T 0014/10 () of 3.5.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T001410.20110503
Datum der Entscheidung: 03 Mai 2011
Aktenzeichen: T 0014/10
Anmeldenummer: 03027954.1
IPC-Klasse: B23B 27/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Zerspanwerkzeug und Verfahren zur Endbehandlung eines Zerspanwerkzeuges
Name des Anmelders: WENDT GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Klarheit (Haupt-, Hilfsantrag 1) - nein
Zulassung eines neuen späten Antrags - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 03027954.1, eingereicht am 4. Dezember 2003, wurde von der Prüfungsabteilung mit der am 3. August 2009 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

Die Prüfungsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass die Anmeldung die Erfordernisse des EPÜ in Bezug auf Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973), Neuheit (Artikel 54(1) und (2) EPÜ 1973) und erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973) nicht erfüllte. Soweit die Anmeldung interpretiert werden könne, seien aber jedenfalls das Zerspanwerkzeug nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 14 weder neu noch erfinderisch gegenüber den Dokumenten:

D4: EP-A-0 369 087

D9: DE-A-100 16 464

D14: US-A-2001/0007215

D16: DE-A-37 40 814

D17: US-A-5 288 186

II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin am 24. September 2009 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt.

Mit der am 14. Dezember 2009 eingegangenen Beschwerdebegründung hat sie ihren Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents mit den am 16. Dezember 2008 eingereichten Ansprüchen weiter verfolgt.

III. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung mit, dass ihrerseits die Entscheidung der Prüfungsabteilung nicht zu beanstanden sei und auch der zuständige Fachmann zutreffend definiert sein dürfte. Als Reaktion verteidigte die Beschwerdeführerin ihren Hauptantrag und reichte einen Hilfsantrag ein.

VI. Am 3. Mai 2011 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der die Beschwerdeführerin einen weiteren Hilfsantrag einreichte.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein europäisches Patent auf der Grundlage des Hauptantrags vom 16. Dezember 2008 oder des Hilfsantrags 1 vom 30. März 2011 oder des Hilfsantrags 2 vom 3. Mai 2011 zu erteilen.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 14 gemäß Hauptantrag lauten:

"1. Zerspanwerkzeug in Form einer Wendeschneidplatte, wobei der Bereich der Schneidengeometrie durch gezielte Einwirkung von geeigneter Laserstrahlung endbehandelt ist und Mikrokanäle im Bereich der Schneidkante eingebracht sind, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest ein Mikrokanal für die Zufuhr von Kühlmittel endseitig offen ausgebildet ist.

14. Verfahren zur Endbehandlung eines als Wendeschneidplatte ausgebildeten Zerspanwerkzeuges im Bereich der Schneidengeometrie, insbesondere zur Endbehandlung eines Zerspanwerkzeuges nach einem der Ansprüche 1 bis 13, wobei die Endbehandlung durch gezielte Einwirkung von geeigneter Laserstrahlung erfolgt, dadurch gekennzeichnet dass Mikrokanäle im Bereich der Schneidkante eingebracht werden und zumindest ein Mikrokanal für die Zufuhr von Kühlmittel endseitig offen ausgebildet ist."

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 14 gemäß Hilfsantrag 1 wurden gegenüber denen gemäß Hauptantrag geändert, indem in der jeweils vorletzten Zeile der Ausdruck:

"für die Zufuhr von Kühlmittel" ersetzt wurde durch:

"als Kühlmittelzufuhrmikrokanal".

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 umfasst den Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, an den folgender Text angefügt wurde:

"..., wobei das Zerspanwerkzeug einen Werkzeugkörper 2 mit einer Schneidkante 3 und einer als Mikroschneide 3a ausgebildeten zusätzlichen Schneidkante umfasst, und weiterhin das Zerspanwerkzeug 1 mit einer konventionell hergestellten und normal dimensionierten Spanleitstufe 4 versehen ist und eine Mikrospanleitstufe 5 aufweist, die aus Richtung der Schneidkante 3 gesehen der konventionellen Spanleitstufe 4 vorgeordnet ist, und wobei das Zerspanwerkzeug 1 weiterhin mit einem endseitig geschlossenen Mikrokanal 6 für einen Sensor versehen ist und auch einen endseitig offenen, in eine Kühlmittelzuführbohrung mündenden Mikrokanal 7 beinhaltet sowie auch ein endseitig offener Mikrokanal 8 für einen anderen Sensor vorgesehen ist."

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der in den Ansprüchen verwendete Begriff "Bereich der Schneidkante" sei für den einschlägigen Fachmann klar und eindeutig verständlich, denn er definiere genau den Bereich direkt an der Schneidkante. Nach allgemeinem Sprachgebrauch sei ein "Bereich" abgegrenzt, so dass klar zum Ausdruck komme, dass die Mikrokanäle unmittelbar an der Schneidkante eingebracht seien. Da im Stand der Technik die jeweiligen Kanäle gerade nicht unmittelbar an der Schneide endeten, seien die beanspruchten Lösungen neu. Auch beruhten das Zerspanwerkzeug und das Verfahren zur Behandlung eines solchen Werkzeugs auf erfinderischer Tätigkeit. Der Fachmann würde aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnisse davon abgehalten, in dem beanspruchten Bereich der Schneidenkante Kanäle einzubringen, weil damit eine normalerweise unerwünschte Materialschwächung verbunden sei. Der Antrag auf Erteilung eines Patents auf die Anmeldung sei somit begründet, weil die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche sowohl neu als auch erfinderisch seien.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1 Die Ansprüche 1 und 14 lagen bereits der Entscheidung der Prüfungsabteilung zugrunde. Die Kammer hatte bereits in ihrem Bescheid darauf hingewiesen, dass sie in der angefochtenen Entscheidung keinen Fehler sehe. Auch der Vortrag der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung hat zu keiner unterschiedlichen Beurteilung geführt.

2.2 Neben den von der Prüfungsabteilung zutreffend beurteilten Unklarheiten ist auch entgegen der erneuten Erläuterungen der Beschwerdeführerin der "Bereich der Schneidkante" ein unklares Merkmal. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gibt es im Gegensatz zu abgegrenzten Bereichen (wie der von der Beschwerdeführerin in der Verhandlung zitierte "Stadtbereich") auch Bereiche mit offener Ausdehnung, wie z.B. "im Bereich eines Gebäudes", womit eben die Umgebung des Gebäudes ohne feste Begrenzung gemeint ist. Somit ist allgemeinsprachlich durch diesen Ausdruck nicht definiert, wie weit sich der Bereich von der Schneidkante weg erstreckt und wo er endet. Die Grenzen des beanspruchten Bereichs bleiben damit undefiniert. Für eine dem Vortrag der Beschwerdeführerin entsprechende fachmännische Sicht ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.

2.3 Auch ist eine Auslegung des unklaren Begriffes anhand der Figurenbeschreibung nicht möglich. Es heißt dort im A-Dokument (Abschnitt [0028]): Vorzugsweise kann im Bereich der Schneidkante eine, insbesondere einer konventionell hergestellten Spanleitstufe vorgeordnete, Mikrospanleitstufe erzeugt werden. Bei einem Vergleich der Figur 1 mit der Beschreibung ist feststellbar, dass die Mikroschneide 3a im Bereich der Schneidkante 3 (vgl. Abschnitt 0036]) von letzterer um einen Abstand zwischen den Spitzen der beiden Bezugszeichenpfeile entfernt ist. Von der Schneidkante 3 zur Öffnung des Kanals 8, der vom Anspruchswortlaut mit umfasst ist, ist der Abstand noch größer als zwischen den beiden Pfeilspitzen, so dass mangels einer konkreten Angabe oder eines Beispieles auch hier unklar ist, wo der Bereich liegen soll und wo er endet.

3. Hilfsantrag 1, Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973)

In den geänderten Ansprüchen 1 und 14 dieses Antrags ist der unklare Begriff "Bereich der Schneidkante" unverändert übernommen worden. Der Antrag kann daher aus denselben Gründen wie der Hauptantrag nicht gewährt werden.

4. Hilfsantrag 2 (Zulassung in das Verfahren, Artikel 13 VOBK)

4.1 Nach Artikel 114 (2) EPÜ 1973 braucht das Europäische Patentamt Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen. Hierzu bestimmt Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK), dass es im Ermessen der Kammer steht, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern wird deshalb ein später Antrag nur zum Verfahren zugelassen, wenn er bestehende Kritikpunkte ausräumt und prima facie als gewährbar erscheint.

4.2 Der vorliegende Hauptantrag wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Aus den nachstehenden Gründen erfüllt er nicht die oben beschriebenen Anforderungen, um zu so einem späten Zeitpunkt zum Verfahren zugelassen zu werden.

4.3 Bei der Einschränkung des erteilten Anspruchs 1 stützte sich die Beschwerdeführerin insbesondere auf die Ausführungsform der Figur 1 in Zusammenhang mit der ursprünglich eingereichten Beschreibung (A-Dokument, Abschnitte [0036] bis [0038]). Dieser in den Anspruch 1 aufgenommene Beschreibungstext enthält keine Angabe, durch die der "Bereich der Schneidkante" näher definiert würde als in einem der vorhergehenden Anträge. Vielmehr ist die Figur 1, wie oben dargelegt (Punkt 2.3), mangels präzisierender Offenbarung auch nicht geeignet, die Unklarheit des beanspruchten Gegenstands zu beseitigen. Da der Antrag somit prima facie die bestehenden Einwände wegen Verstoßes gegen Artikel 84 EPÜ 1973 nicht beseitigt, ist er nicht zum Verfahren zuzulassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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