European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T039310.20120515 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 Mai 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0393/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98114704.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | H04Q 7/32 H04M 1/72 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur drahtlosen Datenübertragung und Zwischenstation | ||||||||
Name des Anmelders: | IPCom GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Nokia Corporation | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 948 224.
II. Die Einspruchsabteilung hat den Widerruf des Streitpatents damit begründet, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 6 sowohl in der erteilten Fassung als auch gemäß einem Hilfsantrag nicht neu sei (Artikel 54 und 100 a) EPÜ).
In der Begründung der Entscheidung wurde auf die folgende Druckschrift Bezug genommen:
O1: DE 44 33 896 C1.
III. Mit der Beschwerdeschrift beantragte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung. Hilfsweise beantragte sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 ein.
IV. Mit ihren Antwortschreiben beantragten die Beschwerdegegnerin (Nokia Corporation) und die frühere Einsprechende 02 (Research In Motion Limited), die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise wurde von beiden eine mündliche Verhandlung beantragt.
V. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 nahm die frühere Einsprechende 02 ihren Einspruch zurück.
VI. Die Beschwerdekammer erließ eine Ladung zur mündlichen Verhandlung. In einem der Ladung beigefügten Bescheid wies die Kammer unter anderem darauf hin, dass in der mündlichen Verhandlung die Frage, ob der beanspruchte Gegenstand gegenüber O1 neu ist, zu erörtern sei.
VII. Mit einem weiteren Schriftsatz reichte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme sowie geänderte Ansprüche 1 und 6 gemäß Hilfsanträgen 1 bis 11 ein.
VIII. Die mündliche Verhandlung fand am 15. Mai 2012 statt.
Im Laufe der mündlichen Verhandlung zog die Beschwerdeführerin alle bisherigen Anträge zurück und beantragte schließlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten (Hauptantrag) oder das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 und 6 des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags und der abhängigen Ansprüche wie erteilt aufrecht zu erhalten.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
IX. Anspruch 6 in der erteilten Fassung hat folgenden Wortlaut:
"Zwischenstation (10) mit eine [sic] Funksende- und Empfangseinheit (35), dadurch gekennzeichnet, dass die Zwischenstation (10) eine Schnittstelle (45) für eine Übertragung optischer Datensignale zwischen einem ersten Endgerät (1) und der Zwischenstation (10), insbesondere in einem Infrarotfrequenzbereich, umfasst, dass in der Zwischenstation (10) eine Umwandlung zwischen den optischen Datensignalen und Funkdatensignalen erfolgt und dass die Funkdatensignale über die Funksende- und Empfangseinheit (35) zwischen der Zwischenstation (10) und einer Basisstation (5) übertragen werden, welche die empfangenen Daten an ein Daten- oder Telekommunikationsnetz überträgt, wobei die Basisstation (5) eine Funkzelle (65) aufspannt, in der die Zwischenstation sich befindet und wobei das Daten- oder Telekommunikationsnetz an die Basisstation angeschlossen ist, wobei die Zwischenstation (10) eine Funkschnittstelle aufweist, über die sie von einem zweiten Endgerät (40) Funksignale empfängt und daraus abgeleitete Funksignale an die Basisstation (5) abstrahlt."
Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber Anspruch 6 in der erteilten Fassung von der Kammer unterstrichen):
"Zwischenstation (10) mit einer Funksende- und Empfangseinheit (35), dadurch gekennzeichnet, dass die Zwischenstation (10) eine Schnittstelle (45) für eine Übertragung optischer Datensignale zwischen einem ersten Endgerät (1) und der Zwischenstation (10), insbesondere in einem Infrarotfrequenzbereich, umfasst, dass in der Zwischenstation (10) eine Umwandlung zwischen den optischen Datensignalen und Funkdatensignalen erfolgt und dass die Funkdatensignale über die Funksende- und Empfangseinheit (35) zwischen der Zwischenstation (10) und einer Basisstation (5) übertragen werden, welche die empfangenen Daten an ein Daten- oder Telekommunikationsnetz (15, 20, 25) überträgt, wobei die Basisstation (5) eine Funkzelle (65) aufspannt, in der die Zwischenstation (10) sich befindet und wobei das Daten- oder Telekommunikationsnetz (15, 20, 25) an die Basisstation (5) angeschlossen ist, wobei die Zwischenstation (10) eine Funkschnittstelle aufweist, über die sie von einem zweiten Endgerät (40) Funksignale empfängt und daraus abgeleitete Funksignale an die Basisstation (5) abstrahlt, so dass Teilnehmer des Daten- oder Telekommunikationsnetzes (15, 20, 25) über die Basisstation (5) und die Zwischenstation (10) mit dem ersten Endgerät (1) und dem zweiten Endgerät (40) kommunizieren können."
Im Hinblick auf die nachstehenden Entscheidungsgründe wird davon abgesehen, den Wortlaut des unabhängigen Verfahrensanspruchs 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag wiederzugeben.
Entscheidungsgründe
1. Auslegung des Patentanspruchs 6
1.1 Anspruch 6 in der erteilten Fassung ist doppeldeutig, weil der Anspruch einerseits auf ein Produkt, nämlich eine Zwischenstation, gerichtet ist, andererseits mehrere mit der Zwischenstation zusammenhängende Verfahrensschritte definiert, nämlich (Hervorhebung durch die Kammer):
"dass in der Zwischenstation (10) eine Umwandlung zwischen den optischen Datensignalen und Funkdatensignalen erfolgt";
"dass die Funkdatensignale über die Funksende- und Empfangseinheit (35) zwischen der Zwischenstation (10) und einer Basisstation (5) übertragen werden"; und
"wobei die Zwischenstation (10) eine Funkschnittstelle aufweist, über die sie von einem zweiten Endgerät (40) Funksignale empfängt und daraus abgeleitete Funksignale an die Basisstation (5) abstrahlt."
Es ist unklar, ob diese Verfahrensschritte so zu verstehen sind, dass damit bloß bestimmte Fähigkeiten der Zwischenstation definiert werden, oder ob dadurch das Schutzbegehren gemäß diesem Anspruch als nur auf eine sich in einem definierten Betrieb befindende Zwischenstation beschränkt zu verstehen ist.
1.2 Anspruch 6 ist auch deshalb unklar, weil der Anspruch Merkmale umfasst, die eine Beziehung zwischen der Zwischenstation (10) und anderen Gegenständen, insb. die Basisstation (5) und das Daten- oder Telekommunikationsnetz (15, 20, 25), oder sogar eine Beziehung zwischen nur diesen Gegenständen definieren, wobei diese Gegenstände nicht Teil des Gegenstandes des Schutzbegehrens, nämlich der Zwischenstation (10), sind. Zu diesen Merkmalen gehören die Merkmale, dass die Basisstation die empfangenen Daten an das Daten- oder Telekommunikationsnetz überträgt, dass die Basisstation (5) eine Funkzelle (65) aufspannt, in der die Zwischenstation (10) sich befindet, dass die Zwischenstation über ihre Funkschnittstelle von einem zweiten Endgerät (40) Funksignale empfängt und daraus abgeleitete Funksignale an die Basisstation (5) abstrahlt, dass das Daten- oder Telekommunikationsnetz (15, 20, 25) an die Basisstation (5) angeschlossen ist und dass Teilnehmer des Daten- oder Telekommunikationsnetzes (15, 20, 25) über die Basisstation (5) und die Zwischenstation (10) mit dem ersten Endgerät (1) und dem zweiten Endgerät (40) kommunizieren können.
1.3 Da selbstverständlich die Zwischenstation unabhängig von der Basisstation, den Endgeräten und dem Daten- oder Telekommunikationsnetz hergestellt und im ausgeschalteten Zustand verkauft werden kann, versteht nachfolgend die Kammer Anspruch 6 vorerst so, dass der Anspruch die Zwischenstation per se definiert und demzufolge die oben genannten Verfahrensschritte, wo möglich, als funktionelle Angaben konstruktiver Merkmale der Zwischenstation zu interpretieren und die Merkmale, die weder implizit noch explizit Merkmale der Zwischenstation definieren, zu ignorieren sind. Dies bedeutet unter anderem, dass es für die Beurteilung der Neuheit des beanspruchten Gegenstandes unbedeutsam ist, von welchem der Endgeräte (ersten oder zweiten Endgerät) die Funkschnittstelle der Zwischenstation die Funksignale empfangen kann. Ebenso spielt es dabei keine Rolle, ob das erste und das zweite Endgerät ein und dasselbe Endgerät sind oder nicht, da der Anspruch, insbesondere durch die darin enthaltenen Verfahrensschritte, nicht zwischen einer gleichzeitigen und einer nicht-gleichzeitigen Übertragung der optischen Datensignale und der Funksignale unterscheidet.
2. Anspruch 6 gemäß Hauptantrag - Neuheit
2.1 O1 (siehe insb. Spalte 3, Zeilen 27 bis 38, Spalte 5, Zeile 60, bis Spalte 6, Zeile 3, und Figur 1) offenbart, unter Anwendung des Wortlauts des Anspruchs 6 in der erteilten Fassung, eine Zwischenstation ("Umsetzeinrichtung UE") mit einer Funksende- und Empfangseinheit ("Sendeempfangseinrichtung SE-GSM"), wobei die Zwischenstation eine Schnittstelle ("Infrarotsendeempfangseinrichtung SE-IN") für eine Übertragung optischer Datensignale ("Infrarotübertragungsstrecke IUS") zwischen einem ersten Endgerät ("Kommunikationsendgerät KE") und der Zwischenstation UE umfasst, wobei in der Zwischenstation UE eine Umwandlung zwischen den optischen Datensignalen und Funkdatensignalen ("fsg") erfolgt (Spalte 4, Zeilen 47 bis 53, Spalte 5, Zeilen 41 bis 49, und Spalte 5, Zeile 62, bis Spalte 6, Zeile 3 ("Umsetzeinheit UH" und "Sendeempfangseinrichtung SE-GSM")).
Die Funkdatensignale ("fsg") sind über die Funksende- und Empfangseinheit SE-GSM zwischen der Zwischenstation UE und einer weiteren Kommunikationseinrichtung übertragbar, die Teil eines gemäß dem GSM-Standard realisierten Kommunikationssystems ist (Spalte 5, Zeile 62, bis Spalte 6, Zeile 3). Durch den Bezug auf den GSM-Standard offenbart O1 zumindest implizit, dass die Funkdatensignale an eine GSM-Basisstation übertragbar sind, wobei diese Basisstation an ein durch das GSM-Kommunikationssystem gebildetes Daten- oder Telekommunikationsnetz angeschlossen ist und die Aufgabe hat, die empfangenen Daten an das Daten- oder Telekommunikationsnetz zu übertragen. Des weiteren offenbart O1 dadurch zumindest implizit, dass die Basisstation eine Funkzelle aufspannt, in der sich die Zwischenstation befindet, da sonst eine Übertragung der Funkdatensignale zwischen der Zwischenstation und der Basisstation des GSM-Kommunikationssystems gar nicht möglich wäre.
Des weiteren offenbart O1, dass die Zwischenstation UE eine Funkschnittstelle ("Funksendeempfangseinrichtung SE-FU") aufweist, über die sie vom Endgerät KE Funksignale (Spalte 4, Zeilen 9 bis 15 ("DECT-gemäße Funksignale fs" und "Funkübertragungsstrecke FUS")) empfangen und daraus abgeleitete Funksignale ("fsg") an die Basisstation abstrahlen kann (Spalte 5, Zeilen 41 bis 49, und Spalte 5, Zeile 60, bis Spalte 6, Zeile 3).
2.2 Folglich offenbart O1, unter Berücksichtigung der unter Punkt 1 gegebenen Auslegung des Anspruchs, alle für die Beurteilung der Neuheit der beanspruchten Zwischenstation relevanten Merkmale des Anspruchs 6 in der erteilten Fassung.
2.3 Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass auch wenn Anspruch 6 so verstanden würde, dass das Schutzbegehren sich nur auf eine sich in einem im Anspruch definierten Betrieb befindende Zwischenstation beschränkt (siehe oben, Punkt 1.1), dessen Gegenstand gegenüber dem aus O1 bekannten Stand der Technik ebenso nicht neu wäre, weil erstens die im Anspruch genannten Verfahrensschritte auch aus O1 bekannt sind (siehe oben, Punkt 2.1) und zweitens auch bei dieser Auslegung es für die Beurteilung der Neuheit des beanspruchten Gegenstands irrelevant ist, von welchem der Endgeräte (ersten oder zweiten Endgerät) die Funkschnittstelle der Zwischenstation die Funksignale empfangen kann und ob das erste und das zweite Endgerät ein und dasselbe Endgerät sind oder nicht (siehe Punkt 1.3).
2.4 Des weiteren ist hervorzuheben, dass eine noch engere Auslegung des Anspruchs 6 dahingehend, dass der Anspruch so zu verstehen wäre, dass Gegenstand des Schutzbegehrens entweder ein sich in einem definierten Betrieb befindendes Kommunikationssystem, das die Zwischenstation, die Basisstation, das Daten- oder Telekommunikationsnetz und die beiden Endgeräte umfasst, oder zumindest ein für diesen Betrieb geeignetes Kommunikationssystem ist, nach Ansicht der Kammer eindeutig nicht mehr dem entspräche, was ein Fachmann beim Lesen des Anspruchs als Schutzbegehren verstanden haben könnte. Eine derartige Auslegung wurde auch nicht von der Beschwerdeführerin geltend gemacht.
2.5 Der Gegenstand des Anspruchs 6 in der erteilten Fassung ist somit gegenüber dem aus O1 bekannten Stand der Technik nicht neu (Artikel 52 (1), 54, und 100 a) EPÜ).
2.6 Folglich ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
3. Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag - Neuheit
3.1 Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag (siehe oben, Punkt IX) unterscheidet sich von Anspruch 6 gemäß Hauptantrag im Wesentlichen durch das hinzugefügte Merkmal, dass die Zwischenstation so eingerichtet ist, dass Teilnehmer des Daten- oder Telekommunikationsnetzes (15, 20, 25) über die Basisstation (5) und die Zwischenstation (10) mit dem ersten Endgerät (1) und dem zweiten Endgerät (40) kommunizieren können.
3.2 Die beanspruchte Zwischenstation unterstützt somit eine Kommunikation zwischen jeweils einem der Teilnehmer und einem der zwei Endgeräte. Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass die Zwischenstation so eingerichtet sein muss, dass diese Kommunikationen gleichzeitig stattfinden können. Eine Unterstützung von nacheinander stattfindenden, d.h. nicht-gleichzeitigen Kommunikationen mit den jeweiligen Teilnehmern wird nicht ausgeschlossen. Demzufolge ist es, wie bei Anspruch 6 in der erteilten Fassung, für die Beurteilung der Neuheit des beanspruchten Gegenstandes, d.h. der Zwischenstation, unbedeutsam, ob das erste und das zweite Endgerät ein und dasselbe Endgerät sind oder nicht.
3.3 Die aus O1 bekannte Zwischenstation UE unterstützt eine Kommunikation zwischen dem Endgerät KE und einem beliebigen Teilnehmer des durch das GSM-Kommunikationssystem gebildeten Daten- oder Telekommunikationsnetzes (O1, Spalte 5, Zeile 62, bis Spalte 6, Zeile 3). Demzufolge offenbart O1 das Merkmal, dass die Zwischenstation es ermöglicht, dass Teilnehmer des Daten- oder Telekommunikationsnetzes über die Basisstation und die Zwischenstation mit einem Endgerät kommunizieren können.
3.4 Da, siehe oben, Punkte 2.1 und 2.2, die übrigen Merkmale des Anspruchs ebenso aus O1 bekannt sind, ist der Gegenstand des Anspruchs 6 gemäß Hilfsantrag gegenüber dem aus O1 bekannten Stand der Technik nicht neu, Artikel 52 (1), 54, und 100 a) EPÜ.
3.5 Der Hilfsantrag ist demzufolge nicht gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.