T 0575/10 (Redundanzeinheiten/ASTRIUM) of 20.11.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T057510.20151120
Datum der Entscheidung: 20 November 2015
Aktenzeichen: T 0575/10
Anmeldenummer: 99104451.2
IPC-Klasse: G06F 11/18
H05K 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur fehlertoleranten Ausführung von Programmen
Name des Anmelders: Astrium GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Patentansprüche - Deutlichkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 99104451.2 betrifft eine Vorrichtung zur fehlertoleranten Ausführung von Programmen durch parallelen Betrieb von als Redundanzeinheiten ausgebildeten Recheneinheiten.

II. Die Anmeldung wurde in einer Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Die Gründe für die Zurückweisung waren die mangelnde Deutlichkeit der zur Prüfung vorgelegten Ansprüche 1 und 4, die einteilige Form des unabhängigen Anspruchs 1 und unzulässige Änderungen auf der Seite 5 der Beschreibung. Die Entscheidung stützt die Begründung für die mangelnde Deutlichkeit auf die Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, Teil C, Kapitel III, Abs. 4.7 und 4.13 (Stand April 2009). Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Akte verwiesen (http://register.epo.org).

III. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen diese Entscheidung form- und fristgerecht unter Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Sie reichte einen geänderten Patentanspruch 1 sowie geänderte Seiten 1 und 5 der Beschreibung ein und beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und die Erteilung eines Patentes zu beschließen sowie hilfsweise eine mündlichen Verhandlung durchzuführen.

IV. Die Kammer teilte der Beschwerdeführerin mit, der Beschwerde könne dahin gehend stattgegeben werden, dass die Angelegenheit zur weiteren Prüfung und Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen werde, falls einige näher bezeichnete Mängel in den Ansprüchen 1 und 4 behoben würden.

V. Die Beschwerdeführerin reichte entsprechend geänderte Ansprüche mit einem Schreiben vom 20. Oktober 2015 und weitere Änderungen der Ansprüche mit einem Schreiben vom 16. November 2015 ein. Anspruch 1 in dieser zuletzt geänderten Fassung lautet wie folgt:

"Vorrichtung mit mehreren parallel arbeitenden Recheneinheiten, die zur fehlertoleranten Ausführung von Digitalrechnerprogrammen durch parallelen Betrieb von als Redundanzeinheiten ausgebildeten Recheneinheiten geeignet ist, wobei jede Recheneinheit (1) als Modul ausgebildet ist, und eine beliebige Anzahl an Rechnereinheiten[sic] über Datenleitungen (21) zum Austausch von Datensignalen, Taktleitungen (22) zur Zwangssynchronisation und Resetleitungen (23) zum Abschalten einer Recheneinheit parallelschaltbar ist, wobei die Datenleitungen (21), Taktleitungen (22) und Resetleitungen (23) Cross-Strapping-Verbindungen sind und beim Abschalten einer Recheneinheit mittels der Resetsignale die Recheneinheit nicht mehr am parallelen Betrieb teilnimmt und in eine Wartestellung übergeht, dadurch gekennzeichnet, dass eine Mikroprozessor-Steuereinheit (14a, 14b) zur Steuerung der Funktionen der Recheneinheit, zur Durchführung eines Datenvergleichs, des Datenaustauschs und zur Fehlerbehandlung, einen Reset-Schaltkreis (16) für eine fehlertolerante Abschaltung einer benachbarten Recheneinheit, einen Schaltkreis (19) zur Generierung einer der Recheneinheit zugewiesenen Kennung und einen Schreib-/Lesespeicher (9) mit einer Einrichtung zur Fehlererkennung und -korrektur aufweist."

VI. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der Entscheidung der Prüfungsabteilung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung sowie hilfsweise eine mündliche Verhandlung beantragt.

VII. Die Grundlage für die beantragten Änderungen der Anmeldung sind nach Angabe der Beschwerdeführerin auf der Seite 2, letzter Absatz bis Seite 3, Absatz 1, der Seite 8, letzter Absatz bis Seite 9, Absatz 1 und der Seite 12, Absatz 2 in der ursprüngliche Fassung der Anmeldung zu finden.

Entscheidungsgründe

1. Die zulässige Beschwerde ist unter Berücksichtigung der Änderungen der Anmeldungsunterlagen begründet. Da die Erfindung noch nicht auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit geprüft worden ist, ist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

2. Die Gründe für die Zurückweisung halten der Überprüfung nicht stand oder wurden durch die vorliegenden Änderungen der Anmeldungsunterlagen ausgeräumt.

2.1 In Punkt 1.1 i) der Entscheidungsgründe wird die Definition "Vorrichtung zur fehlertoleranten Ausführung von Programmen,..., durch parallelen Betrieb von als Redundanzeinheiten ausgebildeten Recheneinheiten" in Anspruch 1 mit Verweis auf die Richtlinien C-III 4.13 (Stand April 2009) dahin gehend ausgelegt, dass die Vorrichtung nur für diesen Zweck geeignet sein müsse und daher die Recheneinheiten nicht als Bestandteil der Vorrichtung definiert seien. Eine Vorrichtung ist aber nur dann zur Durchführung eines Verfahrens geeignet, wenn die Durchführung des Verfahrens keine weitere Modifikation der Vorrichtung erfordert. Hierauf wird im ersten Absatz des zitierten Abschnittes der Richtlinien ausdrücklich hingewiesen. Die Vorrichtung ohne Recheneinheiten wäre daher nach korrekter Auslegung des Anspruchs nicht zur Ausführung von Programmen durch parallelen Betrieb der Recheneinheiten geeignet. Die Beanstandung wurde daher zu Unrecht erhoben.

2.2 In Punkt 1.1 ii) der Entscheidungsgründe wird das Merkmal "Reset-Verbindungen zum Austausch von... Signalen zum Ein-und Ausschalten jeder Recheneinheit" in Anspruch 1 beanstandet, da dieses Merkmal lediglich ein zu erreichendes Ergebnis bezeichne. Dieses Merkmal definiert jedoch auch Mittel zur Erreichung des Ergebnisses, nämlich Signalverbindungen zum Austausch von näher definierten Signalen zum Rücksetzen der einzelnen Recheneinheiten. Derartige Rücksetzfunktionen bei Prozessoren sind dem Fachmann geläufig. Es handelt sich hier um eine übliche und zulässige Definition einer Schaltung mittels ihrer funktionellen und baulichen Merkmale. Die Beanstandung wurde daher zu Unrecht erhoben.

2.3 Des Weiteren wird in der angefochtenen Entscheidung das Merkmal "Ein-und Ausschalten jeder Recheneinheit" beanstandet. Diese Beanstandung hat sich mit den neuen Anmeldungsunterlagen erledigt.

2.4 Punkt 1.2 der Entscheidungsgründe beanstandet das Merkmal "das Modul (ist) ein PPE (Processor Pool Element)" im abhängigen Anspruch 4 mit der Begründung, es handele sich hier nicht um einen üblichen oder wohldefinierten Fachbegriff und es sei unklar, welche technischen Merkmale durch diesen Ausdruck impliziert würden. Auf dem Gebiet von Mehrprozessorsystemen ist jedoch der Begriff "Prozessorpool" geläufig, und damit ist auch die Verwendung des Begriffs "Prozessorpoolelement" in einem Anspruch nicht zu beanstanden.

3. In Abschnitt III "Weitere Bemerkungen" erhebt die Prüfungsabteilung zusätzliche Beanstandungen, offensichtlich ohne diese der Entscheidung zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens erscheint es sinnvoll, auch diese Beanstandungen zu prüfen.

3.1 In Punkt 1 i) des Abschnitts III beanstandet die Prüfungsabteilung unter Hinweis auf verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, dass es unklar sei , welche technische Bedeutung oder Wirkung das Merkmal "eine der Recheneinheit zugewiesenen Codierung" habe. Hierzu ist festzustellen, dass eine fehlende technische Wirkung oder Funktion eines Merkmals im Anspruch keinen Mangel der Deutlichkeit im Sinne von Art. 84 EPÜ begründet, wenn der Gegenstand des Schutzbegehrens bestimmt und seine Patentfähigkeit geprüft werden kann. Fehlt jedoch ein direkter kausaler Zusammenhang mit einer technischen Lösung eines technischen Problems, leistet das Merkmal keinen erfinderischen Beitrag zum Stand der Technik und kann nicht zur Begründung der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden.

3.2 In Punkt 1 ii) des Abschnitts III beanstandet die Prüfungsabteilung, der Ausdruck "zur fehlertoleranten Ausführung von Programmen, wie zur Ausführung von Digitalrechnerprogrammen" beziehe sich auf zwei unterschiedliche Arten von Programmen oder alternative Formen der Ausführung von Programmen. Diese Auslegung ist unzutreffend. Dieser Punkt hat sich aber erledigt, da der neugefasste Anspruch 1 nun ausschließlich eine fehlertolerante Ausführung von Digitalrechnerprogrammen definiert.

4. Weiteren Beanstandungen des Anspruchs 1 (Punkt 2 des Abschnitts II) und der Änderungen der Beschreibung, Seite 5 (Punkt 2 des Abschnitts III) wurden durch die vorliegenden Änderungen die Grundlage entzogen.

5. Die Kammer stellt abschließend fest, dass die vorliegende Fassung der Anmeldung die Erfordernisse der Artikel 84 und 123 (2) EPÜ erfüllt.

6. Die Angelegenheit wird zur Fortsetzung der Sachprüfung, insbesondere in Bezug auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit, an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen. Der hilfsweise gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung ist damit gegenstandslos.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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