T 0976/10 (Waschmittel-Portionen/HENKEL) of 1.8.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T097610.20120801
Datum der Entscheidung: 01 August 2012
Aktenzeichen: T 0976/10
Anmeldenummer: 01974141.2
IPC-Klasse: C11D 17/00
C11D 17/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mechanisch stabile, flüssig formulierte Waschmittel-, Spülmittel- oder Reinigungsmittel-Portionen
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Verspätetes Vorbringen (zulässig); erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 309 669 in geänderter Form auf der Grundlage der während der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2009 als ersten Hilfsantrag eingereichten Patentansprüche 1 bis 21.

II. Anspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:

"1. Waschmittel-, Spülmittel- oder Reinigungsmittel-Portion, umfassend eine ganz oder teilweise wasser-lösliche Umhüllung mit einer Dicke von 1 bis 300 mym in Kapselform, die eine flüssig-basierte Formulierung mit nicht-newtonischen Fließverhalten wenigstens eines waschaktiven, spülaktiven oder reinigungsaktiven Materials vollständig umgibt, mit einem Stauchwiderstand von 10 bis 10**(5) N bei 23 ºC."

Im nebengeordneten Anspruch 2 ist, als einziger Unterschied, der Ausdruck "Kapselform" durch "Kugelform" ersetzt. Die abhängigen Ansprüche 3 bis 16 betreffen bevorzugte Varianten der Gegenstände nach Anspruch 1 oder 2. Die Ansprüche 17 und 18 betreffen Verfahren zur Herstellung einer Waschmittel-, Spülmittel- oder Reinigungsmittel-Portion und die Ansprüche 19 bis 21 betreffen Wasch-, Spül- bzw. Reinigungsverfahren unter Verwendung eines Gegenstandes nach Anspruch 1 bis 16.

III. Die Einsprechende hatte wegen Mangel an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100a) und 56 EPÜ) sowie mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100b) und 83 EPÜ) Einspruch erhoben. Sie stützte sich dabei auch auf folgende Entgegenhaltung:

D1 US-A-4 886 615.

IV. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Produktanspruches 3 gemäß Hauptantrag in Anbetracht von Dokument D1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Nach Wegfall dieses Anspruchs gemäß Hilfsantrag genüge der beanspruchte Gegenstand jedoch den Anforderungen des EPÜ, insbesondere den Kriterien der Artikel 83, 54 und 56 EPÜ.

V. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt und mit der Beschwerdebegründung Dokument

D17 EP-A-0 879 874

vorgelegt.

VI. Die Beschwerdeführerin stützte sich unter anderem auf folgende Argumente:

- Der Gegenstand nach Anspruch 1 sei nicht gemäß Artikel 83 EPÜ ausführbar sowie nicht neu gegenüber dem Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen D1.

- Dem beanspruchten Gegenstand fehle es jedenfalls an erfinderischer Tätigkeit. Um marktauglich zu sein, müssten nämlich auch die Produkte von Dokument D1 einen Stauchwiderstand im beanspruchten Bereich aufweisen. Ferner seien Waschmittel-Umhüllungen in Kapsel- oder Kugelform Stand der Technik. Daher sei es nicht erfinderisch, solche Umhüllungen anstelle der Beutel in Dokument D1 zu verwenden. Ein Effekt gegenüber Dokument D1 sei nicht glaubhaft gemacht worden; denn in den Beispielen des Streitpatents werde lediglich gezeigt, dass hochviskose Formulierungen der Einwirkung von Kraft auf die gefüllten Kapseln oder Kugeln einen höheren Widerstand entgegensetzen als niedrigviskose. Dieser Effekt sei zu erwarten gewesen.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat die Einwände der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Zur erfinderischen Tätigkeit hat sie im Wesentlichen wie folgt argumentiert:

- Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich von Dokument D1 als nächstliegendem Stand der Technik zumindest durch den genannten Stauchwiderstand und die Verwendung von Kapseln oder Kugeln, welche im Gegensatz zu Beuteln starre Umhüllungen seien. In den Beispielen des Streitpatents sei gezeigt worden, dass die mechanische Stabilität von Waschmittelportionen in Kapsel- oder Kugelform erhöht werden könne, wenn die enthaltene Formulierung nicht freifließend sei, sondern ein nicht-newtonsches Fliessverhalten aufweise. Da dem zitierten Stand der Technik kein Hinweis auf die Erzielbarkeit dieses Effekts zu entnehmen sei, beruhe der beanspruchte Gegenstand auf erfinderischer Tätigkeit.

- Dokument D17 sei nicht im Verfahren zuzulassen, weil es verspätet eingereicht worden sei und nicht relevant sei, da es feste Zusammensetzungen für Handwaschmittel betreffe.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit von Dokument D17

Gemäß Artikel 114(2) EPC liegt es grundsätzlich im

Ermessen der Beschwerdekammern verspätet vorgebrachte Beweismittel im Verfahren zuzulassen. Allerdings liegt eine Verspätung dann nicht vor, wenn die neu vorgelegten Beweismittel durch Argumente anderer Beteiligter oder durch die angefochtene Entscheidung veranlasst wurden.

Dies ist vorliegend jedoch der Fall. Dokument D17 wurde nämlich in Reaktion auf die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen eingereicht, die Begriffe "Beutelform" einerseits und "Kapselform" bzw. "Kugelform" andererseits hätten technisch unterschied-liche Bedeutung und die beanspruchte Kapsel- bzw. Kugelform sei aus dem zitierten Stand der Technik nicht bekannt, sondern stelle einen wesentlichen technischen Unterschied dar (Punkt 9 der Entscheidung).

Da Dokument D17 also relevant im Hinblick auf die angefochtene Entscheidung ist und zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, ist es nicht als verspätet zu betrachten.

Ferner ist die Kammer der Auffassung, dass Dokument D17 auch relevant ist bezüglich des Streitgegenstandes. Es mag zwar sein, dass dort die in den kugel- oder kapselförmigen Umhüllungen enthaltenen Handspülmittel-Formulierungen vorzugsweise als Feststoffe vorliegen; es ist aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie auch als Flüssigkeit oder hochviskose Paste zugegen sein können (Seite 3, Zeilen 30 bis 31).

Dokument D17 ist daher im Verfahren zuzulassen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 6. Auflage 2010, Kapitel VII.C.1.2).

2. Artikel 83 und 54 EPÜ

Den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwendungen zur Ausführbarkeit der Erfindung im Sinne des Artikels 83 EPÜ und zur Neuheit des beanspruchten Gegenstand gemäß Artikel 54 EPÜ, braucht hier nicht nachgegangen zu werden, da es dem Streitgegenstand an erfinderischer Tätigkeit fehlt.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Das Streitpatent betrifft mechanisch stabile, flüssig formulierte Wasch-, Spül- oder Reinigungsmittel-Portionen, welche mit einer Umhüllung versehen sind (Absatz 1).

Solche Portionen unterliegen der Gefahr, durch Stosseinwirkung oder das Gewicht benachbarter Portionen zu bersten (Absatz 19).

Dem Streitpatent liegt daher die technische Aufgabe zugrunde, diesen Nachteil zu beheben (Absatz 20).

3.2 Keine der zitierten Entgegenhaltungen erwähnt diese konkrete technische Aufgabe. Die Kammer stimmt daher der Auffassung der Beschwerdegegnerin zu, dass Dokument D1 der am besten geeignete Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist, da es Waschmittel-portionen offenbart, die mit den beanspruchten Portionen die meisten Merkmale gemeinsam haben.

3.3 Dokument D1 offenbart nämlich Waschmittelportionen, umfassend eine wasserlösliche Umhüllung in Beutelform mit einer Dicke von 102 bis 2540 mym, vorzugsweise 254 bis 1270 mym, die eine flüssig basierte Formulierung eines waschaktiven Materials vollständig umgibt, wobei diese Formulierung gelartig oder thixotrop sein kann (Spalte 1, Zeilen 17 bis 24, Spalte 5, Zeilen 1 bis 10, Spalte 5, Zeile 64 bis Spalte 6, Zeile 4 und Spalte 18, Zeilen 49 bis 53).

Einen Stauchwiderstand offenbart Dokument D1 nicht. Nach der unwidersprochenen Argumentation der Beschwerde-führerin entspricht ein Stauchwiderstand von 10 N dem einer reifen Tomate und ein Stauchwiderstand von 10**(5) N der Gewichtskraft einer Lokomotive. Die Kammer folgt daher der Meinung der Beschwerdeführerin, dass die Waschmittelportionen von Dokument D1 implizit einen Stauchwiderstand innerhalb des beanspruchten Bereiches aufweisen müssen, weil Produkte mit einem Stauchwider-stand unter 10 N nicht markttauglich wären und, Herstellbarkeit vorausgesetzt, ein Stauchwiderstand von 10**(5)N und mehr auf dem technischen Gebiet der Waschmittelportionen überdimensioniert wäre.

3.4 Somit unterscheidet sich der Gegenstand nach den Ansprüchen 1 und 2 von den aus Dokument D1 bekannten Waschmittelbeuteln mit thixotroper Füllung dadurch, dass die Umhüllungen in Kapsel- oder Kugelform vorliegen und eine Dicke von 1 bis 300 mym aufweisen.

3.5 Die Beschwerdegegnerin vertrat die Auffassung, in den Beispielen des Streitpatents sei gezeigt worden, dass die mechanische Stabilität von Waschmittelportionen in Kapsel- oder Kugelform erhöht werden könne, wenn die enthaltene Formulierung nicht freifließend sei, sondern ein nicht-newtonsches Fliessverhalten aufweise.

3.6 Die Beschwerdegegnerin übersieht hierbei, dass das Vergleichsbeispiel des Streitpatents nicht repräsentativ für die in Dokument D1 offenbarten Waschmittelbeutel mit thixotroper Füllung ist. Ferner setzt die Beschwerdegegnerin bei ihrer Argumentation offensichtlich voraus, dass die im Vergleichsbeispiel genannte freifließende Waschmittel-Rezeptur notwendigerweise eine newtonschen Flüssigkeit ist.

Eine solche Gleichsetzung ist nach Auffassung der Kammer nicht zulässig, weil es - wie die Beschwerdeführerin zu Recht einwendet - auch nicht-newtonsche Fluide gibt, welche unter entsprechenden Bedingungen freifließende Eigenschaften aufweisen.

Infolgedessen folgt die Kammer den Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach die Beispiele des Streitpatents lediglich zeigen, dass hochviskose Formulierungen der Einwirkung von Kraft auf die gefüllten Kapseln oder Kugeln erwartungsgemäß einen höheren Widerstand entgegensetzen als niedrigviskose.

3.7 Daher kann die gegenüber den in Dokument D1 offenbarten Waschmittelbeuteln mit thixotroper Füllung tatsächlich gelöste technische Aufgabe allenfalls darin gesehen werden, andere Waschmittel-Portionen mit wasserlöslicher Umhüllung bereitzustellen.

3.8 Wie bereits ausgeführt, offenbart Dokument D1 weder Umhüllungen, die in Kapsel- oder Kugelform vorliegen, noch dass deren Dicke 1 bis 300 mym betragen soll, wenn sie mit thixotropen Formulierungen gefüllt sind.

Wasserlösliche Umhüllungen für Reinigungsmittelformu-lierungen in Kapsel- oder Kugelform sind jedoch Stand der Technik. Dies ist aus Dokument D17 bekannt, welches auf die Beschwerdegegnerin zurückgeht (Seite 2, Zeilen 46 bis 50 und Seite 3, Zeilen 32 bis 37) und aus dem Streitpatent selbst, weil in den Beispielen herkömmliche Gelatine-Waschkugeln der Firma Swiss-Caps zum Einsatz kommen. Dass - wie die Beschwerdegegnerin meint - solche Kapseln oder Kugeln mehr Steifigkeit aufweisen als die Beutel von Dokument D1, ist nicht notwendigerweise der Fall und dem Stand der Technik auch nicht zu entnehmen.

Bezüglich der Dicke der Umhüllungen überlässt es Dokument D1 dem Fachmann diese nach seinen Bedürfnissen zu wählen, beispielsweise im Hinblick darauf, wie schnell sich die Umhüllungen auflösen sollen bzw. wie stabil sie sein sollen. Jedenfalls findet sich in Dokument D1 kein Anhaltspunkt dafür, gerade bei hochviskosen oder thixotropen Formulierungen, die der Einwirkung von Kraft ohnehin schon einen höheren Widerstand entgegensetzen als niedrigviskose, keine Wandstärken im unteren Bereich von Dokument D1 zu wählen, also im Bereich von 102 bis 254 mym.

3.9 Daher kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Umhüllungen in Kapsel- oder Kugelform mit einer Wandstärke im Bereich von 1 bis 300 mym zu den Optionen gehört, die ein Fachmann in Betracht zieht, um eine Alternative zu den in Dokument D1 beschriebenen Wasch-mittelbeuteln mit thixotroper Füllung bereitzustellen.

3.10 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 des geltenden einzigen Antrages beruht daher nicht auf der gemäß Artikel 56 EPÜ erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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