T 0834/10 (Alkalisilicat-Korngrößenverteilung/DALLI) of 21.3.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T083410.20120321
Datum der Entscheidung: 21 März 2012
Aktenzeichen: T 0834/10
Anmeldenummer: 02024319.2
IPC-Klasse: C11D 17/00
C11D 3/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wasserlösliche Builder von bestimmter Korngrösse in Wasch- und Reinigungsmitteln
Name des Anmelders: Dalli-Werke GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Henkel AG & Co. KGaA
UNILEVER N.V. / UNILEVER PLC
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung - Hauptantrag (nein)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung das europäische Patent 1 416 040 zurückzuweisen.

II. Im Beschwerdeverfahren reichte die Beschwerdeführerin/ Patentinhaberin mit ihrem Schreiben vom 16. Februar einen Hauptantrag und sieben Hilfsanträge ein. Die unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags lauten wie folgt:

"1. Wasch- oder Reinigungsmittel, enthaltend einen wasserlöslichen Builder, der aus amorphen Alkalisilicaten ausgewählt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Builder eine Korngrößenverteilung aufweist, die Korngrößen von 0,4 bis 3 mm umfasst, jedoch Korngrößen von 0,2 bis unter 0,4 mm ausschließt."

"7. Verwendung eines wasserlöslichen Builders in einem Wasch- oder Reinigungsmittel, wobei der wasserlösliche Builder aus amorphen Alkalisilicaten ausgewählt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Builder in das Wasch- oder Reinigungsmittel in einer Korngrößenverteilung eingesetzt wird, die Korngrößen von 0,4 bis 3 mm umfasst, jedoch Korngrößen von 0,2 bis unter 0,4 mm ausschließt."

"10. Verfahren zur Herstellung eines Wasch- oder Reinigungsmittels, dadurch gekennzeichnet, dass in das Wasch- oder Reinigungsmittel wasserlösliche Builder ausgewählt aus amorphen Alkalisilicaten mit einer Korngrößenverteilung von 0,4 bis 3 mm eingesetzt werden, jedoch Korngrößen von 0,2 bis unter 0,4 mm ausgeschlossen werden."

"11. Verwendung eines Wasch- oder Reinigungsmittels gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 in einem pH-Bereich für die Waschflotte von pH 8 bis pH 12."

III. Die Beschwerdegegnerinnen/Einsprechenden argumentierten, dass die Erfordernisse der Artikel 123(2), 54 und 56 EPÜ nicht erfüllt seien und nannten inter alia die folgenden Entgegenhaltungen:

D1 = WO-A-95/28469

D2 = WO-A-95/28465

D4 = US-A-5 496 376

D7 = DE-A-198 47 281

D9 = DE-A-199 43 237

D21= WO-A-91/13027

IV. Die Hauptargumente der Beschwerdegegnerinnen waren wie folgt:

Artikel 123(2) EPÜ

- Angesichts der Auslegung der Ansprüche durch die Beschwerdeführerin wird Anspruch 1 nicht als ursprünglich offenbart gesehen.

Artikel 54 EPÜ

- Jedes der Dokumente D1,D2,D4,D9,D21 offenbart amorphe Silikate und Builder mit der beanspruchten Korngrößenverteilung. Daher sind alle genannten Dokumente neuheitsschädlich.

Artikel 56 EPÜ

- Die Entgegenhaltungen D1,D2,D4,D7,D9,D21 offenbaren eine Korngrößenverteilung des Builders im beanspruchten Bereich. Daher kann der Unterschied zwischen dem Streitpatent und den Entgegenhaltungen lediglich in der Auswahl eines amorphen Alkalisilikats gesehen werden. Eine solche Auswahl ist naheliegend.

Die Hauptargumente der Beschwerdeführerin waren wie folgt:

Artikel 123(2) EPÜ

- Anspruch 1 wird durch die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1-3 gestützt.

Artikel 54 EPÜ

- Die Kombination von amorphem Alkalisilikat und der beanspruchten Teilchengröße ist in keinem der genannten Entgegenhaltungen offenbart.

Artikel 56 EPÜ

- Nach dem Aufgabe-Lösungsansatz muss D4 als nächstliegender Stand der Technik ausgewählt werden.

- D4 betrifft die gleiche Aufgabenstellung, schlägt aber eine völlig andere Lösung vor. Deshalb ist der beanspruchte Gegenstand nicht naheliegend.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Basis des Hauptantrags oder der Hilfsanträge 1 bis 7, alle mit dem Schreiben vom 16. Februar 2012 eingereicht.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Artikel 123(2) EPÜ

Anspruch 1 ist eine Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1-3.

Da alle Merkmale des Anspruchs 1 ohne Änderung ihrer Bedeutung und im identischen sachlichen Zusammenhang bereits in der ursprünglich eingereichten Anmeldung vorhanden waren, ist, unabhängig von der Interpretation des Wortlauts von Anspruch 1 durch die Parteien, das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt.

2. Artikel 123(3) EPÜ

Die von der Beschwerdegegnerin 1 erhobene Beanstandung hinsichtlich Artikel 123(3) EPÜ wurde während der Verhandlung wieder zurückgezogen.

3. Artikel 84 EPÜ

Da Anspruch 1 eine Kombination der erteilten Ansprüche 1,2 und 3 ist, kann eine eventuelle Unklarheit nicht das Ergebnis einer Änderung während des Einspruchsverfahrens sein. Demzufolge hat die Kammer im vorliegenden Fall nicht die Kompetenz Einwände hinsichtlich mangelnder Klarheit des Anspruchs zu prüfen.

4. Artikel 54 EPÜ

Seitens der Beschwerdegegnerinnen wurden D1,D2,D4,D9 und D21 als neuheitsschädliche Entgegenhaltungen zitiert.

4.1 D1 beschreibt Reinigungsmittelzusammensetzungen, welche einen wasserlöslichen Builder und ein Enzym beinhalten. Geeignete wasserlösliche Builder werden auf den Seiten 2-4 aufgelistet. Zu den genannten Beispielen zählt auch Natriumsilikat, jedoch ohne weitere Angabe hinsichtlich seines amorphen oder kristallinen Zustands. Auf Seite 10, erster Absatz, wird eine sorgfältige Auswahl der Teilchengröße des wasserlöslichen Builders empfohlen, die unter 1200 mym liegen sollte. Der bevorzugte Bereich wird als zwischen 500-1100 mym liegend angegeben. Die Kombination eines amorphen Alkalisilikats mit dem bevorzugten Größenbereich ist nicht offenbart.

4.2 Analoge Überlegungen gelten auch für D2. Das Dokument offenbart Reinigungsmittelzusammensetzungen mit wasserlöslichem Builder und einer Peroxidbleiche. Wiederum ist amorphes Alkalisilikat in Kombination mit dem bevorzugten Teilchendurchmesser des Builders von 500-1100 mym nicht offenbart.

4.3 D4 betrifft Waschmittel mit einem hohem Gehalt an alkalischem Carbonatbuilder. Das Beispiel 2 charakterisiert einen Builder gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Allerdings beschreibt Beispiel 2 die Bestimmung des Leitfähigkeitsmaximums einer wässrigen Suspension der Builder/Polymersuspension, also kein Wasch- oder Reinigungsmittel oder die Verwendung des Builders in einem solchen Wasch- oder Reinigungsmittel.

Auch die allgemeine Offenbarung der D4 ist nicht neuheitsschädlich, da nicht definiert ist, ob durch das Aufbringen von Alkalisilikat auf Carbonat/Polymer-partikeln amorphe oder kristalline Alkalisilikat-strukturen entstehen. Selbst wenn der Fachmann schlussfolgern würde, dass amorphe Silikate entstünden, wofür kein Beweis vorliegt, müssten Selektionen aus mehreren Listen gemacht werden, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen (Verwendung eines weiteren Bestandteils zusätzlich zu Carbonat und Polymer; Beschichtung der Partikel anstatt Verwendung eines Bindemittels; Auswahl von Alkalisilikat als Beschichtungsmittel). Daher ist die Offenbarung von D4 nicht neuheitsschädlich.

4.4 D9 betrifft Cogranulate aus Alkalischichtsilikaten und Sprengmitteln. Röntgenamorphe Alkalisilikate können zwar als Cobuilder enthalten sein, die Partikelgröße solcher Produkte ist allerdings nicht angegeben. Das von der Beschwerdegegnerin 1 hervorgehobene Beispiel 7 beschreibt, ebenso wie die anderen Beispiele, die Herstellung eines amorphen Natriumsilikats, welches anschließend getempert wird um ein kristallines Schichtsilikat herzustellen. Erst das getemperte Produkt wird in den Wasch- und Reinigungsmitteln verwendet. Somit beschreibt auch D9 nicht die gesuchte Merkmalskombination.

4.5 D21 nennt Silikatprodukte für die Verwendung in Reinigungsmittelzusammensetzungen. Die bevorzugte Teilchengröße liegt zwischen 0,4 und 0,75 mm, allerdings ist nicht angegeben, ob es sich um amorphe Alkalisilikate handelt. Das Argument, dass zum Anmeldezeitpunkt der Entgegenhaltung D21 keine anderen Silikate bekannt gewesen seien, wurde nicht überzeugend belegt.

4.6 Da keine der genannten Entgegenhaltungen eindeutig die zuvor beschriebene Merkmalskombination aufweist, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags neu. Analoge Überlegungen gelten auch für die unabhängigen Ansprüche 7,10 und 11.

5. Artikel 56 EPÜ

Nach dem von den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angewandten Aufgabe-Lösungs-Ansatz ist festzustellen, welche technische Aufgabe durch den Streitgegenstand gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik im ganzen beanspruchten Bereich objektiv gelöst wird, und ob die vorgeschlagene Lösung dieser Aufgabe im Lichte des verfügbaren Standes der Technik naheliegend ist.

5.1 Die Aufgabe des Streitpatents ist die Bereitstellung eines Waschmittels mit geringerer Inkrustation bzw. verminderten Waschmittelrückständen (Streitpatent, Paragraph [0009]).

Die Beschwerdegegnerinnen erachteten die Entgegenhaltungen D1,D2,D4,D7,D9,D21 alle als gleichwertige Ausgangspunkte für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit.

D1 betrifft die verzögerte Freisetzung eines Enzyms bezogen auf die Freisetzung des wasserlöslichen Builders.

D2 beschreibt die verzögerte Freisetzung der Peroxidbleiche bezogen auf die Freisetzung des wasserlöslichen Builders.

D4 nennt als Aufgabe die Reduzierung der Inkrustation von Waschmitteln.

D7 strebt bei vorgegebener Wasserhärte nach verkürzten Zerfallszeiten von kompakten Formkörpern, die wasch- und reinigungsaktive Eigenschaften aufweisen.

D9 diskutiert den Einfluss von Cogranulaten, welche Alkalischichtsilikate enthalten auf das Sprengverhalten von Tabletten für Wasch- und Reinigungsmittel.

D21 betrifft die Erhöhung der Schüttdichte von verdichtetem Natriumsilikat für die Verwendung in Reinigungsmitteln.

Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kommt als nächstkommender Stand der Technik nur eine Druckschrift in Betracht, in der Gegenstände oder Verfahren offenbart sind, die dem gleichen Zweck wie die be anspruchten Gegenstände oder Verfahren dienen.

Da nur D4 die gegenständliche Aufgabenstellung beschreibt, wird D4 als nächstliegender Stand der Technik erachtet.

5.2 Im Hinblick auf D4 ist das objektive Problem des Streitpatents die Bereitstellung eines alternativen Produkts, bzw. dessen Herstellung und Verwendung.

5.3 Als Lösung dieser Aufgabe wurden der Produktanspruch 1, die Verwendungsansprüche 7 und 11 und das Herstellungsverfahren nach Anspruch 10 vorgeschlagen.

5.4 Die Einsprechenden argumentierten, dass das gestellte Problem nicht über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst sei. Die Beispiele 2.16-2.18 des Streitpatents fielen nicht unter den Anspruch 1 des Streitpatents, zeigten aber keine schlechteren Ergebnisse als die erfindungsgemäßen Beispiele.

Die Kammer kann dieser Argumentation nicht folgen. Gemäß Absatz [0067] des Streitpatents sollen "kein Niederschlag, bzw. geringe Waschmittelrückstände auf dem Waschgut nach Beendigung des Waschvorgangs zu finden sein." Dies wurde durch die im Streitpatent vorhandenen Beispiele gezeigt. Weitere Argumente oder Beweise wurden von den Beschwerdegegnerinnen nicht vorgebracht.

Aus diesem Grund kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die gestellte Aufgabe über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst wurde.

5.5 Schließlich ist zu klären, ob, ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik, die beanspruchte Lösung naheliegend war.

D4 beschreibt granulierte Waschmittel, die einen oberflächenaktiven Stoff, einen wasserlöslichen Alkalicarbonatbuilder und ein polymeres Polycarboxylat enthalten. Dabei soll das polymere Polycarboxylat frühestens 60 Sekunden nach der vollständigen Lösung des Carbonats freigesetzt werden. Dieser Effekt kann durch einen oberflächlichen Film aus Natrium- oder Kaliumsilikat auf den granulierten Komponenten verstärkt werden. Durch diese verzögerte Freisetzung des polymeren Polycarboxylats wird in D4 eine Verringerung der Inkrustation bewirkt.

Im Gegensatz dazu wird im Streitpatent die reduzierte Inkrustation durch Ausschluss einer bestimmten Korngröße des amorphen Alkalisilikatbuilders bewirkt, wie in den Beispielen des Streitpatents gezeigt, d.h. die vorgeschlagene Lösung des Problems ist völlig unterschiedlich. Deshalb führt nicht nur D4, sondern auch die Kombination dieser Entgegenhaltung mit den weiteren zitierten Dokumenten nicht zum beanspruchen Gegenstand.

Die Argumentation der Einsprechenden, dass die verwendeten Korngrößen aus dem Stand der Technik bekannt seien und sich das Streitpatent vom Stand der Technik nur in der Auswahl des amorphen Alkalisilikats unterscheide kann nicht gefolgt werden, da aus den zitierten Dokumenten des Stands der Technik der Zusammenhang zwischen der Korngröße des amorphen Alkalisilikats und dem Inkrustationsverhalten nicht ableitbar ist.

5.6 Daher erfüllen die Ansprüche 1,7,10,11 des Hauptantrags das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung das Patent of der Basis des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 16. Februar 2012 und einer noch anzupassenden Beschreibung, aufrechtzuerhalten.

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