European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T029410.20120920 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 September 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0294/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02005939.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | A01N 43/90 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Synergistische biozide Wirkstoffkombinationen, Tetramethylolacetylendiharnstoff und zwei oder mehrere Isothiazoline-3-onen enthaltend, und Verwendungen solcher Wirkstoffkombinationen als Konservierungsmittel | ||||||||
Name des Anmelders: | ISP (Switzerland) AG ISP INVESTMENTS INC. |
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Name des Einsprechenden: | Thor GmbH LANXESS Deutschland GmbH SCHÜLKE & MAYR GmbH |
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Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausdruck "mehrere" klar Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (verneint) Erfinderische Tätigkeit (nein) - naheliegende Alternative Zulässigkeit des Antrags auf Bestellung eines Sachverständigen (verneint) Kostenverteilung (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 245 153 beruhte auf der mit der Priorität der deutschen Voranmeldung 101 12 755.3 vom 16. März 2001 eingereichten europäischen Anmeldung 02 005 939.0 vom 15. März 2002 und war mit acht Ansprüchen erteilt worden.
Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:
"1. Biozide Wirkstoffkombinationen, umfassend
a) eine wirksame Menge an Tetramethylol acetylen diharnstoff und
b) eine wirksame Menge zweier oder mehrerer biozid wirksamer Substanzen, gewählt aus der Gruppe 2-n-Octyl-isothiazolin-3-on, 4,5-Dichlor-2-n-octylisothiazolin-3-on, 2-Methylisothiazolin-3-on, 1,2-Benzisothiazolin-3-on und der N-(C1-C12)-Alkyl-1,2-Benzisothiazolin-3-one."
II. Nachstehend werden die folgenden in dem Anspruch 1 aufgeführten Verbindungen wie folgt abgekürzt:
Tetramethylol acetylen diharnstoff TMADH
2-n-Octyl-isothiazolin-3-on OIT
2-Methylisothiazolin-3-on MIT
1,2-Benzisothiazolin-3-on BIT
III. Mit den Einsprüchen war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang aufgrund mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ) angegriffen worden.
IV. Im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente herangezogen:
(3) WO 99/08530
(4) DE-A-3 109 551
(25a) Schreiben von Herrn Dieter Meffert vom 5. November 2010
(26a) Eidesstattliche Versicherung des Herrn Dr. Thomas Brenner vom 3. November 2010
(31) Versuchsbericht, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, eingegangen am 19. April 2010
(32) mit Schreiben der Beschwerdegegnerin 1 vom 6. November 2010 als Anlage A vorgelegter Versuchsbericht
(33) mit Schreiben der Beschwerdegegnerin 1 vom 6. November 2010 als Anlage B vorgelegter Versuchsbericht
(35) Duden, 3. Auflage 1999, Band 6, Seite 2552.
V. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen.
Die Grundlage der angefochtenen Entscheidung bildeten zwei mit Schreiben vom 4. September 2009 eingereichte Anträge.
In Bezug auf die Frage der Wirksamkeit der beanspruchten Priorität entschied die Einspruchsabteilung zu Gunsten der Patentinhaberin. Die unter der Regel 80 und den Artikeln 84, 123(2) und 54 EPÜ erhobenen Einwände wurden als nicht begründet angesehen. Allerdings wurde dem Gegenstand des Anspruchs 1, ausgehend von Dokument (3) oder Dokument (4) als nächstliegendem Stand der Technik, die erfinderische Tätigkeit abgesprochen.
VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, und reichte mit der Beschwerdebegründung einen Versuchsbericht ein (Dokument (31)), sowie einen Hauptantrag und einen Hilfsantrag, die den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anträgen entsprachen.
VII. Mit ihrer Erwiderung vom 6. November 2010 reichte die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) Dokumente (25a) und Dokument (26a) ein, um die Behauptung der offenkundigen Vorbenutzung zu untermauern. Zudem wurden zwei Versuchsberichte vorgelegt (Dokumente (32) und (33)).
Die Erwiderung der Beschwerdegegnerin 2 (Einsprechende 2) vom 8. November 2010 enthielt ebenfalls Versuchsdaten.
In der Erwiderung der Beschwerdegegnerin 3 (Einsprechende 3) vom 8. November 2010 wurde ein zusätzlicher Einwand unter Artikel 100(b) EPÜ erhoben.
VIII. Mit Schreiben vom 20. August 2012 reichte die Beschwerdeführerin einen Hauptantrag und drei Hilfsanträge ein, wobei der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag mit den zuvor eingereichten Anträgen identisch waren (vgl. obigen Punkt VI). Die Beschwerdeführerin beantragte zudem die Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen, um den Widerspruch zwischen den mit der Beschwerdebegründung und den von der Beschwerdegegnerin 1 vorgelegten Versuchen aufzuklären. Der Einführung des Einspruchsgrunds unter Artikel 100(b) EPÜ wurde nicht zugestimmt.
Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag unterscheidet sich vom Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 lediglich dadurch, dass "zweier oder mehrerer" durch "mehrerer" ersetzt wurde (vgl. obigen Punkt I).
Im Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags wurde zusätzlich die Gruppe der Isothiazolinone auf OIT, MIT und BIT eingeschränkt.
IX. Am 20. September 2012 hat eine mündliche Verhandlung vor der Kammer stattgefunden.
Während der mündlichen Verhandlung stellte die Kammer fest, dass der auf den Artikel 100(b) EPÜ gestützte Einwand im jetzigen Beschwerdeverfahren als neuer Einspruchsgrund gelten müsse (vgl. obigen Punkt VII), der nicht in das Verfahren zugelassen werden könne, da die Beschwerdeführerin das notwendige Einverständnis für dessen Einführung verweigert hatte (vgl. obigen Punkt VIII).
Im weiteren Verlauf der Verhandlung zog die Beschwerde führerin die mit Schreiben vom 20. August 2012 eingereichten Hilfsanträge 2 und 3 zurück.
X. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Bei der Diskussion der Frage der Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme der Priorität und der Zulässigkeit der in den Ansprüchen vorgenommenen Änderungen im Hinblick auf Regel 80, Artikel 84 und Artikel 123(2) EPÜ berief sich die Beschwerdeführerin auf die Begründung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung.
Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung sei durch die Beschwerdegegnerin 1 nicht lückenlos und zweifelsfrei substantiiert worden.
Bei ihrer Analyse der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag argumentierte die Beschwerdeführerin, dass ausgehend von dem Dokument (3) als nächstliegendem Stand der Technik die Aufgabe darin bestünde, biozide Mischungen bereitzustellen, welche aufgrund verbesserter synergistischer Wirkung den Einsatz geringerer Wirkstoffmengen gestatteten. Diese Aufgabe werde gemäß Anspruch 1 gelöst durch eine Kombination aus mehreren Isothiazolinonen und TMADH, der anstatt des unter Krebsverdacht stehenden und Geruchsprobleme verursachenden Formaldehyds verwendet wurde.
Zum Beleg für eine erfolgreiche Lösung der Aufgabe verwies die Beschwerdeführerin auf die Vergleichs versuche gemäß Dokument (31), die zeigten, dass durch einen Austausch von Formaldehyd gegen TMADH ein im Durchschnitt ca. 20% niedrigerer Synergieindex (SI-Wert) erzielt werden konnte.
Diese überraschende Erhöhung der synergistischen Wirkung beim Austausch von Formaldehyd durch TMADH sei in keiner der Entgegen haltungen nahegelegt.
So befasse sich das Dokument (3) in erster Linie mit Kombinationen aus MIT und BIT. Formaldehyd und Formaldehyd-Depotstoffe seien lediglich in einer langen Liste möglicher zusätzlicher biozider Wirkstoffe genannt. Diese Offenbarung könne bestenfalls so interpretiert werden, dass Formaldehyd und Formaldehyd-Depotstoffe als gleichwertig zu behandeln seien. Auch sei TMADH darin nicht offenbart. Insofern konnte der Fachmann keinerlei Voraussagen über die Wirkung der beanspruchten Kombinationen machen.
In den Zusammensetzungen gemäß Dokument (4) sei zwingend TMADH als antibakterielles Mittel enthalten. Dieses Dokument gehe in keiner Weise auf einen eventuellen Synergismus beim Einsatz mehrerer Wirkstoffe ein.
Das Herausgreifen des Merkmals "Formaldehyd-Depotstoffe" aus dem Dokument (3) und dessen Kombination mit dem im Dokument (4) offenbarten TMADH könne daher nur aus einer rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis der Erfindung erfolgen. Schließlich sei auch der Zeitfaktor zu berücksichtigen. Ausgehend von Dokument (3) hätte der Fachmann überhaupt keinen Anlass, einer 17 Jahre älteren Rezeptur aus dem Dokument (4) Beachtung zu schenken.
Die von den Beschwerdegegnerinnen geäußerten Zweifel bezüglich der Aussagekraft der in dem Dokument (31) präsentierten Ergebnisse seien ungerechtfertigt. Insbesondere sei die Behauptung der Beschwerde gegnerin 1, dass durch die großen Intervalle bei den Messungen der Messfehler einer Einzelmessung größer sei als der gefundene Effekt, nicht stichhaltig. In dem Dokument (31) seien acht Messungen für TMAD/MIT/BIT-Mischungen und sechs Messungen für Formaldehyd/MIT/BIT-Mischungen durchgeführt worden, die alle in die gleiche Richtung zeigten. Auch seien die ermittelten Werte für die minimale Hemmkonzentration (MHK) von Formaldehyd und dem BIT/MIT-Gemisch mit den in dem Beispiel 19 von Dokument (3) offenbarten Werten vergleichbar.
Die Beschwerdeführerin räumte ein, dass die von der Beschwerdegegnerin 1 vorgelegten Versuche zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Die Frage, welche Ergebnisse tatsächlich richtig seien, würde sich nur durch einen unabhängigen Sachverständigen feststellen lassen.
Hinsichtlich des Anspruchs 1 des Hilfsantrags verwies die Beschwerdeführerin auf die für den Hauptantrag vorgebrachte Argumentation.
Schließlich argumentierte die Beschwerdeführerin, dass für eine Kostenverteilung keine Rechtfertigung bestehe.
XI. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Beschwerdegegnerinnen erhoben gegen die Ansprüche 1 gemäß dem Hauptantrag und dem Hilfsantrag Einwände nach Regel 80, Artikel 84 und Artikel 123(2) EPÜ. Die Gültigkeit der beanspruchten Priorität wurde auch bestritten. Insbesondere wurde ausgeführt, dass das nun verwendete Wort "mehrerer" unklar sei. Dieses könne mit dem ursprünglich verwendeten und erteilten Begriff "zweier oder mehrerer" nicht gleichbedeutend sein, da sonst die nun vorgenommene Streichung von "zweier oder" gegen Regel 80 EPÜ verstoßen würde.
Die Neuheit wurde mit Bezug auf die geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen gemäß den Dokumenten (25a) und (26a) in Frage gestellt. Insbesondere gehe es aus der eidesstattlichen Versicherung (26a) klar hervor, dass von der Deutsche Amphibolin-Werke von Robert Murjahn Stiftung & Co KG (kurz DAW) am 7./8. März 2001 Dispersionsputz, der 275 mg pro kg TMADH, 50 mg pro kg MIT und 50 mg pro kg BIT enthielt, hergestellt wurde. Unter Zugabe von 2 % Abtönpaste seien 364 kg dieses Produktionsansatzes am 7./8. März 2001 gefertigt und am 8./9. März 2001 abgefüllt worden. Diese Charge sei am 9. März 2001 und somit eine Woche vor dem Prioritätsdatum des angegriffenen Patents an die Kundin Wilhelmi Werke AG, Lahnau, ausgeliefert worden. Es sei unerheblich, dass Herr Dr. Thomas Brenner die Herstellung damals nicht persönlich begleitet habe, da die Angaben zuverlässig aus dem IBIS-/SAP-System der Produktion der DAW entnommen werden konnten.
Bei der Analyse der erfinderischen Tätigkeit stimmten die Beschwerdegegnerinnen zu, dass das Dokument (3) als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könnte. Sie bestritten allerdings, dass die in dem Dokument (31) vorgelegten Vergleichsversuche geeignet seien, um die behauptete verbesserte synergistische Wirkung zu zeigen. So seien die Fehlergrenzen viel zu hoch, da bei der Ermittlung der SI-Werte ein sehr grobes Raster für die Wirkstoff konzentrationen verwendet wurde. Auch seien die Ergebnisse gemäß Dokument (31) nicht reproduzierbar. So seien bei identischer Versuchsführung gemäß den Dokumenten (32) und (33) gravierende Abweichungen in den MHK-Werten festgestellt worden. Zudem sei dem Dokument (32) zu entnehmen, dass die Kombinationen TMADH/BIT/MIT und Formaldehyd/BIT/MIT tatsächlich nahezu identische SI-Werte aufwiesen. Überhaupt sei es unklar, welche Zusammensetzungen genau zu vergleichen seien, ob beispielsweise die gleichen molaren Verhältnisse oder ob andere Kriterien als Maßstab verwendet werden sollten.
Der Antrag auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen sei schon deshalb unzulässig, da dies ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht möglich sei. Außerdem obliege es der Beschwerdeführerin selbst, die von ihr behauptete verbesserte Wirkung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik glaubhaft zu machen.
Die zu lösende Aufgabe könne daher nur als die Bereit stellung alternativer biozider Wirkstoffkombinationen formuliert werden. Ein Austausch des im Dokument (3) verwendeten bioziden Wirkstoffs Formaldehyd gegen den aus dem Dokument (4) bekannten Formaldehyd-Depotstoff TMADH sei naheliegend.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 3 begründeten den Antrag auf Kostenverteilung im wesentlichen damit, dass nach deren Auffassung die Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe vom 20. August 2012 die Aussichtslosigkeit der Beschwerde offensichtlich anerkannt habe. Folglich hätte sie zu diesem Zeitpunkt die Beschwerde zurücknehmen, beziehungsweise den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückziehen müssen.
XII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage des Hauptantrags oder des Hilfsantrags 1, jeweils eingereicht mit Schreiben vom 20. August 2012. Sie beantragte weiterhin die Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen. Sie beantragte außerdem, den Antrag der Beschwerdegegnerinnen 1 und 3, der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens, die den Beschwerdegegnerinnen seit dem 20. August 2012 entstanden sind und noch entstehen werden, aufzuerlegen, zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 bis 3 (Einsprechende 1 bis 3) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 3 beantragten weiterhin
a) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen zurückzuweisen,
b) der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens, die seit dem 20. August 2012 entstanden sind und noch entstehen werden, aufzuerlegen.
XIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Einwände gemäß Artikel 84, Artikel 123(2) und Regel 80 EPÜ und bezüglich der Gültigkeit der Priorität
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass durch die in den Haupt- und Hilfsantrag eingeführten Änderungen keine Unklarheit gemäß Artikel 84 EPÜ entstanden ist, dass für die Ansprüche dieser Anträge die Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ erfüllt sind, und dass die Priorität zu Recht in Anspruch genommen ist.
Die Basis für die geänderten Ansprüche findet sich in den Ansprüchen der ursprünglich eingereichten Anmeldung sowie der Prioritätsanmeldung.
Zu der Frage der Auslegung des in den Ansprüchen 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag verwendeten Begriffs "mehrerer" stellt die Kammer fest, das dieser sich auf eine überschaubare Liste von fünf, beziehungsweise drei biozid wirksame Substanzen bezieht. In diesem konkreten Zusammenhang wird daher sofort klar, dass "mehrere" nicht "eine unbestimmte, größere Anzahl" bezeichnen soll (wie z.B. bei dem Ausdruck "mehrere Wochen"), sondern "mehr als ein, eine" bedeutet (vgl. Dokument (35), 1. bzw. 2. Definition für den Eintrag "mehrer..."). Demnach ist der in den vorliegenden Ansprüchen 1 und in der Prioritätsanmeldung verwendete Begriff "mehrerer" als gleichbedeutend mit dem in der ursprünglich eingereichten Anmeldung verwendeten Ausdruck "zwei oder mehrerer" anzusehen. Durch die vorgenommene Streichung von "zwei oder" hat die Beschwerdeführerin lediglich auf eine Individualisierung der Untergrenze "zwei" verzichtet, um in den Genuss des beanspruchten Prioritätstags zu gelangen. Da die Frage der Gültigkeit der Priorität in Zusammenhang mit einem Einspruchgrund gemäß Artikel 100 (a) EPÜ steht (siehe Punkt 3 unten), verstößt diese Änderung auch nicht gegen Regel 80 EPÜ.
3. Neuheit, Haupt- und Hilfsantrag (Artikel 52(1) und 54 EPÜ)
Im Beschwerdeverfahren haben die Beschwerdegegnerinnen ihre Neuheitseinwände bezüglich der Haupt- und Hilfsanträge auf die offenkundigen Vorbenutzungen gemäß den Dokumenten (25a) und (26a) gestützt.
Nach den Angaben in dem Dokument (25a) ist es erst "in dem Zeitraum vom 23.01. bis 13.03.2002" zu einem Verkauf der angegebenen Rezeptur gekommen. Da dieser Zeitraum nach dem maßgebenden Prioritätsdatum liegt, ist die darin geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht dem Stand der Technik nach Artikel 54 EPÜ zuzurechnen (vgl. obigen Punkt 2).
Die zweite behauptete Vorbenutzung basiert auf der von Herrn Dr. Thomas Brenner, Leiter des Entwicklungszentrum Farben und Putze der DAW, abgegebenen eidesstattlichen Versicherung (26a). Darin wird dargestellt, dass ein Dispersionsputz, enthaltend eine biozide Mischung aus TMADH, MIT und BIT, am 9. März 2001 an eine Kundin ausgeliefert wurde. Nach den Angaben in Dokument (26a) wurden die beschriebenen Vorgänge nicht von Herrn Dr. Thomas Brenner persönlich begleitet, sondern einem Computersystem (IBIS-/SAP-System) entnommen. Es liegen zudem keine Empfangs bestätigungen, Lieferscheine oder sonstige Erklärungen seitens der belieferten Firma über den Erhalt des genannten Dispersionsputzes vor dem Prioritätstag vor. Es wurde auch keine sonstige Dokumentation vorgelegt, die es ermöglichen würde nachzuvollziehen, auf welchen konkreten Unterlagen die in dem Computersystem vorhandenen Daten basieren. Bei dieser Beweislage kann der tatsächliche Zeitpunkt der fraglichen Lieferung an die Kundin nicht zweifelsfrei festgestellt werden, d.h. ob sie vor dem Prioritätstag, 16. März 2001, tatsächlich stattfand.
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die behauptete offenkundige Vorbenutzung gemäß Dokument (26a) nicht zweifelsfrei und mit der nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer insoweit erforderlichen Sicherheit, nämlich lückenlos (vgl. T 472/92, ABl. EPA 1998, 161; T 2010/08 vom 14. Januar 2011, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) nachgewiesen wurde. Somit gehört sie nicht zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ und kann folglich der Neuheit der Gegenstände gemäß Haupt- und Hilfsantrag nicht entgegenstehen.
Andere Dokumente wurden hinsichtlich der Neuheit nicht zitiert. Der Kammer sind auch keine weiteren, für die Neuheit relevanten Dokumente ersichtlich.
4. Erfinderische Tätigkeit, Hauptantrag (Artikel 52(1) und 56 EPÜ)
4.1 Gemäß dem geltenden Anspruch 1 enthält die beanspruchte biozide Wirkstoffkombination a) TMADH und b) mehrere biozid wirksame Substanzen gewählt aus einer Liste von fünf spezifisch genannten Isothiazolinonen, unter anderem, MIT und BIT. Diese Zusammensetzungen werden zum Schutze von Produkten, bevorzugt Polymer dispersionen, vor Befall von Mikroorganismen verwendet (vgl. Ansprüche 2, 5).
4.2 Die Verfahrensbeteiligten waren sich einig, dass das Dokument (3) als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden konnte. Die Kammer kann diese Auswahl akzeptieren, da dieses Dokument sich ebenso mit Biozid zusammen setzungen befasst, die die Isothiazolinone MIT und BIT enthalten und sich für den Einsatz in Polymer dispersionen eignen (vgl. Anspruch 1 und Seite 8, Zeile 32 bis Seite 9, Zeile 5).
Die Zusammensetzungen gemäß Dokument (3) können zusätzlich zu MIT und BIT noch einen oder mehrere weitere biozide Wirkstoffe enthalten (Seite 5, Zeile 8 bis Seite 6, Zeile 26), wobei "Formaldehyd oder ein Formaldehyd-Depotstoff" unter den bevorzugten Wirkstoffen genannt werden (Seite 6, Zeilen 29-32; Anspruch 13). Beispiele für den Formaldehyd-Depotstoff sind N-Formale (Seite 6, Zeilen 34, 35). Bei diesen ternären Mischungen wird eine synergistische biozide Wirkung erzielt, die größer ist als jene, welche die MIT/BIT-Zweierkombination und jeder dieser weiteren Wirkstoffe allein aufweist (Seite 8, Zeilen 6-22). In den Beispielen 19 und 20 wird dieser Effekt für Mischungen von MIT/BIT mit Formaldehyd gezeigt.
4.3 Ausgehend von dem Dokument (3) hat die Beschwerde führerin die Aufgabe in der Bereitstellung biozider Mischungen gesehen, welche aufgrund verbesserter synergistischer Wirkung den Einsatz geringerer Wirkstoffmengen gestatten.
4.4 Zur Lösung dieser Aufgabe wird eine biozide Wirkstoff kombination gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen, die dadurch gekennzeichnet wird, dass sie TMADH statt Formaldehyd enthält.
4.5 Zwischen der Beschwerdeführerin und den Beschwerde gegnerinnen war es streitig, ob die Aufgabe gemäß obigem Punkt 4.3 durch die vorgeschlagene Lösung gemäß obigem Punkt 4.4 erfolgreich gelöst wird.
Zur Glaubhaftmachung der geltend gemachten Verbesserung hat die Beschwerdeführerin auf ihre Vergleichsversuche in dem Dokument (31) verwiesen. Darin wurde gezeigt, dass mit der aus Dokument (3) bekannten Mischung (BIT/MIT + Formaldehyd) SI-Werte im Bereich von 0,87 bis 1,09 erzielt werden, während Werte für entsprechende erfindungsgemäße Mischungen (BIT/MIT + TMADH) im Bereich von 0,69 bis 0,90 liegen.
Allerdings zeigte die von der Beschwerdegegnerin 1 durchgeführte Wiederholung dieser Versuche gemäß Dokument (32), dass kein nennenswerter Unterschied in den SI-Werten bei diesen zwei Mischungen festzustellen ist.
Außerdem, wie aus der folgende Tabelle ersichtlich wird, ergaben sich deutliche Abweichungen bei den ermittelten MHK-Werten (vgl. insbesondere Werte für MIT/BIT und Formaldehyd), die als Basis für die Berechnung der SI-Werte verwendet werden (vgl. Dokument (3), Seite 10, Zeile 38 bis Seite 11, Zeile 25, QA und QB):
| Dok. (31) MHK [|Dok. (32) MHK [|Dok. (33) MHK [|
| |ppm] |ppm] |ppm] |
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| TMADH | 750 | 650 | 750 |
| | | | |
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| MIT/BIT | 35 | 12 bzw. 15 | 15 |
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| Formaldehyd | 250 | 80 | 50 |
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Die in der letzten Spalte aufgeführten Werte wurden von einem von der Beschwerdegegnerin 1 beauftragten externen Labor gemessen (Dokument (33)). Diese Ergebnisse liegen nahe an denen gemäß Dokument (32) und weichen ebenfalls stark von denen gemäß Dokument (31) ab.
Der Grund für diese unterschiedlichen Ergebnisse konnte von den Verfahrensbeteiligten nicht abschließend nachgewiesen werden. Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der in dem Dokument (31) nachgewiesene Effekt als glaubhaft gelten muss, da er sich aus einer Vielzahl an Messungen ergeben hat. Allerdings gilt das gleiche auch für die Ergebnisse der Beschwerdegegnerin 1 gemäß Dokument (32). Die Beschwerde führerin brachte ebenfalls vor, dass die von ihr ermittelten MHK-Werte vergleichbar waren mit denen in dem Beispiel 19 von Dokument (3). Dieses Argument kann allerdings auch nicht überzeugen, da den zwei Messreihen unterschiedliche Bedingungen (Keim, Medium, Temperatur) zugrundegelegen haben.
Angesichts des Vorbringens der Beschwerde gegnerin 1 gemäß den Dokumenten (32) und (33) bleiben daher erhebliche Zweifel, ob der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Effekt gemäß Dokument (31) reproduzierbar und zuverlässig erzielt werden kann. Bei dieser Sachlage obliegt es der Beschwerde führerin, die Zweifel an der von ihr behaupteten verbesserten Wirkung überzeugend auszuräumen.
Folglich kommt die Kammer zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall nicht glaubhaft ist, dass die geltend gemachte Verbesserung der SI-Werte tatsächlich für die gesamte Anspruchsbreite erzielt werden kann.
Die Kammer möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass selbst bei Berücksichtigung der in dem Dokument (31) aufgeführten Ergebnisse sich kein eindeutiger Nachweis ergibt, dass die von der Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe (vgl. obigen Punkt 4.3) durch die vorgeschlagene anspruchsgemäße Lösung erfolgreich gelöst wird. So wird in dem Dokument (31) folgende Mischungen gegenübergestellt (vgl. Tabellen 2 und 4; TMAD = TMADH, FA = Formaldehyd):
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
und
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Aus diesen Angaben ist es nicht ersichtlich, dass die niedrigeren SI-Werte bei den TMADH-haltigen Formulierungen den Einsatz geringerer Wirkstoffmengen im Vergleich zu den formaldehydhaltigen Zusammen setzungen gestatten würden.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verbesserung bei der Formulierung der Aufgabe unberücksichtigt bleiben muss.
4.6 Infolgedessen ist die Aufgabe weniger anspruchsvoll umzuformulieren. Ausgehend von dem Dokument (3) als nächstliegendem Stand der Technik kann die Aufgabe darin gesehen werden, eine Alternative zu den bekannten bioziden Wirkstoffkombinationen bereitzustellen.
Im Hinblick auf die in den Dokumenten (31) und (32) aufgeführten Versuchsergebnisse ist es glaubhaft, dass die Wirkstoffkombinationen gemäß dem geltendem Anspruch 1 diese umformulierte Aufgabe lösen. Dies wurde von den Beschwerdegegnerinnen nicht bestritten.
4.7 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Mittel zu lösen.
Wie aus den Ausführungen in dem obigen Punkt 4.2 hervorgeht, entnimmt der Fachmann aus dem Dokument (3) bereits die Lehre, dass Mischung aus MIT und BIT mit weiteren biozide Wirkstoffe wie "Formaldehyd oder ein Formaldehyd-Depotstoff" wirksame (synergistische) Biozide ergeben.
In seinem Bemühen, die zugrundeliegende Aufgabe zu lösen, würde der Fachmann, ausgehend von den formaldehydhaltigen Mischungen gemäß den Beispielen 19 und 20, als Alternative daher selbstverständlich bekannte Formaldehyd-Depotstoffe in Betracht ziehen, insbesondere solche die N-Formal-Einheiten enthalten, da in Dokument (3) explizit auf diese Struktur hingewiesen wird (Seite 6, Zeilen 34-36).
Dabei würde der Fachmann auf das Dokument (4) stoßen, das ebenfalls dem Gebiet der Konservierung von technischen Materialien, wie Dispersionen und Dispersionsfarben zugeordnet ist (siehe Seite 5, Zeilen 19-24). Dieses Dokument offenbart die mikrobiozid wirksame, formaldehydhaltige Additionsverbindung TMADH (siehe Seite 2, Zeilen 7-9 und Seite 3, Zeilen 9-22, dort bezeichnet als TMGU), die strukturell zu der Verbindungsklasse der N-Formale gehört. Zudem werden als Beispiele für besonders vorteilhafte Mischpartner unter anderem Isothiazolderivate wie BIT und MIT genannt.
Der Fachmann erhält somit eine klare Anregung, bei der Formulierung alternativer biozider Mischungen das Formaldehyd in den in dem Dokument (3) beschriebenen Zusammensetzungen gegen das in dem Dokument (4) offenbarte Mittel TMADH auszutauschen.
Folglich führt die Lehre des Dokuments (3), in Kombination mit der Lehre des Dokuments (4), den Fachmann zwanglos zu den streitgegenständlichen Wirkstoffkombinationen, ohne dass er erfinderische Anstrengungen unternehmen müsste.
4.8 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach der Fachmann wegen der Vielzahl an Möglichkeiten, die in dem Dokument (3) zur Lösung der Aufgabe geboten wurden, nicht gerade "Formaldehyd-Depotstoff" als weiteres Biozid in Betracht gezogen hätte, kann die Kammer nicht überzeugen, da "Formaldehyd-Depotstoff" in einer bevorzugten Liste mit vier anderen Stoffen, inklusive "Formaldehyd" erscheint (Seite 6, Zeilen 29-32) und auch in dem Anspruch 13 hervorgehoben wird.
Dass das Dokument (4) synergistische Wirkungen für die offenbarten Kombination nicht erwähnt, hält die Kammer ebenfalls nicht für relevant, da der Fachmann schon aus der Lehre des Dokuments (4) entnimmt, dass die nun beanspruchten Mischungen besonders vorteilhaft sind. Außerdem konnte er eine synergistische Wirkung im Hinblick auf die Lehre von Dokument (3) auch erwarten (Seite 8, Zeilen 6-22).
Schließlich kann das Argument der Beschwerdeführerin, dass das Publikationsdatum von Dokument (4) die vorliegende Erfindung als nicht naheliegend erscheinen lasse, auch nicht greifen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, warum die Tatsache, dass TMADH erstmals in 1982 als mikrobiozid wirksamer Stoff offenbart wurde, dem Fachmann von dem Einsatz dieses Stoffs abhalten würde.
4.9 Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Da über jeden Antrag nur als Ganzes entschieden werden kann, erübrigt sich eine Prüfung der weiteren Ansprüche auf ihre Patentfähigkeit.
5. Erfinderische Tätigkeit, Hilfsantrag (Artikel 52(1) und 56 EPÜ)
Die Begründung unter Punkt 4 gilt gleichermaßen für den Anspruch 1 des Hilfsantrags, da dieser auch eine biozide Wirkstoffkombination aus TMADH, MIT und BIT umfasst. Seitens der Beschwerdeführerin wurden diesbezüglich auch keine zusätzlichen Argumente vorgetragen.
6. Antrag der Beschwerdeführerin auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen
Dieser Antrag auf Einholung eines Sachverständigen gutachtens nach Artikel 117(1)(e) EPÜ wurde von der Beschwerdeführerin am 20. August 2012, d.h. erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung, gestellt.
Die Kammer stellt fest, dass die Frage der Diskrepanz zwischen den in den Dokumenten (31) und (32) aufgeführten Daten seit dem Eingang von Dokument (32) am 6. November 2010 bestanden hat. Eine stichhaltige Begründung, warum der Antrag deshalb nicht schon in einem zeitlich früheren Verfahrensstadium vorgelegt worden ist, hat die Beschwerdeführerin nicht gegeben. Als einzige Erklärung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass sie zunächst eine Mitteilung der Kammer abgewartet habe. Diese Begründung kann nicht überzeugen, da jeder Verfahrensbeteiligte nach dem Grundsatz des fairen und ordnungsgemäßen Verfahrens gehalten ist, Anträge so frühzeitig wie möglich einzureichen und die Kammer ihrerseits nicht verpflichtet ist, den Beteiligten selbst eine nur vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage in einer Zwischenmitteilung zur Kenntnis zu bringen.
Außerdem sind nach Artikel 13(3) der Ver fahrens ordnung der Beschwerdekammern des EPA (VOBK) Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zuzulassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist. Wie die Beschwerdegegnerinnen zurecht festgestellt haben, würde im vorliegenden Fall der verspätet vorgebrachte Antrag zwangsläufig zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung führen, da die in der Regel 118(2) EPÜ festgelegte Frist zur Ladung eines Sachverständigen zwei Monate beträgt.
Bereits aus diesen Gründen entschied die Kammer, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen zurückzuweisen.
7. Antrag der Beschwerdegegnerinnen 1 und 3 auf Kostenverteilung
Dem Antrag auf eine andere Verteilung der Kosten im Sinne von Artikel 104(1) EPÜ lag offensichtlich die Annahme zugrunde, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Brief vom 20. August 2012 eingestanden habe, dass sie ihrer Beweislast nicht nachgekommen sei und ihre Beschwerde bereits deshalb keinen Erfolg haben könne. Eine solche Annahme ist jedoch weder aus objektiver Sicht gerechtfertigt noch ist sie bei der gebotenen verständigen Würdigung und Auslegung des Verhaltens der Beschwerdeführerin, insbesondere ihres Schreibens vom 20. August 2012, nahegelegt. Dagegen spricht allein schon, dass, wie vorstehend dargelegt wurde, eine eingehende Diskussion der Sachverhalte nötig war, um zu einer Entscheidung der relevanten Fragen zu gelangen.
Zunächst konnte zu dem genannten Zeitpunkt nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Kammer den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Versuch für schlüssig und die behauptete Wirkung für nachgewiesen halten würde.
Aber auch wenn die Beschwerdeführerin den ihr obliegenden Nachweis der behaupteten Wirkung, eine Verbesserung der SI-Werte über die gesamte Anspruchsbreite, aufgrund der Widersprüche zwischen den von ihr selbst und den von der Beschwerdegegnerin 1 vorgelegten Versuchen (siehe obigen Punkt 4.5) letztlich nicht erbracht hat, bestand zum Zeitpunkt der Einreichung der Eingabe vom 20. August 2012 durchaus die Aussicht, dass die Kammer die erfinderische Tätigkeit aufgrund einer weniger anspruchsvoll umformulierten Aufgabe (Alternative zu den bekannten bioziden Wirkstoffkombinationen; siehe obigen Punkt 4.6) bejaht. Der Umstand, dass die Kammer diese Frage letztlich verneint hat (siehe obigen Punkt 4.7), rechtfertigt jedenfalls unter keinen Umständen die Annahme, die nicht erfolgte Rücknahme der Beschwerde oder des Antrags auf mündliche Verhandlung seitens der Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt diene lediglich der Verzögerung des Verfahrens.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerinnen 1 und 3 kann die Stellung des Antrags auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen nicht als Grund für die beantragte Auferlegung der Kosten anerkannt werden. Auch wenn dieser Antrag schon aus formellen Gründen (siehe obigen Punkt 6) keinen Erfolg hatte, haben die Beschwerdegegnerinnen insoweit keine konkreten Umstände vorgetragen noch sind solche erkennbar, dass dieser Antrag nicht als - wenn auch erfolgloser - Versuch der Beschwerdeführerin gewertet werden könnte, ihrer Beweispflicht nachzukommen, sondern lediglich den Schluss auf eine beabsichtigte Verfahrensverzögerung zuließe.
Da seitens der Beschwerdeführerin bei der Ausübung von ihrem Recht, das Streitpatent zu verteidigen kein Verfahrensmissbrauch erkennbar ist, konnte der Antrag auf eine im Sinne der Artikel 104(1) EPÜ und 16(1)e) VOBK andere Kostenverteilung keinen Erfolg haben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag der Beschwerdegegnerinnen 1 und 3, der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens, die seit dem 20. August 2012 entstanden sind und noch entstehen werden, aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.