T 0830/10 () of 23.2.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T083010.20120223
Datum der Entscheidung: 23 Februar 2012
Aktenzeichen: T 0830/10
Anmeldenummer: 05020313.2
IPC-Klasse: D01G 31/00
D01G 15/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Karde mit Modulführung
Name des Anmelders: MASCHINENFABRIK RIETER AG
Name des Einsprechenden: Trützschler GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen - nein
Zulassung zum Verfahren (neuer Antrag) - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 30. März 1999 unter Inanspruchnahme zweier schweizerischer Prioritäten vom 30. März 1998 und vom 23. September 1998 als Teilanmeldung zu den früheren Anmeldungen 999100071.2 und 02028598.7 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 05020313.2 wurde das europäische Patent Nr. 1 612 302 mit 11 Ansprüchen erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe der Artikels 100 a) EPÜ, Einspruch eingelegt mit dem Antrag auf Widerruf des Patents.

III. Die Einspruchsabteilung hat mit ihrer am 16. März 2010 zur Post gegebenen Entscheidung festgestellt, dass unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.

Anspruch 1 dieser Fassung lautet:

"Karde, insbesondere Karde mit einer Arbeitsbreite (B) grösser als 1000 mm, dadurch gekennzeichnet, dass ein Auslauf- und/oder Einlaufmodul (352, 356) vorgesehen ist und dass eine Modulführung (382, 384) in der Karde eingebaut ist, um das Modul (352, 356) in bzw. aus einer Bereitschaftsposition zu führen, wobei die Bereitschaftsposition derart gewählt ist, dass in dieser Position das Modul (352, 356) an das Maschinengestell befestigt und anschliessend in eine Arbeitsstellung gebracht werden kann."

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 20. April 2010 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und am 7. Juli 2010 die Beschwerdebegründung eingereicht.

V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem Bescheid vom 2. Dezember 2011 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt, wonach D16 möglicherweise im Hinblick auf die Neuheit des Gegenstands des Anspruch 1 relevant sei. Falls das Neuheitserfordernis erfüllt sei, werde die erfinderische Tätigkeit zu diskutieren sein.

VI. Am 23. Februar 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag vorlegte, welcher lautet (Änderungen gekennzeichnet):

"Karde, insbesondere Karde mit einer Arbeitsbreite (B) grösser als 1000 mm, dadurch gekennzeichnet, dasswobei ein Auslauf- und/oder Einlaufmodul (352, 356) vorgesehen ist und dass eine Modulführung (382, 384) in der Karde eingebaut ist und jedes Modul (352, 356) mit Mitteln zum Zusammenarbeiten mit der jeweiligen Führung (382, 384) versehen ist, um das Modul (352, 356) in bzw. aus einer Bereitschaftsposition zu führen, wobei die Bereitschaftsposition derart gewählt ist, dass in dieser Position das Modul (352, 356) an das Maschinengestell befestigt und anschliessend in eine Arbeitsstellung gebracht werden kann, dadurch gekennzeichnet, dass nach Verbringen des Moduls in die Arbeitsstellung die Mittel nicht mehr in Berührung mit der jeweiligen Führung stehen."

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 612 302.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3 des Antrags vom 23. Februar 2012.

VII. Die Beschwerdeführerin brachte vor, es handle sich um einen spät eingereichten Antrag, der nicht mehr zugelassen werden dürfe. Die im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen seien der Beschreibung entnommen und teilweise aus dem dortigen Zusammenhang isoliert, so dass ein Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ vorliege.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, die Änderungen entstammten zwar der Beschreibung, seien dort jedoch klar offenbart. Hierzu verwies sie auf die Patentschrift, Spalte 10, Zeilen 4 bis 6 und Zeilen 11 bis 14.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulassung des neuen Antrags zum Verfahren

2.1 Nach Artikel 114(2) EPÜ 1973 braucht das Europäische Patentamt Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen. Hierzu bestimmt Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK), dass es im Ermessen der Kammer steht, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern wird deshalb ein erst in der mündlichen Verhandlung eingereichter Antrag in der Regel nur zum Verfahren zugelassen, wenn er bestehende Kritikpunkte ausräumt, keine neuen Probleme aufwirft und deshalb prima facie als gewährbar erscheint.

2.2 Der vorliegende Hauptantrag erfüllt aus den nachstehenden Gründen die oben beschriebenen Anforderungen nicht.

3. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

3.1 Die als Basis für die Änderungen des Anspruchs 1 herangezogenen Textstellen stehen in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels (Abschnitte [0035] und [0036]) und lauten:

"Jedes Modul 352, 356 ist auch mit Mitteln zum Zusammenarbeiten mit der jeweiligen Führung versehen."

und:

"Wenn das Modul 352 bzw. 356 in seiner Arbeitsstelle ist, stehen die Rollen bzw. Gleitmittel nicht mehr in Berührung mit der jeweiligen Führung 382 und 384."

3.2 Die erste Textstelle offenbart also "Mittel" zum Zusammenarbeiten mit der jeweiligen Führung. Im folgenden Abschnitt der Beschreibung des Ausführungsbeispiels sind diese "Mittel" konkret als "Rollen oder Gleitmittel" bezeichnet, die in der Arbeitsstelle nicht mehr mit der Führung in Verbindung stehen. Im Anspruch 1 werden diese "Rollen oder Gleitmittel" jedoch allgemein als "Mittel" bezeichnet, was zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung führt. Es wird nämlich ein Gegenstand beansprucht, bei dem die ursprünglich offenbarten Rollen oder Gleitmittel in "Mittel" geändert wurden, was in dieser allgemeinen Form nicht offenbart ist.

4. Damit erfüllt der einzige Antrag das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ nicht. Er ist schon prima facie nicht gewährbar und folglich nicht zum Verfahren zuzulassen. Es liegt somit kein Antrag vor, der eine Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents bilden könnte, so dass das Patent zu widerrufen ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent wird widerrufen.

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