T 0406/10 () of 17.7.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T040610.20120717
Datum der Entscheidung: 17 Juli 2012
Aktenzeichen: T 0406/10
Anmeldenummer: 02760220.0
IPC-Klasse: B32B 3/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Perforiertes Laminat
Name des Anmelders: Fiberweb Corovin GmbH
Name des Einsprechenden: The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Ausführbarkeit-(ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0608/07
T 0593/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0422/11

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden des Einsprechenden und des Patentinhabers richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 425 161 in geändertem Umfang aufrecht erhalten worden ist.

II. Das Patent wurde mit sechs Ansprüchen erteilt, wobei Anspruch 1 wie folgt lautet:

"1. Produkt mit einer perforierten thermoplastischen Struktur (7) mit

- zumindest einer ersten Lage (8) und

- mit einer Vielzahl von Perforationen, die sich durch die erste Lage (8) erstrecken, wobei die Perforationen eine dreidimensionale Gestalt (18) aufweisen,

- wobei zumindest eine zweite Lage (9) mit der ersten Lage (8) zumindest teilweise verbunden ist,

- die Perforationen sich auch durch die zweite Lage (9) erstrecken, und die erste Lage (8) ein thermoplastisches Material aufweist, dessen Schmelzpunkt niedriger ist als der Schmelzpunkt des thermoplastischen Materials der zweiten Lage (9),

dadurch gekennzeichnet, dass

- die zweite Lage (9) eine Innenfläche (20) der Gestalt (18) bildet, während die erste Lage (8) eine Außenfläche (21) der Gestalt (18) bildet und

- die zweite Lage (9) zumindest teilweise eine Oberfläche des Produktes bildet und

- im Bereich der Perforationen zumindest teilweise die erste Lage (8) geschmolzen ist und die Gestalt (18) stabilisiert und

- die Perforationen Lochdurchmesser in Maschinenrichtung zwischen 1 und 1,8 mm und in Querrichtung zwischen 0,8 und 1,7 mm aufweisen und dass die erste (8) und die zweite Lage (9) Fasern aufweisen, die zumindest teilweise im Bereich der Perforierung miteinander vermischt sind und dass die erste Lage (8) und die zweite Lage (9) auf gleiche Weise hergestellt sind und dass die zweite Lage (9) im Bereich der Perforierung zumindest weitestgehend umgeschmolzen ist."

III. Gegen das Patent hatte die Firma The Procter & Gamble Company Einspruch eingelegt und den vollständigen Widerruf des Patents gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ beantragt.

Mit dem Einspruchsschriftsatz wurden folgende Dokumente vorgelegt:

D1 : US 4 886 632 A,

D2 : EP 0 945 537 A1 und

D3 : EP 0 995 414 A1.

IV. Der am 20. November 2009 mündlich verkündeten und am 22. Dezember 2009 schriftlich begründeten Zwischenentscheidung lagen die erteilten Ansprüche (Hauptantrag) und der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 zugrunde.

Die Ansprüche des Hilfsantrags 1 unterschieden sich von den erteilten Ansprüchen lediglich dadurch, dass in Anspruch 1 das Merkmal "die erste Lage (8) und die zweite Lage (9) auf gleiche Weise hergestellt sind" folgendermaßen präzisiert wurde:

"die erste Lage (8) und die zweite Lage (9) auf gleiche Weise als extrudierte Vliese auf der gleichen Maschine hergestellt sind".

V. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung kann wie folgt zusammengefasst werden:

- Für den Fachmann sei nicht ersichtlich, was unter dem Begriff "auf gleiche Weise hergestellt" zu verstehen sei. Dies habe zur Folge, dass er nicht wisse, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereiches arbeite. Somit sei das Produkt des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag) nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann es ausführen könne.

- Der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags sei ausreichend offenbart und beruhe außerdem im Hinblick auf den zitierten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Am 25. Februar 2010 legte der Einsprechende (im Folgenden weiterhin: der Einsprechende) Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein und entrichtete die Beschwerdegebühr am selben Tag. Die Beschwerdebegründung wurde am 29. April 2010 eingereicht zusammen mit

D4: US 5 145 727 A.

VII. Am 1. März 2010 legte der Patentinhaber (im Folgenden weiterhin: der Patentinhaber) Beschwerde ein und entrichtete die Beschwerdegebühr am selben Tag. Die Beschwerdebegründung reichte er am 3. Mai 2010 ein und beantragte die Aufhebung der Entscheidung der Einspruchsabteilung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), hilfsweise in der Fassung der beigefügten Hilfsanträge 1-4.

Der Patentinhaber beantragte außerdem die Vorlage von zwei Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer. Eine Frage betraf die Problematik "innerhalb - außerhalb des beanspruchten Bereichs" im Zusammenhang mit mangelnder Ausführbarkeit.

Mit Schreiben vom 13. September 2010 reichte der Patentinhaber den weiteren Hilfsantrag 5 ein.

VIII. Sowohl der Patentinhaber als auch der Einsprechende reichten mit Schreiben vom 15. Juni 2012 weitere Ausführungen zur Frage der ausreichenden Offenbarung ein.

IX. In der Mitteilung vom 12. Juli 2012 nahm die Kammer zu erfinderischer Tätigkeit und mangelnder Ausführbarkeit Stellung. Im Zusammenhang mit Letzterer verwies die Kammer auf die Entscheidung T 593/09.

X. Am 17. Juli 2012 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Während der mündlichen Verhandlung nahm der Patentinhaber seinen Antrag auf Vorlage der zwei Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer zurück.

XI. Die vom Patentinhaber im schriftlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:

Ausreichende Offenbarung

a) "… dass die erste Lage (8) und die zweite Lage (9) auf gleiche Weise hergestellt sind …"

Anhand des Gesamtzusammenhangs der Patentschrift würde der Fachmann erkennen, dass es sich bei dem Merkmal "auf gleiche Weise hergestellt" um die Herstellungsweise durch Extrusion handle. Die Auslegung der Einspruchsabteilung, dass mit diesem Merkmal nur ein einziges Herstellungsverfahren gemeint sein könne, nämlich das in Absatz [0020] der Patentschrift genannte Extrudieren von Vliesen auf der gleichen Maschine, sei zu eng.

Der von der Einspruchsabteilung unter Artikel 100 b) EPÜ geltend gemachte Widerrufsgrund, dass der Fachmann aufgrund der unklaren Merkmals "auf gleiche Weise hergestellt" nicht wisse, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs arbeite, gehe über die Prüfungskompetenz hinaus, die das EPÜ einräume. Die maßgebliche Frage im Zusammenhang mit der Ausführbarkeit sei vielmehr, ob der Fachmann in die Lage versetzt werde, die technische Lehre des Patents auszuführen. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben.

Die Beschwerdekammern des EPA würden die Frage "innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs" nur im Zusammenhang mit unklaren Parametern behandeln. Das Merkmal "auf gleiche Weise hergestellt" sei aber kein Parameter. Außerdem sei die Rechtsprechung diesbezüglich nicht eindeutig.

b) "… dass die erste (8) und die zweite Lage (9) Fasern aufweisen, die zumindest teilweise im Bereich der Perforierung miteinander vermischt sind …"

Auch diese Merkmal erfülle die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ. So zeigen die Figuren 1 und 2 des Streitpatents, wie der Herstellungsprozess ablaufe, und wie dieser automatisch zu einer Vermischung der Fasern bei der Perforierung führe.

Erfinderische Tätigkeit

D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, da dieses Dokument ebenfalls ein Produkt mit einer perforierten Lage offenbare, wobei die Perforierungen durch Erweichen der einzig verwendeten Lage und anschließende Verfestigung stabilisiert werden. Im Gegensatz dazu werde die Stabilisierung gemäß Streitpatent durch das zumindest teilweise Schmelzen der ersten Lage erreicht, während die zweite Lage im Bereich der Perforierung zumindest weitestgehend ungeschmolzen sei.

Die objektive Aufgabe könne darin gesehen werden, das Verfahren der D1 derart zu verändern, so dass ein Produkt mit einer verbesserten Druckunempfindlichkeit hergestellt werden kann. Auch solle die Weichheit der letztendlich mit der Haut in Kontakt kommenden Oberfläche erhalten bleiben.

Der Fachmann entnehme der D1 keinen Hinweis darauf, dass diese Aufgabe durch eine Stabilisierung der Perforationen mit der ansprüchsgemäßen Anordnung der Lagen gelöst werden könne.

Auch D3 weise den Fachmann nicht auf die beanspruchte Lagenanordnung hin. Zum einen seien die Lagen in der D3 nicht auf die gleiche Weise hergestellt (Film - Vlies), zum anderen erstrecken sich die Perforationen, im Gegensatz zum Streitpatent, nicht durch die zweite Lage. Die Argumentation des Einsprechenden basiere auf einer ex post facto Betrachtung.

XII. Die vom Einsprechenden im schriftlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:

Ausreichende Offenbarung

a) "… dass die erste Lage (8) und die zweite Lage (9) auf gleiche Weise hergestellt sind …"

Der Fachmann könne die Erfindung nicht ausführen, da er in der Beschreibung keine Information finde, wie er dieses Merkmal zu interpretieren habe. So könne es sich um Lagen handeln, die aus dem gleichen Material oder aus verschiedenem Material, aber auf der gleichen Maschine hergestellt würden. Außerdem gebe es weitere Interpretationsmöglichkeiten.

Diese Unsicherheit in der Interpretation führe nicht nur zu einem Klarheitsproblem, wie der Patentinhaber vortrage, sondern erstrecke sich auch auf den Bereich der mangelnden Ausführbarkeit. Der Fachmann wisse nämlich nicht, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs arbeite. Ein solcher Einwand betreffe auch nicht ausschließlich unklare Parameter, sondern sei auch auf den vorliegenden Fall anwendbar.

b) Obwohl die Definition des beanstandeten Merkmals sehr breit sei, enthalte das angegriffene Patent nur ein Beispiel, nämlich zwei auf der gleichen Maschine extrudierte Vliese. Dies genüge nicht für eine ausreichende Offenbarung. In diesem Zusammenhang sei auch der Ausdruck "auf der gleichen Maschine extrudierte Vliese" zu beanstanden, da unklar sei, was genau damit gemeint ist. Gleicher Vliestyp, gleicher Maschinentyp oder dieselbe Maschine?

c) "… dass die erste (8) und die zweite Lage (9) Fasern aufweisen, die zumindest teilweise im Bereich der Perforierung miteinander vermischt sind …"

Das Patent enthalte keinen Hinweis darauf, wie die Perforierung durchgeführt werden müsse, damit eine ausreichende Vermischung stattfinde.

Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe aufgrund der naheliegenden Kombination von D1 mit D3 auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

D1 sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. D1 offenbare eine perforierte Struktur, die auch aus zwei unterschiedlichen Lagen bestehen könne, und habe als Ziel die Stabilisierung der dreidimensionalen Gestalt der perforierten Struktur. D1 offenbare, dass die Lage(n) bei der Perforierung weich werden oder dass sie örtlich schmelzen.

- Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der Offenbarung der D1 nur dadurch, dass die erste Lage ein thermoplastisches Material aufweise, dessen Schmelzpunkt niedriger sei als der Schmelzpunkt des thermoplastischen Materials der zweiten Lage.

- Da dieser Unterschied nur dazu diene, die Oberflächeneigenschaften in der zweiten Lage möglichst unverändert zu erhalten (Absatz [0008] des Streitpatents), sei die objektive technische Aufgabe darin zu sehen, eine dreidimensionale Gestalt mit zwei Lagen zu stabilisieren, ohne die Oberflächeneigenschaften zu beeinträchtigen.

- Die Lösung der gestellten Aufgabe würde der Fachmann in D3 finden. D3 (Absatz [0024]) gehöre zum gleichen technischen Gebiet und offenbare eine Struktur mit zwei Lagen, wobei der Schmelzpunkt der ersten Lage eines thermoplastischen Material niedriger sei als der Schmelzpunkt des thermoplastischen Materials der zweiten Lage. Die Orientierung der Lagen sei die gleiche wie in der beanspruchten Struktur, die konischen Perforationen erstrecken sich auf das Vlies hin und bildeten Ansätze ("lugs"). Es sei deswegen vernünftig zu erwarten, dass der Fachmann D3 konsultieren würde.

- Im weiteren offenbare D3, dass es möglich sei zwei Lagen zu kombinieren mit minimalen Schmelzen während der Perforierung. Auf diese Weise würden die Oberflächeneigenschaften erhalten bleiben und das Material würde sich beim Kontakt mit der Haut nicht rau anfühlen.

XIII. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), hilfsweise in der Fassung der Hilfsanträge 1-4, eingereicht mit Schreiben vom 3. Mai 2010, oder des Hilfsantrags 5, eingereicht mit Schreiben vom 13. September 2010.

XIV. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 425 161.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Ausreichende Offenbarung

2.1 "… dass die erste Lage (8) und die zweite Lage (9) auf gleiche Weise hergestellt sind …"

2.1.1 Bei der Interpretation des beanstandeten Merkmals stimmt die Kammer mit dem Pateninhaber darin überein, dass der Fachmann die verwendeten Begriffe, die das beanspruchte Produkt beschreiben, anhand des Gesamtzusammenhangs der Patentschrift verstehen würde. So beschreiben die Absätze [0010], [0019], [0020] des Streitpatents verschiedene Produkte aus thermoplastischen Materialien. Nach Ansicht des Patentinhabers würde der Fachmann daraus ableiten, dass es sich bei dem Merkmal der Herstellung auf gleiche Weise um die Herstellungsweise durch Extrusion handelt. Dem kann sich die Kammer aber nicht anschließen, da der Patentinhaber bei seiner Interpretation die weiteren maschinentechnischen Aspekte der Herstellung der Lagen außer Acht lässt. Dabei sind es gemäß Anspruch 1 ja gerade die erste und die zweite Lage, die auf die gleiche Weise hergestellt sein müssen. Mit anderen Worten, neben der Extrusion des thermoplastischen Grundmaterials enthält ein Herstellungsverfahren für eine Lage noch weitere charakteristische Verfahrensschritte.

So werden im Absatz [0010] des Streitpatents unter anderem folgende Ausführungsformen für die erste und zweite Lage offenbart: Spinnvlies PP, kardiertes PP, kardiertes PE, kardiertes BICO, Vliesstoff PP, Spinnvlies BICO PP/PE, Spinnvlies HDPE, Spinnvlies PE, hochvoluminöses Vlies BICO PP/PE, PP Vliesstoff mit niedrigem Schmelzpunk (z.B. Softspun**(TM)). Sogar Filme aus PP und PE werden erwähnt. Für den Fachmann ist selbstverständlich, dass diese verschiedenen Lagen maschinentechnisch nicht alle auf die gleiche Weise hergestellt werden können. Ein normales Spinnvlies PE wird anders hergestellt als zum Beispiel ein Spinnvlies BICO PP/PE, ganz zu schweigen von einem Film aus PE. Daher würde der Fachmann das Merkmal "auf gleiche Weise hergestellt" nicht auf das Grundprinzip der Extrusion reduzieren.

Aus diesem Grund kann die Kammer dem Merkmal der Herstellung auf gleiche Weise nicht die vom Patentinhaber geforderte breite Bedeutung der Herstellungsweise durch Extrusion zugestehen.

2.1.2 Anderereits kann das Merkmal aber auch nicht so eng interpretiert werden, dass die Lagen tatsächlich auf der gleichen Maschine hergestellt werden müssen. Das Beispiel der auf der gleichen Maschine extrudierten Vliese wird in Absatz [0020] des Streitpatents nämlich nur beispielhaft erwähnt.

2.1.3 Wie genau die Herstellungsweisen der Lagen (8) und (9) übereinstimmen müssen, bleibt letztendlich offen. Damit besteht bezüglich des Merkmals der Herstellung auf gleiche Weise eine Unklarheit im erteilten Anspruch 1. Wie in der Entscheidung T 593/09 von dieser Kammer in anderer Besetzung festgestellt, ist eine Unklarheit im Anspruch, die dazu führt, dass der Fachmann nicht weiß, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs arbeitet, allein nicht ausreichend, um die ausreichende Offenbarung der Erfindung in Frage zu stellen. Vielmehr muss der Einsprechende zeigen, dass er durch die Unklarheit nicht (mit zumutbaren Aufwand) in der Lage ist, die technischen Maßnahmen zu identifizieren, welche zur Lösung der technischen Aufgabe führen (Punkt 4 der Entscheidungsgründe, insbesondere Punkt 4.1.4). Dies hat der Einsprechende im vorliegenden Fall nicht gezeigt.

Die Unklarheit im vorliegenden Fall betrifft die Grenzen des Anspruchs, nicht aber die Offenbarung der Erfindung an sich (siehe in diesem Zusammenhang T 608/07, Punkt 2.5.2).

2.1.4 Der Kammer ist bewusst, dass die Patentschrift in der Tabelle in Absatz [0010] Lagenkombinationen offenbart, die nach obiger Interpretation des Merkmals "auf gleiche Weise hergestellt" nicht unter den erteilten Anspruch 1 fallen können. Zu einem ähnlichen Schluss ist die Einspruchsabteilung gekommen, als sie sich in der angefochtenen Entscheidung auf den Widerspruch zwischen dem beanspruchten Gegenstand und der Beschreibung des Streitpatents bezogen hat.

Dass Teile der Patentschrift nicht unter den beanspruchten Gegenstand fallen, bedeutet nicht notwendigerweise, dass es der beanspruchten Erfindung an Ausführbarkeit mangelt. Wie im vorliegenden Fall betrifft ein solcher Einwand normalerweise Artikel 84 EPÜ, der aber gemäß Artikel 100 EPÜ kein Einspruchsgrund ist. Im Grunde genommen hätte dieser Widerspruch zwischen erteiltem Anspruch 1 und der Beschreibung bei der Erteilung des Patents behoben werden müssen.

2.2 Den Einwand des Einsprechenden, dass die begrenzte Zahl an Beispielen im Patent zu einer mangelnden Offenbarung führe, kann die Kammer nicht teilen. Es trifft zwar zu, dass das Streitpatent in Absatz [0020] auf zwei auf der gleichen Maschine extrudierte Vliese verweist. Aber die Patentschrift enthält weiterhin in den Figuren 1-3 eine schematische Darstellung eines Verfahrens, um zu dem beanspruchten Produkt zu gelangen. In der Tabelle in Absatz [0010] sind zudem weitere Lagenkombinationen genannt, die unter die von der Kammer vorgenommene Interpretation des Anspruchs 1 fallen. Abgesehen von den unklaren Grenzen des Anspruchs 1 sieht die Kammer keinen Grund, warum die Erfindung anhand der Gesamtoffenbarung nicht ausführbar sein soll. Der Einsprechende, der die Beweislast trägt, hat in diesem Zusammenhang auch keinerlei Beweismittel für seinen Einwand vorgelegt.

2.3 "… dass die erste (8) und die zweite Lage (9) Fasern aufweisen, die zumindest teilweise im Bereich der Perforierung miteinander vermischt sind …"

Nach Ansicht des Einsprechenden ist auch dieses Merkmal nicht ausreichend offenbart. Die Figuren 1, 2 und 5 der Patentschrift zeigen aber deutlich, wie der Herstellungsprozess durch die Verwendung von zwei Lagen mit den geforderten unterschiedlichen Schmelzpunkten zu der gewünschten stabilisierten Ausgestaltung der Perforationen führt. Dieser offenbarte Vorgang führt dabei zwingend zu einer Vermischung der Fasern, wofür nicht nur die Perforierung an sich verantwortlich ist, sondern auch das zumindest teilweise Erhitzen der Lagen in der Perforierungseinrichtung mittels des Heißluftgebläses (13) und/oder die beheizten Erhebungen der Perforierungswalze (5).

2.4 Zusammenfassend ist festzustellen, dass das erteilte Patent die beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Das Patent betrifft ein Produkt mit einer perforierten thermoplastischen Struktur mit zumindest einer ersten und einer zweiten Lage. Ein Beispiel für eine Anwendung des Laminats bzw. der Struktur in einem Produkt sind Hygieneartikel (Absatz [0034] des Streitpatents).

3.2 Im Einklang mit den Parteien kann von Dokument D1 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen werden. D1 betrifft die Herstellung eines perforierten Vlieses, das als Oberschicht in einem Hygieneartikel Anwendung findet. Gemäß dem Verfahren der D1 (Spalte 2, Zeilen 23-65; Spalte 4, Zeilen 3-36; Figuren 12 und 13) wird ein thermoplastisches Vlies, das schmelzbare Fasern enthält, mit einer Vielzahl an Perforationen versehen, die sich durch das Vlies erstrecken und, wie im Streitpatent, eine dreidimensionale Gestalt aufweisen. Bei der Perforierung werden die Fasern durch die erhitzten Erhebungen einer Perforierungswalze bis knapp unter ihren Schmelzpunkt erhitzt. Nach Entfernung der Erhebungen wird auf Raumtemperatur abgekühlt, wodurch sich eine konsolidierte oder verdichtete Region um die Perforationen herum ausbildet. Durch die derartige Ausgestaltung der Perforationen in der Oberschicht eines Hygieneartikels sollen die Körperflüssigkeiten besser in die saugfähige Lage abgeleitet werden.

Selbst wenn man zugunsten des Einsprechenden annimmt, dass in Spalte 4 der D1 die Verwendung eines zweilagigen Vlieses beschrieben ist (was vom Patentinhaber bestritten wurde), so offenbart D1 auf keinen Fall die in Anspruch 1 geforderten Merkmale der ersten und zweiten Lage, nämlich dass

- die erste Lage ein thermoplastisches Material aufweist, dessen Schmelzpunkt niedriger ist als der Schmelzpunkt des thermoplastischen Materials der zweiten Lage,

- die zweite Lage eine Innenfläche der Gestalt (d. h. der erhabenen Perforation) bildet, während die erste Lage eine Außenfläche der Gestalt bildet,

- im Bereich der Perforationen zumindest teilweise die erste Lage geschmolzen ist und die Gestalt stabilisiert,

- die zweite Lage im Bereich der Perforierung zumindest weitestgehend ungeschmolzen ist, und

- die erste Lage und die zweite Lage auf gleiche Weise hergestellt sind.

3.3 Gemäß Absatz [0003] besteht die Aufgabe des Streitpatents darin, eine perforierte thermoplastische Struktur mit einer dreidimensionalen Gestalt zu schaffen, die über eine gewisse Druckunempfindlichkeit in Bezug auf ihre Gestalt verfügt. Auch bleibt die zweite Lage vom Energieeintrag beim Umformvorgang unbeeinflusst (anspruchsgemäß bleibt die zweite Lage im Bereich der Perforierung zumindest weitgehend ungeschmolzen) und besitzt damit eine unveränderte Weichheit (Absatz [0008]).

3.3.1 D1 (Spalte 2, Zeilen 45-58; Spalte 4, Zeile 49 bis Spalte 5, Zeile 35) hat die Stabilisierung der Perforationen durch die Ausbildung von konsolidierten oder verdichteten Regionen um die Perforationen bereits gelöst. Eine vom Patentinhaber geltend gemachte verbesserte Stabilisierung und damit einhergehend eine verbesserte Druckunempfindlichkeit gegenüber der D1 ist dem Streitpatent nicht zu entnehmen und wurde vom Patentinhaber auch nicht durch entsprechende Daten belegt.

3.3.2 Bezüglich der Oberflächeneigenschaften führte der Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung aus, dass in dem Herstellungsverfahren der D1 trotz einer Arbeitsweise knapp unterhalb des Schmelzpunktes das örtliche Schmelzen des Vlieses nicht verhindert werden kann (D1: Spalte 5, Zeilen 5-8) und damit Oberflächenrauhigkeit erzeugt werde. Es erscheint der Kammer plausibel, dass dies durch die Verwendung der anspruchsgemäßen zweiten Lage, die zumindest weitgehend ungeschmolzen ist, verhindert werden kann.

3.3.3 Unter diesen Umständen ist die zu lösende objektive Aufgabe darin zu sehen, ein Produkt mit einer perforierten thermoplastischen Struktur mit stabilisierter Gestalt der Perforationen vorzulegen (Alternative zu D1), dessen eine Oberfläche unveränderte Oberflächeneigenschaften besitzt, d.h. ihre ursprüngliche Weichheit behält (Weiterentwicklung gegenüber D1).

3.4 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent das Produkt gemäß Anspruch 1 vor, dabei insbesondere die Verwendung von zwei Lagen in der Strukturanordnung, wovon die eine im Bereich der Perforationen zumindest teilweise geschmolzen ist und zur Stabilisierung der Gestalt (d. h. der erhabenen Perforation) beiträgt, während die andere im Bereich der Perforationen zumindest weitestgehend ungeschmolzen bleibt, und somit die Oberflächeneigenschaften dieser Lage erhalten bleiben.

Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die beanspruchte zweilagige Struktur die objektive technische Aufgabe auch tatsächlich löst. Dies wurde vom Einsprechenden auch nicht bestritten.

3.5 Es bleibt zu untersuchen, ob der Stand der Technik Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die anspruchsgemäßen Merkmale zu lösen.

3.5.1 In D1 selbst findet sich kein Hinweis auf eine alternative Stabilisierung der Perforationen mit einhergehenden guten Oberflächeneigenschaften, insbesondere findet sich kein Hinweis, dass dies durch eine speziell ausgewählte zweite Lage geschehen könnte. D1 enthält zwar einen Hinweis darauf, dass zwei Lagen verwendet werden können, aber ein entsprechendes Ausführungsbeispiel oder ein Hinweis darauf, wie die Eigenschaften der Lagen sein sollen, findet sich in D1 nicht. D1 beschäftigt sich hauptsächlich mit der Stabilisierung der Perforationen, so dass diese nicht durch lose Fasern zugesetzt werden.

Außerdem enthält die D1 den Hinweise, ein Aufschmelzen während der Perforierung zu vermeiden (Spalte 5, Zeilen 5- 8). Gemäß Streitpatent wird aber die erste Lage aufgeschmolzen.

3.5.2 Auch das vom Patentinhaber in Kombination mit D1 verwendete Dokument D3 bietet dem Fachmann keine Anregung zur Modifizierung der perforierten thermoplastischen Struktur gemäß D1.

D3 (Zusammenfassung; Absätze [0016], [0018] - [0027]) betrifft ein laminares Verbundmaterial bestehend aus einem dreidimensionalen thermoplastischen Film, der mit Perforationen versehen ist, und einer Bahn aus Fasern. Die im Film erzeugten Perforationen bewirken eine gegenseitige Haftung des Films und der Faserbahn. Der Film wird nicht näher definiert und es kann D3 nicht entnommen werden, dass er Fasern enthält. Auch die Perforationen erstrecken sich in D3 nur durch eine Lage, nämlich den Film, und nicht durch das ganze Laminat, d.h. Film und Faserbahn (Absatz [0020], Figuren 3 und 4). Die Grundstruktur des Laminats der D3 unterscheidet sich daher grundlegend von der des im Streitpatent beanspruchten Produkts, bei dem die Perforationen durch die erste und die zweite Lage hindurchgehen.

Gemäß Anspruch 7 der D3 haben zumindest einige der Fasern eine niedrigere Schmelztemperatur als das Filmmaterial. Bevorzugt wird das durch die Verwendung von Bi-Komponentenfasern erreicht, deren Mantel eine niedrigere Schmelztemperatur als der Kern aufweist (Anspruch 8). Das teilweise Schmelzen eines geringen Prozentsatzes der Fasern dient aber lediglich zur Verbesserung der Adhäsion zwischen Film und Faserbahn. Eine Stabilisierung der Perforationen durch das Schmelzen der Fasern wird in D3 nicht erwähnt. Selbst wenn man zugunsten des Pateninhabers annimmt, dass eine Zusammenschau der D1 mit der D3 für den Fachmann in Erwägung käme, würde dieser D3 nur den Hinweis darauf entnehmen, dass ein Film und eine Faserbahn (Vlies) durch eine Perforierung des Films miteinander laminiert werden können. Vielmehr scheint die vom Patentinhaber vorgenommene Kombination von D1 mit D3 auf einer ex post facto Betrachtung zu beruhen, die bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit aber nicht statthaft ist.

3.5.3 Das vom Patentinhaber nur im schriftlichen Verfahren angezogene Dokument D2 (Absätze [0005] und [0015]) betrifft die obere Schicht ("top sheet") für einen Körperflüssigkeiten absorbierenden (Hygiene-)Artikel, wobei diese obere Schicht aus zwei unterschiedlichen Faserschichten aufgebaut und perforiert ist. Die Perforationen gehen durch beide Faserschichten hindurch.

Mehrere Merkmale aus Oberbegriff und kennzeichnendem Teil des erteilten Anspruchs 1 können der D2 aber nicht entnommen werden. So weisen die Perforationen keine dreidimensionale Gestalt auf. Wie in der D2 in Figur 2 dargestellt, verbleiben die Perforationen ("apertures") ausschließlich in der ersten und zweiten Faserlage selbst. Insbesondere ist der D2 weder das Merkmal, dass im Bereich der Perforation zumindest teilweise die erste Lage (8) geschmolzen ist und die Gestalt (18) stabilisiert, noch das Merkmal, dass die zweite Lage (9) im Bereich der Perforierung zumindest weitgehend ungeschmolzen ist, zu entnehmen.

D2 stellt also keinen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik dar (eine Argumentationslinie, die vom Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde), noch würde eine Kombination mit D1 oder D3 zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

3.6 Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Produkt gemäß Anspruch 1 im Hinblick auf den zitierten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

3.7 Aufgrund der Patentfähigkeit von Anspruch 1 erfüllen sowohl der Unteranspruch 2 als auch die Verfahrensansprüche 3-6 zur Herstellung eines Produktes nach Anspruch 1 mutatis mutandis die Voraussetzungen des EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird aufrechterhalten wie erteilt.

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