T 0060/10 () of 29.7.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T006010.20110729
Datum der Entscheidung: 29 Juli 2011
Aktenzeichen: T 0060/10
Anmeldenummer: 04738034.0
IPC-Klasse: B66B 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sicherheitssystem einer Aufzugsanlage
Name des Anmelders: Inventio AG
Name des Einsprechenden: Otis Elevator Company
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (Hauptantrag) - nein
Zulässigkeit der Änderungen (Hilfsantrag 3) - nein; (Hilfsantrag 4) - ja
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 4) - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 25. Juni 2004 unter Inanspruchnahme einer europäischen Priorität vom 30. Juni 2003 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 04738034.0 wurde das europäische Patent Nr. 1 638 880 erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ 1973, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

Mit ihrer am 17. November 2009 zur Post gegebenen Entscheidung hielt die Einspruchsabteilung das europäische Patent in eingeschränktem Umfang aufrecht. Sie stellte fest, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.

III. Gegen diese Entscheidung legten die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) am 13. Januar 2010 und die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) am 27. Januar 2010 Beschwerde ein und bezahlten jeweils am gleichen Tag die Beschwerdegebühr.

Mit ihrer am 26. März 2010 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Beschwerdebegründung verfolgte die Beschwerdeführerin I ihre Anträge auf Zurückweisung des Einspruchs oder Aufrechterhaltung des Patents nach dem ersten Hilfsantrag weiter.

Die Beschwerdeführerin II begründete ihren im Beschwerdeschriftsatz gestellten Antrag auf Widerruf des Patents mit ihrer am 29. März 2010 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Beschwerdebegründung.

IV. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung ihre vorläufige Meinung mit, wonach fraglich sei, ob der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag das Neuheitserfordernis erfülle. Die Beurteilung der Einspruchsabteilung, dass bei Hilfsantrag 1 ein Offenbarungsproblem vorliege, dürfte zutreffen. Ob das Patent in der aufrecht erhaltenen Fassung das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ erfüllte, müsse noch diskutiert werden. Im Ergebnis erscheine die Begründung zur erfinderischen Tätigkeit in der Einspruchsentscheidung zutreffend.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2011 reichte die Beschwerdeführerin I weitere Hilfsanträge 3 bis 7 ein.

V. Am 29. Juli 2011 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Als für die Entscheidung relevanter Stand der Technik wurden wieder aufgegriffen:

D2: US-A-5 717 174

D3: US-A-5 487 488

D4: GB-A-2 127 603

D6: EP-A-1 314 679

Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents wie erteilt oder auf der Grundlage des Hilfsantrags 3, eingereicht mit Schreiben vom 29. Juni 2011, oder mit folgenden Unterlagen:

Ansprüche 1 bis 13, eingereicht als Hilfsantrag 4 mit Schreiben vom 29. Juni 2011,

Beschreibung Spalten 1 bis 9 mit Anlageseite 1A eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2011,

Zeichnungen Figuren 1, 2A, 2B, 3 wie erteilt.

Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 638 880.

Anspruch 1 (wie erteilt) gemäß Hauptantrag lautet:

"Sicherheitssystem (10; 20) einer Aufzugsanlage, mit

a) einer Kontrolleinheit (11; 21)

b) mindestens einem Busknoten (13; 23; 33),

c) mindestens einem Sicherheitselement (16; 26; 36), und

d) einem Bus (12; 22, 22.1, 22.2; 32.1; 32.2), der eine Kommunikation zwischen der Kontrolleinheit (11; 21) und dem Busknoten (13; 23; 33) ermöglicht,

dadurch gekennzeichnet, dass der Busknoten (13; 23; 33) erste Schaltungsmittel (14; 24; 34) aufweist, die, auf digitale Vorgabe einer Sollgröße durch die Kontrolleinheit (11; 21), das Sicherheitselement (16; 26; 36) mit einem ersten analogen Signal beaufschlagen, und zweite Schaltungsmittel (15; 25; 35) aufweist, die ein analoges Signal an dem Sicherheitselement (16; 26; 36) abgreifen und der Kontrolleinheit (11; 21) über den Bus (12; 22, 22.1, 22.2; 32.1, 32.2) digitale Rückinformation zur Verfügung stellen."

Der unabhängige Anspruch 9 gemäß Hauptantrag betrifft ein Verfahren zum Überprüfen eines Sicherheitssystems.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 umfasst den Text des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag mit folgenden Änderungen:

Merkmal c) lautet: "mindestens einem als Kontakt oder Schalter ausgeführten Sicherheitselement (16; 26; 36), und"

"dadurch gekennzeichnet, dass" wurde ersetzt durch "wobei".

In der viertletzte Zeile wurde vor "analoges Signal" "zweites" eingefügt.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des Hilfsantrags 4 lauten (Änderungen gegenüber den erteilten Ansprüchen sind kursiv dargestellt):

"1. Sicherheitssystem (10; 20) einer Aufzugsanlage, mit

a) einer Kontrolleinheit (11; 21)

b) mindestens einem Busknoten (13; 23; 33),

c) mindestens einem als Türkontakt, Riegelkontakt, Pufferkontakt, Klappenkontakt, Fahrschalter oder Notstoppschalter ausgeführten Sicherheitselement (16; 26; 36), und

d) einem Bus (12; 22, 22.1, 22.2; 32.1, 32.2), der eine Kommunikation zwischen der Kontrolleinheit (11; 21) und dem Busknoten (13; 23; 33) ermöglicht,

wobei der Busknoten (13; 23; 33) erste Schaltungsmittel (14; 24; 34) aufweist, die, auf digitale Vorgabe einer Sollgröße durch die Kontrolleinheit (11; 21), das Sicherheitselement (16; 26; 36) mit einem ersten analogen Signal beaufschlagen, und zweite Schaltungsmittel (15; 25; 35) aufweist, die ein zweites analoges Signal an dem Sicherheitselement (16; 26; 36) abgreifen und der Kontrolleinheit (11; 21) über den Bus (12; 22, 22.1, 22.2; 32.1, 32.2) digitale Rückinformation zur Verfügung stellen."

8. Verfahren zum laufenden Überprüfen eines Sicherheitssystems (10; 20) einer Aufzugsanlage, wobei das Sicherheitssystem (10; 20) eine Kontrolleinheit (11; 21), mindestens einen Busknoten (13; 23; 33), mindestens ein als Türkontakt, Riegelkontakt, Pufferkontakt, Klappenkontakt, Fahrschalter oder Notstoppschalter ausgeführten Sicherheitselement (16; 26; 36) und einen Bus (12; 22, 22.1, 22.2; 32.1, 32.2) umfasst, der eine Kommunikation zwischen der Kontrolleinheit (11; 21) und dem Busknoten (13; 23; 33) ermöglicht,

dadurch gekennzeichnet, dass folgende Schritte ausgeführt werden:

a) Übermitteln von digitaler Information durch die Kontrolleinheit (11; 21) über den Bus (12; 22, 22.1, 22.2; 32.1, 32.2) an den Busknoten (13; 23; 33), um damit eine Sollgröße vorzugeben,

b) Umsetzen der digitalen Information durch den Busknoten (13; 23; 33), um ein erstes analoges Signal bereitzustellen, das der Sollgröße entspricht oder mit dieser korreliert ist,

c) Anlegen oder Einprägen des ersten analogen Signals an dem Sicherheitselement (16; 26; 36),

d) Abgreifen oder Empfangen eines zweiten analogen Signals an dem Sicherheitselement (16; 26; 36) durch den Busknoten (13; 23; 33)

e) Verarbeiten des zweiten analogen Signals durch den Busknoten (13; 23; 33),

f) Bereitstellen von digitaler Rückinformation durch den Busknoten (13; 23; 33) für die Kontrolleinheit (11; 21)."

VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag sei neu, weil die in D2 offenbarte Aufzugbremse kein Sicherheitselement im Sinne des Patents sei. Vielmehr handle es sich dort um eine Steuerschaltung für eine Bremse, die mit einem Sicherheitssystem nichts zu tun habe. Der Fachmann lese zudem einen Unterschied in den im Patent verwendeten Begriffen "Sicherheitssystem" und "Sicherheitselement", die so nicht in D2 erkennbar seien. Es handle sich daher im Verständnis des Fachmanns um einen unterschiedlichen Gegenstand. Selbst wenn man den Positionssensor 11 als Sicherheitselement betrachte, werde ein analoges Signal vom digitalen Potentiometer 19 nicht auf ihn, sondern auf den Operationsverstärker 15 gegeben. Daher sei das Abgreifen eines zweiten analogen Signals am Positionssensor nicht möglich. Da eine breite Interpretation der Anordnung von D2 möglich sei, handle es sich nicht um eine eindeutige Offenbarung, die die beanspruchte Lösung auch nicht vorwegnehmen könne.

Die im Hilfsantrag 3 eingefügte Präzisierung sei zwar nicht wörtlich in der Patentbeschreibung enthalten, ergebe sich jedoch klar und eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang, weil an vielen Stellen der Patentschrift von Kontakten oder Schaltern die Rede sei. Dem Fachmann erschließe sich daher der Begriffsinhalt in seiner Offenbarung eindeutig und zweifelsfrei.

Der zweifellos neue Gegenstand des Anspruchs 1 und das Verfahren des Anspruchs 8 nach Hilfsantrag 4 beruhten auch auf erfinderischer Tätigkeit, weil die beanspruchten Lösungen weder durch den nächstkommenden Stand der Technik noch das allgemeine Fachwissen nahegelegt würden.

VII. Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) trug vor, dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag mangle die Neuheit, weil sich die Offenbarung der D2 zwanglos auf die beanspruchte Lösung lesen lasse. Die in D2 offenbarte Aufzugbremse sei ein Sicherheitselement in diesem Sinn, und durch die Steuerung werde nicht nur das Bremsgeräusch reduziert, sondern auch die Ansprechzeit der Bremse verkürzt, was zur Sicherheit beitrage. Da im Patent das Sicherheitssystem, das Sicherheitselement und auch die Schaltungsmittel nicht konkret bezeichnet seien, erfüllten die entsprechenden in D2 vorhandenen Elemente die Funktion des beanspruchten Gegenstandes. So sei auch der Operationsverstärker 15 ein Teil des Sicherheitselements, an dem eine Spannung als analoges Signal vom digitalen Potentiometer 19 anliege und an dessen Ausgang als analoges Signal abgegriffen werde, um als digitale Rückinformation vom A/D Converter 16 über den BUS 21 zur Verfügung gestellt zu werden.

Der Hilfsantrag 3 sei als später Antrag zu betrachten, der prima facie alle Bedenken ausräumen müsse, um zugelassen zu werden. Die eingefügten Kontakte oder Schalter seien nicht klar und eindeutig in diesem Zusammenhang offenbart, so dass eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vorliege.

Der Gegenstand des Hilfsantrags 4 sei nicht neu, da er sich aus fachmännischer Sicht implizit aus D3 ergebe. Dort werde ein Türkontakt für einen Aufzug offenbart, der zwar berührungslos, jedoch in gleicher Weise arbeite wie ein Berührungskontakt. Solche Sicherheitsschalter seien auch in D3 erwähnt (Spalte 1, Zeilen 24 bis 28). An diesen Schalter 16 werde von den Schaltungsmitteln im Busknoten (Sensor Electronics) auf Vorgabe von der Kontrolleinheit ein analoges Signal angelegt. Am Sensor 12 werde wieder ein analoges Signal abgegriffen und über den Bus als digitale Rückinformation zur Verfügung gestellt.

Auch beruhe das beanspruchte System nach dem Hilfsantrag 4 nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da es für den einschlägigen Fachmann durch D4 nahegelegt sei. Das dort offenbarte allgemein verwendbare Sicherheitssystem biete sich auch für den Einsatz bei einer Aufzugsanlage an, wie sie beispielsweise D6, dort mit Brandmeldern als Sicherheitselementen, offenbare. Nach D4 werde von der Kontrolleinheit R über den Bus 2 eine digitale Vorgabe an den Test Voltage Generator 6 gesendet, der eine Spannung, d.h. ein analoges Signal auf den Sensor 5 gebe. Vom Verstärker 7 werde ein analoges Signal am Sensor 5 abgegriffen und über den A/D Wandler 4 als digitale Rückinformation bereitgestellt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Hauptantrag, Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ 1973)

2.1 Aus D2 ist ein Sicherheitssystem für eine Aufzugsanlage bekannt. Der Mikroprozessor 20 hat die Funktion einer Kontrolleinheit.

2.2 Ein Busknoten ist ein Schaltungsteil, das mit dem Bus in Verbindung steht und dessen räumliche Form und Anordnung durch die Angaben im Patent nicht bestimmt ist. Da die Anordnung der Figur 2 in D2 nur funktionsbezogen ist, können die dort gezeigten Schaltungsteile und Verbindungen, die mit dem Bus in Verbindung stehen, als Busknoten bezeichnet werden.

2.3 Gemäß Patentbeschreibung (Spalte 3, Zeile 13) gehören auch Aktuatoren zu den beanspruchten Sicherheitselementen. Nach dieser Definition kann die Bremsbetätigung und ihre Steuerung gemäß D2 als ein Aktuator bezeichnet werden, der den Bremsspalt vorgibt, und ist somit als ein Sicherheitselement zu verstehen. Aus der Beschreibung ergibt sich zudem, dass die Ansprechzeit der Bremse verkürzt wird (Spalte 2, Zeile 67), was jedenfalls einen Beitrag zur Sicherheit der Aufzugsanlage leistet.

2.4 In Figur 2 ist für den Bus das üblich Symbol verwendet, so dass hier kein Zweifel besteht, dass er Kommunikation zwischen den verschiedenen Komponenten ermöglicht.

2.5 Die Steuerungsanordnung, die als Busknoten bezeichnet werden kann, weist erste Schaltungsmittel auf, die, auf digitale Vorgabe einer Sollgröße durch die Kontrolleinheit, das Sicherheitselement mit einem ersten analogen Signal beaufschlagen. Das digitale Potentiometer 19 erhält vom Mikroprozessor eine Spannungsvorgabe. Dieses analoge Spannungssignal liegt am Operationsverstärker 15 an. Der Operationsverstärker ist Teil des Sicherheitselements, das den Abstand vom Bremsträger 4 zum Bremsbelag 5 regelt.

2.6 Der Busknoten weist ein zweites Schaltungsmittel (A/D Converter 16) auf, das ein analoges Signal, nämlich eine Spannung am Ausgang des Operationsverstärkers abgreift und der Kontrolleinheit über den Bus als digitale Rückinformation zur Verfügung stellt.

2.7 Da die räumliche Form des Busknotens unbestimmt ist, ist jedes vom zweiten Schaltungsmittel erzeugte Signal in irgendeiner digitalisierten Form darunter zu verstehen.

2.8 Der Anspruch 1 erfüllt daher nicht das Neuheitserfordernis, da im technischen Sinn wörtlich alle Merkmale in D2 zu lesen sind.

2.9 Die Beschwerdeführerin I machte geltend, dass der Fachmann unter "Sicherheitssystem", "Sicherheitselement", "Busknoten" und "Bus" bestimmte Vorstellungen über die Form dieser Merkmale habe, die nur willkürlich in die aus D2 bekannte Steuerungsanlage hineininterpretiert würden. Diese Argumentation kann jedoch nicht durchgreifen, denn die Merkmale des Anspruchs 1 sind mit Ausnahme der Aufzugsanlage nur durch funktionale Zusammenhänge und Wirkungen beschrieben, die keine räumliche Form definieren.

3. Hilfsantrag 3, Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags wurde durch die Merkmale eingeschränkt, wonach das mindestens eine Sicherheitselement als Kontakt oder Schalter ausgeführt ist. Zur ursprünglichen Offenbarung dieser Merkmale hat die Beschwerdeführerin I auf die Abschnitte ,[0002], [0018], [0025], [0030], [0031] und [0036] der Patentschrift (die insoweit mit der Anmeldung identisch ist) sowie auf den erteilten Anspruch 2 hingewiesen, der eine Reihe von speziellen Kontakten und Schalter aufzähle. Keine dieser angegebenen Textstellen offenbart "Kontakt oder Schalter" in dieser allgemeinen Form. In Abschnitt [0002] werden Sicherheitskontakte und -schalter des Standes der Technik in einer Serienschaltung beschrieben. In den Abschnitten [0018] und [0030] geht es um die Funktionstüchtigkeit eines Kontaktes bzw. um den Kontaktzustand eines Schalters. Abschnitt [0036] enthält ein Beispiel mit redundanten Schaltern oder Kontakten. Abschnitt [0025] bezieht sich auf einen Schalter gemäß der besonderen Ausführungsform nach den Figuren 2A und 2B. Anspruch 2 enthält eine Reihe von speziellen Schaltern oder Kontakten, von denen nicht allgemein auf einen Kontakt oder Schalter jeglicher Ausprägung geschlossen werden kann. Daher genügt der Anspruch nicht den Erfordernissen der Artikel 123(2) EPÜ. Da es sich um einen späten Antrag handelt, der die Erfordernisse des Übereinkommens nicht prima facie erfüllt, übt die Kammer ihr in Artikel 13(1) VOBK eingeräumtes Ermessen dahingehend aus, dass der Antrag nicht zugelassen wird.

4. Hilfsantrag 4

4.1 Änderungen (Artikel 123(2), 123(3) EPÜ)

In den Anspruch 1 und den unabhängigen Anspruch 8 wurden die im Anspruch 2 aufgezählten als einzeln oder in Kombination vorhandenen speziellen Sicherheitselemente aufgenommen. Bezüglich der Offenbarung dieser Änderungen wurden seitens der Beschwerdeführerin II keine Argumente vorgebracht. Auch nach Auffassung der Kammer sind diese Änderungen nicht zu beanstanden.

Dasselbe gilt für das in die unabhängigen Ansprüche aufgenommene analoge Signal, welches an dem Sicherheitselement abgegriffen, ggf. anschließend verarbeitet und als "zweites" bezeichnet wird. Die Zulässigkeit dieser Änderung wurde in der Einspruchsentscheidung (Punkt 2.3.2) ausführlich und zutreffend begründet, so dass diese Feststellungen der Einspruchsabteilung von der Kammer vollinhaltlich übernommen werden können.

Auch beschränken diese Änderungen den Schutzumfang und genügen daher den Erfordernissen der Artikel 123(2) und 123(3) EPÜ.

4.2 Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ 1973)

Die Beschwerdeführerin II meinte, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei durch D3 durch implizite Offenbarung bekannt.

Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden, weil sich D3 im Detail mit einem berührungslosen Magnetfeldsensor befasst. Da kein Kontakt als Berührungskontakt oder Schalter in diesem Sinne offenbart ist, kann an diesem speziellen Sicherheitselement kein analoges Signal angelegt oder abgegriffen werden. Weitere Unterschiede sind darin zu sehen, dass in D3 kein analoges Signal auf digitale Vorgabe einer Sollgröße durch die Kontrolleinheit vorgegeben wird und dass kein Bus vorhanden ist, denn die Signale werden über die Leitungen 28, 42 an die "Sensor Electronics" und vom "Signal Converter" über die Leitung 44 zurückgemeldet. Kennzeichen eines Bus ist jedoch, dass die Signale getaktet in einem Strang übertragen werden. Das Sicherheitssystem nach Anspruch 1 ist daher neu. Da das Verfahren nach Anspruch 8 dieselben Beschränkungen in Bezug auf die speziellen Sicherheitselemente enthält, gilt diese Feststellung auch für diesen Anspruch, so dass der Hilfsantrag 4 das Neuheitserfordernis erfüllt.

4.3 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

4.3.1 Als nächstkommender Stand der Technik wurde übereinstimmend der Stand der Technik nach D4 angesehen. Dieses Dokument offenbart ein Sicherheitssystem für eine Alarmanlage mit einer Kontrolleinheit (Receiver R), mehreren Busknoten, mindestens einem Sensor (5) als Sicherheitselement und einem Bus (2), der eine Kommunikation zwischen der Kontrolleinheit und dem Busknoten ermöglicht (siehe z.B. Fig. 1). Der Busknoten weist erste Schaltungsmittel (6) und zweite Schaltungsmittel (7) auf. Das erste Schaltungsmittel (Test Voltage Generator 6) beaufschlagt das Sicherheitselement mit einem ersten analogen Signal. Dabei greift das zweite Schaltungsmittel (Verstärker 7) ein zweites analoges Signal an dem Sicherheitselement ab. Nach Analog/Digital-Wandlung wird es der Kontrolleinheit über den Bus zur Verfügung gestellt.

4.3.2 Von diesem Stand der Technik unterscheiden sich das beanspruchte Sicherheitssystem sowie das Verfahren zu dessen Überprüfung dadurch, dass das Sicherheitssystem für ein Aufzugssystem vorgesehen ist, dass das Sicherheitselement als Türkontakt, Riegelkontakt, Pufferkontakt, Klappenkontakt, Fahrschalter oder Notstoppschalter ausgeführt ist und dass die ersten Schaltungsmittel das Sicherheitselement auf digitale Vorgabe einer Sollgröße durch die Kontrolleinheit mit einem ersten analogen Signal beaufschlagen.

4.3.3 Die Aufgabe der Erfindung wird darin gesehen, ein verbessertes Sicherheitssystem aufzuzeigen, mit welchem undefinierte Zustände oder Fehlinterpretationen vermieden werden, wobei die Abfrage der Sicherheitselemente des Sicherheitssystems über den Sicherheitsbus sicher und zuverlässig sein soll.

Zur Lösung dieses technischen Problems sind das Sicherheitssystem einer Aufzugsanlage mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und das Verfahren zum laufenden Überprüfen eines solchen Sicherheitssystems nach Anspruch 8 vorgesehen.

4.3.4 Wie die Beschwerdeführerin II zutreffend vorträgt, wird sich der Fachmann bei der Suche nach Verbesserungen eines Sicherheitssystems für eine Aufzugsanlage nicht allein auf derart spezielle Anlagen beschränken, wie z.B. aus D6 bekannt, sondern auch das allgemein einsetzbare Sicherheitssystem in Betracht ziehen, wie es in D4 offenbart ist. Dabei erkennt der Fachmann, dass dieses System prinzipiell auch für die Abfrage und Feststellung der Funktionsfähigkeit der Sicherheitselemente einer Aufzugsanlage geeignet ist. Daher könnte er die Testschaltung für den Sensor 5, der dort zum Detektieren von Rauch, Gas oder erhöhter Temperatur eingesetzt ist, auch für ein sonstiges Sicherheitselement in einer Aufzugsanlage verwenden, ohne dabei erfinderisch tätig zu sein.

4.3.5 Die Abfrage des Sensors geschieht gemäß D4 in der Weise, dass die Kontrolleinheit R ein digitales Adresssignal und ein Testbefehlssignal an den jeweiligen Busknoten (terminal unit) sendet. Das Schaltungsmittel (control circuit 3) gibt einen Befehl an den Testspannungsgenerator 6, den Sensor 5 mit einer vorgegebenen Testspannung oder einer Stufen-Testspannung entsprechend dem Testbefehlssignal zu beaufschlagen. Das zweite Schaltungsmittel (amplifier 7) greift ein zweites analoges Signal am Sensor 5 ab und stellt es als digitale Rückinformation der Kontrolleinheit zur Verfügung, die anhand eines Vergleichs der vorgegebenen, am Sensor anliegenden Testspannung mit dessen Ausgangssignal feststellt, ob der Sensor normal arbeitet (siehe z.B. Seite 1, Zeile 124 bis Seite 2, Zeile 12).

4.3.6 Wendet der Fachmann nun diese Vorgehensweise beim Sicherheitssystem für seine Aufzugsanlage an, so erhält er eine entsprechende Lösung, von der aber die mit der Erfindung beanspruchte in wesentlichen Maßnahmen abweicht. Während die vorgegebene Testspannung gemäß D4 entweder als vorbestimmte Testspannung oder in Stufen auf ein entsprechendes Vorgabesignal im Testspannungsgenerator 6 erzeugt wird, wird mit dem Sicherheitssystem gemäß Patent eine Sollgröße des ersten analogen Signals von der Kontrolleinheit digital vorgegeben. Eine solche digitale Vorgabe einer beliebigen Sollgröße ist in D4 weder offenbart noch ist ein Hinweis in dieser Richtung erkennbar. Dieses Vorgehen wäre nach D4 auch nicht notwendig oder sinnvoll, da bei der Testabfrage des Rauch-, Gas- oder Temperatursensors lediglich festgestellt wird, ob seine Empfindlichkeit ausreicht, um ab einem gewissen Schwellwert ein Signal abzugeben, und er somit ordnungsgemäß funktioniert. Mit der Beaufschlagung durch ein frei wählbares analoges Signal (was durch die "Vorgabe einer Sollgröße" der Fall ist) und der darauf folgenden Abfrage des Ausgangssignals kann aber der Zustand eines angesteuerten Sicherheitselements, welches nicht nur zum Detektieren von Schwellwerten geeignet ist, besser analysiert werden als wenn nur bestimmte vorgegebene Testspannungen, auch in Stufen, vorgebbar sind. Somit kann das in D4 offenbarte System den Fachmann nicht zur beanspruchten Lösung führen.

4.3.7 Dieselben Unterschiedsmerkmale des Anspruchs 1 finden sich im unabhängigen Anspruch 8 als Verfahrensschritte wieder. Da der Fachmann aus dem gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik keinen Anstoß zur beanspruchten Vorgehensweise erhält und auch nicht erkennbar ist, wodurch er im Rahmen seines allgemeinen Fachwissens angeregt werden könnte, ein erstes analoges Signal nach digitaler Vorgabe einer Sollgröße durch die Kontrolleinheit mittels der ersten Schaltungsmittel an das Sicherheitselement anzulegen, sind die beanspruchten Lösungen gemäß Anspruch 1 und Anspruch 8 nicht nahegelegt und beruhen daher auf erfinderischer Tätigkeit.

4.3.8 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 und 9 bis 13 enthalten weitere Ausgestaltungen der Erfindung und erfüllen ebenfalls die Erfordernisse des EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das europäische Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

Ansprüche 1 bis 13, eingereicht als Hilfsantrag 4 mit Schreiben vom 29. Juni 2011,

Beschreibung Spalten 1 bis 9 mit Anlageseite 1A vom 29. Juli 2011,

Zeichnungen Figuren 1, 2A, 2B, 3, wie erteilt.

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