T 0556/10 () of 25.10.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T055610.20131025
Datum der Entscheidung: 25 October 2013
Aktenzeichen: T 0556/10
Anmeldenummer: 03292624.8
IPC-Klasse: B60H 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Klappe, insbesondere für den Fussraum für ein Kraftfahrzeug-Belüftungssystem
Name des Anmelders: Behr France Rouffach SAS
Name des Einsprechenden: VALEO SYSTEMES THERMIQUES S.A.S.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 12. März 2010 eingereichte Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 19. Januar 2010 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent EP 1 526 015 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde.

II. Der Einspruch war insbesondere auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) und 100 c) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2009 eingereichten Ansprüche gemäß Hilfsantrag 4 nicht entgegenstünden.

III. In Hinblick auf den Stand der Technik hat sich die Beschwerdeführerin neben der bereits im Einspruchsverfahren zitierten Druckschriften

D07: FR-A-2 789 017,

D02: EP-A-1 319 537

in ihrer Beschwerdebegründung insbesondere auf folgende Druckschriften

D23: EP-B-0 524 877,

D24: EP-B-0 411 399, und

D25: EP-A-0 644 073

berufen.

IV. Am 25. Oktober 2013 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Der Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung lautet wie folgt:

"Klappe-anordnung, insbesondere für den Fußraum für ein Kraftfahrzeug-Belüftungssystem (2), wobei eine Klappe (1) um eine Schwenkachse (7) verschwenkbar ist, die Klappe (1) einen ersten Bereich (8) aufweist, der sich in radialer Richtung auf einer Seite der Schwenkachse (7) in Längsrichtung derselben erstreckt, und einen zweiten Bereich (9) aufweist, der in einem Winkel hierzu angeordnet ist, wobei zwei solche Klappen (1) miteinander über eine starre Achse (6) verbunden sind, wobei die beiden Klappen (1) spiegelsymmetrisch bezüglich der Ebene, die mittig zwischen den beiden Klappen (1) senkrecht zur Achse (6) angeordnet ist, beabstandet ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die beiden Klappen nur durch die starre Achse (6) verbunden sind."

VI. Zur Stützung ihres Vorbringens brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vor:

Der geänderte Anspruch 1 verstoße gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ. Zu Unrecht sei die Einspruchsabteilung zum Schluss gekommen, dass das Merkmal, wonach "die beiden Klappen nur durch die starre Achse verbunden sind", den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen sei. Die originale Beschreibung enthalte nicht den geringsten Hinweis darauf, dass nichts sich auf der starren Achse zwischen den Steuerbereichen der Klappen befinden solle.

Die Druckschriften D23, D24 und D25 seien als Reaktion auf die während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren durchgeführten Änderung im Anspruch 1 eingereicht worden und sollten in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden, denn sie seien sehr relevant.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung ergebe sich in naheliegender Weise aus der Kombination der Druckschriften D07 mit D25 oder aus der Kombination der Druckschriften D02 mit D25.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die in dem Anspruch 1 durchgeführten Änderungen erfüllten die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

Die Druckschriften D23 bis D25 hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können und sollten daher gemäß Artikel 12(4) VOBK nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden. Die Einreichung dieser Druckschriften sei verspätet, denn die Ansprüche 1 bis 12, die als Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents vor der Einspruchsabteilung gälten, seien im Wesentlichen schon Gegenstand des mit Telefax vom 17. November 2009 eingereichten Hilfsantrags 4 gewesen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Figur 23 von D07 zeige eine einzige, um eine Achse 9 verschwenkbare Schmetterlingsklappe, die Luft zu sämtlichen Luftkanälen 11,12 mittels einer gemeinsamen Steuerfläche steuere. Sie arbeite auf dem Prinzip einer einheitlichen Steuerplatte für die verschiedenen Luftströme, die sich über die gesamte Länge der Klappe erstrecken und es gebe keine Veranlassung für den Fachmann, diese Schmetterlingsklappe aufzuteilen.

Die Druckschriften D23 bis D25 zeigten Klappen, die, obwohl sie gemeinsam betätigt werden sollten, jeweils für sich in ihren jeweiligen Gehäusen angeordnet seien und getrennt voneinander angeordneten Kanäle steuerten. Insofern vermöge eine Zusammenschau der Druckschrift D07 mit einer der Druckschriften D23 bis D25 die erfindungsgemäße Ausgestaltung gemäß dem Wortlaut des Anspruchs 1 in der Fassung der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung nicht nahezulegen.

Das Gleiche gelte in der Zusammenschau der Druckschrift D02 mit einer der Druckschriften D23 bis D25. Mittels jeweils einer Klappe 24 gemäß der Druckschrift D02 werde eine individuelle Einstellung der Temperatur für eine bestimmte Klimazone gesteuert (vgl. Absatz [0017] von D02). Es widerspreche der Lehre der Druckschrift D02 und gebe auch keinen Sinn, diese Individualität der Steuerung durch die Verbindung zweier solchen Klappen durch eine starre Achse aufzugeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit der im Einspruchsverfahren durchgeführten Änderungen

Die Kammer teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin, dass die im Anspruch 1 durchgeführten Änderungen nicht gegen die Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ verstoßen. Detaillierte Ausführungen hierzu können ausbleiben, denn die Kammer ist ohnehin zum Schluss gekommen, wie nachfolgend noch ausgeführt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Zulassung der Druckschriften D23 bis D25 in das Beschwerdeverfahren

Die Druckschriften D23 bis D25 wurden erstmalig mit der Beschwerdebegründung von der Beschwerdeführerin eingereicht. Die Beschwerdegegnerin beantragte, diese Druckschriften nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Nach Artikel 12 (4) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK, Amtsblatt EPA 2007, 536) besitzt die Kammer die Befugnis, Beweismittel, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, nicht zuzulassen.

Im vorliegenden Fall ist die Kammer der Auffassung, dass zumindest das Dokument D25 nicht bereits in der ersten Instanz hätte eingereicht werden können. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ist ersichtlich, dass die von der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) während der mündlichen Verhandlung durchgeführte Änderung in dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 (Hinzufügung des Adjektivs "starr" und des Bezugszeichen "6" in den Wortlaut "nur durch die starre Achse (6) verbunden") klarstellen sollte, dass mit dem Begriff "Achse" die materielle Achse und keine ideelle Schwenkachse gemeint sei. Der geänderte Wortlaut ist weder den ursprünglich eingereichten, noch den erteilten Ansprüchen zu entnehmen und war somit nicht voraussehbar. Die Beschwerdegegnerin hat auf den mit Telefax vom 17. November 2009 eingereichten Hilfsantrag 4 hingewiesen. Auch dort ist jedoch die oben genannte Änderung nicht als Ganzes zu finden (keine Hinzufügung des Adjektivs "starr"). Aus der Begründung der Entscheidung der Einspruchsabteilung geht hervor (vgl. Punkte 5.2 bis 5.5), dass diese Änderung des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1, eine wichtige Rolle in Hinblick auf die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit bei der Aufrechterhaltung des Patents gespielt hat.

Die Druckschrift D25 zeigt in der Figur 1 eine Klimaanlage mit einer Klappenanordnung bestehend aus zwei Klappen 100, die nur durch eine starre Achse 200 verbunden sind. Aufgrund der neuen Präzisierung durch die in dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 durchgeführte Änderung ist diese Druckschrift von besonderer Relevanz und kann als Erwiderung zu dem im Hilfsantrag 4 geänderten Patentbegehren der Beschwerdegegnerin betrachtet werden. Die Kammer hat daher nicht von ihrer Befugnis nach Artikel 12(4) VOBK Gebrauch gemacht, die Druckschrift D25 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

3.2 Ausgehend von der Druckschrift D07

3.2.1 Die Druckschrift D07 zeigt in den Figuren 21 bis 23 eine Klappenanordnung 8, die um eine Schwenkachse 9 verschwenkbar ist. Die Klappenanordnung weist zwei spiegelsymmetrische, voneinander beabstandet angeordnete Klappen auf (vgl. Seite 10, Zeile 16: Steuerplatte: "plaque médiane d’obturation 14"; in Figur 23 fehlt das "1" des Bezugszeichen 14), die miteinander über eine starre Achse verbunden sind. Jede Klappe besitzt einen ersten Steuerbereich 15 (D07: Seite 10, Zeile 16), der sich in radialer Richtung auf einer Seite der Schwenkachse in Längsrichtung derselben erstreckt, und einen zweiten Steuerbereich 45, der in einem Winkel hierzu angeordnet ist (D07: Seite 10, Zeilen 19-24). Die ersten und zweiten Steuerbereiche 15,45 einer Klappe steuern Luftströme zu jeweils einem seitlichen Luftkanal 12. Die als starre Verbindung fungierende Steuerplatte 14 steuert den Luftstrom zu einem zentralen Luftkanal 11. Es werden also ein zentraler und zwei seitliche Luftkanäle bzw. Luftdüsen durch diese Klappenanordnung gesteuert. Auch die Figur 27 von D07 zeigt eine solche Klappenanordnung.

3.2.2 Wie bereits von der Einspruchsabteilung festgestellt, besteht als einziger Unterschied der beanspruchten Klappenanordnung zu der in der Figur 23 der Druckschrift D07 offenbarten Klappenanordnung das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1, wonach beide Klappen nur durch eine starre Achse verbunden sind (d.h. eine Achse ohne zentrale Steuerplatte).

3.2.3 Aufgrund dieses Unterscheidungsmerkmals kann die technische Aufgabe wie folgt formuliert werden: die Steuerung des Luftstromes zu den seitlichen Kanälen 12 der aus der D07 bekannten Klappenanordnung unabhängig von der Steuerung zu dem zentralen Kanal 11 zu gestalten. Diese Aufgabestellung kann nicht als erfinderisch angesehen werden, denn vor dem Hintergrund einer erhöhten Individualisierung der Verteilung der Luftströme (Klimazonen) gehört eine solche Anpassung zu den üblichen Entwicklungsarbeiten eines Fachmanns auf dem Gebiet solcher Klimaanlagen.

3.2.4 Die Druckschrift D25 zeigt in der Figur 1 eine um eine Achse verschwenkbare Klappenanordnung, die zwei spiegelsymmetrische, voneinander beabstandet angeordnete Klappen 100 aufweist. Die Klappen sind miteinander nur über eine starre Achse 200 verbunden. Die starre Achse 200 ist in einem Zentralkanal zwischen den von den Klappen 100 gesteuerten Kanälen 2,3 angeordnet (D25: Spalte 4, Zeile 33: "passage central 7").

3.2.5 Wenn ausgehend von der aus der Druckschrift D07 bekannten Klappenanordnung die Verteilung des Luftstromes zu dem zentralen Kanal 11 unabhängig von derjenigen zu den Seitenkanälen 12 erfolgen soll, liegt es für den Fachmann auf der Hand, auf die zentrale Steuerplatte 14 der starren Achse zu verzichten. Die Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach es für den Fachmann keine Veranlassung für eine Aufteilung der durchgehenden Steuerplatten 14,15 der Schmetterlingsklappe 8 gibt, wird durch die Textpassage in den Zeilen 21 bis 24 auf der Seite 7 in Verbindung mit der Figur 5 von D07 widerlegt. Dort ist vorgesehen, dass die beiden Steuerplatten 14,15 sowohl einstückig als auch voneinander durch einen Spalt 16 ("interstice") getrennt werden können, in welchem ein Ende der Gehäusewandung 13 aufgenommen wird.

3.3 Auch ausgehend von der Schwenkklappe 24 gemäß der Figur 4 der Druckschrift D02 ergibt sich nach Auffassung der Kammer die beanspruchte Klappenanordnung in naheliegender Weise. Es wurde seitens der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, dass die in der Druckschrift D02 offenbarte Schwenkklappe 24 die beanspruchten ersten 24b und zweiten Bereiche 24a aufweist. Laut Absatz [0017] von D02 dient eine Vielzahl solcher Schwenkklappen 24 der individuellen Einstellung der Temperatur jeweils in einer Fülle von unterschiedlichen ausgewählten Klimazonen, z.B. auf der linken und der rechten Seite des Gehäuses der Klimaanlage (vgl. Figur 2 von D02). Jede Schwenkklappe besitzt dabei eine eigene Betätigung für die Einstellung der Temperatur der ihr zugeordneten Klimazone (Absätze [0020] bis [0022} von D02). Wenn der Grad der Individualisierung verringert werden soll, sprengt der Gedanke, zwei solche Schwenkklappen durch eine starre Achse spiegelsymmetrisch zum Zwecke der Einsparung von Betätigungseinheiten zu verbinden, nach Auffassung der Kammer den Rahmen der üblichen Fachüberlegungen des Entwicklungsspezialisten für solche Klimaanlagen nicht und führt in naheliegender Weise zur beanspruchten Klappenanordnung. Die Druckschrift D25 belegt, dass es vor dem Anmeldedatum des strittigen Patents bekannt war, eine starre Achse 200 als Verbindung zwischen zwei Schwenkklappen in einer derartigen Klimaanlage zu verwenden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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