendung von flüssigem Stickstoff zum Einfrieren führe laut dem Streitpatent dazu, dass Faktor VIII auch ohne Zusatz von Stabilisatoren seine ursprüngliche Aktivität und Antigenität behalte und sich zudem rückstandsfrei in Wasser lösen lasse.

Die zu lösende Aufgabe bestehe also darin, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das eine Hitzebehandlung von Faktor VIII ohne dessen Inaktivierung erlaube, und zwar ohne dass die Zugabe von Stabilisatoren nötig sei, um ein Produkt zu erhalten, das sich rückstandsfrei lösen lasse.

Die Druckschrift D6 offenbare, dass sich gefriergetrocknete Faktor VIII Präparate, die mit flüssigem Stickstoff eingefroren wurden, leicht in Wasser lösten, wodurch die Verwendung von flüssigem Stickstoff im beanspruchten Verfahren für den Fachmann naheliegend sei.

Der Fachmann hätte sich nicht an die in der Druckschrift D6 offenbarte Temperaturabsenkung von 7.5°C/min gehalten, da diese in Verbindung mit flüssigem Stickstoff unüblich und, falls sie angewendet würde, technisch aufwendig sei. Der Fachmann wisse, dass das Einfrieren von Proben in flüssigem Stickstoff lediglich ein Eintauchen in diesen erfordere. Der Fachmann hätte daher keinen Grund gehabt, die Lehre der Druckschrift D6 nicht in Betracht zu ziehen.

Zweiter- und dritter Hilfsantrag

Anspruch 1

Es sei aus den Druckschriften D5 und D7 bekannt, dass eine Hitzebehandlung von 100°C für 30 Minuten von gefriergetrockneten Faktor VIII Präparaten keinen Zusatz von Stabilisatoren erfordere, um die strukturelle Integrität und somit die ursprüngliche Antigenität und Aktivität von Faktor VIII zu erhalten. Der Fachmann wisse nämlich, dass Faktor VIII Präparate die aus Blutplasma gewonnen werden, wie zum Beispiel die im Streitpatent oder die in den Druckschriften D5 bis D7 beschriebenen, bereits Proteine und Zuckerverbindungen enthielten, die inhärent als Stabilisatoren wirkten. Der explizite Ausschluss der Verwendung von Stabilisatoren gemäß Anspruch 1 sei somit für den Fachmann naheliegend.

Vierter- und fünfter Hilfsantrag

Anspruch 1

Der Fachmann hätte im vorliegenden Fall die in der Druckschrift D6 beschriebene leichte Löslichkeit mit der Beschreibung einer rückstandslosen Löslichkeit gleichgesetzt, da die leichte Löslichkeit impliziere, dass Faktor VIII nicht denaturiert sei und sich daher nach der Gefriertrocknung vollständig lösen lasse.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung oder hilfsweise auf der Grundlage von einem der Hilfsanträge 1, 2 oder 3, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder auf der Grundlage von einem der Hilfsanträge 4 oder 5, eingereicht mit dem Schreiben vom 19. September 2014, aufrecht zu erhalten.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Hauptantrag und erster Hilfsantrag

Anspruch 1

1. Die jeweiligen ersten Ansprüche des Haupt- und ersten Hilfsantrages sind identisch.

Nächstliegender Stand der Technik

2. Für die Entscheidung, ob die beanspruchte Erfindung den Erfordernissen von Artikel 56 EPÜ genügt, wenden die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts in der Regel den sogenannten "Aufgabe-Lösungs-Ansatz" an. Dazu wird in einem ersten Schritt der nächstliegende Stand der Technik ermittelt. Dieser ist in der Regel eine Druckschrift des Stands der Technik, die einen Gegenstand offenbart, der zum gleichen Zweck oder mit demselben technischen Ziel entwickelt wurde wie der der beanspruchten Erfindung, und der außerdem die wichtigsten technischen Merkmale mit diesem gemein hat (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage, I.D.3.1).

3. Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer nicht-immunogenen, doppelt virusinaktivierten Faktor VIII-enthaltenden Zusammensetzung aus dem Blutplasma von Menschen. Das Merkmal "nicht-immunogen" bedeutet, dass der Faktor VIII vom Immunsystem nicht als "fremd" erkannt wird. Es impliziert, dass sich der Faktor VIII während des erfindungsgemässen Verfahrens strukturell nicht verändert und somit seine ursprüngliche Antigenität behält.

Das erfindungsgemäße Verfahren umfasst die folgenden Schritte.

Die Faktor VIII Zusammensetzung wird für den ersten Virusinaktivierungsschritt einer Lösungsmittel-Detergens (S/D) Behandlung unterzogen und anschließend bis zu einer Restfeuchte von 0.3 bis 1.8 Gew.% gefriergetrocknet.

Das Gefriertrocknen oder "Lyophilisieren" umfasst dabei zwei Schritte, nämlich das Einfrieren und das anschließende Trocknen, bei dem das verwendete Lösungsmittel durch Anlegen von Vakuum entfernt wird.

Erfindungsgemäß wird die Faktor VIII Zusammensetzung in flüssigem Stickstoff schockgefroren.

Nach dem Gefriertrocken erfolgt eine abschließende Hitzebehandlung bei 100°C zwischen 15 und 120 Minuten als zweitem Virusinaktivierungsschritt.

Wenn die virusinaktivierende Hitzebehandlung an gefriergetrocknetem Faktor VIII durchgeführt wird, spricht man von "trockener Hitzebehandlung".

4. Die Beschwerdeführerin erachtet die Druckschrift D5, die Beschwerdegegnerin die Druckschriften D5 oder D7 als nächstliegenden Stand der Technik.

4.1 Die Druckschriften D5 und D7 offenbaren beide dasselbe Verfahren zur Herstellung einer nicht-immunogenen doppelt-virusinaktivierten Faktor VIII-enthaltenden Zusammensetzung aus menschlichem Blutplasma, das sich vor allem dadurch vom Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet, dass die Art des Einfrierens für die Gefriertrocknung nicht explizit offenbart ist (siehe Druckschrift D5, Seite 69, Zusammenfassung, Seite 70, Spalte 2, Absatz 2, Spalte 3, Absatz 1; Druckschrift D7, Seite 868, Zusammenfassung, Spalte 1, Absatz 3 bis Spalte 2, Absatz 3).

Beide Druckschriften offenbaren außerdem, dass die Gefriertrocknung ohne den Zusatz von Stabilisatoren erfolgt und, dass das Verfahren die Struktur und damit die Antigenität und biologische Aktivität von Faktor VIII nicht signifikant verändert (siehe Druckschrift D5 Seite 70, Spalte 3, letzter Absatz, Seite 71, Spalte 2, Absatz 2 bis Seite 72, Absatz 1; Druckschrift D7, Seite 872, Spalte 2, letzter Absatz).

Die Druckschrift D7 offenbart im Gegensatz zur Druckschrift D5 zusätzlich die Verwendung von

Faktor VIII Lyophilisaten mit Restfeuchtegehalten von 0.28% w/v bis 2.06% w/v Gesamtwasser (siehe Seite 868, Spalte 1, die letzten 3 Zeilen bis Spalte 2, Zeile 5; Spalte 2, Absatz 3, die letzten 3 Zeilen).

4.2 Die Druckschriften D5 und D7 beschreiben daher beide ein Verfahren, das demselben Ziel dient wie das beanspruchte Verfahren. Da das in der Druckschrift D7 beschriebene Verfahren jedoch als zusätzliches, technisch relevanten Merkmal die Restfeuchte mit diesem gemein hat, stellt gemäß der in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (siehe Punkt 2 oben) das in Dokument D7 beschriebene Verfahren den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Technische Aufgabe und Lösung

5. Die Beschwerdeführerin sieht in dem beanspruchten Verfahren eine Verbesserung gegenüber dem zum Prioritätszeitpunkt bekannten Virusinaktivierungs-Verfahren für Faktor VIII, wie es zum Beispiel in der Druckschrift D7 beschriebenen ist, insbesondere was die strukturelle Integrität von Faktor VIII und dessen rückstandslose Löslichkeit in der Abwesenheit von Stabilisatoren betrifft (siehe Absatz [0027] des Patents).

6. Der Kammer liegen weder aus dem Patent noch aus einer anderen Druckschrift Vergleichsversuche zwischen den durch das erfindungsgemäße Verfahren hergestellten Faktor VIII Präparaten und denen der Druckschrift D7 vor, die diese Ansicht der Beschwerdeführerin stützen könnten.

7. Die Beschwerdeführerin verweist betreffend der verbesserten Löslichkeit auf die Chargen- und Prüfberichte D17 bis D20 von Faktor VIII aus den Jahren 1989 und 1993. Diese zeigten, dass Löslichkeitsprobleme auftreten wenn bei der Faktor VIII Herstellung kein flüssiger Stickstoff bei der Gefriertrocknung in einem Verfahren verwendet wird, das ansonsten aber mit dem erfindungsgemäßen Verfahren identisch sei. Auch träten seit der Umstellung auf das erfindungsgemäße Verfahren keine Löslichkeitsprobleme mehr auf, was darauf hinweise, dass die Verwendung von flüssigem Stickstoff ursächlich für die rückstandsfreie Löslichkeit von gefriergetrocknetem Faktor VIII verantwortlich sei.

8. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Argumentation auf Berichte von Löslichkeitsproblemen bei zwei Chargen in einem Zeitraum von vier Jahren. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass angesichts der vielen in diesem Zeitraum hergestellten, und für den Verkauf bestimmten Faktor VIII Chargen, singulär dokumentierte Löslichkeitsprobleme bei nur zweien davon kein Beleg dafür sein können, dass die Löslichkeit von Faktor VIII bei der Herstellung mit dem herkömmlichen Verfahren ein generelles Problem war. Außerdem ergibt sich für die Kammer aus den Berichten D17 bis D20 auch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Löslichkeitsproblemen und der Nicht-Verwendung von flüssigem Stickstoff bei der Gefriertrocknung.

9. Die Berichte D17 bis D20 sind nach Auffassung der Kammer daher nicht geeignet, eine Verbesserung des erfindungsgemäßen Verfahrens gegenüber dem des nächstliegenden Stands der Technik in der Druckschrift D7 zu belegen.

10. Die technische Aufgabe im Hinblick auf die Druckschrift D7 ist somit die Bereitstellung einer alternativen Gefriermethode im Rahmen der Gefriertrocknung in einem Herstellungsverfahren für Faktor VIII Präparaten aus Blutplasma, wobei es sich um ein Verfahren mit zwei Virusinaktivierungs-Schritten handelt.

11. Die Kammer ist der Auffassung, dass diese Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 im Hinblick auf Beispiel 1 und den Daten aus Tabelle 4 und 5 der Patentschrift gelöst wird.

Naheliegen der Lösung der technischen Aufgabe

12. Die zu beantwortende Frage im vorliegenden Fall ist, ob es für den Fachmann, der mit der Suche nach einer alternativen Gefriermethode für die Gefriertrocknung konfrontiert ist, einen offensichtlichen Grund gab, flüssigen Stickstoff zu verwenden.

12.1 Der Fachmann weiß, ausgehend von der Druckschrift D7, dass die Gefriertrocknung ein essentieller Bestandteil des zweistufigen Virusinaktivierungs-Verfahren von Faktor VIII aus Blutpräparaten ist. Allerdings offenbart die Druckschrift D7 keine Informationen darüber, wie die Gefriertrocknung im Einzelnen durchgeführt wurde. Um diese Informationslücke zu schließen, würde sich der Fachmann daher an Druckschriften des Standes der Technik wenden, die die Gefriertrocknung von Faktor VIII behandeln.

12.2 Die Druckschrift D6 untersucht das Gefriertrocknungs-Verhalten von Faktor VIII Präparaten aus Blutplasma (siehe zum Beispiel schon die Überschrift: "Freeze-drying process data determination for human blood derivatives with Factor VIII as an example"). Es wird dazu zunächst der Einfluss der Abkühlgeschwindigkeit auf verschiedene Faktor VIII Proben untersucht, wobei diese mit der einer 1% NaCl und einer 1% Mannitol Lösung verglichen werden. Basierend auf diesen Vorversuchen werden dann zwei Experimente zur Gefriertrocknung eines Faktor VIII Präparates durchgeführt, wobei dasselbe Präparat einmal langsam (0.33°C/min) und einmal schnell (7.5°C/min) durch Eintauchen in flüssigen Stickstoff eingefroren wurde (siehe Seite 142, Spalte 1, Absatz 2, Abbildungen 1 bis 4; Seite 145, Spalte 2, Absatz 3).

Dabei zeigt sich, dass sich die in flüssigem Stickstoff eingefrorene Faktor VIII Probe sich nach der Trocknung leichter in Wasser löst (siehe Seite 148, Spalte 2, Absatz 2). Dieser Befund wird in der Druckschrift D6 wie folgt beschrieben: "The quickly frozen product dissovles readily in water with a little shaking. The slowly frozen product takes substantially longer to dissolve while shaking."

12.3 Nach Auffassung der Kammer stellt die Aussicht auf eine leichte und damit verbesserte Löslichkeit des Faktor VIII Lyophilisats durch die Verwendung von flüssigen Stickstoff eine Aufforderung an den Fachmann dar, diese Methode bei der Gefriertrocknung zu verwenden, da dieser Effekt Vorteile bei der industriellen Produktion von pharmazeutischen Faktor VIII Präparaten bietet.

Die leichte Löslichkeit des Faktor VIII Lyophilisats gibt dem Fachmann darüber hinaus den Hinweis, dass das schnelle Einfrieren in flüssigem Stickstoff keine Denaturierung von Faktor VIII bewirkt und somit seine Antigenität und Aktivität unverändert bleibt, da allgemein bekannt ist, dass sich denaturierte Proteine schwer oder überhaupt nicht in Wasser lösen (siehe Absatz [0026] des Streitpatents).

12.4 Aus der Druckschrift D7 ist auch bekannt, dass das dort beschriebene zweistufige Virusinaktivierungs-Verfahren die Struktur von Faktor VIII nicht verändert (siehe Punkt 4.1 oben). Der Fachmann hat somit keinen ersichtlichen Grund, der ihn davon abgehalten hätte, dass Schockgefrieren in flüssigem Stickstoff zur Gefriertrocknung in einem Verfahren gemäß der Druckschrift D7 zu verwenden.

12.5 Die Kammer kommt aus diesen Erwägungen zu dem Schluss, dass das Schockgefrieren in flüssigem Stickstoff als eine Art des Einfrierens bei der Gefriertrocknung von Faktor VIII aus Blutpräparaten für den Fachmann naheliegend war.

13. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Druckschrift D6 aus verschiedenen Gründen vom Fachmann für die Lösung der technischen Aufgabe nicht in Betracht gezogen worden wäre.

13.1 Das anspruchsgemäße Verfahren diene der Herstellung von pharmazeutisch verwendbaren Faktor VIII Präparaten. Die Druckschrift lasse aber die Auswirkungen der Gefriertrocknung auf die biologischen Eigenschaften von Faktor VIII, wie dessen Aktivität oder Antigenität völlig außer Acht und konzentriere sich hingegen ausschließlich auf die Untersuchung von physikalischen Parametern während der Gefriertrocknung.

Die Kammer stellt hierzu fest, dass der Fachmann im vorliegenden Fall vor der Aufgabe steht, eine alternative Gefriermethode im Rahmen der Gefriertrocknung von Faktor VIII Präparaten aus Blutplasma bereitzustellen (siehe Punkt 10 oben). Die Druckschrift D6 beschäftigt sich ausschließlich mit diesem Thema. Das lediglich physikalische Parameter gestestet werden, ist nach Ansicht der Kammer für den Fachmann kein Grund, die positiven Anregungen in Bezug auf das schnelle Einfrieren mit flüssigem Stickstoff zu missachten.

13.2 Die Beschwerdeführerin verweist auch darauf, dass der Fachmann über die genaue Zusammensetzung der verwendeten Präparate im Unklaren gelassen wird.

Auch dies würde nach Ansicht der Kammer den Fachmann nicht davon abhalten, die Druckschrift D6 in Betracht zu ziehen. Der Fachmann würde gar keine genauen Angaben erwarten, da er weiß, dass Faktor VIII Präparate aus Blutplasma ursprünglich aus Plasmapools unterschiedlicher Spender stammen und somit inhärent eine große Variabilität bezüglich ihrer Zusammensetzung aufweisen.

13.3 Die Kammer ist daher aus den oben genannten Gründen (siehe Punkte 13.1 und 13.2) überzeugt, dass der Fachmann die Druckschrift D6 für die Lösung der sich ihm stellenden technischen Aufgabe in Betracht gezogen hätte.

14. Die Beschwerdeführerin brachte weiterhin vor, dass, falls der Fachmann die Lehre der Druckschrift D6 dennoch als relevant erachtet hätte, ihre Lehre so fehlerhaft wäre, dass er zu keinem Faktor VIII Präparat mit leichter Löslichkeit gelangt wäre. Die tatsächliche Einfriergeschwindigkeit läge nicht bei dem in der Druckschrift D6 offenbarten Wert von 7.5°C/min, sondern wie von ihr gemessen bei 60°C/min. Da der offenbarte Wert deutlich unter dem tatsächlichen Wert läge, erhielte der Fachmann somit ein Faktor VIII Lyophilisat mit einer schlechten Löslichkeit in Wasser, da diese von der Geschwindigkeit des Einfriervorgangs abhänge.

Zum einen hätte der Fachmann aber nach Ansicht der Kammer der fehlerhaften Geschwindigkeitsangabe keine Beachtung geschenkt, da er aus der Druckschrift D6 die explizite Anweisung erhält, wie das Einfrieren von Faktor VIII durchgeführt werden soll, nämlich durch das Eintauchen in flüssigen Stickstoff (siehe "In one run, the product was frozen slowly (0.33°C/min), in the other run the product was frozen quickly (7.5°C/min) by dipping the vials in liquid nitrogen" auf Seite 145, Spalte 2, letzter Absatz).

Zum anderen wäre dem Fachmann in der Abbildung 10a der Druckschrift D6 aufgefallen, dass die in der Druckschrift beschriebenen Versuche bei einer deutlich höheren Einfriergeschwindigkeit in der Größenordnung von 17.5°C/min durchgeführt wurden.

Dem Argument des Beschwerdeführerin, dass die Abkühlgeschwindigkeit bei den von ihr durchgeführten Versuchen 60°C/min betragen habe, kann sich die Kammer nicht anschließen, da die Beschwerdeführerin keine Angaben macht, wie diese Messung im Einzelnen durchgeführt wurde.

15. Schließlich argumentierte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Abbildung 4 der Druckschrift D6, dass die verwendete und auf ihr Gefriertrocknungs-Verhalten untersuchte Faktor VIII Probe Proteine, Zucker und andere Hilfsstoffe enthielte, die als Stabilisatoren bei der Gefriertrocknung mittels flüssigem Stickstoff wirkten, und dass diese, und nicht die Gefriertrocknung mit flüssigem Stickstoff, somit für die verbesserte Löslichkeit des Faktor VIII Lyophilisats in Wasser verantwortlich seien.

15.1 Dazu stellt die Kammer zunächst fest, dass es allgemein bekannt ist, dass Faktor VIII Präparate aus Blutplasma produktionsbedingt Proteine und Zucker enthalten. Das trifft auch für das Faktor VIII Präparat des Streitpatents zu (siehe Tabelle 3).

Im Einklang mit dieser Lehre wird in der Druckschrift D6 ganz allgemein festgestellt: "Factor VIII solutions contain a variety of salts, buffers, carbohydrates and proteins." (siehe Seite 145, Spalte 1, Absatz 1). Aus der Druckschrift D6 geht aber weder hervor, wie hoch der Anteil an enthaltenen Zuckern und Proteinen ist noch ob weitere Hilfsstoffe zugesetzt wurden oder was deren Funktion sein könnte.

15.2 Dass die in der Druckschrift D6 beobachtete verbesserte Löslichkeit des Faktor VIII Präparates durch die Anwesenheit von als Stabilisatoren wirkender "Hilfsstoffe" verursacht wird, würde der Fachmann der Druckschrift auf jedem Fall aus folgendem Grund nicht entnehmen. Die für die beiden "Einfrierexperimente" - schnell und langsam - verwendeten Faktor VIII Präparate sind identisch. Die nach dem Experiment erhaltenen Präparate unterscheiden sich demnach nur durch die unterschiedlichen Einfriergeschwindigkeiten und nicht durch ihre Inhaltsstoffe. Da die verbesserte Löslichkeit aber nur in der schnell mit flüssigem Stickstoff eingefroren Probe auftritt, kann dieser Effekt nicht von etwaig vorhandenen Hilfsstoffen herrühren.

16. Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu der Entscheidung, dass der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- und ersten Hilfsantrags im Lichte einer Kombination der Lehren der Druckschriften D7 und D6 offensichtlich ist und somit die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt.

Zweiter und dritter Hilfsantrag

Anspruch 1

17. Die jeweiligen ersten Ansprüche des zweiten und dritten Hilfsantrags sind identisch.

18. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 dieser beiden Anträge unterscheidet sich vom Verfahren gemäß Anspruch 1 des Haupt- und ersten Hilfsantrags durch das Merkmal "wobei dem Gefriertrocknungspuffer kein Stabilisator in Form von Zuckern oder Proteinen zugesetzt ist".

19. Die Druckschrift D7 ist auch für das in den hier in Frage stehenden Ansprüchen beschriebene Verfahren der nächstliegende Stand der Technik. Diese Druckschrift beschreibt bereits eine Gefriertrocknung ohne Stabilisatoren im Puffer (siehe Punkt 4.1 oben). Das zusätzliche Merkmal hat daher keine Auswirkung auf die Formulierung der technischen Aufgabe (siehe Punkt 10 oben). Unter diesen Umständen folgt auch zwangsläufig, dass die Gründe, aus denen der der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- und ersten Hilfsantrages durch die kombinierte Lehre der Druckschriften D7 und D6 für offensichtlich befunden wurde (siehe die Punkte 12 bis 15 oben), auf die beiden vorliegenden Ansprüche zutreffen.

20. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten und dritten Hilfsantrags erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht.

Vierter und fünfter Hilfsantrag

Anspruch 1

21. Die jeweiligen ersten Ansprüche des vierten und fünften Hilfsantrages sind identisch.

22. Im Vergleich zum zweiten und dritten Hilfsantrag enthält der Anspruch 1 dieser beiden Anträge zwei zusätzliche Merkmale, nämlich dass das Einfrieren von Faktor VIII "in flüssigem Stickstoff bei einer Temperatur von -195°C" erfolgt und das Merkmal "wobei sich die Faktor VIII-enthaltende Zusammensetzung rückstandslos mit Wasser lösen lässt".

23. Trotz der zusätzlichen Merkmale ist das in der Druckschrift D7 beschriebene Verfahren weiterhin der nächste Stand der Technik und auch die zu lösende technische Aufgabe bleibt dieselbe (siehe Punkte 4.1 und 10 oben).

24. Dem Fachmann ist bekannt, dass flüssiger Stickstoff eine Temperatur von -195°C besitzt. Die leichte Löslichkeit von mittels flüssigem Stickstoff eingefrorenen und danach getrockneten Faktor VIII Präparaten aus Blutplasma ist weiterhin aus der Druckschrift D6 bekannt (siehe Punkt 12.2, oben).

25. In Bezug auf das letztgenannte Merkmal argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die rückstandslose Löslichkeit eine Eigenschaft des erfindungsgemäßen Faktor VIII Präparats sei, die nicht mit der in der Druckschrift D6 beschriebenen leichten Löslichkeit gleichgesetzt werden könne, da der Begriff der leichten Löslichkeit nicht den Grad der Vollständigkeit der Auflösung impliziere.

Jedoch beruht diese Argumentation der Beschwerdeführerin nach Ansicht der Kammer auf einer isolierten Betrachtung der "leichten Löslichkeit", die vom Kontext der Druckschrift D6 losgelöst ist. Der richtige Maßstab für die Ermittlung der Bedeutung eines Begriffs oder einer Aussage in einer Druckschrift ist jedoch der Fachmann, der das Dokument vor dem Hintergrund seines Fachwissens im Zusammenhang liest. Die Argumentation der Beschwerdeführerin bietet jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Fachmann die in der Originalsprache der Druckschrift D6 lautende Beschreibung "dissolves readily in water with little shaking" so verstanden hätte, dass sich lediglich ein Teil des Präparates leicht löst, ein anderer Teil aber als unlöslicher Rückstand zurückbleibt.

26. Unter diesen Umständen folgt, dass ebenso wie für Anspruch 1 des zweiten und dritten Hilfsantrags, auch für Anspruch 1 des vierten und fünften Hilfsantrags, die Gründe, aus denen der Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- und ersten Hilfsantrages durch die kombinierte Lehre der Druckschriften D7 und D6 für offensichtlich befunden wurde (siehe die Punkte 12 bis 15), zutreffen.

27. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des vierten und fünften Hilfsantrags erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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