T 0879/10 () of 24.10.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T087910.20131024
Datum der Entscheidung: 24 October 2013
Aktenzeichen: T 0879/10
Anmeldenummer: 01936416.5
IPC-Klasse: H02P 5/17
G01P 3/48
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Bestimmen der Drehstellung der Antriebswelle eines Gleichstrommotors
Name des Anmelders: Leopold Kostal GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Klarheit - ja
Offenbarung der Erfindung - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Anmeldung Nr. 01 936 416.5.

II. In der angefochtenen Entscheidung kam die Prüfungsabteilung u. a. zu dem Schluss, dass die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt seien. Insbesondere sei der in den Ansprüchen 1 bis 4 benutzte Ausdruck "Stromrippelanteil" weder ein feststehender technischer Begriff noch in der Beschreibung eindeutig definiert.

Die Prüfungsabteilung vertrat außerdem die Ansicht, dass eine erfindungsgemäß korrekte Definition von "Stromrippelanteil", die die Ansprüche klarstellen würde, nicht direkt und eindeutig aus der Beschreibung zu entnehmen sei (Artikel 123(2) EPÜ).

III. In einer der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung wurde die Klarheit der in der Anmeldung verwendeten Begriffe "Stromrippel" und "Stromrippelanteil" nicht mehr in Frage gestellt.

Die Kammer äußerte jedoch Bedenken hinsichtlich der Offenbarung der Erfindung nach Artikel 83 EPÜ.

IV. Am 24. Oktober 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2013 eingereichten Anspruchs zu erteilen.

VI. Der einzige Anspruch lautet wie folgt:

"Verfahren zum Bestimmen der Drehstellung der Antriebswelle eines Gleichstrommotors durch Auswerten der im Ankerstromsignal enthaltenen Stromrippel, die bei einer Umdrehung des Ankers in einer der Anzahl der Kollektorlamellen entsprechenden Häufigkeit auftreten, gekennzeichnet durch,

- eine Bestimmung der zwischen der Bestromung des Gleichstrommotors und der Detektion des ersten Stromrippels liegenden ersten Zeitspanne tStart,

- eine Bestimmung der zwischen der Detektion des letzten Stromrippels und dem Stillstand des Ankers des Gleichstrommotors liegenden zweiten Zeitspanne tStop, wobei bei einer Abschaltung des Gleichstrommotors dieser in einen Generatorbetrieb zur weiteren Stromrippeldetektion umgeschaltet wird,

- eine Bestimmung eines der ersten Zeitspanne (tStart) entsprechenden Stromrippelanteils gemäß der Beziehung

tStart . k

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Stromrippelanteil =

tPer

- eine Bestimmung eines der zweiten Zeitspanne (tStop) entsprechenden Stromrippelanteils gemäß der Beziehung

tStop . k

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Stromrippelanteil =

tPer

wobei tPer eine einem Referenzstromrippel zuzurechnenden Periodendauer ist,

wobei für die erste Zeitspanne (tStart) als Referenzstromrippel ein bestimmter, nach der Detektion des ersten Stromrippels detektierter Stromrippel herangezogen wird,

wobei für die zweite Zeitspanne (tStop) als Referenzstromrippel der vor der Motorab- bzw. -umschaltung zuletzt detektierte Stromrippel herangezogen wird, und

wobei relevante Motorkenndaten als Konstante k berücksichtigt werden, und

- eine Einbeziehung der Stromrippelanteile in die Auswertung der Stromrippelzählung."

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die vorliegende Anmeldung stelle sich als Aufgabe, Ungenauigkeiten beim Bestimmen der Drehstellung der Antriebswelle eines Gleichstrommotors durch Zählung der Stromrippel im Ankerstromsignal zu reduzieren, wobei solche Ungenauigkeiten sich dadurch ergeben, dass beim Motoranlauf bzw. -auslauf eine Drehbewegung des Motorankers erfolgt, ohne dass ein Stromrippel detektiert werden kann. Diese Drehbewegung werde als Stromrippelanteil, d. h. als Anteil der jedem gezählten Stromrippel zuzurechnenden Drehbewegung, berücksichtigt, indem die Stromrippelanteile in die Auswertung der Stromrippelzählung einbezogen werden.

Dem erfindungsgemäßen Verfahren liege die Erkenntnis zugrunde, dass die Motorbetriebsbedingungen wie z. B. Betriebsspannung, Motorlast und Außentemperatur im gleichen Maße die Zeitspanne tStart zwischen der Bestromung des Motors und der Detektion des ersten Stromrippels bzw. die Zeitspanne tStop zwischen der Detektion des letzten Stromrippels und dem Stillstand des Ankers und die Zeitspanne tPer zwischen zwei aufeinander folgenden Stromrippeln beeinflussen und dass folglich ein linearer Zusammenhang zwischen dem Verhältnis tStart/tPer bzw. tStop/tPer und dem jeweiligen Stromrippelanteil besteht. Für einen bestimmten Motor und dessen vorgesehenen Einsatz könnten dann die in die Auswertung der Stromrippelzählung einzubeziehenden Stromrippelanteile als lineare Funktion von tStart/tPer bzw. tStop/tPer bestimmt werden, wobei der von den Motorkenndaten abhängige Proportionalitätsfaktor k experimentell ermittelt werden könne.

In Hinblick auf die beschriebene bevorzugte Ausführungsform und auf das vorauszusetzende übliche Fachwissen sei das erfindungsgemäße Verfahren in der Anmeldung ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Klarheit der Begriffe "Stromrippel" und "Stromrippelanteil"

2.1 Laut Beschreibung (veröffentlichte Anmeldung, Seite 1, Zeilen 11 bis 14) treten die im Ankerstromsignal enthaltenen Stromspitzen - im folgenden Stromrippel genannt - "bei einer Umdrehung des Ankers in einer der Anzahl der Kollektorlamellen entsprechenden Häufigkeit auf. Weist beispielsweise der Anker 10 Kollektorlamellen auf, sind im Ankerstromsignal entsprechend 10 Stromrippel zu erkennen". Im normalen Gleichstrommotorbetrieb wird somit bei jeder Motorumdrehung eine bestimmte Anzahl von Stromspitzen bzw. Stromrippeln gezählt, so dass dem Zeitabstand zwischen zwei benachbarten Stromspitzen immer eine bestimmte Drehbewegung des Ankers zugeordnet werden kann.

2.2 In der Beschreibung wird ferner angegeben (Seite 2, erster Absatz), dass sich Ungenauigkeiten bei einer Positionsbestimmung ergeben, die auf der Zählung der Stromrippel beruht, da bei einem Motorstart erst nach einer bestimmten Ankerdrehbewegung des Gleichstrommotors ein erster Stromrippel detektierbar ist. "Entsprechendes gilt beim Motorauslauf, wobei bei herkömmlichen Verfahren eine Stromrippeldetektion nach der Abschaltung des Gleichstrommotors nicht möglich ist und somit die Ankerbewegung in der Motorauslaufphase in die Positionsbestimmung nicht eingehen kann".

2.3 Der vorliegenden Erfindung liegt der Gedanke zugrunde, bei der Auswertung der Zählung der Stromrippel auch denjenigen Bewegungsanteil des Ankers eines Gleichstrommotors zu berücksichtigen, während dessen beim Motoranlauf bzw. -auslauf kein Stromrippel detektierbar ist.

Laut Beschreibung (Seite 2, Zeile 36 bis Seite 3, Zeile 19) entspricht dieser Bewegungsanteil dem Drehwinkelbetrag, um den sich der Anker drehen muss, damit ein erster Stromrippel gebildet wird. "Dieser Drehwinkelbetrag ist grundsätzlich kleiner als der Drehwinkelabstand zweiter [sic] aufeinander folgender Stromrippel. Daher kann in dieser ersten Anlaufphase des Gleichstrommotors bis zu der Detektion des ersten Stromrippels der Anker lediglich um einen Drehwinkelbetrag bewegt worden sein, der kleiner ist als die einem Stromrippel zuzurechnenden Periode. Zur Abschätzung wie groß der Stromrippelanteil in dieser ersten Motoranlaufphase bis zur Detektion des ersten Stromrippels ist, erfolgt zunächst eine Bestimmung derjenigen Zeitspanne, die sich zwischen der Bestromung und somit dem Einschalten des Gleichstrommotors und der ersten Stromrippeldetektion erstreckt. In einem nachfolgenden Schritt erfolgt eine Abschätzung des der Zeitspanne entsprechenden Stromrippelanteils unter Zugrundelegung von Kenngrößen tatsächlich detektierter Stromrippel. Ähnlich wird bei einem Motorstop bzw. bei einem Abschalten des Gleichstrommotors verfahren, wobei in einem ersten Schritt bei seiner Abschaltung der Gleichstrommotor in einen Generatorbetrieb umgeschaltet wird. Durch Umschalten des Gleichstrommotors in seinen Generatorbetrieb ist durch den auslaufenden Anker weiterhin eine Stromrippeldetektion möglich. Wie auch beim Motoranlaufen erfolgt bei einem Ausschalten des Gleichstrommotors eine Bestimmung derjenigen Zeitspanne, die sich zwischen der Detektion des letzten Stromrippels und dem Stillstand des Ankers erstreckt, woran sich die Abschätzung des dieser Zeitspanne entsprechenden Stromrippelanteils anschließt" (Unterstreichung hinzugefügt).

2.4 Der Beschreibung ist somit zu entnehmen, dass jeder detektierten Stromspitze bzw. jedem gezählten Stromrippel eine Ankerbewegung bzw. ein Drehwinkelbetrag zugeordnet werden kann. Da die Ankerbewegung bei der Motoranlaufphase und bei der Motorauslaufphase nicht durch Stromrippeldetektion erfasst werden kann, wird sie als Anteil der jedem Stromrippel zugeordneten Ankerbewegung definiert und bestimmt.

Mit anderen Worten wird die Drehbewegung des Ankers durch Zählung der Stromrippel ermittelt. Um Ungenauigkeiten zu vermeiden, die beim An- bzw. Auslauf des Motors entstehen können, wird die anfängliche Drehbewegung bzw. die auslaufende Drehbewegung als "Stromrippelanteil" (d. h. als Anteil der zwischen zwei Stromrippeln erfolgten Drehbewegung) definiert.

2.5 Die in der Anmeldung verwendeten Begriffe "Stromrippel" und "Stromrippelanteil" sind somit ausreichend definiert.

Artikel 83 EPÜ

3.1 Der Anspruch gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin bezieht sich auf ein "Verfahren zum Bestimmen der Drehstellung der Antriebswelle eines Gleichstrommotors durch Auswerten der im Ankerstromsignal enthaltenen Stromrippel, die bei einer Umdrehung des Ankers in einer der Anzahl der Kollektorlamellen entsprechenden Häufigkeit auftreten". Das beanspruchte Verfahren umfasst folgende Schritte.

a) eine Bestimmung der zwischen der Bestromung des Gleichstrommotors und der Detektion des ersten Stromrippels liegenden ersten Zeitspanne tStart,

b) eine Bestimmung der zwischen der Detektion des letzten Stromrippels und dem Stillstand des Ankers des Gleichstrommotors liegenden zweiten Zeitspanne tStop, wobei bei einer Abschaltung des Gleichstrommotors dieser in einen Generatorbetrieb zur weiteren Stromrippeldetektion umgeschaltet wird,

c) eine Bestimmung eines der ersten Zeitspanne (tStart) entsprechenden Stromrippelanteils gemäß der Beziehung

tStart . k

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Stromrippelanteil =

tPer

d) eine Bestimmung eines der zweiten Zeitspanne (tStop) entsprechenden Stromrippelanteils gemäß der Beziehung

tStop . k

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Stromrippelanteil =

tPer

e) eine Einbeziehung der Stromrippelanteile in die Auswertung der Stromrippelzählung.

Die Parameter tPer, tStart, tStop und die Konstante k sind in Anspruch 1 wie folgt definiert:

i) tPer ist eine einem Referenzstromrippel zuzurechnenden Periodendauer,

ii) für die erste Zeitspanne tStart wird als Referenzstromrippel ein bestimmter, nach der Detektion des ersten Stromrippels detektierter Stromrippel herangezogen,

iii) für die zweite Zeitspanne tStop wird als Referenzstromrippel der vor der Motorab- bzw. -umschaltung zuletzt detektierte Stromrippel herangezogen, und

iv) relevante Motorkenndaten werden als Konstante k berücksichtigt.

3.2 Da die Beziehung zwischen Ankerdrehstellung und Stromrippel unabhängig von der Laufgeschwindigkeit des Motors ist, können durch Zählen der Stromrippel die Ankerdrehbewegung und somit die Drehstellung der Antriebswelle bestimmt werden. Die Zeitspanne zwischen zwei Stromrippeln ist jedoch nicht konstant, sondern ändert sich insbesondere in der Motoranlauf bzw. -auslaufphase, wie Figuren 1 und 3 der Anmeldung zeigen.

3.3 Für die Zeitspanne zwischen der Bestromung des Gleichstrommotors und der Detektion des ersten Stromrippels und für die Zeitspanne zwischen der Detektion des letzten Stromrippels und dem Stillstand des Ankers werden gemäß den Verfahrensschritten c) und d) "Stromrippelanteile" ermittelt, die den Ankerdrehbewegungen während der An- bzw. Auslaufphase des Motors entsprechen, wobei solche Ankerdrehbewegungen offensichtlich kleiner als die Drehbewegung des Ankers zwischen zwei Stromrippeln sind. Da der Motor in diesen Phasen nicht mit konstanter Geschwindigkeit läuft, erfordert die Umrechnung einer Zeitspanne in eine Drehbewegung bzw. die Ermittlung des dieser Drehbewegung entsprechenden Stromrippelanteils die Bestimmung einer Funktion, die das dynamische Verhalten des Motors und dessen Last berücksichtigt (vgl. veröffentlichte Anmeldung, Seite 4 ab Zeile 9 und Seite 5).

3.4 Wie die Beschwerdeführerin überzeugend erklärt hat, beruht die vorliegende Erfindung auf der Erkenntnis, dass der Motoranlauf bzw. -auslauf und der gleichmäßige Motorlauf durch die Betriebsbedingungen in gleichem Maße beeinflusst werden, so dass ein proportionaler Zusammenhang zwischen dem Stromrippelanteil und dem Verhältnis der Zeitspannen tStart und tPer bzw. tStop und tPer besteht. Die Drehwinkelbewegung des Motors kann somit als Stromrippelanteil (d. h. als Anteil des Drehwinkelabstands zweier aufeinander folgender Stromrippel) durch die auf Seiten 4 und 5 der Beschreibung und im Anspruch angegebenen linearen Funktionen bestimmt werden. Wie dem Fachmann geläufig, kann die die Motorbetriebsbedingungen berücksichtigende Proportionalitätskonstante k experimentell ermittelt werden.

Obwohl die Anmeldung keine Angaben über die Bestimmung des "ersten Stromrippels" beim Motoranlauf bzw. des "letzten Stromrippels" beim Motorauslauf macht, kann davon ausgegangen werden, dass die Durchführung dieses Verfahrensschrittes üblichen fachlichen Anforderungen entspricht.

4.1 Zusammenfassend ist die Kammer der Ansicht, dass die erfindungsgemäße Lehre in der ursprünglichen Anmeldung ausreichend offenbart ist und dass Anspruch 1 nun alle wesentlichen Merkmale, die zur Ausführung des beanspruchten Verfahrens erforderlich sind, umfasst. Die Anmeldung erfüllt somit die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ.

4.2 Da die Prüfungsabteilung die vorliegende Anmeldung nach Artikel 84 EPÜ zurückgewiesen hat, bestand für sie keine Veranlassung, den Stand der Technik heranzuziehen und auf die Frage der Neuheit (Art. 54 EPÜ) bzw. der erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) einzugehen.

Deshalb hält es die Kammer für angezeigt, von ihrem Ermessen nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Anmeldung zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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