European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T077010.20101214 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 Dezember 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0770/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05027013.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | A47L 9/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Staubsaugerfilterbeutel mit Ablenkvorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Eurofilters Holding N.V. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Wolf PVG GmbH & Co. Kommanditgesellschaft Branofilter GmbH |
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Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Neuheit (nein) Hilfsanträge 2 und 3 - erfinderische Tätigkeit (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 7. April 2010 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 1. März 2010 das Patent zu widerrufen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet, und am 28. Juni 2010 eine schriftliche Begründung der Beschwerde eingereicht.
II. Die Einspruchsabteilung war zu der Auffassung gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aller zugelassenen Anträge gegenüber
D9: GB-A-815 709
nicht neu sei.
III. Zusätzlich zu D9 wurde im Einspruchsverfahren u.a. folgende Druckschrift genannt:
D10: DE-A-102 03 460.
IV. Am 14. Dezember 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in unveränderter Fassung gemäß Hauptantrag, oder hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 30. November 2010, aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
In D9 sei zwar eine Ablenkvorrichtung in Gestalt einer Tasche vorhanden, diese sei aber nicht im Beutelinneren mit dem Filtermaterial der Staubsaugerfilterbeutelwand, sondern mit dem Ring oder Verbindungsrohr aus Pappe verklebt. Somit sei die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 gegenüber D9 gegeben.
In D9 sei die Tasche (Ablenkvorrichtung) zum Verschließen der Einlassöffnung ausgebildet. Aus diesem Grund würde der Fachmann die Verwendung eines luftdurchlässigen Materials wie Vlies, zur Bildung eines solchen Verschlusses, nicht in Betracht ziehen.
Ferner sei der aus D9 bekannte Staubsaugfilterbeutel, in dem die Ablenkvorrichtung angeordnet ist, aus Papier gefertigt und kein Flachbeutel. Ein Flachbeutel sei zwar aus D10 bekannt, es gebe für den Fachmann jedoch keinen Grund, den Papierbeutel aus D9 als Flachbeutel auszugestalten, weil beide konstruktiv zu verschieden seien. Von D10 ausgehend fehle jeglicher Anreiz, D9 heranzuziehen, da in D9 einer Aufteilung des eintretenden Luftstroms in zwei Teilströme keine Bedeutung zukomme.
Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechenden I und II) haben dem widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
In D9 sei ein Staubsaugerfilterbeutel bestehend aus einem Filterbeutel, einer flexiblen Tasche und einem mit der Tasche verbundenen Pappring offenbart, wobei die in dem Filterbeutel angeordnete Tasche eine der Einlassöffnung gegenüberliegende Ablenkfläche bilde. Patentanspruch 1 verlange nicht, dass die Ablenkvorrichtung einstückig aus dem gleichen Material ausgebildet sei. Die beanspruchte Ablenkvorrichtung könne auch zweiteilig sein. Daher seien in D9 die flexible Tasche und der damit verbundene Pappring zusammen als Ablenkvorrichtung im Sinne des angefochtenen Patents zu betrachten. Diese zweiteilige Ablenkvorrichtung sei in D9 im Beutelinneren mit dem Filtermaterial der Staubsaugerfilterbeutelwand verklebt. Deswegen sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- und Hilfsantrags 1 nicht neu.
Die Verwendung von Vlies zur Bildung der Staubsaugerfilterbeutelwand sei Stand der Technik und z.B. aus D10 bekannt. Dass es herstellungsmäßig auch für einen Staubsaugerfilterbeutel wie aus D9 bekannt, vorteilhaft sei, für die Ablenkvorrichtung solch ein gängiges Material zu wählen, liege auf der Hand.
Um die Herstellung eines solchen Staubsaugerfilterbeutels zu vereinfachen, wäre es für den Fachmann auch naheliegend, auf Fertigungsmethoden wie in D10 bzw. auf Flachbeutel zurückzugreifen. Deshalb beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 2 und 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. Anspruch 1 des Patents wie erteilt lautet wie folgt:
1. Staubsaugerfilterbeutel (1) mit einer Einlassöffnung (3) und einer im Bereich der Einlassöffnung (3) angeordneten Ablenkvorrichtung (2), die derart ausgebildet ist, dass ein durch die Einlassöffnung (3) eintretender Luftstrom ablenkbar ist, wobei die Ablenkvorrichtung (2) im Beutelinneren mit dem Filtermaterial der Staubsaugerfilterbeutelwand verklebt oder verschweißt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Ablenkvorrichtung (2) zum Aufteilen des Luftstroms in wenigstens zwei Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen ausgebildet ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 fügt im vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags das Merkmal des Anspruchs 4 wie erteilt (Anspruch 6 wie eingereicht) hinzu. Dieses Merkmal lautet wie folgt: "wobei die Ablenkvorrichtung wenigstens eine der Einlassöffnung gegenüberliegende Ablenkfläche(5) umfasst."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 fügt im vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags eine der in Anspruch 21 wie erteilt offenbarten Alternativen (Anspruch 23 wie eingereicht) hinzu. Dieses Merkmal lautet wie folgt: "wobei das Material der Ablenkvorrichtung ein trocken- oder nassgelegtes Vlies umfasst."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 fügt im vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags folgendes Merkmal hinzu: "und der Staubsaugerfilterbeutel als Flachbeutel ausgebildet ist."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag und Hilfsantrag 1:
2.1 Es ist unbestritten, dass aus D9 (Seite 1, Zeilen 58 bis 90; Figur 1) ein Staubsaugfilterbeutel bestehend aus einem Papierfilterbeutel, einer Tasche aus einem flexiblem Plastikmaterial und einem die Einlassöffnung bildenden Ring oder Verbindungsrohr aus Pappe (6) bekannt ist, wobei die Tasche eine der Einlassöffnung gegenüberliegende Ablenkfläche bildet, die den eintretenden Luftstrom in zwei Teilströme mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen unterteilt.
Ferner ist die Tasche mit dem Pappring verbunden (Seite 1, Zeilen 74 bis 76) und bildet somit mit diesem eine Ablenkvorrichtung im Sinne des Streitpatents. Des Weiteren ist der Pappring dieser Ablenkvorrichtung durch Verkleben und durch Klammern mit der Innenseite der Staubsaugfilterbeutelwand verbunden (Seite 1, Zeilen 69 bis 73).
2.2 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass, falls der Pappring Teil der Ablenkvorrichtung sei, diese dann nicht vollständig im Beutelinneren angebracht sei.
Dies wird jedoch vom Anspruch 1 nicht verlangt. Anspruch 1 fordert lediglich, dass "die Ablenkvorrichtung (2) im Beutelinneren mit dem Filtermaterial der Staubsaugerfilterbeutelwand verklebt oder verschweißt ist". Da der Pappring mit der Innenfläche der Staubsaugerfilterbeutelwand verklebt ist, wird dieses Erfordernis des Anspruchs 1 erfüllt.
2.3 Daraus ergibt sich, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 gegenüber D9 nicht neu ist.
3. Hilfsantrag 2:
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 fügt weiter hinzu, dass "das Material der Ablenkvorrichtung ein trocken- oder nassgelegtes Vlies umfasst".
Da beide Varianten der Vliesherstellung im dem Merkmal genannt sind, lässt sich dieses Merkmal darauf reduzieren, dass das Material zur Bildung der Ablenkvorrichtung Vlies umfasst. In D9 wird als Material zur Bildung der Ablenkvorrichtung in der Form einer Tasche ein flexibler Kunststoff empfohlen (Seite 1, Zeilen 79 bis 81)
3.2 Hiervon ausgehend könnte die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, eine Alternative zu dem in D9 genannten flexiblen Kunststoffmaterial zur Bildung der Ablenkvorrichtung in Gestalt von einer Tasche zu finden.
3.3 Es ist unbestritten, dass zum Prioritätszeitpunkt die meisten Staubsaugerfilterbeutel statt aus Filterpapier aus Vliesstoff hergestellt wurden. Beispielsweise ist in D10 ein Staubsaugerfilterbeutel aus Vliesstoff offenbart, insbesondere soll ein Volumenvlies eingesetzt werden (Anspruch 3). So heißt es insbesondere auf Spalte 1, Zeilen 40 bis 42: "Dieses Material ist darüber hinaus auch noch wesentlich reißfester und demzufolge entsprechend belastbar".
Es ist mithin als für den Fachmann naheliegend anzusehen, bei dem aus D9 bekannten Staubsaugerfilterbeutel flexibles Kunststoffmaterial durch Vliesstoff zur Bildung der Ablenkvorrichtung in Form von einer Tasche zu ersetzen, wie es ihm durch D10 zur Lösung seiner Aufgabe empfohlen wird. Das unmittelbare Ergebnis hiervon ist ein Staubsaugerfilterbeutel, der alle im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist.
3.4 Demgegenüber machte die Beschwerdeführerin geltend, dass in D9 die Ablenkvorrichtung in Form von einer Tasche zum Verschließen der Einlassöffnung ausgebildet sei, wobei Vlies für den Einsatz als Verschluss eine wesentliche negative Eigenschaft habe: es sei äußerst luftdurchlässig, so dass ein solcher Einsatz kaum vorstellbar sei.
Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen: Zum Prioritätszeitpunkt war es bereits gang und gäbe, den Staubsaugerfilterbeutel selbst aus Vlies herzustellen. Da auch das Vlies eines solchen Beutels luftdurchlässig ist und eine viel größere Fläche als der Verschluss hat, kann die Herstellung eines Verschlusses, der selbst genau so luftdurchlässig wie der Beutel ist, kein Hindernis für den Fachmann dargestellt haben.
3.5 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Hilfsantrag 3:
4.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 fügt im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags folgendes Merkmal hinzu: "und der Staubsaugerfilterbeutel als Flachbeutel ausgebildet ist."
4.2 Ein Flachbeutel besteht im Wesentlichen aus zwei Beutelwänden aus Filtermaterial, insbesondere aus Vliesstoff, die entlang ihrer Ränder miteinander verbunden sind. Die Wandungen eines solchen Beutels enthalten keine gefalteten Bereiche, bevor sie miteinander verbunden werden.
Solche Flachbeutel gehörten am Prioritätsdatum zum Stand der Technik, wie durch D10 belegt. Wie im Absatz [0006] von D10 angegeben, erlaubt diese Bauart, einen Staubsaugerfilterbeutel "in äußert einfacher Weise mit nur wenigen Elementen herzustellen". Die Beutelwände können aus blattförmigen Zuschnitten gleicher Größe gefertigt werden, die in ihren äußeren Randbereichen miteinander durch Schweißnähte verbunden sind. In D10 wird eine solche Fertigung als "besonders wirtschaftlich" bezeichnet, "da es möglich ist, von zwei Rollen zwei Bahnen abzuziehen und davon die Zuschnitte abzuschneiden", siehe den die Seiten 2 und 3 überbrückenden Satz.
4.3 D9 wurde 1959 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt wurden üblicherweise Staubsaugerfilterbeutel aus Filterpapier hergestellt. Staubsauger, die den in D9 beschrieben Typ von Filterbeutel benutzen, werden auch heute noch eingesetzt.
Ausgehend von D9 als nächstkommendem Stand der Technik, könnte die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, einen Staubsaugerfilterbeutel vorzuschlagen, der einfacher und wirtschaftlicher gefertigt werden kann.
4.4 Wie von die Beschwerdeführerin selbst vorgetragen, wurden in den fünfziger Jahren die Staubsaugerfilterbeutel aus Papier hergestellt, danach in den achtziger Jahren wurde in die Papierhülle eine Vlieslage eingebaut und schließlich ab den neunziger Jahren wurden die Staubsaugerfilterbeutel vollsynthetisch aus Vlies und vorzugsweise als Flachbeutel hergestellt. Wie schon vorstehend dargelegt, lehrt D10, dass solche Flachbeutel in einfacher Weise herstellbar sind.
4.5 Es war daher für den Fachmann als naheliegend anzusehen, den Papierbeutel von D9, in dem die Ablenkvorrichtung angeordnet ist, durch einen Flachbeutel zu ersetzen, wie es ihm durch D10 zur Lösung seiner Aufgabe empfohlen wurde, um so mehr, als dies dem allgemeinen Trend auf dem technischen Gebiet der Staubsaugerfilterbeutel entsprach.
4.6 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Da keiner der Hilfsanträge patenfähig ist, erübrigt es sich der Frage nachzugehen, ob sie den formalen Erfordernissen, insbesondere denjenigen der Artikel 123(2) und 84 EPÜ genügen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.