T 2277/09 (Diestergemische/BASF) of 11.10.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T227709.20121011
Datum der Entscheidung: 11 October 2012
Aktenzeichen: T 2277/09
Anmeldenummer: 99973824.8
IPC-Klasse: C07C 69/44
C07C 69/80
C07C 67/08
C08K 5/11
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 141 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gemisch von Diestern der Adipin- oder Phthalsäure mit isomeren Nonanolen
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Evonik Oxeno GmbH
ExxonMobil Chemical Patents Inc.
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 111
Schlagwörter: Ausführbarkeit (ja) - Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand unter Mithilfe üblicher Versuche im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0409/91
T 0931/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers (Patentinhaber) richtet sich gegen die am 19. Oktober 2009 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr. 1 171 413 widerrufen wurde.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent vom Beschwerdegegner I (Einsprechender I) und Beschwerdegegner II (Einsprechender II) in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) sowie fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung stellte fest, dass der Gegenstand der damaligen Hauptantrages und Hilfsantrages nicht ausführbar sei. Anspruch 1 des Hauptantrages lautete:

"Gemisch von Diestern einer Dicarbonsäure mit isomeren Nonanolen, ausgewählt unter einem Gemisch von Diestern der Adipinsäure, in dessen in CDC13 aufgenommenem **(1)H-NMR-Spektrum das Verhältnis der Fläche unter den Resonanzsignalen bei chemischen Verschiebungen im Bereich von 1,0 bis 2,0 ppm gegen TMS zu der Fläche unter den Resonanzsignalen bei chemischen Verschiebungen im Bereich von 0,5 bis 1,0 ppm gegen TMS zwischen 1,60 und 2,30 liegt;

oder

einem Gemisch von Diestern der Phthalsäure, in dessen in CDC13 aufgenommenem **(1)H-NMR-Spektrum das Verhältnis der Fläche unter den Resonanzsignalen bei chemischen Verschiebungen im Bereich von 1,1 bis 3,0 ppm gegen TMS zu der Fläche unter den Resonanzsignalen bei chemischen Verschiebungen im Bereich von 0,5 bis 1,1 ppm gegen TMS zwischen 1,50 und 2,00 liegt."

IV. Mit Schreiben vom 13. Januar 2010 reichte der Beschwerdeführer die Hilfsanträge 2 und 3 und mit Schreiben vom 23. August 2012 den Hilfsantrag 4 ein.

V. Der Beschwerdeführer trug vor, dass der Fachmann ohne Weiteres in der Lage sei, die nötige NMR Messung durchzuführen. Die Streitpatentschrift stelle dar, wie das NMR-Flächenverhältnis die Anzahl der Methylen- und Methylidengruppe im Verhältnis zur Anzahl der Methylgruppen im Isononylrest quantitativ beschreibe und daher dem mittleren Verzweigungsgrad der Isononylreste entspreche. Die Ausführbarkeit der Ausführungsbeispiele des Streitpatentes sei von den Beschwerdegegnern nicht bestritten worden. Da die beanspruchten Bereiche des NMR-Flächenverhältnisses eine enge Verallgemeinerung der spezifischen Werte der Ausführungsbeispiele seien, sei der Fachmann nicht auf unzumutbares Herumexperimentieren angewiesen, um andere Estergemische, die der Definition des Anspruchs genügten, zu erhalten. Solche Estergemische würden erhalten, wenn bei der Butendimerisierung, vorzugsweise bei der Butendimerisierung und der Hydroformylierung, spezielle, definierte Randbedingungen eingehalten würden. Es sei der Streitpatentschrift ohne Weiteres die kritische Bedeutung des Isobutengehaltes des eingesetzten Kohlenwasserstoffgemisches, der Verwendung eines Nickeloxid enthaltenden heterogenen Katalysators bei der Dimerisierung und eines Cobalt-Katalysators bei der Hydroformylierung zu entnehmen. Es gehöre zum Fachwissen des Fachmannes, es sei primär der Isobutengehalt, der unmittelbare Auswirkungen auf dem Verzweigungsgrad der erhaltenen Olefine habe und so auf das NMR-Spektrum, während eine Variation der Gehalte an 1-Buten, cis- und trans-2-Buten weniger kritisch sei. Dagegen bestimmten Druck und Temperatur lediglich die Reaktionsgeschwindigkeit bzw. Umsetzung. Im Übrigen könne durch Zumischen eines linearen bzw. verzweigten Alkohols zum veresternden Alkoholgemisch das NMR-Verhältnis des erhaltenen Esters zusätzlich variiert werden. Die Erfindung sei deshalb deutlich und vollständig offenbart, so dass ein Fachmann sie ausführen könne.

VI. Die Beschwerdegegner argumentierten, dass weder die Beispiele noch die gesamte Lehre des Streitpatentes den Fachmann in die Lage versetze, gezielt Isononanole und daraus Adipin- bzw. Phthalsäureestergemische mit den anspruchsgemäßen Bereichen des NMR-Flächenverhältnisses zu erhalten. Im Streitpatent heiße es, ein Estergemisch, das der beanspruchten Definition genüge, werde nur erhalten, wenn zumindest bei der Butendimerisierung, vorzugsweise bei der Butendimerisierung und der Hydroformylierung, spezielle, definierte Randbedingungen eingehalten würden. An keiner Stelle gebe jedoch die Streitpatentschrift Auskunft über diese unerlässlichen Randbedingungen, sondern lediglich bevorzugte Verfahrensbedingungen die eventuell eingesetzt werden könnten, würden beschrieben. Die kritische Bedeutung der vom Beschwerdeführer genannten Randbedingungen, nämlich der Isobutengehalt und die Wahl der Katalysatoren bei der Dimerisierung und Hydroformylierung, könne nicht aus den vielen anderen in der Streitpatentschrift beschriebenen Verfahrensbedingungen, z.B. Umsatz, Katalysatorträger, Zusammensetzung des C4-Einsatzmaterials, abgeleitet werden. Es sei weder klar, ob die Endpunkte der NMR-Flächenverhältnisbereiche nur durch Variation des Isobutengehaltes überhaupt erhalten werden könnten, noch welche Art bzw. welcher Grad der Verzweigung den beanspruchten NMR-Flächenverhältnissen entspreche. Darüber hinaus entspreche der Verzweigungsgrad des veresternden Isononalgemisches nicht dem Verzweigungsgrad des Diestergemisches. Die Erfindung sei deshalb nicht ausführbar.

VII. Der Beschwerdeführer beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache zur Fortsetzung des Verfahrens auf der Basis des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrages oder Hilfsantrages, oder der mit Schreiben vom 13. Januar 2010 eingereichten Hilfsanträge 2 oder 3, oder des am 23. August 2012 eingereichten Hilfsantrages 4.

Die Beschwerdegegner beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung, die am 11. Oktober 2012 stattfand, wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)

Der einzige im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu prüfende Streitpunkt ist, ob der beanspruchte Gegenstand des Streitpatentes ausführbar ist.

2.1 Gemäß Artikel 83 EPÜ ist die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass der im Anspruch definierte Gegenstand anhand der Lehre der Patentschrift und unter Mithilfe des allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand, wozu auch die Durchführung üblicher Versuche gehört, vollständig, d.h. innerhalb des gesamten beanspruchten Bereiches, ausführbar sein muss.

2.2 Im vorliegenden Fall wird der Gegenstand des Anspruchs 1 durch konkrete strukturelle Merkmale definiert, nämlich Gemische von Diestern der Adipin- oder Phthalsäure mit isomeren Nonanolen, wobei die Gemische zusätzlich durch bestimmte 1**(H)-NMR-Flächenverhältnisse gekennzeichnet sind.

Für das Gemisch von Diestern der Adipinsäure liegt das Verhältnis der Fläche unter den Resonanzsignalen bei chemischen Verschiebungen im Bereich von 1,0 bis 2,0 ppm gegen TMS zu der Fläche unter den Resonanzsignalen bei chemischen Verschiebungen im Bereich von 0,5 bis 1,0 ppm gegen TMS zwischen 1,60 und 2,30. Für das Gemisch von Diestern der Phthalsäure liegt das Verhältnis der Fläche unter den Resonanzsignalen bei chemischen Verschiebungen im Bereich von 1,1 bis 3,0 ppm gegen TMS zu der Fläche unter den Resonanzsignalen bei chemischen Verschiebungen im Bereich von 0,5 bis 1,1 ppm gegen TMS zwischen 1,50 und 2,00. Die **(1)H-NMR-Flächenverhältnisse werden in CDC13 aufgenommen.

2.3 Unbestritten ist, dass der Fachmann Gemische von Diestern der Adipin- oder Phthalsäure mit isomeren Nonanolen, deren Herstellung in Absatz [0022] der Streitpatentschrift als "an sich bekannt" beschrieben wird, grundsätzlich herstellen kann.

2.4 Auch unbestritten ist, dass das im Anspruch definierte NMR-Flächenverhältnis wiederholbar und reproduzierbar gemessen werden kann.

2.5 Es wird auch nicht bestritten, dass die Ausführungsbeispiele 1 und 2 der Streitpatentschrift nachbearbeitbar sind und NMR-Flächenverhältnisse innerhalb der beanspruchten Bereiche aufweisen.

2.6 Somit steht fest, dass das Patent zumindest einen Weg zur Ausführung der Erfindung offenbart und dass auch ermittelt werden kann, ob eine bestimmte Zusammensetzung der in Anspruch 1 enthaltenen Definition der Erfindung entspricht.

2.7 Die Beschwerdegegner bestreiten jedoch, dass der erfindungsgemäße Gegenstand über die gesamte beanspruchte Breite ausgeführt werden kann. Sie behaupten, der Fachmann sei ohne unzumutbaren Aufwand nicht in der Lage, Adipin- bzw. Phthalsäureestergemische zur Verfügung zu stellen, die NMR-Flächenverhältnisse in den gesamten beanspruchten Bereichen zwischen 1,60 und 2,30 bzw. 1,50 bis 2,00 hätten.

2.8 Deshalb muss geprüft werden, ob die vorliegende Patentschrift nur eine einzige Ausführungsart oder aber eine verallgemeinerungsfähige technische Lehre offenbart, die dem Fachmann das ganze Variantenspektrum, das unter die Definition des betreffenden Anspruchs fällt, zugänglich macht. Die Frage, ob die Offenbarung eines einzigen Weges zur Ausführung der Erfindung ausreicht, um einem Fachmann die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich zu ermöglichen, ist eine Tatfrage, die von Fall zu Fall anhand der vorliegenden Beweismittel und nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit zu entscheiden ist (siehe T 409/91, ABl. EPA 1994, 653, Punkt 3.5 der Entscheidungsgründe).

2.9 Im vorliegenden Ausführungsbeispiel 1 wird ein Diisononyladipat mit einem NMR-Flächenverhältnis (wie oben definiert) von 1,75 hergestellt. Dieser Wert liegt innerhalb des Bereichs von 1,60 bis 2,30, wie im Anspruch 1 für die Ester der Adipinsäure angegeben. Im Ausführungsbeispiel 2 wird ein Diisononylphthalat mit einem NMR-Flächenverhältnis von 1,66 erhalten. Dieser Wert liegt innerhalb des Bereichs von 1,50 bis 2,00, wie im Anspruch 1 für die Ester der Phthalsäure angegeben.

2.10 Die Erfindung wäre in der ganzen Breite ausführbar, wenn der Fachmann erkennen würde, was er an der Zusammensetzung der Diestergemische dieser zwei Ausführungsbeispiele verändern müsste und wie er dies ohne unzumutbaren Aufwand zu bewerkstelligen hätte, um deren NMR-Flächenverhältnisse innerhalb der gesamten beanspruchten Bereiche zu variieren.

2.11 Die Streitpatentschrift lehrt (siehe Absätze [0017] und [0019]), dass das NMR-Flächenverhältnis die Anzahl der Methylen- und Methylidengruppe im Verhältnis zur Anzahl der Methylgruppen im Isononylrest quantitativ beschreibt. Der Fachmann weiß also, dass dieses Verhältnis dem mittleren Verzweigungsgrad der Isononylreste reflektiert. Dass ausschließlich die Isononanol-Komponente der Ester für dieses kennzeichnende NMR-Flächenverhältnis verantwortlich ist und dass das NMR-Flächenverhältnis mit dem Verzweigungsgrad der Isononylreste korreliert wird, wird von den Beschwerdegegnern eingeräumt. Dass die Signale zwischen 1,0 bis 2,0 bzw. 1,1 und 3,0 den Methylen- und Methylidengruppen und die Signale zwischen 0,5 bis 1,0 bzw. 0,5 und 1,1 den Methylgruppen zuzuordnen sind, ist dem Fachmann bekannt (siehe Absätze [0017] und [0019] der Streitpatentschrift). Daher weiß er auch, dass höhere NMR-Flächenverhältnisse Diestern entsprechen, deren Isononylreste weniger Methylgruppen relativ zu den Methylen- und Methylidengruppen aufweisen, d.h. geringer verzweigt sind, und umgekehrt. Den gewünschten Verzweigungsgrad kann er zum Beispiel erreichen, indem er Adipin- bzw. Phthalsäure mit einem Isononanolgemisch verestert, das im Vergleich zu den in den Ausführungsbeispielen verwendeten Gemischen, einen niedrigeren oder höheren Verzweigungsgrad hat. Solche Isononanolgemische sind dem Fachmann ohne Weiteres zugänglich und können zum Beispiel durch Zumischen eines linearen bzw. eines geringverzweigten Isononanols bzw. durch Zumischen eines hochverzweigten Isononanols zu den in den Ausführungsbeispielen verwendeten Gemischen erhalten werden.

2.11.1 Wie im Absatz [0022] der Streitpatentschrift beschrieben, erhält man Isononanole, indem man Butene zu einem Gemisch isomerer Octene dimerisiert, das Octengemisch anschließend zu C9-Aldehyden hydroformyliert und nachfolgend zu Isononanolen hydriert. Bei der Dimerisierung eines Butengemisches gehört es zum allgemeinen Fachwissen, dass es primär der Isobutengehalt ist, der unmittelbare Auswirkungen auf den Verzweigungsgrad der erhaltenen Olefine (und damit der Alkohol-Folgeprodukt), während eine Variation der Gehalte an 1-Buten, cis- und trans-2-Buten weniger kritisch ist. Denn es ist unbestritten, dass unter den Butenen, Isobuten selbst am verzweigtesten ist und zu den verzweigtesten Produkten führt. Daher kann der Verzweigungsgrad der Isononanole durch u.a. den Isobutengehalt des bei der Dimerisierung eingesetzten C4-Kohlenwasserstoffgemisches kontrolliert werden: Umso höher der Isobutengehalt, desto höher der Verzweigungsgrad der erhaltenen isomeren Octengemische und umgekehrt. Daher kann der Fachmann die Ausführungsbeispiele, die mit einem Einsatzprodukt enthaltend 2 Gew.% Isobutengehalt durchgeführt worden sind, durch Erhöhung oder Verringerung des Isobutengehaltes variieren, mit der Erwartung, dass der Verzweigungsgrad der erhaltenen Produkte erhöht bzw. verringert und ihr NMR-Flächenverhältnis entsprechend verringert bzw. erhöht wird. Er kann sich hierbei an den bevorzugten Mengenverhältnisse der Ansprüche 3 und 4 orientieren, nämlich dass der Einsatzprodukt bevorzugt 5 Gew.% bzw. 3 Gew. % oder weniger Isobuten enthalten soll. Der Fachmann kann also durch Routineversuche, nämlich durch Variation des Isobutengehaltes des eingesetzten C4-Kohlenwasserstoffgemisches, mühelos Isononanolgemische und daraus Adipin- bzw. Phthalsäureestergemische mit den gewünschten NMR-Flächenverhältnissen erhalten.

2.12 Daher können Adipin- bzw. Phthalsäureestergemische mit NMR-Flächenverhältnissen über die gesamte beanspruchte Breite anhand der Lehre der Streitpatentschrift und unter Mithilfe des allgemeinen Fachwissens und üblicher Versuche ohne unzumutbaren Aufwand zur Verfügung gestellt werden.

2.13 Aus den folgenden Gründen kann das Vorbringen der Beschwerdegegner I und II gegen die Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstandes die Kammer nicht überzeugen.

2.13.1 Die Beschwerdegegner argumentierten, dass die Ausführungsbeispiele sehr detailliert, die allgemeine Verfahrensbedingungen in der Streitpatentschrift hingegen sehr breit beschrieben seien. Der Fachmann wisse also nicht, welche von den vielen variablen Verfahrensparameter er ändern müsse, um an die Grenzen der NMR-Flächenverhältnissenbereiche heranzukommen. Es gebe keinen expliziten Hinweis, dass gerade der Isobutengehalt den entscheidenden Faktor darstelle. Der Fachmann müsse also zahlreiche Versuche durchführen, was einem Forschungsprogramm gleichkäme, um Gemische über die gesamte beanspruchte Breit herstellen zu können.

Die Kammer stimmt zwar zu, dass die Streitpatentschrift viele Möglichkeiten zur Veränderung der Zusammensetzung der Estergemische beschreibt. Nach ihrer Auffassung liegt es jedoch innerhalb der üblichen Praxis des Fachmanns, der die Struktur -in diesem Falle den Verzweigungsgrad- eines bekannten Endproduktes ändern möchte, die Struktur des Ausgangsprodukt -in diesem Falle, den Verzweigungsgrad des einzusetzenden C4-Kohlenwasserstoffgemisches- innerhalb der beschriebenen Möglichkeiten dementsprechend zu ändern. Dabei würde er zunächst alle andere Verfahrensbedingungen der Ausführungsbeispiele gleich halten, da schon bekannt ist, dass sie zu erfindungsgemäßen Gemischen führen. Bei anfänglichen Fehlschlägen wüsste er, was er wie zu ändern hat. Denn wenn er Gemische herstellen würde, die NMR-Flächenverhältnisse oberhalb der beanspruchten Bereiche hätten, müsste er den Isobutengehalt erhöhen, wenn unterhalb, müsste er ihn verringern. Das gelegentliche Misslingen eines Versuches beeinträchtigt also nicht die Ausführbarkeit der Erfindung, da der Fachmann weiß, wie er den Fehlschlag in einen Erfolg verwandelt. Solche Versuche halten sich in vertretbaren Grenzen und erfordern keine erfinderische Tätigkeit (cf. T 931/91, Punkt 3.2 der Entscheidungsgründe, nicht veröffentlicht in ABl. EPA). Damit kann der Fachmann ohne unzumutbares Herumexperimentieren durch die Lehre der Streitpatentschrift zusammen mit seinem allgemeinen Fachwissen nach Auswertung anfängliche Fehlschläge durch Routinemaßnahmen zwangsläufig und ohne Umwege Diestergemische über die gesamten beanspruchten Bereiche zur Verfügung stellen.

2.13.2 Die Beschwerdegegner brachten außerdem vor, dass es zweifelhaft sei, ob Estergemische mit NMR-Flächenverhältnissen an den Endpunkten der beanspruchten Bereiche nur durch Variation des Isobutengehaltes des in der Dimerisierung eingesetzten C4-Kohlenwasserstoffgemisches innerhalb des in der Streitpatent beschriebenen Bereiches von 0 und 5 Gew.% überhaupt zu erreichen seien.

Die Beschwerdegegner legten jedoch weder stützende technische Argumente noch Beweismittel für ihre Behauptung vor. Im Einspruchs(beschwerde)verfahren ist es Aufgabe des Einsprechenden seine Rügen, hier der mangelnden Ausführbarkeit, zu substantiieren und gegebenenfalls mit Beweismittel ausreichend zu belegen. Wie dem auch sei, könnte der Fachmann die Grenzen der NMR-Flächenverhältnisbereiche nicht nur durch Variation des Isobutengehaltes erreichen, bliebe ihm immer noch die Möglichkeit die Ausführungsbeispiele anderweitig zu verändern, indem er andere in der Streitpatentschrift beschriebenen Reaktionsbedingungen verwendet, z.B. den Gehalt an cis- und trans-Buten im Einsatzprodukt oder die Art des Dimerisierungskatalysators.

2.13.3 Der Beschwerdegegner II wandte ein, dass der Fachmann nicht wisse was für eine Art der Verzweigung der Isononylreste für die beanspruchten NMR-Flächenverhältnissen nötig sei, geschweige denn welchen Grad.

Der Fachmann muss jedoch weder die genaue Qualität noch die Quantität der Verzweigung, die den beanspruchten NMR-Flächenverhältnissen entsprechen, wissen, um die Erfindung ausführen zu können. Er muss lediglich wissen, dass das Verhältnis von dem Verzweigungsgrad abhängt, und welche Routineversuche er durchzuführen hat, um Estergemische über die gesamte beanspruchte Bereiche herstellen zu können (siehe Punkt 2.11 oben).

2.13.4 Der Beschwerdegegner II argumentierte, dass der Verzweigungsgrad des eingesetzten Isononanolgemisches nicht dem Verzweigungsgrad des erhaltenen Diestergemisches entspreche, da die unterschiedlich verzweigten Nonanole unterschiedliche Veresterungsreaktivität hätten, wie vom Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 10. August 2005 vor der Einspruchsabteilung dargestellt worden sei. Daher könne der Fachmann den Verzweigungsgrad des Diestergemisches nicht durch die Kontrolle des Verzweigungsgrades des Isononalgemisches steuern.

Es mag zwar zutreffen, dass der Verzweigungsgrad des erhaltenen Diestergemisches nicht genau dem Verzweigungsgrad des veresternden Isononanolgemisches entspricht, die Kammer hat jedoch keine Gründe zu bezweifeln, dass zumindest einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Verzweigungsgrad des veresternden Isononanolgemisches und dem erhaltenen Diestergemisch besteht. Wie im Punkt 2.13.3 oben ausgeführt, muss der Fachmann ohnehin den genauen Verzweigungsgrad des erhaltenen Produktes nicht wissen, um Diestergemische innerhalb der beanspruchten NMR-Flächenverhältnisbereiche herzustellen, sondern lediglich wissen, in welche Richtung er einen Fehlversuch verändern muss, um ihn in einen positiven Versuch zu verwandeln.

2.14 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit der Erfindung gemäß Artikel 100 b) EPÜ nicht durchgreift.

3. Zurückverweisung (Artikel 111 EPÜ)

Da das Streitpatent in der Fassung gemäß geltendem Hauptantrag von der Einspruchsabteilung einzig wegen mangelnder Ausführbarkeit widerrufen worden ist, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Gleichwohl hat die Kammer keine Entscheidung in der ganzen Angelegenheit getroffen, da die Einspruchsabteilung weder zur Frage der Neuheit noch zur erfinderischen Tätigkeit eine beschwerdefähige Entscheidung getroffen hat. Hierzu steht eine abschließende Prüfung der ersten Instanz noch aus. Die Kammer hält es daher nicht für angezeigt, an deren Statt diese Fragen zu entscheiden, um auch diesbezüglich den Parteien die Möglichkeit auf eine Beschwerde vor der zweiten Instanz zu erhalten. Unter diesen Umständen verweist die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurück.

Hilfsanträge 1 bis 4

4. Nachdem dem Hauptantrag des Beschwerdeführers stattgegeben wird, war auf seine nachrangigen Hilfsanträge 1 bis 4 nicht weiter einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens auf der Basis des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrages an die erste Instanz zurückverwiesen.

Quick Navigation