T 1063/10 () of 26.9.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T106310.20130926
Datum der Entscheidung: 26 September 2013
Aktenzeichen: T 1063/10
Anmeldenummer: 05707312.4
IPC-Klasse: B62D 29/04
B29C 70/78
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fahrzeug Folienbauteil und Verfahren zu dessen Herstellung
Name des Anmelders: Daimler AG
Name des Einsprechenden: Nestler, Jan Hendrik
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
Schlagwörter: Neuheit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 725 443 wurde mit der am 17. März 2010 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Einsprechende am 6. Mai 2010 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 7. Juli 2010 eingereicht.

II. Es fand am 26. September 2013 eine mündliche Verhandlung statt. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) nahm an der mündlichen Verhandlung nicht teil, wie bereits mit Schreiben vom 23. September 2013 mitgeteilt worden war. Die Beschwerdegegnerin hatte in ihrer schriftlich eingegangenen Stellungnahme vom 16. November 2010 die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung beantragt.

Anspruch 2 wie erteilt hat folgenden Wortlaut:

"Fahrzeug-Bauteil aufweisend

- eine Lack- oder Dekorfolie,

- eine zumindest bereichsweise direkt an der Folie anhaftende Kunststoffschicht,

dadurch gekennzeichnet,

- dass die Folie zumindest ein Loch mit vorgegebener Kontur aufweist,

- dass der Kunststoff transparent ist und im Bereich des Lochs eine Außenwand des Bauteils darstellt, die gleichmäßig mit der Folie abschließt."

III. Der Beschwerdeführer vertrat den Standpunkt, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 2 im Hinblick auf E1 (DE-U1-203 13 996) keine Neuheit aufweise. Tatsächlich könne das aus E1 bekannte Verkleidungselement 1 als Folie betrachtet werden, da der Anspruch 2 keine bestimmte (Maximal-) Dicke der Folie fordere. Zudem beinhalte der Begriff "Folie" im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik eine Dicke, die in einem sehr breiten Wertebereich variieren könne (siehe z.B. E2 (WO-A2-03/033275), E4 (DE-A1-199 17 965)). Das Verkleidungselement 1 diene auch ausweislich E1 primär für die Verkleidung von das Dach eines Kraftfahrzeugs tragenden Stützen (Seite 1, zweiter Absatz). Das Verkleidungselement 1 müsse daher, falls überhaupt, nur geringe Kräfte aufnehmen. Darüber hinaus sei klar, dass aus Kostengründen und Platzgründen das Verkleidungselement eine geringe Dicke aufweisen, d.h. folienartig ausgebildet sein müsse. Damit seien die Merkmale M2.2 bis M2.4 (siehe unten, Punkt IV) und M2.7 (siehe Punkt IV) aus E1 bekannt. Zudem gebe es im Kraftfahrzeugbereich drei Möglichkeiten zur Farbgebung von flächigen Bauelementen : 1) die Verwendung von durchgefärbtem Material (z.B. D1 (DE-A1-10 230 030), Seite 2, Absatz [0016]), 2) die Lackierung relevanter Oberflächen (z.B. E5 (DE-U1-200 21 312), Seite 6, vorletzte Zeile, "übrige Lackierung des Fahrzeugs"), 3) die Verwendung von Lackfolien bzw. Dekorfolien (z.B. E2 (WO-A2-03/033275), Seite 1, Zeilen 15-25). Folglich werde der Fachmann angesichts der Offenbarung von E1 davon ausgehen, dass das Verkleidungsteil 1 gemäß einem dieser drei Standardverfahren mit einer Farbgebung versehen sei. Insofern erkenne der Fachmann in dem Verkleidungsteil 1 (unter anderem) ein flächiges Bauteil, welches mit einer Lackfolie überzogen sei. Da das Anbringen einer Bohrung im Verkleidungsteil 1 zwangweise auch die darauf angebrachte Folie entferne, seien dementsprechend die Merkmale M2.2 bis M2.4 (siehe unten, Punkt IV)) und M2.7 (siehe Punkt IV) in E1 offenbart.

IV. Die Beschwerdegegnerin vertrat die Ansicht, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 2 im Hinblick auf E1 (DE-U1-203 13 996) neu sei. Insbesondere werde in E1 keine Außenwand des Bauteils offenbart, "die gleichmäßig mit der Folie abschließt" (Merkmal M2.7, siehe Merkmalsgliederung in der angefochtenen Entscheidung auf Seite 3). Zudem seien auch die Merkmale, wonach "eine Lack- oder Dekorfolie" (Merkmal M2.2) und "eine zumindest bereichsweise direkt an der Folie anhaftende Kunststoffschicht" (Merkmal M2.3) vorgesehen seien, wobei "die Folie zumindest ein Loch mit vorgegebener Kontur aufweist" (Merkmal M2.4), nicht aus E1 zu entnehmen. Diese Merkmale seien auch nicht implizit aus E1 abzuleiten, denn für den Fachmann besitze der Begriff "Folie", selbst wenn in der Patentschrift (im Folgenden als EP-B bezeichnet) nicht näher definiert, einen klaren und unmissverständlichen Inhalt. Zusätzlich finde man im Absatz [0010] von EP-B einen eindeutigen Hinweis, dass eine Folie im Sinne des Patents ein ausreichendes Maß an Elastizität besitzen müsse, um sich beim Hinterfüllen mit dem transparenten Kunststoff einer Form anpassen zu können, oder tiefziehbar sein müsse. Dieses ausreichende Maß an Elastizität werde einem Bauteil gemäß E1 abgesprochen, da es sich hierbei um Verkleidungsteile (insbesondere eine Säulenverkleidung gemäß Figur 1) handle, welche naturgemäß formstabil sein müssten, d.h. gerade nicht formbar seien. Insgesamt könne folglich ein Bauteil gemäß E1 nicht mit einer Folie im Sinne der Merkmale M2.2 bis M2.4 und M2.7 gleichgesetzt werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 2 ist im Hinblick auf E1 nicht neu. E1 zeigt ein Verkleidungselement aus Kunststoff für Kraftfahrzeuge (E1, Seite 1, Absatz 1 und 2), insbesondere für den Innenraum des Kraftfahrzeugs zur Verkleidung der das Dach tragende Stützen (A-, B-, und C-Stützen). Ein solches Verkleidungsstück dient überwiegend und fast ausschließlich dekorativen Zwecken und besitzt keine tragende Funktion, wie auch aus dem durch die Weiterbildung gemäß E1 angestrebten Ziel entnehmbar ist, nämlich in erhöhtem Maße einen dekorativen Effekt zu erreichen (E1, Seite 1, dritter Absatz). Der Fachmann folgert hieraus, dass das Verkleidungsstück, welches keine tragende Funktion hat, eine sehr geringe Dicke besitzen muss, was ohnehin auch aus Gründen der Senkung der Kosten offensichtlich ist. Verkleidungsstücke der in E1 offenbarten Sorte, die einen dekorativen Zweck erfüllen, keine tragende Funktion haben, flach ausgebildet sind (siehe E1, Figur 3) und eine geringe bis sehr geringe Dicke aufweisen erkennt der Fachmann im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik allgemein als Folien oder folienartige Bauteile. In der Tat kann die Dicke solcher Folien, zumindest im Kraftfahrzeugbereich, in einem sehr breiten Bereich variieren, wie z.B. aus E4 (DE-A1-199 17 965, Seite 4: "..Schichtdicke beträgt vorzugsweise 50 mym bis zu 5 mm") oder E2 (Seite 5: "..eine Folie .. mit einer Dicke von 0.2 bis 2 mm..") zu entnehmen ist. Im Übrigen enthält auch das Streitpatent EP-B keine besondere, weiter einschränkende Definition des Begriffes "Folie" hinsichtlich seiner Dicke oder seiner Elastizität. Weiter zeigt E1 auch, dass die Folie 1 mit einem eine Kontur aufweisenden Loch 3 versehen ist (E1, Figur 3; Seite 22 , dritter Absatz), welches mit einer farblosen (transparenten), direkt an der Folie 1 anhaftenden Kunststoffschicht 14 aufgefüllt ist (Figur 3; Seite 2, vorletzter Absatz), wobei diese Kunststoffschicht eine Außenwand des Bauteils darstellt. Schließlich ist aus Figur 3 von E3 auch zu ersehen, dass diese Außenwand im Bereich des Lochs, insbesondere im Bereich des Lochrandes, gleichmäßig mit der Folie abschließt.

Insgesamt ergibt sich aus den vorangehend dargelegten Gründen, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 2 im Hinblick auf E1 nicht neu ist (Art. 54 (1), (2) EPÜ) und dass damit dem gestellten einzigen Antrag der Beschwerdegegnerin, d.h. der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, nicht stattgegeben werden kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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