T 0391/10 () of 6.11.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T039110.20121106
Datum der Entscheidung: 06 November 2012
Aktenzeichen: T 0391/10
Anmeldenummer: 99108343.7
IPC-Klasse: F16L 11/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Antistatische und peroxidstabile Formmassen
Name des Anmelders: EMS-CHEMIE AG
Name des Einsprechenden: ARKEMA FRANCE
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag I und II (nein)
Zulässigkeit - Hilfsantrag III (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/99
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende hat am 18. Februar 2010 Beschwerde eingelegt gegen die am 21. Dezember 2009 zur Post gegebene Zwischen­entschei­dung der Einspruchsabteilung. Mit dieser Zwischen­entschei­dung wurde die Aufrecht­erhal­tung des europäischen Patents Nr. 0 953 796 im gemäß Hauptantrag geänderten Umfang in Aussicht gestellt. Die Beschwerdebegrün­dung wurde am 30. April 2010 eingereicht.

II. Der Einspruch stützte sich auf die in Artikel 100 (a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der fehlenden Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

III. Am 6. November 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 0 953 796 zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent aufrecht­zu­erhalten auf der Grundlage der Hilfsanträge I (Ansprüche 1 bis 18), II (Ansprüche 1 bis 17), beide eingereicht am 9. November 2009 oder III (Ansprüche 1 bis 5) überreicht in der mündlichen Verhandlung.

V. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

D2 : "KGK Kautschuk Gummi Kunststoffe", Ausgabe 7-8/95, Seiten 509 bis 511

D8 : EP-A-0 470 606

VI. Die unabhängigen Ansprüche 6 und 11 der aufrecht­erhaltenen Fassung des Streitpatents (Hauptantrag) lauten wie folgt:

"6. Verwendung von antistatischen, peroxidstabilen Formmassen auf Basis von Polyamiden und/oder Polyestern, wobei die Formmassen mit Leitruß, der nur in sehr geringen Mengen metallische Verunreinigungen aufweist, mit einem Gehalt von 5 bis 25 Gew.-%, bezogen auf die gesamten Formmassen, antistatisch modifiziert sind, wobei der Ruß eine niedrige spezifische Oberfläche und einen Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% besitzt, zur Herstellung von spritzgegossenen Teilen, mit der Maßgabe, dass die Verwendung von peroxid­stabilen, mittels Leitruß antistatisch modifizierten Polyamid 12 Formmassen mit einer inhärenten Viskosität von 1,65 zur Herstellung von mittels Spritzgieß­verfahrens hergestellter Platten der Dimensionen 100 x 100 x 2 mm, bei Temperaturen von 250 bis 270 °C, gemäß ISO 6603-2: 1989, ausgenommen ist."

"11. Thermoplastischer Mehrschichtverbund, gekenn­zeichnet durch

(a) mindestens eine Schicht aus einer antistatischen, peroxidstabilen Formmasse auf Polyester- oder Polyamid-Basis, wobei die Formmassen mit Leitruß, der nur in sehr geringen Mengen metallische Verunreinigungen aufweist, mit einem Gehalt von 5 bis 25 Gew.-%, bezogen auf die gesamten Formmassen, antistatisch modifiziert sind, wobei der Ruß eine niedrige spezifische Ober­fläche und einen Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% besitzt;

(b) mindestens eine zweite zur Schicht gemäß (a) wenigstens teilweise benachbarte Schicht aus einer Formmasse auf Polyamid-Basis, und gegebenenfalls einer Haftvermittlerschicht, welche die Polyamid- oder Polyesterschicht gemäß (a) mit der Polyamidschicht gemäß (b) kraftschlüssig verbindet."

VII. Der unabhängige Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag I und der unabhängige Anspruch 10 gemäß Hilfsantrag II unterscheiden sich nicht vom unabhängigen Anspruch 11 gemäß Hauptantrag.

VIII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III lautet (die Einfügungen gegenüber dem Anspruch 6 gemäß Hauptantrag sind unterstrichen):

"1. Verwendung von antistatischen, peroxidstabilen Formmassen auf Basis von Polyamiden und/oder Polyestern, wobei die Formmassen mit Leitruß, der nur in sehr geringen Mengen metallische Verunreinigungen aufweist, mit einem Gehalt von 5 bis 25 Gew.-%, bezogen auf die gesamten Formmassen, antistatisch modifiziert sind, wobei der Ruß eine niedrige spezifische Oberfläche und einen Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% besitzt, zur Herstellung von spritzgegossenen Teilen, mit der Maßgabe, dass die Verwendung von einer peroxidstabilen, mittels Leitruß antistatisch modifizierten Polyamid 12 Formmassenbestehend aus 62 Gew.-% PA 12 mit einer inhärenten Viskosität von 1,65, 4 Gew.-% n-Butylbenzolsulfonamid, 12 Gew.-% eines thermoplastischen Elastomers auf Basis eines Polyamids vom Typ Polyetherblockamid mit einer Shore-Härte D gleich 42 und einem Schmelzpunkt bei 147°C sowie 22 Gew.-% des Rußes Ensaco 250 Granular zur Herstellung von mittels Spritzgießverfahren hergestellten Platten der Dimensionen 100 x 100 x 2 mm, bei Temperaturen von 250 bis 270 °C, gemäß ISO 6603-2: 1989, ausgenommen ist."

IX. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des Anspruchs 11 unterscheide sich von dem insbesondere im Beispiel 4 der Tabelle 1 der Druckschrift D8 beschriebenen nächstliegenden Stand der Technik nur durch den verwendeten Leitruß, der einen Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% besitze. Derartige Leitruße seien dem Fachmann bereits bekannt (siehe Druckschrift D2, Seite 510, Ruß "Ensaco 250" in Tabelle 2; Seite 510, linke Spalte, Abschnitt "5 Mixing - dispersion - extrusion and vulcanisation", zweiter vollständiger Absatz). In Abwesenheit des Nachweises einer besonderen technischen Wirkung, falle die Wahl eines solchen Leitrußes in den Rahmen des üblichen Handelns des Fachmannes, so dass keine erfinderische Tätigkeit vorliege.

Die im Streitpatent enthaltenen erfindungsgemäßen Beispiele 1 bis 7 und die Vergleichsbeispiele V1 bis V3 könnten keine technische Wirkung kausal mit der Verwendung eines Leitrußes, der einen Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% besitze, belegen, weil sich die in diesen Beispielen verwendeten Mengen an Ruß, an Polyamid PA12, an Schlagzähmodifikator und an anderen Zusatzstoffen ebenfalls unterschieden. Somit sei mehr als nur ein Parameter auf einmal geändert worden, was die Bestimmung eines alleinig auf den Ruß zurückzuführenden kausalen Zusammenhangs verhindere.

Sofern die in diesen erfindungsgemäßen Beispielen und die in diesen Vergleichsbeispielen verwendeten Mengen an Ruß und an Polyamid jeweils so verändert seien, dass die Gesamtmenge an Schwefel in der Formmasse jeweils gleich sei, so ermöglichten diese Beispiele aus diesem Grund keine Rückschlüsse bezüglich einer eventuellen Wirkung des Schwefels. Eine auf einen Schwefelgehalt des Rußes von unter 0,1 Gew.-% zurückzuführende eventuelle Wirkung sei somit nicht belegt.

Die bereits mit der Beschwerdebegründung vorgelegten und von der Beschwerdeführerin ausgeführten Vergleichsversuche ("ESSAIS COMPARATIFS"), in denen nur die Art des verwendeten Rußes verändert wurde, belegten, dass keine Verbesserung der Peroxidstabilität der Formmassen bei Verwendung eines Leitrußes mit einem Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% eintrete (Tabellen I bis III).

Das späte Vorbringen von bisher im Beschwerdeverfahren nicht erwähnten weiteren Vergleichsbeispielen erst in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer sei für die Beschwerdeführerin überraschend. Auch in diesen weiteren Beispielen sei mehr als nur ein Parameter auf einmal geändert worden, was weiterhin die Bestimmung eines alleinig auf den Ruß zurückzuführenden kausalen Zusammenhangs verhindere.

Der Gegenstand des Anspruchs 11 des Hauptantrags und des Hilfsantrags I und Anspruch 10 des Hilfsantrags II beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die von der nicht beschwerdeführenden Beschwerde­gegnerin im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III vorgenommene Einschränkung des Disclaimers ziehe eine entsprechende Erweiterung des Schutzbereiches gegenüber der im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Fassung nach sich. Die Beschwerdeführerin werde dadurch schlechter gestellt. Dieser verspätet vorgebrachte Hilfsantrag III sei somit wegen einer Reformatio in Peius nicht gewährbar und daher nicht zuzulassen.

X. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die Argumentation der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit greife nicht, weil die Verwendung des beanspruchten Leitrußes den technischen Effekt einer verbesserten Peroxidstabilität der Formmasse bewirke. Dies sei durch die Beispiele im Streitpatent sowie die weiteren Beispiele, die im Prüfungsverfahren bereits eingereicht wurden, belegt (siehe vorletzte Zeile der Tabelle auf der letzten Seite der Beschreibung des Streitpatents und drittletzte Zeile der Tabelle auf Seite 8 der Eingabe im Prüfungsverfahren vom 7. März 2001).

Wie bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen, seien die in den erfindungsgemäßen Beispielen und die in den Vergleichsbeispielen verwendeten Mengen an Polyamid und an Ruß unterschiedlich, um trotz des unterschiedlichen Schwefelgehalts der verwendeten Ruße vergleichbare Gesamtmengen an Schwefel in der Formasse zu erzielen. Beispiele 1' und 8 und entsprechende Vergleichsbeispiele V1' und V1" hätten jeweils dieselben Anteile an Schlagzähmodifikator. Diese Beispiele seien somit bezüglich der eingebrachten Zusatzstoffe direkt vergleichbar. So zeigten die erfindungsgemäßen Formassen mit jeweils 59% und 56% eine deutliche Verbesserung der Peroxidstabilität gegenüber den entsprechenden Vergleichsbeispielen mit jeweils 14% und 28% (Beispiele 1' und 8 bzw. V1' und V1", drittletzte Zeile der Tabelle auf Seite 8 der Eingabe im Prüfungs­verfahren vom 7. März 2001). Die Beschwerde­gegnerin gehe deshalb davon aus, dass die technische Wirkung der verbesserten Peroxidstabilität

in der Verwendung des Rußes mit einem Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% begründet sei. Eine derartige Verbesserung der Peroxidstabilität werde im Stand der Technik nicht in Aussicht gestellt, so dass die Verwendung des anspruchsgemäßen Rußes maßgeblich die die erfinderische Tätigkeit begründende unerwartete technische Wirkung herbeiführe.

Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Beispiele, seien wie folgt zu verstehen: Gemäß Tabelle II seien die prozentualen Änderungen der Reißdehnung nach 14 Tagen in der Versuchslösung mit jeweils -7% (= 131 - 124), bzw. -15% (= 100 - 85) bei den erfindungsgemäßen Proben A und C jeweils geringer als -35% (= 157 - 122) bzw. -19% (= 100 - 81) der nicht erfindungsgemäßen Vergleichsproben B und D. Somit bestätigten die Vergleichsversuche der Beschwerde­führerin ebenfalls die erfindungsgemäße technische Wirkung des Rußes mit einen Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-%. Die Abweichung von +/-60 bei dem Resultat in der Tabelle III sei dagegen zu groß, um aus diesem Versuch eine statistisch bedeutsame Schlussfolgerung ziehen zu können.

Der Gegenstand des Anspruchs 11 des Hauptantrags und des Hilfsantrags I und des Anspruchs 10 des Hilfsantrags II beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag III sei eine Reaktion auf den Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Die im Anspruch 1 eingebrachten Änderungen gingen lediglich zusätzlich auf den in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwand der Beschwerdeführerin ein, dass der Disclaimer zu breit gefasst sei. Hilfsantrag III sei somit zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit

Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag

Die Druckschrift D8 bildet den nächstliegender Stand der Technik. Sie beschreibt eine antistatische und peroxidstabile Kraftstoffleitung (erster Absatz, Seite 2; letzter Absatz, Seite 4). Eine solche Kraftstoff­leitung bildet gemäß Beispiel 4 (Tabelle 1, Seite 5) einen thermoplastischen Mehrschichtverbund mit einer antistatischen und peroxidstabilen Innenschicht aus einer Formmasse auf Polyamid-Basis (PA12 + 30% Schlagzähmodifikator), welche mit 25% Leitrußanti­statisch modifiziert ist, und einer Außenschicht aus einer Formmasse auf Polyamid-Basis (Grilamid XE 3148 - ein schlagzähmodifiziertes PA12 mit Weichmacher - erster Absatz, Seite 4). Als Leitruß sind handels­übliche Qualitäten zu verstehen (Zeilen 46 bis 49, Seite 2).

Der Gegenstand des Anspruchs 11 unterscheidet sich davon nur durch den verwendeten Leitruß, der nur in sehr geringen Mengen metallische Verunreinigungen aufweist und eine niedrige spezifische Oberfläche und einen Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% besitzt.

Verunreinigungen sind vom Fachmann generell unerwünscht, so dass davon ausgegangen werden kann, dass handelsübliche Leitruße Verunreinigungen nur in sehr geringen Mengen aufweisen. Dies gilt gleichermaßen für metallische Verunreinigungen.

Die Druckschrift D2 beschreibt Leitruße mit niedriger spezifischer Oberfläche (Abschnitt "1 Introduction", erster und dritter Absatz, Seite 509). Der Leitruß "Ensaco 250" hat einen Schwefelgehalt von 0,01 Gew.-% (Tabelle 2, Seite 510). "Ensaco 250" ist somit ein handels­üblicher Leitruß, der eine niedrige spezifische Oberfläche und einen Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% besitzt.

Der vorausgehende Sachverhalt wurde von der Beschwerde­gegnerin nicht bestritten. Streitpunkt war lediglich der Nachweis einer technischen Wirkung insbesondere auf die Peroxidstabilität der Formmasse bei der Verwendung eines derartigen Leitrußes.

Für Formmassen auf Polyamid-Basis liegen im Streitpatent Vergleichsversuche mit erfindungsgemäßen Beispielen 1 bis 6 und Vergleichsbeispielen V1 und V2 vor (siehe Tabelle am Ende der Beschreibung des Streitpatents). Vergleichsbeispiele V1 und V2 beinhalten jeweils 20 Gew.-% und 18 Gew.-% Schlagzähmodifikator, während die erfindungsgemäßen Beispiele entweder keinen (Beispiele 1 und 3) oder 5 Gew.-% (Beispiele 2 und 4 bis 6) enthalten. Die erfindungsgemäßen Beispiele und die Vergleichsbeispiele unterscheiden sich auch in den verwendeten Rußen (erfindungsgemäß "Ensaco 250"; Vergleichsbeispiele "Printex XE2" mit 0,17 Gew.-% Schwefel, siehe Streitpatent, Absatz [0040]) und den Mengen an Ruß (erfindungsgemäße Beispiele jeweils 16 Gew.-% bis 20 Gew.-% - Vergleichsbeispiele 8 Gew.-%), Polyamid und sonstigen Zusatzstoffen. Deshalb lässt sich aus diesen Vergleichsversuchen nicht ableiten, ob die Veränderung der Peroxidstabilität (erfindungsgemäße Beispiele -40% bis +62% prozentuale Änderung der Reißdehnung - Vergleichsbeispiele nicht messbar, weil versprödet, Absatz [0044]; Zeile "Sourgas", Tabelle am Ende der Beschreibung des Streitpatents) eindeutig auf die Verwendung des Rußes mit einem Schwefel­gehalt von unter 0,1 Gew.-% zurückzuführen ist. Dies wäre nur möglich, wenn sich diese Formmassen nur im Schwefelgehalt des Rußes unterscheiden würden.

Während der mündlichen Verhandlung verwies die Beschwerdegegnerin erstmals im Beschwerdeverfahren auf Vergleichsversuche aus dem Prüfungsverfahren (Tabelle auf Seite 8 der Eingabe im Prüfungs­verfahren vom 7. März 2001).

Diese Vergleichsversuche umfassen erfindungsgemäße Beispiele 1' und 8 und Vergleichsbeispiele V1' und V1". Auch diese Beispiele unterscheiden sich bei den verwendeten Rußen und den Mengen an Ruß (erfindungsgemäße Beispiele jeweils 18 Gew.-% "Ensaco 250" - Vergleichsbeispiele 10 Gew.-% "Printex XE2") und dementsprechend auch in den verwendeten Mengen an Polyamid. Somit lässt sich auch aus diesen Vergleichsversuchen nicht ableiten, ob die Veränderung der Peroxidstabilität (erfindungsgemäße Beispiele jeweils 59% und 56% - Vergleichsbeispiele 14% und 28%, Zeile "Peroxidbeständigkeit (sourgas)") eindeutig auf den Ruß mit einem Schwefel­gehalt von unter 0,1 Gew.-% zurückzuführen ist.

Sofern, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, die in den erfindungsgemäßen Beispielen und die in den Vergleichsbeispielen verwendeten unterschiedlichen Mengen an Polyamid und an Ruß so gewählt sind, dass trotz des unterschiedlichen Schwefelgehalts der verwendeten Ruße vergleichbare Gesamtmengen an Schwefel in der Formmasse erzielt werden, können derartige Vergleichsversuche keine Wirkung des Schwefels belegen, wenn dieser in allen Formmassen gleich ist. Eine auf einen Schwefelgehalt des Rußes von unter 0,1 Gew.-% zurückzuführende eventuelle Wirkung ist damit nicht belegt.

Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass nicht nachgewiesen worden ist, dass eine verbesserte Peroxidstabilität der Formmassen auf Polyamid-Basis eintritt, wenn der Schwefelgehalt des verwendeten Leitrußes unter 0,1 Gew.-% liegt.

Die Beschwerdegegnerin argumentierte auch, die Vergleichs­versuche der Beschwerdeführerin ("ESSAIS COMPARATIFS") würden eine technische Wirkung des Rußes mit einem Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% belegen. Gemäß der Tabelle 2 "Physico-chemical data", Seite 510 der Druckschrift D2 unterscheiden sich die bei den Vergleichs­versuchen der Beschwerdeführerin verwendeten Ruße "Ensaco 250" und "Ensaco 150" nicht nur im Schwefelgehalt, sondern auch in weiteren Parametern ("Nitrogen surface area", "DBP-absorption", "CDBP absorption", Ascheanteil, Partikelgröße), so dass auch bei diesen Beispielen keine Rückschlüsse bezüglich des Schwefel­gehalts von unter 0,1 Gew.-% möglich sind. Die Vergleichs­versuche der Beschwerdeführerin belegen lediglich, dass bei jeweils gleicher Menge an Polyamid und Ruß die Reißdehnung nach 14 Tagen vergleichbar ist (siehe z.B. erfindungsgemäßes Beispiel A und Vergleichsbeispiel B mit jeweils 124+/-20% und 122+/-13% bzw. erfindungsgemäßes Beispiel C und Vergleichsbeispiel D mit jeweils 85+/-14% und 81+/-10%, Tabelle II, Seite 2/4 der "ESSAIS COMPARATIFS"), so dass bei der Beschwerdeführerin Zweifel an der Wirkung auf die Peroxidstabilität der Formmassen aufkamen.

In Abwesenheit eines eindeutigen Nachweises einer besonderen technischen Wirkung sieht die Kammer als Aufgabe für den von der Druckschrift D8 ausgehenden Fachmann lediglich die Auswahl eines geeigneten Leitrußes.

Die Auswahl eines aus der Druckschrift D2 bekannten Leitrußes mit einer niedrigen spezifischen Oberfläche wie z.B. "Ensaco 250", welcher einen Schwefelgehalt von unter 0,1 Gew.-% besitzt und bei dem davon auszugehen ist, dass er nur in sehr geringen Mengen (metallische) Verunreinigungen aufweist, fällt aber in den Rahmen des üblichen Handelns des Fachmannes.

Der Gegenstand des Anspruchs 11 gemäß Hauptantrag beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).

3. Hilfsantrag I und II

Der Gegenstand des Anspruchs 11 gemäß Hilfsantrag I und der Gegenstand des Anspruchs 10 gemäß Hilfsantrag II sind identisch mit dem Gegenstand des Anspruchs 11 gemäß Hauptantrag. Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 11 gemäß Hilfsantrag I und der Gegenstand des Anspruchs 10 gemäß Hilfsantrag II ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).

4. Hilfsantrag III

Der Hilfsantrag III der Beschwerdegegnerin wurde erst in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerde­kammer vorgelegt. Somit stellt dies eine Änderung des Vorbringens im Sinne des Artikels 13 der Verfahrens­ordnung der Beschwerdekammern (VOBK) dar.

Sofern die Änderung des Vorbringens keine Fragen aufwirft, die der Kammer oder der anderen Beteiligten ohne Verlegen der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten sind (Artikel 13(3) VOBK), steht es im Ermessen der Kammer, sie zuzulassen und zu berücksichtigen (Artikel 13(1) VOBK).

Der Disclaimer des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III wurde durch die im Vergleich zum Anspruch 6 der im Einspruchverfahren aufrechterhaltenen Fassung des Streitpatents hinzugefügten weiteren Merkmale "bestehend aus 62 Gew.-% PA 12", "4 Gew.-% n-Butylbenzolsulfonamid" ,"12 Gew.-% eines thermoplastischen Elastomers auf Basis eines Polyamids vom Typ Polyetherblockamid mit einer Shore-Härte D gleich 42 und einem Schmelzpunkt bei 147°C", sowie "22 Gew.-% des Rußes Ensaco 250 Granular" weiter eingeschränkt. Dadurch ist der Schutzbereich des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III gegenüber der im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Fassung des Anspruchs 6 erweitert worden.

Die alleinige Beschwerdeführerin würde somit durch den Hilfsantrag III schlechter gestellt werden, als wenn sie keine Beschwerde eingelegt hätte. Dies ist aber durch das Verbot der Reformatio in Peius ausgeschlossen (siehe Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/99, Leitsatz, Abl. 2001, 381).

Da somit dem Hilfsantrag III nicht stattgegeben werden konnte, hat die Kammer ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, diesen Hilfsantrag nicht zum Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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