European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T095610.20110114 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 Januar 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0956/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98115881.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60T 8/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Korrektur einer Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit | ||||||||
Name des Anmelders: | WABCO GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (einziger Antrag) ja | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 98115881.9 wurde mit der am 10. Dezember 2009 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung wurde von der Anmelderin am 12. Januar 2010 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ging am 26. März 2010 ein.
II. Die Zurückweisung der Anmeldung wurde damit begründet, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber
D1: DE-A-42 01 112
nicht patentfähig sei.
III. Am 14. Januar 2011 fand eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des einzigen Antrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.
IV. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:
Verfahren zur Korrektur einer Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit (VRef) im Anschluss an eine scheinbare oder echte Verzögerung der Radgeschwindigkeits-Signale, bei einem Fahrzeug mit Antiblockiersystem (ABS), wobei Radschlupf-Regelsignale (lambda) sowie Rad beschleunigungs- oder -verzögerungsregelsignale (+/- b) erzeugt werden und wobei die Radschlupf-Regelsignale (lambda) der Fahrzeugräder überwacht werden, mit folgenden Merkmalen:
a) liegt für eine bestimmte Anzahl von Rädern ein Radschlupf-Regelsignal (lambda) vor, das über eine erste vorgegebene Zeit anhält, dann wird die Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit (VRef) auf den Wert der Radgeschwindigkeit (VR) der Räder mit dem Radschlupf-Regelsignal (lambda) geführt,
b) das Antiblockiersystem (ABS) weist einen Zähler auf, dessen Inhalt um jeweils 1 erhöht wird, wenn für ein Rad ein Radschlupf-Regelsignal (lambda) vorliegt, das eine zweite vorgegebene Zeit anhält,
c) der Wert der Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit (VRef) wird auf die höchste Radgeschwindigkeit (VR) herabgesetzt, wenn
c1) der Inhalt des Zählers größer als die Gesamtzahl der sensierten Räder des Fahrzeugs minus 1 ist und
c2) kein Radbeschleunigungs- oder -verzögerungsregelsignal (+/-b) ansteht.
V. Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Der vorliegende Anspruch 1 habe seine Basis in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 4 und 6. Aus Gründen der Klarheit sei nun das Merkmal vorgegebene Zeit aus dem ursprünglichen Anspruch 1 als erste vorgegebene Zeit und das Merkmal vorgegebene Zeit aus dem ursprünglichen Anspruch 4 als zweite vorgegebene Zeit bezeichnet worden. Es sei den ursprünglichen Unterlagen unmittelbar zu entnehmen, dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche vorgegebene Zeiten handeln müsse. Die relevante Textstelle in der Beschreibung nenne in diesem Zusammenhang die erste vorgegebene Zeit "Überwachungszeit" und die zweite vorgegebene Zeit "längere Zeit", vgl. Paragraph [0025] und [0026].
In den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 4 seien diese Zeiten jeweils als "... eine vorgegebene Zeit..." eingeführt worden. Hier würde auch durch die Verwendung des unbestimmten Artikels in den ursprünglichen Ansprüchen klar, dass es sich bei der vorgegebenen Zeit aus Anspruch 4 in Verbindung mit dem Zähler um eine andere vorgegebene Zeit handeln müsse, als in Anspruch 1.
Die Erfindung gemäß der Merkmalskombination des vorliegenden Anspruchs 1 löse die Aufgabe, die Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit auch dann korrigieren zu können, wenn ein Radgeschwindigkeitssensor fehlerhaft sein sollte.
Eine derartige Möglichkeit würde D1 nicht offenbaren, dort sei es nötig, dass alle Räder als blockiert erkannt werden, vgl. Fig. 4, Block 54. Aus Fig. 6 sei unmittelbar ersichtlich, dass der Ausfall eines Radsensors die Korrektur der Fahrzeug-Referenz geschwindigkeit unmöglich machen würde: wenn aufgrund eines Fehlers ein Sensor ausfallen sollte, würde der Algorithmus nach Fig. 6 immer nach 98 (NO) verzweigen, was zur Folge hätte, dass der Zähler wieder auf Null gesetzt würde (Fig. 4, Block 56) und damit nie eine Korrektur stattfände.
Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 erfinderisch.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Im Verfahren vor der Beschwerdekammer wurde der Anspruch 1, der die Grundlage der Entscheidung der Prüfungsabteilung bildet, durch Aufnahme der Merkmale b) und c) geändert. Der Gegenstand dieses geänderten Anspruchs ist ursprünglich offenbart; die Kammer folgt hierbei der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumentation (siehe Punkt V oben).
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 2, 3 und 5.
Die Beschreibung ist an die geänderten Ansprüche angepasst worden. Ferner sind in der Beschreibung Angaben zum Stand der Technik nach D1 aufgenommen worden.
Die Änderungen erfüllen daher die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu und erfinderisch gegenüber den im Verfahren befindlichen Stand der Technik.
3.1 Das Dokument D1 offenbart ein
Verfahren zur Korrektur einer Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit im Anschluss an eine scheinbare oder echte Verzögerung der Radgeschwindigkeits-Signale, bei einem Fahrzeug mit Antiblockiersystem (Zusammenfassung, Fig. 4, Spalte 3, Zeilen 5 bis 10),
wobei Radschlupf-Regelsignale sowie Rad beschleunigungs- oder -verzögerungsregelsignale erzeugt werden (die wheel acceleration ist Bestandteil der Berechnungen, folglich werden sie auch erzeugt),
und wobei die Radschlupf-Regelsignale der Fahrzeugräder überwacht werden (z.B. in Fig. 4, 54, slip at all wheels).
Wenn weiterhin die Bedingungen der Abfragen 60 und 62 erfüllt sind (all wheel speeds sufficiently high bzw. significant acceleration or deceleration, siehe auch Spalte 3, Zeilen 9 ff. und Spalte 4, Zeilen 8 ff.) wird ein Zähler (Counter, Block 68) hochgezählt und bei Erreichen eines Schwellwertes (Block 66) wird die Referenzgeschwindigkeit angepasst.
3.2 Das Verfahren gemäß Dokument D1 offenbart somit keinen Zähler, dessen Inhalt um jeweils 1 erhöht wird, wenn für ein Rad ein Radschlupf-Regelsignal vorliegt, das eine zweite vorgegebene Zeit anhält (gemäß Merkmal b) und dass die Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit dann korrigiert wird, wenn kein Radbeschleunigungs- oder Verzögerungssignal anliegt (Merkmal c2).
3.3 Mit diesen Merkmalen wird erreicht, dass die Korrektur der Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit auch dann wirksam ist, wenn ein Radgeschwindigkeitssensor fehlerhaft sein sollte, vgl. Beschreibung Paragraph [0027].
Diese Möglichkeit ist in Dokument D1 nicht offenbart. Wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt (siehe Punkt V oben), geht aus D1 hervor, dass für eine Korrektur der Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit alle Räder als blockiert erkannt werden müssen. Der Ausfall eines Sensors führt daher dazu, dass die Radgeschwindigkeit nicht korrigiert werden kann.
Die Problematik, die Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit auch mit fehlerhaften Sensoren korrigieren zu können sowie deren Lösung gemäß dem Anspruch 1 ist auch im weiteren recherchierten Stand der Technik weder erwähnt noch nahegelegt.
Daher ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 erfinderisch ist (Artikel 56 EPÜ).
3.4 Die Merkmale der Ansprüche 2 bis 4 definieren vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung gemäß Anspruch 1 und sind somit auch patentfähig.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 bis 4,
- Beschreibung, Seiten 1 bis 5, 5a, 6 bis 9,
jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung;
- Zeichnungen: Fig. 1 und 2,
wie ursprünglich eingereicht.