European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T109210.20120119 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Januar 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1092/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95928395.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B32B 27/30 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verbundplatte | ||||||||
Name des Anmelders: | Senoplast Klepsch & Co. GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Lucite International UK Limited British Vita Unlimited/Metzeler Plastics GmbH |
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Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Rechtliches Gehör zur Anspruchsinterpretation (bejaht) Ausreichende Offenbarung (bejaht) Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (bejaht) Neuheit - schriftlicher Stand der Technik (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden des Einsprechenden 01 (Imperial Chemical Industries plc, jetzt Lucite International UK Ltd, im folgenden Beschwerdeführer I) und der gemeinsamen Einsprechenden 02 (British Vita plc, jetzt British Vita Unlimited, sowie Metzeler Plastics GmbH; im folgenden Beschwerdeführer II) richten sich gegen die zweite Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent EP 0 781 201 auf der Grundlage der in der ersten mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 26. Oktober 2006 eingereichten Ansprüche 1-4 ("geänderter Hilfsantrag 1") die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
II. Einspruch wurde von den Einsprechenden 01 und 02 sowie dem Beitretenden 03 (Athlone Extrusions Limited et al.) eingelegt, wobei der Beitretende 03 seinen Einspruch mit Schreiben vom 26. Juli 2002 zurückgenommen hat. Die Einsprechenden hatten den Widerruf des Patents im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) (Einsprechende 01 und 02 sowie Beitretender 03) sowie Artikel 100 b) EPÜ (Einsprechender 01 und Beitretender 03) beantragt.
III. In der von der Einspruchsabteilung am 13. November 2003 mündlich verkündeten und am 3. Dezember 2003 schriftlich begründeten ersten Entscheidung wurde das Streitpatent widerrufen. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das in den Anspruch 1 aller damals vorliegenden Anträge aufgenommene Merkmal, dass der E-Modul der im Überzug (3) eingesetzten Mischung 2500-2800 MPa beträgt, nicht das Erfordernis der Klarheit erfülle.
IV. In dem sich hieran anschließenden ersten Beschwerdeverfahren wurde von der Kammer in T 160/04 vom 26. Oktober 2006 die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zurückverwiesen. Die Kammer stellte fest, dass die Aufnahme des Merkmals in Anspruch 1, dass der E-Modul der im Überzug (3) eingesetzten Mischung 2500-2800 MPa beträgt, die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ erfülle und dass durch diese Änderung kein Klarheitsmangel entstehe, da dieses Merkmal bereits im erteilten Anspruch 3 vorhanden gewesen sei.
V. Nach dieser Entscheidung der Kammer wurde das erstinstanzliche Einspruchsverfahren fortgesetzt. Die im gesamten Einspruchsverfahren eingereichten Dokumente umfassten:
D1: US 4,936,936 A;
D2: US 5,318,737 A;
D3: Zusammenfassung und englischsprachige Übersetzung von JP 03030945 A;
D4: EP 0 225 500 A2;
D5: US 4,731,213 A;
E4a: Lieferschein über die Lieferung der Verbundplatte METZOPLAST ABS/H vom 7. Dezember 1993;
E4c: Produktdatenblatt "Lucryl";
E4g: Erklärung von Herrn J.-M. Trémillon, 16. März 2009;
E4i: Eidesstattliche Versicherung von Herrn B. Krott, 18. Januar 2008;
E4l: Rechnung über die Lieferung der Verbundplatte METZOPLAST ABS/H vom 7. Dezember 1993;
D1/14: Erklärung von Herrn A. Mc Nicol, 13. Oktober 2003;
D1/16: ISO 527-1 "Plastics - Determination of tensile properties - Part 1: General principles", 1993; und
D1/17: ISO 527-2, "Plastics - Determination of tensile properties - Part 2: test conditions for moulding and extrusion plastics", 1993.
VI. Der im fortgesetzten Einspruchsverfahren am 5. November 2009 mündlich verkündeten und am 23. März 2010 schriftlich begründeten zweiten Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen die in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 26. Oktober 2006 eingereichten Ansprüche 1-4 ("geänderter Hilfsantrag 1") zugrunde. Anspruch 1 dieses Antrages lautete wie folgt:
"1. Verbundplatte zum Herstellen eines Einsatzes für Sanitärgegenstände (Badewannen, Duschtassen, Spülen, Waschbecken) durch Tiefziehen, wobei auf einer Unterlage insbesondere aus Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) ein Überzug (3) aus Polymethylmethacrylat (PMMA, Acrylglas) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Überzug aus Acrylglas aus einer Mischung von schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA besteht, wobei der E-Modul der im Überzug (3) eingesetzten Mischung 2500 bis 2800 MPa beträgt."
In dieser zweiten Entscheidung wurde von der Einspruchsabteilung u. a. wie folgt argumentiert:
Der Einwand der unzureichenden Offenbarung sei als unbegründet zurückzuweisen. Insbesondere liege kein Offenbarungsmangel hinsichtlich des anspruchsgemäßen E-Moduls vor. So sei die Abhängigkeit des E-Moduls von den behaupteten Freiheitsgraden der Bestimmungsmethode nicht so ausgeprägt, dass sie den Einwand unzureichender Offenbarung tragen würde. Ferner könne das beanstandete Fehlen von Beispielen nicht zu einem Offenbarungsmangel führen, da nach ständiger Praxis des Europäischen Patentamtes die Aufnahme von Ausführungsbeispielen kein zwingendes Erfordernis einer ausreichenden Offenbarung darstelle. Darüber hinaus seien entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden die Begriffe "schlagzähmodifiziertes PMMA" und "Standard-PMMA" im Streitpatent ausreichend erläutert. Schließlich könne das Fehlen eines Tests zur Bestimmung der Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und Chemikalienbeständigkeit keinen Offenbarungsmangel bedingen, da das EPÜ keine Rechtsgrundlage dafür liefere, bei einer Patentanmeldung, in deren Beschreibung eine Verbesserung hinsichtlich bestimmter Eigenschaften geltend gemacht werde, die Offenbarung einer geeigneten Testmethode zu verlangen.
Die im Rahmen der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte Rechnung E4l wurde nicht in das Verfahren zugelassen.
Die hinsichtlich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung verbliebenen Beweismittel seien nicht geeignet, die Offenkundigkeit der Vorbenutzung zweifelsfrei zu beweisen. Unabhängig von der Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung sei fraglich, ob in der behaupteten Vorbenutzung der anspruchsgemäße E-Modul verwirklicht gewesen sei.
Die Neuheit gegenüber den Dokumenten D1-D5 sei zu bejahen, da keines dieser Dokumente eine Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA mit einem E-Modul im Bereich von 2500 bis 2800 MPa offenbare. Diesbezüglich sei das Argument der Einsprechenden, dass der E-Modul durch eine geeignete Wahl der Messmethode derart einstellbar sei, dass sich ein anspruchsgemäßer E-Modul ergebe, nicht überzeugend. Insbesondere habe der Einsprechende versäumt, durch Vorlage nachprüfbarer Versuchsergebnisse nachzuweisen, dass tatsächlich mit einer bestimmten Messmethode ein E-Modul im anspruchsgemäßen Bereich erhalten werden könne, ohne dass diese Messmethode den durch die ISO Norm 527 gegebenen Rahmen verlasse.
Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit sei von D2 als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen, wovon sich der Anspruchsgegenstand hinsichtlich des E-Moduls unterscheide. Es bestehe kein Grund, daran zu zweifeln, dass die Wahl des anspruchsgemäßen E-Moduls zur Lösung der im Streitpatent genannten Aufgabe beitrage, nämlich der Bereitstellung einer Verbundplatte mit besonders guter Heiß-Kalt-Wasser- und Spannungsrissbeständigkeit bei dennoch zufriedenstellender Kratzfestigkeit. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Einsprechenden keinerlei Versuch unternommen hätten, durch eigene Experimente den Nachweis zu führen, dass der anspruchsgemäße E-Modulbereich keine zielführende Auswahl darstelle. Im Stand der Technik fehle ein Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit, Spannungsrissbeständigkeit und Kratzfestigkeit einerseits und dem anspruchsgemäßen E-Modul andererseits. Bei dieser Sachlage sei der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückzuweisen.
VII. Gegen diese Entscheidung legten der Beschwerdeführer I (Einsprechender 01) am 18. Mai 2010 und der Beschwerdeführer II (Einsprechender 02) am 21. Mai 2010 Beschwerden ein, wobei von beiden Beschwerdeführern die vorgeschriebene Gebühr am selben Tag entrichtet wurde. Beide Beschwerdeführer reichten am 23. Juli 2010 ihre Beschwerdebegründung ein, wobei die Beschwerdebegründung des Beschwerdeführers II nochmals die Rechnung E4l enthielt.
VIII. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 erfolgte die Erwiderungen des Beschwerdegegners (Patentinhabers) zusammen mit
D1/22: EN ISO 527-3, "Kunststoffe Bestimmung der Zugeigenschaften Teil 3: Prüfbedingungen für Folien und Tafeln", 1995 und englischsprachige Entwurfsfassung der entsprechenden Norm aus dem Jahr 1994.
Der Beschwerdegegner beantragte, die Beschwerden der Beschwerdeführer I und II zurückzuweisen (Hauptantrag), d. h. Aufrechterhaltung des Streitpatents in der gemäß der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Fassung (siehe Punkt VI bezüglich des Wortlauts des Anspruchs 1 dieser Fassung). Ferner wurde ein Hilfsantrag (Ansprüche 1-3) eingereicht.
IX. Mit Bescheid vom 16. August 2011 wurde den Parteien die vorläufige Meinung der Kammer mitgeteilt:
Hinsichtlich der Frage der ausreichenden Offenbarung sei zu prüfen, ob eine Unbestimmtheit des anspruchsgemäßen E-Moduls dergestalt vorliege, dass sie zu einer unzureichenden Offenbarung führe. Im Rahmen der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung sei insbesondere die Natur und die Menge des im Überzug der angeblich vorbenutzten Verbundplatte enthaltenen Masterbatches und der sich daraus ergebende E-Modul zu diskutieren. Hinsichtlich der Dokumente D1-D5 sei zu untersuchen, ob der anspruchsgemäße E-Modul ein neuheitsbegründendes Merkmal darstelle. Schließlich sei bezüglich der erfinderischen Tätigkeit zu prüfen, ob die im Streitpatent genannte Aufgabe durch die Wahl des anspruchsgemäßen E-Moduls als gelöst gelten könne.
X. Daraufhin wurden mit Schreiben vom 15. Dezember 2011 vom Beschwerdeführer II eingereicht
E3d: Technische Broschüre (Röhm) "Impact-modified ®PLEXIGLAS moulding powders zk 20 zk 30 zk 40 zk 50 zk 3A zk 4A zk 5A zk 6A Properties and processing";
E3e: Brief vom 19. April 2001, unterzeichnet von Herrn Corbella;
E3f: Technische Broschüre (Röhm) "®PLEXIGLAS resiliente in granuli zk 20 zk 30 zk 40 zk 50 zk 3A zk 4A zk 5A zk 6A Caratteristiche e lavorazione";
E3g: Technische Broschüre (Röhm) "Programma di fornitura materiale in granuli ®plexiglas ®plexalloy ®cyrolite ®plexifix";
E3h: Brief vom 16. Januar 2004, unterzeichnet von Herrn S. Corbella;
E3i: Technische Broschüre (Röhm) "®PLEXIGLAS moulding powders Properties and processing on extruders"; und
E4m: Eidesstattliche Versicherung von Herrn H. Krämer, 2. Dezember 2011.
XI. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 wurden vom Beschwerdeführer I eingereicht
D22: Technische Broschüre (ICI) "Diakon TD Impact Modified Acrylic"; und
D23: "Witness Statement" von Herrn P. Eustace, 19. Dezember 2011;
sowie, mit Schreiben vom 16. Januar 2012
D24: "Zeugenaussage" ("witness statement") von Frau D. Bisset, 10. Januar 2012.
XII. Am 19. Januar 2012 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die Parteien hielten an ihren im schriftlichen Verfahren gestellten Anträgen fest. Vom Beschwerdegegner wurde zusätzlich beantragt, die mit Schreiben vom 15. Dezember 2011 eingereichte eidesstattliche Versicherung E4m nicht in das Verfahren zuzulassen. Nach Diskussion in der mündlichen Verhandlung wurde diesem Antrag stattgegeben. Ferner wurde die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die Rechnung E4l nicht in das Verfahren zuzulassen, nicht aufgehoben und die im Beschwerdeverfahren erneut eingereichte Rechnung E4l nicht in das Verfahren zugelassen.
XIII. Die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Argumente können, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, wie folgt zusammengefasst werden:
- Anspruchsinterpretation
Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde vom Beschwerdeführer I vorgebracht, dass gemäß den vom Beschwerdegegner während des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens gemachten Ausführungen der anspruchsgemäße E-Modul am fertigen Überzug zu messen sei. Daher sei die von der Kammer vertretene Anspruchsinterpretation, gemäß der der E-Modul nicht am fertigen Überzug, sondern an der in dem Überzug eingesetzten Mischung zu bestimmen sei, völlig überraschend. Auf Nachfrage der Kammer wurde vom Beschwerdeführer I bestätigt, dass dieser Einwand keine Rüge gemäß Regel 106 EPÜ darstelle.
- Ausreichende Offenbarung
Das Streitpatent sei nicht ausreichend offenbart, da der anspruchsgemäße E-Modul infolge fehlender Angaben zu den Messbedingungen unbestimmt sei. So könne gemäß der im Streitpatent zitierten Norm ISO 527 die Messgeschwindigkeit zwischen 1 und 500 mm/min variiert werden, während aus D1/14 klar hervorgehe, dass bereits bei einer viel geringeren Variation der Messgeschwindigkeit von 1 mm/min auf 10 mm/min eine deutliche Änderung des E-Moduls auftrete. Die gleiche Betrachtung gelte für die Messtemperatur sowie weitere Messparameter. Ferner fehlten im Streitpatent auch Angaben zur Probenkörperherstellung, obwohl der E-Modul, wie ebenfalls durch D1/14 gezeigt, von der Art der Probenkörperherstellung abhänge. Schließlich sei nicht klar, wie der E-Modul in dünnen Überzügen sowie in Überzügen mit weiteren Komponenten zu messen sei.
Darüber hinaus sei eine ausreichende Offenbarung auch deswegen nicht gegeben, weil Beispiele im Streitpatent fehlten und keine Lehre vorliege, wie schlagzähmodifiziertes PMMA und Standard-PMMA erhalten werden könne. Ferner enthalte das Streitpatent auch keine Information darüber, wie eine den anspruchsgemäßen E-Modul aufweisende Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA herzustellen sei. Schließlich sei unklar, welcher Test zur Charakterisierung der im Streitpatent angestrebten Verbesserungen einzusetzen sei.
- Neuheit gegenüber der Verbundplatte METZOPLAST ABS/H
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die hinsichtlich der offenkundigen Vorbenutzung eingereichte Rechnung E4l nicht in das Verfahren zuzulassen, sei aufzuheben beziehungsweise die im Beschwerdeverfahren erneut eingereichte Rechnung E4l sei in das Verfahren zuzulassen.
Auch die im Beschwerdeverfahren eingereichte, sich mit dem Thema "Masterbatch" auseinandersetzende eidesstattliche Versicherung E4m sei zuzulassen. Dieses Thema sei erstmals bei der Zeugeneinvernahme während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung aufgetaucht, so dass die Einreichung von E4m nicht als verspätet zu betrachten sei.
Unabhängig von den obigen Fragen der Zulässigkeit belege der Lieferschein E4a die Offenkundigkeit der Vorbenutzung. Auch habe die Vorbenutzung alle anspruchsgemäßen Merkmale aufgewiesen. Der Überzug dieser Verbundplatte habe aus einer Mischung aus (i) Oroglas®, einem schlagzähmodifiziertem PMMA, (ii) Lucryl®, einem Standard-PMMA sowie (iii) einem Masterbatch bestanden. Der Masterbatch habe 60% Standard-PMMA enthalten. Wie von Herrn Krämer ausgesagt, habe der Überzug üblicherweise 2-6% dieses Masterbatches enthalten. Der Einfluss des Standard-PMMAs im Masterbatch auf den E-Modul der für den Überzug eingesetzten PMMA-Mischung sei nicht signifikant. So ergebe sich selbst bei Annahme eines Masterbatchgehaltes von 6% für den Überzug ein anspruchsgemäßer E-Modul. Daher habe die vorbenutzte Verbundplatte alle Anspruchsmerkmale aufgewiesen.
- Neuheit gegenüber D1-D5
Die Dokumente D1-D5 offenbarten zwar nicht explizit den anspruchsgemäßen E-Modul. Es sei jedoch vernünftigerweise davon auszugehen, dass durch geeignete Variation der Messparameter bei der E-Modulbestimmung ein E-Modul erreicht werden könne, der in den anspruchsgemäßen Bereich fallen würde. Hinsichtlich Beispiel 1 der D2 werde dies durch Probe 3 der D1/14 belegt. Diese Probe sei sehr ähnlich zur PMMA-Mischung des Beispiels 1 der D2 und weise bei einer Messgeschwindigkeit von 10 mm/min einen anspruchsgemäßen E-Modul auf. Somit sei nachgewiesen, dass die PMMA-Mischung aus Beispiel 1 der D2 bei Anwendung einer Messgeschwindigkeit von 10 mm/min einen anspruchsgemäßen E-Modul besitze und damit neuheitsschädlich sei.
- Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D2
D2 könne als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden. Der anspruchsgemäße E-Modul sei erst während des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens in Anspruch 1 aufgenommen worden. Daher liege die Beweislast beim Beschwerdegegner, nachzuweisen, dass die im Streitpatent genannte Aufgabe, d. h. die Verbesserung der Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und der Spannungsrissbeständigkeit, durch den anspruchsgemäßen E-Modul im Hinblick auf D2 gelöst sei. Ein solcher Nachweis sei jedoch nicht erbracht worden. Ferner gehe aus dem Streitpatent hervor, dass, wenn überhaupt, eine verbesserte Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und Spannungsrissbeständigkeit nur dann erhalten werde, wenn sowohl der E-Modul als auch der Schmelzindex bestimmte Werte annehme. Da Anspruch 1 jedoch hinsichtlich des Schmelzindexes nicht beschränkt sei, würden besagte Verbesserungen nicht über den gesamten beanspruchten Bereich auftreten. Ferner würde bei einer Mischung üblicher schlagzähmodifizierter PMMAs und Standard-PMMAs automatisch ein E-Modul im beanspruchten Wertebereich resultieren. Schließlich sei der Fachmann, der die Lehre der D2 nacharbeiten würde, in der Lage, eine Vielzahl von Materialien herzustellen, von denen einige den anspruchsgemäßen E-Modul aufweisen würden. Es seien daher lediglich Routineexperimente erforderlich, um zu dem anspruchsgemäßen Bereich zu gelangen. Aus diesen Gründen sei die erfinderische Tätigkeit gegenüber D2 zu verneinen.
- Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D22-D24
Alternativ sei der beanspruchte Gegenstand ausgehend von D22 nicht erfinderisch. D22 offenbare eine Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA. Der Abbildung 2 der Seite 6 der D22 könne der Fachmann entnehmen, dass durch Mischen geeigneter Anteile dieser beiden Materialien ein E-Modul im anspruchsgemäßen Bereich einstellbar sei. Ausgehend von der Offenbarung einer hohen Beständigkeit gegenüber Waschmitteln und bestimmten aggressiven Chemikalien auf Seite 2 der D22 würde der Fachmann darüber hinaus erwarten, dass sich durch das Aufbringen der in D22 beschriebenen Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA auf eine Unterlage Verbesserungen hinsichtlich der Chemikalienbeständigkeit ergeben. Somit weise der Anspruchsgegenstand des Streitpatentes keine erfinderische Tätigkeit gegenüber D22 oder D2 und D22 auf.
- Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf E3d, E3e, E3f, E3g, E3h, und E3i
Der Inhalt der italienischsprachigen Broschüren E3f und E3g gehe nicht über den Inhalt der englischsprachigen Broschüren E3d und E3i hinaus, so dass diese Dokumente und der das Veröffentlichungsdatum der E3g bestätigende Brief E3h nicht weiter benötigt würden.
Dem italienischsprachigen Brief E3e sei zu entnehmen, dass E3d von der Firma Röhm im August 1992 veröffentlicht worden sei.
Dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages mangele es an erfinderischer Tätigkeit gegenüber E3d und E3i. E3d offenbare schlagzähmodifizierte PMMAs der zk-Serie einschließlich deren E-Module. Ferner sei die Verwendung in Sanitärgegenständen und die gute Beständigkeit gegen Wasser, alkalische Medien, und beispielsweise schwache Säuren in dieser Broschüre offenbart. Schließlich sei auch beschrieben, dass dem schlagzähmodifiziertem PMMA abhängig von der Anwendung Standard-PMMA zugemischt werden könne. In der Broschüre E3i seien schlagzähmodifiziertes und Standard-PMMA sowie deren E-Module offenbart.
Der E-Modul von Mischungen aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA könne durch Berechnung des Mittelwertes bestimmt werden. Wie durch die im Schreiben vom 15. Dezember 2011 enthaltenen Tabellen 1 und 2 belegt, lägen ausgehend von den in E3d und E3i offenbarten E-Modulwerten die E-Module für typische Mischungsverhältnisse allesamt im anspruchsgemäßen Bereich. Somit sei nachgewiesen, dass es sich bei diesem E-Modulbereich um völlig übliche E-Modulwerte handele, die im Stand der Technik bekannt gewesen seien. Eine erfinderische Tätigkeit sei daher nicht gegeben.
XIV. Die vom Beschwerdegegner vorgebrachten Argumente können, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, wie folgt zusammengefasst werden:
- Anspruchsinterpretation
Der anspruchsgemäße E-Modul sei nicht an dem fertigen Überzug des Verbundelements, sondern an der in dem Überzug einzusetzenden PMMA-Mischung zu bestimmen. Die im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren getroffene Aussage, dass der E-Modul am fertigen Überzug zu messen sei, habe sich lediglich auf einen möglichen Verletzungsfall bezogen, in dem nur der fertige Überzug, nicht jedoch die im Überzug einzusetzende PMMA-Mischung zur Verfügung stehe. Dies sei aber für das vorliegende Beschwerdeverfahren nicht relevant.
- Ausreichende Offenbarung
Der anspruchsgemäße E-Modul sei entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer nicht unbestimmt, so dass das Streitpatent diesbezüglich ausreichend offenbart sei. Gemäß Streitpatent sei der E-Modul der in dem Überzug eingesetzten Mischung unter Zuhilfenahme der Norm ISO 527 zu bestimmen. Hierbei würde der Fachmann insbesondere den zweiten Teil der Norm berücksichtigen, da sich dieser wie das Streitpatent mit formbaren und extrudierbaren Kunststoffen befasse. Aus diesem Teil gehe eindeutig hervor, dass der E-Modul mit einer Messgeschwindigkeit von 1 mm/min zu bestimmen sei. Die Tatsache, dass in D1/14 bei einer Erhöhung der Messgeschwindigkeit auf 10 mm/min eine Änderung des E-Moduls beobachtet werde, könne daher keinen Offenbarungsmangel belegen. Bezüglich der bei der E-Modulmessung zu verwendenden Messtemperatur sei der erste Teil der Norm relevant, der sich wiederum auf die Norm ISO 291 beziehe, in der eine Messtemperatur von 23ºC genannt sei. Somit läge auch hinsichtlich der Messtemperatur keine Unbestimmtheit des E-Moduls vor. Schließlich sei der Einwand, dass nicht klar sei, wie der E-Modul in dünnen Überzügen sowie in Überzügen mit weiteren Komponenten zu messen sei, für die Frage der ausreichenden Offenbarung nicht relevant, da der E-Modul gemäß Anspruch 1 nicht an dem fertigen Überzug, sondern an der in dem Überzug einzusetzenden Mischung zu messen sei.
Auch der Einwand, dass ein Offenbarungsmangel vorliege, da kein Beispiel im Streitpatent enthalten sei, sei unzutreffend, da das EPÜ das Vorhandensein von Beispielen für die Anerkennung einer ausreichenden Offenbarung nicht zwingend vorschreibe.
Auch seien zum Prioritätszeitpunkt schlagzähmodifiziertes PMMA und Standard-PMMA sowie deren E-Module bekannt gewesen. Die Berechnung des E-Moduls aus der Mischung verschiedener PMMAs sei ebenfalls bekannt gewesen, so dass der Fachmann ohne erfinderisches Zutun eine Mischung aus zwei bekannten PMMA-Sorten mit jeweils bekannten E-Modulen so herstellen konnte, dass ein E-Modul der Mischung im anspruchsgemäßen Bereich resultiert. Somit bestehe kein Offenbarungsmangel hinsichtlich des zu verwendenden schlagzähmodifizierten PMMAs und Standard-PMMAs oder der Herstellung der Mischung.
Schließlich könne der Einwand, dass kein Test im Streitpatent offenbart sei, um die angestrebten Verbesserungen zu charakterisieren, nicht durchgreifen, da der beanspruchte Gegenstand zur Ausführung der Erfindung keinen Test benötige.
- Neuheit gegenüber der Verbundplatte METZOPLAST ABS/H
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die hinsichtlich der behaupteten Vorbenutzung der Verbundplatte eingereichte Rechnung E4l nicht in das Verfahren zuzulassen, sei nicht aufzuheben.
Die während des Beschwerdeverfahrens von Beschwerdeführer II im Rahmen der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung eingereichte eidesstattliche Versicherung E4m sei nicht in das Verfahren zuzulassen. E4m mache keine genauen Aussagen hinsichtlich der Menge des im Überzug der angeblich vorbenutzten Verbundplatte eingesetzten Masterbatches und stehe hinsichtlich der Zusammensetzung des Masterbatches im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen vor der Einspruchsabteilung. Insbesondere könne sich der Zeuge Herr Krämer gemäß der eidesstattlichen Versicherung jetzt an die Zusammensetzung des Masterbatches erinnern, während dies bei der Zeugeneinvernahme vor der Einspruchsabteilung nicht der Fall gewesen sei. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb sich der Zeuge jetzt besser erinnern könne.
Die behauptete offenkundige Vorbenutzung sei auch nicht relevant, da die Offenkundigkeit zum einen nicht ausreichend belegt sei. Zum anderen sei nicht bekannt, wie die Zusammensetzung des im Überzug der angeblich vorbenutzten Verbundplatte enthaltenen Masterbatches ausgesehen habe, und in welcher Menge dieser Masterbatch in dem Überzug vorhanden gewesen sei. Daher sei der E-Modul der PMMA-Mischung im Überzug unklar, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass sich der Anspruchsgegenstand zumindest hinsichtlich des E-Moduls von der vorbenutzten Verbundplatte unterscheide.
- Neuheit gegenüber D1-D5
Keine der Entgegenhaltungen offenbare den anspruchsgemäßen E-Modul. Die Aussage, dass Probe 3 der D1/14 sehr ähnlich zu derjenigen des Beispiels 1 der D2 sei, sei rein spekulativ. Ferner werde für Beispiel 1 der D2, wenn überhaupt, ein anspruchsgemäßer E-Modul nur bei einer Messgeschwindigkeit von 10 mm/min erhalten. Dies sei jedoch für die Frage der Neuheit nicht relevant, da die im Streitpatent genannte Norm eine Messgeschwindigkeit von 1 mm/min vorschreibe.
- Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D2
D2 sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Der Anspruchsgegenstand unterscheide sich von diesem Dokument hinsichtlich des E-Moduls. Wie durch das Streitpatent belegt sei, werde dadurch die Aufgabe gelöst, die Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und die chemische Spannungsrissbeständigkeit zu verbessern. D2 enthalte keinerlei Hinweis, dass diese Aufgabe durch den anspruchsgemäßen E-Modul gelöst werden könne. Die erfinderische Tätigkeit gegenüber D2 sei daher anzuerkennen.
- Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D22-D24
Die Nichtzulassung dieser Dokumente in das Verfahren wurde auf Nachfrage ausdrücklich nicht beantragt.
Hinsichtlich der in Frage stehenden erfinderischen Tätigkeit gegenüber D22 werde die Auffassung vertreten, dass in Abbildung 2 kein E-Modul dargestellt sei und dass aus D22 auch nicht hervorgehe, dass durch gezielte Auswahl des anspruchsgemäßen E-Moduls die Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und Spannungsrissbeständigkeit verbessert werden könne. Daher sei die erfinderische Tätigkeit auch gegenüber D22 anzuerkennen.
- Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf E3d, E3e, E3f, E3g, E3h, und E3i
Eine Nichtzulassung dieser Dokumente wurde auf Nachfrage ausdrücklich nicht beantragt. Ferner wurde die Richtigkeit der während der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer II vorgetragenen deutschen Übersetzung des italienischsprachigen Briefes E3e nicht bestritten.
Die erfinderische Tätigkeit gegenüber E3d und E3i sei anzuerkennen. Insbesondere stelle das Vorbringen der Beschwerdeführer, dass der Fachmann aus E3d und E3i ein schlagzähmodifiziertes PMMA und ein Standard-PMMA dergestalt auswählen und mischen würde, dass ein anspruchsgemäßer E-Modul der Mischung resultiere, eine ex post facto Betrachtung dar, die die erfinderische Tätigkeit nicht infrage stellen könne.
XV. Von der Kammer wurde während der mündlichen Verhandlung noch auf folgende Punkte hingewiesen:
- Anspruchsinterpretation
Die von der Kammer vertretene Interpretation des Anspruchs 1, insbesondere, dass der E-Modul der im Überzug eingesetzten Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA im anspruchsgemäßen Bereich liegen müsse, sei mit der von allen Parteien bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens verwendeten Interpretation identisch. Daher könne diese Interpretation für die Parteien nicht überraschend sein.
- Ausreichende Offenbarung
Der Fachmann würde ausgehend von Punkt 9.1 des ersten Teils der im Streitpatent genannten Norm den E-Modul bei Raumtemperatur messen. Daher liege hinsichtlich der Messtemperatur keine Unbestimmtheit des E-Moduls vor. Ferner würde der Fachmann zur Vermeidung der Verfälschung der Messergebnisse den für die E-Modulmessung bestimmten Probenkörper dergestalt herstellen, dass dadurch keine Änderung des E-Moduls auftrete. Daher sei auch hinsichtlich der Probenkörperherstellung keine Unbestimmtheit des E-Moduls gegeben.
- Erfinderische Tätigkeit
Bezüglich der vom Beschwerdeführer II aufgeworfenen Frage, ob die im Streitpatent genannte Aufgabe über den gesamten Anspruchsumfang und insbesondere unabhängig vom Schmelzindex gelöst sei, gehe aus dem ersten Vollabsatz der Spalte 3 des Streitpatentes eindeutig hervor, dass zur Lösung dieser Aufgabe nicht notwendigerweise ein bestimmter Schmelzindex einzuhalten sei.
Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit gegenüber D22 sei zu berücksichtigen, dass der Ausdruck "Standardacrylat" in der Abbildungsunterschrift auf Seite 6 nicht notwendigerweise für "Standard-PMMA" stehe und sich somit die Abbildung nicht notwendigerweise auf eine Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA beziehe.
XVI. Die Beschwerdeführer I (Einsprechender 01) und II (Einsprechender 02) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 781 201.
XVII. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte die Zurückweisung der Beschwerden des Einsprechenden 01 und des Einsprechenden 02 oder, hilfsweise, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit der Begründungserwiderung vom 10. Dezember 2010 eingereichten Hilfsantrags.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
Hauptantrag
2. Interpretation des Anspruchs 1
2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags (entspricht dem von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen "geänderten Hilfsantrag 1", siehe Punkt VI) bezieht sich auf eine Verbundplatte zum Herstellen eines Einsatzes für Sanitärgegenstände durch Tiefziehen, wobei
- auf einer Unterlage
- ein Überzug aus Polymethylmethacrylat (PMMA, Acrylglas) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Überzug aus Acrylglas aus einer Mischung von schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA besteht, wobei der E-Modul der im Überzug eingesetzten Mischung 2500 bis 2800 MPa beträgt.
Die Formulierung in Anspruch 1 "E-Modul der im Überzug eingesetzten Mischung" kann nach Auffassung der Kammer nur bedeuten, dass der E-Modul der Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA, die zur Herstellung des Überzuges eingesetzt wird, in dem anspruchsgemäßen Bereich von 2500 bis 2800 MPa liegen muss.
2.2 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde von Beschwerdeführer I vorgetragen, dass er durch diese Anspruchsinterpretation überrascht worden sei. Insbesondere hätte der Beschwerdegegner vor der Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass der E-Modul des fertigen Überzugs und nicht der E-Modul der im Überzug eingesetzten PMMA-Mischung zu messen sei.
Dieser Einwand kann jedoch nicht überzeugen, da die Anspruchinterpretation der Kammer auch von allen Parteien bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens verwendet wurde. Insbesondere hat der Beschwerdeführer I selbst in Punkt 2.12 seiner Beschwerdebegründung (Schreiben vom 23. Juli 2010) festgehalten, dass der E-Modul derjenige der Mischung im Überzug, nicht derjenige des Überzugs ist ("Firstly, the modulus of elasticity is that of the "mixture" in the coating, not the coating itself."). Gleiches folgt aus den Berechnungen des Beschwerdeführers II auf Seite 6 seiner Beschwerdebegründung (Schreiben vom 23. Juli 2010), denen ausschließlich die E-Module der in der Mischung eingesetzten PMMAs zugrunde lagen und nicht die weiteren im Überzug enthaltenen Komponenten (Farbpigmente, UV Stabilisatoren). Schließlich stellte auch der Beschwerdegegner bereits in seiner Erwiderung vom 10. Dezember 2010 explizit auf den E-Modul der Mischung ab. So ist auf Seite 2 dieses Schreibens folgende Aussage enthalten: "Durch Mischen (anspruchsgemäß durch eine "Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA") bekannter schlagzähmodifizierter und Standard-PMMA-Sorten wird eine Mischung hergestellt, die einen bestimmten E-Modul aufweist. Der E-Modul solcher PMMA-Sorten war im Prioritätszeitpunkt bekannt, die Berechnung des E-Moduls aus der Mischung verschiedener Sorten war auch bekannt, sodass der Fachmann ohne erfinderisches Zutun eine Mischung aus zwei bekannten PMMA Sorten mit jeweils bekannten E-Moduli so herstellen konnte, dass ein E-Modul der Mischung von 2500 bis 2800 MPa beträgt."
Somit ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie der Beschwerdeführer I durch eine von allen Parteien verwendete Anspruchsinterpretation so überrascht sein konnte, dass er zu einer angemessenen Entgegnung nicht (in zumutbarer Weise) in der Lage war. Die vom Beschwerdeführer angedeutete Verletzung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113(1) EPÜ) ist daher eindeutig nicht gegeben.
3. Ausreichende Offenbarung
3.1 Der anspruchsgemäße E-Modul
3.1.1 Wie oben bereits ausgeführt, muss gemäß Anspruch 1 der E-Modul der im Überzug eingesetzten Mischung im Bereich von 2500 bis 2800 MPa liegen. Vom Beschwerdeführer I wurde argumentiert, dass der Fachmann nicht wisse, bei welcher Messgeschwindigkeit der anspruchsgemäße E-Modul zu bestimmen sei. Wie durch D1/14 belegt, hänge der E-Modul z. B. von der Messgeschwindigkeit ab, so dass sich hieraus eine Unbestimmtheit und damit einhergehend ein Offenbarungsmangel des E-Moduls ergebe.
Die Kammer kann sich dem Einwand des Beschwerdeführers I nicht anschließen. So geht aus Spalte 3, Zeile 23 des Streitpatentes hervor, dass der E-Modul gemäß der Norm ISO 527 zu bestimmen ist. Diese Norm enthält drei Teile ISO 527-1 (D1/16), ISO 527-2 (D1/17) und ISO 527-3 (D1/22). Hierbei geht der erste Teil D1/16 auf die allgemeinen Grundlagen der Messung ein, der zweite Teil D1/17 beschäftigt sich mit den Messbedingungen im Falle von formbaren und extrudierbaren Kunststoffen und der dritte Teil D1/22 betrifft die Messung des E-Moduls von Kunststofftafeln und Folien mit einer Dicke von weniger als 1 mm.
Das Streitpatent enthält den Hinweis, dass die anspruchsgemäße Verbundplatte durch Koextrusion der Schichten in einer Breitschlitzdüse hergestellt werden kann (Spalte 3, Zeile 34). Hieraus folgt unmittelbar, dass die im Überzug der Verbundplatte einzusetzende PMMA-Mischung eine Mischung aus extrudierbaren Kunststoffen darstellt. Der Fachmann hätte daher hinsichtlich der zur Messung des anspruchsgemäßen E-Moduls zu verwendenden Messgeschwindigkeit den zweiten Teil der Norm zurate gezogen, da sich dieser Teil wie das Streitpatent auf die E-Modulmessung von form- und extrudierbaren Kunststoffen bezieht. In diesem Teil der Norm wird in Punkt 9 explizit festgehalten, dass zur Messung des E-Moduls ("modulus of elasticity") eine Messgeschwindigkeit von 1 mm/min anzuwenden ist. Bezüglich kleiner Probenkörper wird in Punkt 9 auf Anlage A Bezug genommen, wo für die Modulmessung ebenfalls eine Messgeschwindigkeit von 1 mm/min vorgeschrieben wird (erster Vollsatz in der rechten Spalte der Anlage A).
Der Fachmann entnimmt somit dem Hinweis des Streitpatents auf die Norm ISO 527, dass die E-Modulmessung bei einer Messgeschwindigkeit von 1 mm/min zu erfolgen hat. Daher liegt entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers I keine Informationslücke hinsichtlich der Messgeschwindigkeit vor, so dass sich auch keine hieraus resultierende Unbestimmtheit des anspruchsgemäßen E-Moduls ergeben kann. Aus diesem Grund muss die ausreichende Offenbarung des Streitpatentes hinsichtlich der bei der E-Modulmessung einzusetzenden Messgeschwindigkeit bejaht werden.
3.1.2 Vom Beschwerdeführer I wurde ferner argumentiert, dass der Fachmann nicht wisse, bei welcher Messtemperatur der anspruchsgemäße E-Modul zu bestimmen sei. Da, wie durch D1/14 belegt, der E-Modul auch von der Messtemperatur abhänge, ergebe sich auch hieraus eine Unbestimmtheit und damit ein Offenbarungsmangel hinsichtlich des E-Moduls.
Der zweite (D1/17) und dritte Teil (D1/22) der Norm enthält keinen Hinweis auf die Messtemperatur. Der Fachmann würde daher hinsichtlich der Frage der Messtemperatur den allgemeinen ersten Teil der Norm (D1/16) berücksichtigen. In diesem Teil der Norm ist folgende Angabe hinsichtlich der Messtemperatur enthalten (Punkt 9.1):
"Conduct the test in the same atmosphere used for conditioning the test specimen, unless otherwise agreed upon by the interested parties, e.g. for testing at elevated or low temperatures." (Übersetzung der Kammer: Die Messung ist in der gleichen Atmosphäre durchzuführen, die für die Konditionierung des Probenkörpers verwendet wird, soweit keine andere Vereinbarung durch die betreffenden Parteien getroffenen wurde, zum Beispiel für Messungen bei erhöhter oder niedriger Temperatur)
Aus dieser Textpassage geht eindeutig hervor, dass die Messung des E-Moduls normalerweise, d. h. ohne spezielle Vereinbarung zwischen den Parteien nicht bei erhöhter oder niedriger Temperatur und damit bei Raumtemperatur zu erfolgen hat. Der Fachmann, der den im Streitpatent befindlichen Hinweis auf die Norm ISO 527 liest, würde daher den anspruchsgemäßen E-Modul bei Raumtemperatur bestimmen. Somit liegt auch hinsichtlich der Messtemperatur keine Informationslücke vor, die zu einer Unbestimmtheit des anspruchsgemäßen E-Moduls führen könnte.
Der Fachmann hätte auch keine Veranlassung gehabt, den E-Modul bei der in D1/14 verwendeten erhöhten Messtemperatur von 30ºC zu bestimmen. Daher können die in D1/14 enthaltenen experimentellen Daten, die sich lediglich mit der Frage auseinandersetzen, ob sich der E-Modul bei einer Messtemperatur von 30ºC von demjenigen bei einer Messtemperatur von 25ºC unterscheidet, eine Unbestimmtheit des anspruchsgemäßen E-Moduls nicht belegen.
Somit muss die ausreichende Offenbarung des Streitpatentes auch hinsichtlich der bei der E-Modulmessung einzusetzenden Messtemperatur bejaht werden.
3.1.3 Vom Beschwerdeführer I wurde zusätzlich argumentiert, dass, wie ebenfalls durch D1/14 belegt sei, der E-Modul davon abhänge, wie die zur Messung einzusetzenden Probenkörper hergestellt werden. Da die Herstellungsbedingungen weder im Streitpatent noch in der darin zitierten Norm beschrieben seien, sei der E-Modul auch aus diesem Grund unbestimmt und damit unzureichend offenbart.
Es ist nach Auffassung der Kammer unstrittig, dass durch gezielte Auswahl der Herstellungsbedingungen die im Probenkörper enthaltenen Polymere tatsächlich so verändert werden können, dass eine Variation des E-Moduls auftritt. Beispielsweise ist davon auszugehen, dass durch Wahl einer genügend hohen Herstellungstemperatur ein Molekulargewichtsabbau und damit einhergehend ein entsprechend veränderter E-Modulwert resultiert. Im vorliegenden Fall, in dem der E-Modul des Ausgangsmaterials, d. h. der für den Überzug einzusetzenden PMMA-Mischung, zu bestimmen ist, würde ein solcher Molekulargewichtsabbau jedoch zu einem veränderten und damit verfälschten E-Modulwert führen. Der Fachmann wird daher im Rahmen gängiger Laborpraxis bestrebt sein, die Probenkörper derart herzustellen, dass eine solche Verfälschung der Messwerte nicht auftritt, d. h. er wird die Probenkörperherstellung so durchführen, dass sich die Eigenschaften des PMMA-Ausgangsmaterials gerade nicht verändern. Somit muss auch dieses Argument des Beschwerdeführers fehlgehen.
3.1.4 Vom Beschwerdeführer I wurde mit Hinweis auf D1/14 ferner argumentiert, dass zahlreiche Abhängigkeiten des E-Moduls von weiteren im Streitpatent nicht angegebenen Mess- beziehungsweise Herstellungsbedingungen vorlägen.
Keine dieser Abhängigkeiten ist jedoch durch entsprechende Beweismittel gestützt. Daher kann auch dieses Argument des Beschwerdeführers einen Offenbarungsmangel nicht belegen.
3.1.5 Schließlich wurde vom Beschwerdeführer I ein Offenbarungsmangel hinsichtlich des E-Moduls damit begründet, dass nicht klar sei, wie der E-Modul in dünnen Überzügen sowie in Überzügen mit weiteren Komponenten zu messen sei. Wie oben jedoch bereits ausgeführt wurde (Punkt 2.1), bezieht sich der E-Modul in Anspruch 1 nicht auf den E-Modul des Überzugs, sondern auf den E-Modul der zur Herstellung des Überzugs einzusetzenden Mischung. Der Fachmann braucht daher lediglich die beiden im Überzug enthaltenen PMMAs separat ohne weitere Komponenten zu mischen und den E-Modul dieses Gemisches zu bestimmen. Die Frage, wie ein E-Modul an dünnen Überzügen oder an Überzügen mit weiteren Komponenten zu messen ist, stellt sich daher nicht.
3.2 Weitere Einwände des Beschwerdeführers I hinsichtlich der ausreichenden Offenbarung
3.2.1 Laut Beschwerdeführer I liegt ein Offenbarungsmangel auch deswegen vor, weil Beispiele im Streitpatent fehlen. Das EPÜ bietet jedoch keine Rechtsgrundlage dafür, dass das bloße Fehlen von Beispielen zu einem Offenbarungsmangel führt. Im Gegenteil, aus der im Zusammenhang mit der Notwendigkeit von Beispielen in Regel 42(1)(e) EPÜ verwendeten Formulierung "wo es angebracht ist" geht klar hervor, dass Beispiele nicht notwendigerweise vorhanden sein müssen, um die Ausführbarkeit der Erfindung zu gewährleisten. Daher kann auch dieses Argument des Beschwerdeführers nicht durchgreifen.
3.2.2 Ferner wurde ein Offenbarungsmangel damit begründet, dass keine Lehre vorliege, wie schlagzähmodifiziertes PMMA und Standard-PMMA erhalten werden können. Auch dieses Argument muss fehlgehen, da in Spalte 2, Zeile 26-32 des Streitpatentes detaillierte Angaben zu dem zu verwendenden Standard-PMMA und schlagzähmodifizierten PMMA vorliegen. Insbesondere werden die beiden Komponenten hier wie folgt definiert: "Unter Standard-PMMA werden Homo-Polymethylmethacrylate verstanden. Unter schlagzähmodifiziertem PMMA werden vor allem Copolymere (Legierungen) von Methylmethacrylat mit weniger als 30% (Masse%), vorzugsweise weniger als 10%, anderen Acrylaten (insbesondere Butylacrylat, Äthylacrylat oder Methylacrylat) verstanden.".
3.2.3 Ein weiteres Argument des Beschwerdeführers I hinsichtlich mangelnder Offenbarung bestand darin, dass keine Details im Streitpatent genannt seien, wie eine den anspruchsgemäßen E-Modul aufweisende Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA herzustellen sei. Laut eidesstattlicher Versicherung E4i ist dem Fachmann jedoch bekannt, dass sich der E-Modul einer Mischung aus einer ersten und zweiten PMMA-Komponente durch Mittelwertbildung aus den E-Modulen der beiden PMMA-Komponenten ergibt. Daher kann es für den Fachmann keine Schwierigkeit darstellen, durch Wahl bestimmter Mengen eines schlagzähmodifizierten PMMAs und eines Standard-PMMAs den gewünschten E-Modul einzustellen. Somit kann auch dieses Argument des Beschwerdeführers keinen Offenbarungsmangel begründen.
3.2.4 Vom Beschwerdeführer I wurde schließlich argumentiert, dass ein Offenbarungsmangel auch deswegen vorliege, weil unklar sei, welcher Test zur Charakterisierung der im Streitpatent angestrebten Verbesserungen (Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und chemische Beständigkeit) einzusetzen sei. Diese Verbesserungen stellen jedoch keine Anspruchsmerkmale dar, so dass der Anspruchsgegenstand zu seiner Ausführung keinen Test der Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und chemischen Beständigkeit benötigt. Daher kann auch dieses Argument des Beschwerdeführers nicht überzeugen.
3.3 Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass keines der Argumente des Beschwerdeführers einen Offenbarungsmangel begründen kann. Das Streitpatent in der Form des Hauptantrages ist daher als ausreichend offenbart anzusehen (Artikel 100 b) EPÜ).
4. Offenkundige Vorbenutzung der Verbundplatte METZOPLAST ABS/H
4.1 Laut Beschwerdeführer II sei eine alle anspruchsgemäßen Merkmale aufweisende Verbundplatte METZOPLAST ABS/H im Jahr 1993 an die Firma Lentia Kunststoff-Vetriebs-GmbH verkauft worden, so dass der Anspruchsgegenstand durch diese offenkundige Vorbenutzung neuheitsschädlich vorweggenommen worden sei.
Um den Gegenstand des Hauptantrages neuheitsschädlich vorwegzunehmen, muss die Verbundplatte METZOPLAST ABS/H erstens alle anspruchsgemäßen Merkmale aufweisen und zweitens tatsächlich offenkundig vorbenutzt worden sein.
4.2 Hinsichtlich der Frage, ob die angeblich vorbenutzte Verbundplatte METZOPLAST ABS/H alle anspruchsgemäßen Merkmale aufwies, ist insbesondere von Belang, ob die im Überzug der Verbundplatte eingesetzte PMMA-Mischung einen anspruchsgemäßen E-Modul besaß.
4.2.1 Dem Zeugen Herrn H. Krämer war nicht bekannt, ob der E-Modul des angeblich vorbenutzten Produktes gemessen wurde (achter Absatz der Seite 14 des Zeugenprotokolls). Somit ist, wenn überhaupt, der in Frage stehende E-Modul nur indirekt aus der Zusammensetzung des Überzuges ableitbar.
Aus dem Zeugenprotokoll ergibt sich diesbezüglich, dass der Überzug der angeblich vorbenutzten Verbundplatte 50% Lucryl® G77E (ein schlagzähmodifiziertem PMMA), 50% Oroglas® DRM 101 (ein Standard-PMMA) und ein Masterbatch enthielt, wobei der Masterbatch wiederum PMMA umfasste (siehe Zeugenprotokoll sowie Seite 5 der Beschwerdebegründung des Beschwerdeführers II).
4.2.2 Gemäß E4i ergibt sich der E-Modul einer Mischung aus mehreren Komponenten als gewichteter Mittelwert der E-Module der Einzelkomponenten, d. h. im vorliegenden Fall als Mittelwert der mit den jeweiligen PMMA-Anteilen gewichteten E-Module des Lucryls® G77E, des Oroglas® DRM 101 und des im Masterbatch enthaltenen PMMAs. Wie durch E4c und E4g belegt wird, weisen Lucryl® G77E und Oroglas® DRM 101 einen E-Modul von 3200 MPa und 1905 MPa auf. Ohne Berücksichtigung des PMMAs des Masterbatches beträgt der E-Modul der im Überzug eingesetzten PMMA-Mischung daher 2552 MPa, was nur geringfügig oberhalb der anspruchsgemäßen Untergrenze von 2500 MPa liegt.
4.2.3 Somit hängt es vom E-Modul des im Masterbatch enthaltenen PMMAs sowie dessen Menge ab, ob der E-Modul der im Überzug eingesetzten PMMA-Mischung im anspruchsgemäßen Bereich lag.
4.2.4 Zum E-Modul des im Masterbatch enthaltenen PMMAs machte der Zeuge während seiner Anhörung durch die Einspruchsabteilung keine Aussage. Daher kann auch der E-Modul des im Masterbatch enthaltenen PMMAs nur indirekt aus der Art dieses PMMAs abgeleitet werden. Wie aus der nachfolgenden Passage des Zeugenprotokolls (zweiter Absatz auf Seite 15) hervorgeht, machte der Zeuge jedoch auch diesbezüglich keine eindeutige Aussage:
"Das ist ein Trägermaterial, was dem PMMA entspricht, kann sogar z.B. dieses Lucryl sein, kann ich aber jetzt nicht konkret sagen, ob es in diesem Fall das Lucryl war, aber ein leicht fließendes Masterbatch PMMA, und das ist hoch aufgeladen mit Pigmenten und UV-Stabilisatoren usw.."
Auch bezüglich der Menge des Masterbatches und damit einhergehend der Menge des PMMAs des Masterbatches war sich der Zeuge nicht sicher:
"Der wird gelegen haben zwischen 2 und 6%. In diesem konkreten Fall, wo er bei Lentia lag, kann ich das so aus dem Stand nicht sagen, das weiß ich nicht mehr" (Seite 15 des Zeugenvernehmungsprotokolls).
4.2.5 Somit ist weder der E-Modul des PMMAs des Masterbatches, noch dessen Menge bekannt. Hieraus folgt unmittelbar (siehe obiger Punkt 4.2.3), dass nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden kann, dass der E-Modul der im Überzug der angeblich vorbenutzten Verbundplatte eingesetzten PMMA-Mischung anspruchsgemäß war. Allein aus diesem Grund ist die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 und damit auch der übrigen von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2-4 gegenüber der angeblich vorbenutzten Verbundplatte zu bejahen.
4.2.6 Hinsichtlich der Frage, ob die angeblich offenkundig vorbenutzte Verbundplatte alle anspruchsgemäßen Merkmale aufwies, wurde vom Beschwerdeführer II noch die eidesstattliche Versicherung E4m eingereicht. Vom Beschwerdegegner wurde beantragt, diese eidesstattliche Versicherung nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Einreichung von E4m erfolgte mit Schreiben vom 15. Dezember 2011, d. h. nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung und nach der Mitteilung der vorläufigen Meinung der Kammer (Bescheid vom 16. August 2011). E4m wurde von dem durch die Einspruchsabteilung gehörten Zeugen Herrn H. Krämer abgefasst. Hinsichtlich der Zusammensetzung des im Überzug der angeblich offenkundig vorbenutzten Verbundplatte enthaltenen Masterbatches enthält E4m die Aussage, dass dieser
"ca. 60 % Standard-PMMA mit einem Elastizität Modul von 3200 MPa und ca. 40 Prozent Zusätze, insbesondere Farbpigmente, UV-Stabilisatoren, aufwies".
Diese Aussage steht im Widerspruch zu der hinsichtlich der Zusammensetzung des Masterbatches während der Zeugeneinvernahme von Herrn H. Krämer gemachten oben bereits zitierten Aussage (siehe erster eingerückter Absatz des Punkts 4.2.4). Insbesondere geht aus dieser Aussage während der Zeugeneinvernahme im Gegensatz zur eidesstattlichen Versicherung E4m klar hervor, dass sich der Zeuge während seiner Anhörung vor der Einspruchsabteilung nicht sicher an die Zusammensetzung des Masterbatches erinnern konnte.
Zur Beurteilung der Beweiskraft der eidesstattlichen Versicherung E4m hätte sowohl der Kammer, als auch dem Beschwerdegegner Gelegenheit gegeben werden müssen, die Gründe für die Meinungsänderung des Zeugens zu erforschen. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, die mündliche Verhandlung zu verschieben.
Eine solche Verschiebung schien der Kammer nicht geboten, da die Einreichung der eidesstattlichen Versicherung keine direkte Reaktion auf ein neues Vorbringen seitens des Beschwerdegegners beziehungsweise der Beschwerdekammer darstellt und damit klar als verspätet zu werten ist. Insbesondere war dem Beschwerdeführer II spätestens seit der Zeugeneinvernahme während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung bekannt, dass die Zusammensetzung des Masterbatches sowie die Art und Menge des darin enthaltenen PMMAs strittig sind, und dass der PMMA-Anteil des Masterbatches bei der Bestimmung des E-Moduls der im Überzug eingesetzten Mischung zu berücksichtigen ist. Dennoch hat der Beschwerdeführer die eidesstattliche Erklärung E4m, die sich genau mit diesen strittigen Fragen auseinandersetzt, nicht mit der Beschwerdebegründung, sondern erst eineinhalb Jahre später, nämlich mit Schreiben vom 15. Dezember 2011 eingereicht.
Die Kammer hat daher von dem ihr durch Artikel 13(3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht, und E4m nicht in das Verfahren zugelassen.
4.3 Da nicht bewiesen ist, dass die angeblich offenkundig vorbenutzte Verbundplatte alle anspruchsgemäßen Merkmale aufweist, besteht keine Notwendigkeit, im Rahmen der Entscheidungsbegründung auf die Offenkundigkeit der Vorbenutzung und damit verbunden auf die Zulassung der Rechnung E4l in das Verfahren einzugehen.
5. Neuheit gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik D1-D5
5.1 Neuheit gegenüber D2
D2 (Spalte 1, Zeile 12 bis Spalte 2, Zeile 2 und Spalte 10, Zeile 16-17) beschäftigt sich mit Kunststoffverbünden, aus denen Badewannen oder Duschkabinen hergestellt werden können. Das Verbundelement des Beispiels 2 der D2 enthält eine Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) Unterlage mit einem Überzug aus einer Mischung des Beispiels 1, bestehend aus
- einem statistischen Methylmethacrylat/
Ethylacrylatcopolymer und
- dreilagigen Acrylatcopolymerteilchen.
In Tabelle 3 wird der E-Modul der Mischung aus Beispiel 1 mit 1724 MPa angegeben, was deutlich unterhalb der anspruchsgemäßen Untergrenze liegt. Weitere Angaben zu E-Modulwerten sind in D2 nicht vorhanden.
Vom Beschwerdeführer I wurde argumentiert, dass vernünftigerweise davon auszugehen sei, dass durch geeignete Variation der Messparameter bei der E-Modulmessung der Mischung in Beispiel 1 der D2 der E-Modul derart eingestellt werden könne, dass ein anspruchsgemäßer Wert erhalten würde. In diesem Zusammenhang wurde auf Probe 3 der D1/14 abgestellt. Diese sei sehr ähnlich zur PMMA-Mischung des Beispiels 1 der D2 und weise bei einer Messgeschwindigkeit von 10 mm/min einen anspruchsgemäßen E-Modul auf. Somit sei nachgewiesen, dass auch die PMMA-Mischung aus Beispiel 1 der D2 bei Anwendung einer Messgeschwindigkeit von 10 mm/min einen anspruchsgemäßen E-Modul besitze. Daher mangele es dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages an Neuheit gegenüber D2.
Wie jedoch vom Beschwerdeführer selbst ausgeführt wurde, ist Probe 3 der D1/14 nicht identisch mit der Mischung des Beispiels 1 der D2, sondern dieser lediglich ähnlich. Darüber hinaus wurde bereits im Zusammenhang mit der Frage der ausreichenden Offenbarung festgestellt, dass der Fachmann ausgehend von der im Streitpatent vorhandenen Bezugnahme auf die Norm ISO 527 eine Messgeschwindigkeit von 1 mm/min (und nicht 10 mm/min) anwenden würde. Selbst unter der Annahme, dass bei einer Messgeschwindigkeit von 10 mm/min für die Mischung des Beispiels 1 der D2 ein anspruchsgemäßer E-Modul resultiert, folgt hieraus nicht, dass dieser auch bei Verwendung der in der Norm vorgeschriebenen Messgeschwindigkeit von 1 mm/min resultiert.
Somit wird der anspruchsgemäße E-Modul in D2 weder explizit noch implizit offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit der übrigen von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2-4 des Hauptantrages ist daher neu gegenüber D2.
5.2 Neuheit gegenüber D1 und D3-D5
D1 beschreibt Verbundelemente mit einem acrylischen Überzug (Spalte 1, Zeile 8-10). Beispiel 3 offenbart einen Klarlacküberzug aus einer Mischung aus PMMA und einem Methylmethacrylat/Butylacrylatcopolymer. Die Verbundelemente werden im Automobilbereich eingesetzt. D3 (Ansprüche 1 und 2) offenbart ein Verbundelement aus einer schlagfesten Acrylschicht und einer transparenten Acrylschicht, welches als Frontscheibe in Getränkeautomaten einsetzbar ist. D4 und D5 sind nahezu inhaltsgleich. Diese Dokumente beschreiben Verbundplatten, aus denen durch Tiefziehen Badewanneneinsätze herstellbar sind, wobei die Verbundelemente eine Acrylnitril-Butadien-Styrol Unterlage und einen PMMA Überzug mit einem Schmelzindex von höchstens 2.0 enthalten (Anspruch 1 der D4 und D5).
Wie von den Beschwerdeführern anerkannt wurde, findet sich in keinem der Dokumente D1 und D3-D5 eine explizite Offenbarung des anspruchsgemäßen E-Moduls. Auch hier wurde von den Beschwerdeführern lediglich vorgebracht, dass durch geeignete Variation der Messbedingungen ein E-Modul einstellbar sei, der im anspruchsgemäßen Bereich liegt. Aus den bezüglich D2 bereits vorgebrachten Gründen kann diese Argumentation jedoch nicht durchgreifen. Daher ist auch die Neuheit des Gegenstandes der Ansprüche 1-4 des Hauptantrages gegenüber D1 und D3-D5 anzuerkennen.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1 Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D2
6.1.1 Das Streitpatent ist auf Verbundplatten gerichtet, aus welchen durch Tiefziehen ein Einsatz für Sanitärgegenstände herstellbar ist (Spalte 1, Zeile 3-6). Wie bereits zur Neuheit ausgeführt wurde, beschäftigt sich auch D2 mit Kunststoffverbünden, aus denen Badewannen oder Duschkabinen hergestellt werden können. Im Einklang mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung und dem Vorbringen des Beschwerdegegners und Beschwerdeführers I kann D2 daher als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.
6.1.2 Ausgehend von diesem Stand der Technik besteht die dem Streitpatent zu Grunde liegende Aufgabe darin, die Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und die Spannungsrissbeständigkeit der Verbundplatten gegenüber in Putzmitteln enthaltenen Chemikalien zu verbessern (Spalte 2, Zeile 20-23).
6.1.3 Hinsichtlich der Lösung dieser Aufgabe wird in Spalte 3, Zeile 3-16 des Streitpatentes Folgendes festgehalten:
"Während eine Mischung von schlagzähmodifiziertem PMMA mit Standard PMMA die gewünschten Eigenschaften grundsätzlich verbessern kann, haben von der Anmelderin durchgeführte Mischungsversuche gezeigt, dass nur ein relativ geringer Bereich der möglichen Mischungen höchste Anforderungen (insbesondere Norm EN 263 mit zusätzlicher Reinigung durch aggressive, handelsübliche Putzmittel) hinsichtlich Heiß-Kalt-Wasser-Beständigkeit und chemischer Spannungsrissbeständigkeit erfüllt. Dieser geringe Bereich wird durch den Schmelzindex und/oder den E-Modul der Mischungen aus schlagzähmodifiziertem PMMA mit Standard-PMMA am besten beschrieben, nämlich MFI unter 0,8 und E-Modul zwischen 2500 und 2800 MPa."
Somit wurde gemäß Streitpatent in Versuchen des Anmelders (jetziger Beschwerdegegner) gezeigt, dass die Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und die chemische Spannungsrissbeständigkeit in Mischungen aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA, wie beispielsweise in D2 offenbart, durch die Wahl eines anspruchsgemäßen E-Moduls der Mischung verbessert werden.
Vom Beschwerdeführer I wurde diesbezüglich vorgebracht, dass der E-Modul nicht Teil des erteilten Anspruchs 1 gewesen sei, sondern während des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens zu Anspruch 1 hinzugefügt wurde. Daher läge die Beweislast für die Glaubhaftmachung der Lösung der im Streitpatent genannten Aufgabe beim Beschwerdegegner.
Die Kammer kann jedoch diese Auffassung nicht teilen, da die oben zitierte Textpassage, in der die Relevanz des anspruchsgemäßen E-Moduls für die Verbesserung der Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und der chemischen Spannungsrissbeständigkeit aufgezeigt wird, bereits in den Ursprungsunterlagen und im Streitpatent in der erteilten Fassung enthalten war, und somit durch die Aufnahme des E-Moduls in Anspruch 1 während des Einspruchsverfahrens kein neuer Sachverhalt geschaffen wurde, der eine Umkehr der Beweislast zur Folge hätte.
Vom Beschwerdeführer II wurde noch auf die Angabe in Spalte 2, Zeile 33-37 des Streitpatentes hingewiesen, dass die Spannungsrissbeständigkeit umso besser werde, je geringer der E-Modul und je niedriger der Schmelzindex. Hieraus folge, dass für die Lösung der im Streitpatent genannte Aufgabe auch die Auswahl bestimmter Schmelzindizes nötig sei. Da Anspruch 1 jedoch hinsichtlich des Schmelzindexes nicht beschränkt sei, sei die Aufgabe nicht über den gesamten Anspruchsbereich gelöst.
Auch dieses Argument kann nicht durchgreifen, da aus der hinsichtlich der Verbesserung der Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und chemischen Spannungsrissbeständigkeit in Spalte 3, Zeile 13 des Streitpatentes gewählten Formulierung "durch den Schmelzindex und/oder den E-Modul" eindeutig hervorgeht, dass zur Verbesserung dieser Eigenschaften der Schmelzindex nicht notwendigerweise in einem bestimmten Bereich liegen muss.
Somit wurde von den Beschwerdeführern nichts vorgebracht, was das im Streitpatent beschriebene Versuchsergebnis in Frage stellt. Daher ist davon auszugehen, dass die im Streitpatent beschriebene Verbesserung der Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und/oder der chemischen Spannungsrissbeständigkeit durch die Wahl des anspruchsgemäßen E-Moduls (Unterscheidungsmerkmal gegenüber D2) gelöst wird. Die genannten Verbesserungen stellen daher die objektiv gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D2 gelöste Aufgabe dar.
6.1.4 Es findet sich weder in D2, noch in einem der übrigen im Verfahren befindlichen Dokumente ein Hinweis darauf, dass durch die Wahl eines Überzugs mit anspruchsgemäßem E-Modul die Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und/oder die chemische Spannungsrissbeständigkeit verbessert werden kann. Der mit der objektiven Aufgabe konfrontierte Fachmann hatte daher keine Veranlassung, Überzüge mit einem E-Modul im anspruchsgemäßen Bereich auszuwählen. Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit der übrigen von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2-4 des Hauptantrages erfinderisch gegenüber D2 beziehungsweise gegenüber D2 in Kombination mit den übrigen im Verfahren befindlichen Dokumenten.
7. Weitere Angriffe der Beschwerdeführer auf die erfinderische Tätigkeit
7.1 Die Frage der erfinderischen Tätigkeit wurde vom Beschwerdeführer I zusätzlich auf der Grundlage der Dokumente D22-D24 und vom Beschwerdeführer II auf der Grundlage der Dokumente E3d, E3e, E3f, E3g, E3h und E3i diskutiert. Die Einreichung der Dokumente erfolgte mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 und 16. Januar 2012 (Beschwerdeführer I) sowie mit Schreiben vom 15. Dezember 2011 (Beschwerdeführer II).
Vom Beschwerdegegner wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer detailliert zur erfinderischen Tätigkeit auf der Grundlage der Dokumente D22-D24 sowie E3d, E3i und E3e Stellung genommen. Die Nichtzulassung dieser Dokumente in das Verfahren wurde nicht beantragt. Bei dieser Sachlage sprach nichts dagegen, diese Dokumente in das Verfahren zuzulassen.
Die Dokumente E3f und E3g sowie der das Veröffentlichungsdatum von E3g betreffende Brief E3h wurden, wie vom Beschwerdeführer II selbst eingeräumt, nicht weiter benötigt, und wurden daher nicht in das Verfahren zugelassen.
7.2 Gemäß Beschwerdeführer I sei der Anspruchsgegenstand des Streitpatentes nicht erfinderisch gegenüber D22. Wie durch D24 belegt, sei D22 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents veröffentlicht. Die Seite 6 der D22 offenbare eine Mischung aus Diakon® TD542 mit CMG302 oder CLG356. Diakon® TD542 stelle gemäß D23 ein schlagzähmodifiziertes PMMA dar, während CMG302 und CLG356 Standard-PMMAs seien. Wie durch Abbildung 2 auf Seite 6 der D22 belegt, weise die Mischung einen E-Modul zwischen 2500 und 2800 MPa auf. Ausgehend von dem Hinweis auf Seite 2 der D22 hinsichtlich einer hohen Beständigkeit gegenüber Waschmitteln und bestimmten aggressiven Chemikalien würde der Fachmann erwarten, dass sich durch das Aufbringen der in D22 offenbarten Mischung auf eine Unterlage Verbesserungen hinsichtlich der Chemikalienbeständigkeit ergeben. Somit würde der Fachmann auf der Grundlage der D22 ohne erfinderisches Zutun zum Anspruchsgegenstand gelangen.
Der Argumentation des Beschwerdeführers ist aus mehreren Gründen nicht zu folgen. So zeigt die vom Beschwerdeführer angezogene Abbildung 2 der D22 nicht, wie vom Beschwerdeführer behauptet, einen E-Modul, sondern den Biegemodul (flexural modulus). Ferner bezieht sich diese Abbildung nicht auf eine Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA. Insbesondere wird in der Abbildungsunterschrift neben dem schlagzähmodifizierten PMMA "Diakon® TD" lediglich auf ein Standardacrylat ("standard acrylic") Bezug genommen, und es ist nicht deutlich, ob es sich bei diesem Standardacrylat um die Standard-PMMAs CMG302 und CLG356, oder um die in Zeile 2-3 der Seite 6 der D22 genannten anderen, d. h. von Standard-PMMA verschiedenen Standardacrylate, handelt. Somit offenbart Abbildung 2 der D22 weder den anspruchsgemäßen E-Modul, noch die anspruchsgemäße Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA.
Aus den für D2 bereits genannten Gründen besteht die objektiv zu lösende Aufgabe auch gegenüber D22 in der Verbesserung der Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und der chemischen Spannungsrissbeständigkeit. Analog zu D2 findet sich auch in D22 an keiner Stelle ein Hinweis darauf, dass diese Aufgabe durch die Wahl eines Überzuges mit einer den anspruchsgemäßen E-Modul aufweisenden PMMA-Mischung gelöst werden kann. Daher ist die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes der Ansprüche 1-4 des Hauptantrages aus den hinsichtlich D2 bereits genannten Gründen auch gegenüber D22 anzuerkennen.
7.3 Gemäß Beschwerdeführer II mangelt es dem Anspruchsgegenstand an erfinderischer Tätigkeit gegenüber E3d und E3i.
E3d stellt eine technische Broschüre dar, in der u. a. der Produkttyp zk 20, zk 30, zk 40 und zk 50 vorgestellt wird. Bei diesem Produkttyp handelt es sich um schlagzähmodifiziertes PMMA (Titel, 1. Absatz der Seite 2 und 1. Absatz der Seite 4 der E3d). Im 2. Absatz der rechten Spalte der Seite 10 der E3d wird festgehalten, dass abhängig von der gewünschten Anwendung diesem schlagzähmodifizierten PMMA Standard-Plexiglaspulver, d. h. Standard-PMMA hinzugefügt werden kann. Es kann daher zu Gunsten des Beschwerdeführers II angenommen werden, dass E3d eine Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA offenbart. Wie aus der Tabelle auf Seite 23 der E3d hervorgeht, liegt der E-Modul der zk 20, zk 30, zk 40 und zk 50 Serie unterhalb des anspruchsgemäßen Bereiches. Konkrete Mischungen aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA, sowie der E-Modul solcher Mischungen werden nicht offenbart.
E3i offenbart auf der Doppelseite 10/11 die E-Module von schlagzähmodifiziertem PMMA (Typen zk20, zk30, zk40 und zk50) und Standard-PMMA (Typen 5N, 6N, 6H, 7N, 7H, 8N, 8H). E3i offenbart jedoch keine Mischungen aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA, geschweige denn, dass Mischungen mit anspruchsgemäßem E-Modul offenbart sind.
Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages von den Offenbarungen der E3d und E3i u. a. dadurch, dass anspruchsgemäß ein E-Modul von 2500-2800 MPa vorliegen muss.
Analog zu den hinsichtlich D2 und D22 angestellten Überlegungen ist die objektive technische Aufgabe gegenüber E3d und E3i ebenfalls in der Verbesserung der Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und der chemischen Spannungsrissbeständigkeit zu sehen. Es geht aus E3d und E3i nirgends hervor, dass diese Aufgabe durch die Wahl eines E-Moduls im anspruchsgemäßen Bereich gelöst werden kann. Daher ist analog zu D2 und D22 die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes der Ansprüche 1-4 des Hauptantrages gegenüber E3d und E3i anzuerkennen.
Vom Beschwerdeführer II wurde diesbezüglich noch argumentiert, dass der E-Modul von Mischungen aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA durch Berechnung des Mittelwertes bestimmt werden könne. Wie durch die im Schreiben des Beschwerdeführers II vom 15. Dezember 2011 enthaltenen Tabellen 1 und 2 belegt, lägen ausgehend von den in E3d und E3i offenbarten E-Modulwerten die E-Module für typische Mischungsverhältnisse allesamt im anspruchsgemäßen Bereich. Somit sei nachgewiesen, dass es sich bei diesem E-Modulbereich um völlig übliche E-Modulwerte handele, die im Stand der Technik bekannt gewesen seien.
Die Kammer kann dem Beschwerdeführer II darin folgen, dass der E-Modul einer Mischung aus schlagzähmodifiziertem PMMA und Standard-PMMA durch Berechnung des Mittelwertes erhalten werden kann und somit die im Schreiben des Beschwerdeführers aufgeführten Mischungen tatsächlich die genannten E-Module aufweisen. Die Existenz von PMMA-Mischungen mit anspruchsgemäßem E-Modul bedeutet jedoch noch lange nicht, dass der mit der objektiven technischen Aufgabe konfrontierte Fachmann gerade diese Mischungen ausgewählt hätte. Insbesondere fehlt, wie oben bereits dargestellt, in E3d und E3i jeglicher Hinweis auf die Relevanz des E-Moduls zur Verbesserung der Heiß-Kalt-Wasserbeständigkeit und der chemischen Spannungsrissbeständigkeit. Nur bei Kenntnis der Erfindung, d. h. ex post facto, hätte der Fachmann tatsächlich die Mischungen mit geeignetem und damit anspruchsgemäßem E-Modul ausgewählt. Eine solche ex post facto Betrachtung kann jedoch die erfinderische Tätigkeit nicht stützen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.