European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T209809.20140509 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 Mai 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2098/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05754609.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01P 1/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | MIKROMECHANISCHES HF-SCHALTELEMENT SOWIE VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. |
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Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) Klarheit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung mit der europäischen Veröffentlichungsnummer 1 751 818 (Anmeldenummer 05 754 609.5) wurde mit der am 20. Mai 2009 zur Post gegebenen Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen, die auf Bescheide vom 20. März 2007, 1. Februar 2008 und 22. September 2008 Bezug nimmt.
Die Prüfungsabteilung wies die Anmeldung aufgrund fehlender Klarheit der Ansprüchen 1 und 6 (Artikel 84 EPÜ 1973) und fehlender erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes der Ansprüche 1-10 (Artikel 56 EPÜ 1973) gemäß dem ihr vorliegenden Antrag zurück.
II. Während des Prüfungsverfahrens wurde Bezug auf u.a. folgende Dokumente genommen:
D1: WONG C.H. et al.: "Micromachined capacitive switches at microwave frequencies"; Proceedings of SPIE, Vol. 4175 (2000); Seiten 140-148;
D2: EP-A-1 124 269;
D3: JAKKARAJU R. et al.: "Integrated approach to electrode and AlN depositions for bulk acoustic wave (BAW) devices"; Microelectronic Engineering, Vol. 70 (2003); Seiten 566-570;
D4: MANGALARAJ D. et al.: "Current-voltage characteristics of aluminium nitride films formed by RF glow discharge"; J. Phys. D: Appl. Phys., Vol. 13 (1980), Seiten L101-L105.
III. Am 16. Juli 2009 legte die Anmelderin (Beschwerde-führerin) gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und entrichtete am gleichen Tag die Beschwerdegebühr. Am 25. September 2009 ging die Beschwerdebegründung ein.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patentes auf der Grundlage der dem internationalen vorläufigen Bericht über die Patentierbarkeit vom 10. April 2006 zu Grunde gelegten Unterlagen.
Hilfsweise wurde ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
V. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung mikromechanischer HF-Schaltelemente, die ein kapazitives und/oder elektrostatisches Wirkprinzip zwischen einem freistehenden beweglichen Element (5) und einer metallischen Fläche (2) auf einem Substrat (1) nutzen, bei dem eine dielektrische Schicht (3) auf der metallischen Fläche (2) abgeschieden wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass als dielektrische Schicht(3) eine piezoelektrische AlN-Schicht mit einer kolumnaren, polykristallinen Struktur und einer Textur auf der metallischen Fläche (2) abgeschieden wird.".
Anspruch 6 lautet wie folgt:
"Mikromechanisches HF-Schaltelement, bei dem ein freistehendes bewegliches Element (5) so über einer metallischen Fläche (2) auf einem Substrat (1) angeordnet ist, dass es durch Anlegen einer elektrischen Spannung zwischen der metallischen Fläche (2) und dem beweglichen Element (5) zur metallischen Fläche gezogen werden kann, auf der eine dielektrische Schicht (3) aufgebracht ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die dielektrische Schicht (3) eine piezoelektrische AlN-Schicht mit einer kolumnaren, polykristallinen Struktur und einer Textur ist."
Die Ansprüche 2-5 und 7-10 sind abhängig.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 52(1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973
2.1 Das Dokument D1 wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen. D1 offenbart ein mikromechanisches HF-Schaltelement gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 6, bei dem PECVD-Si3N4 als Dielektrikum eingesetzt wird.
2.2 Ein Problem bei derartigen Schaltern mit dieser Wahl des Dielektrikums besteht in dem sogenannten "Charging", wodurch Ladungsträger unter dem Einfluss hoher elektrischer Felder in das Volumen der dielektrischen Schicht injiziert werden und dort bleiben. Dieser Effekt verursacht zum einen eine Drift der zum Schalten erforderlichen Spannung und führt zum anderen nach einer gewissen Zeit zum Ankleben ("Sticking") des beweglichen Elementes an der dielektrischen Schicht und somit zum Ausfall des Schalters (siehe die veröffentlichte Anmeldung, Seite 4, Zeile 26 bis Seite 5, Zeile 7).
2.3 Die Erfindung liegt darin, die bisher bei HF-Schaltelementen eingesetzte dielektrische Schicht aus PECVD-Si3N4 durch eine piezoelektrische AlN-Schicht mit einer kolumnaren, polykristallinen Struktur und einer Textur zu ersetzen. Hiermit wird ein deutlich verringertes Charging und somit eine erheblich höhere Langzeitstabilität der HF-Schaltelemente erreicht (siehe die veröffentlichte Anmeldung, Seite 6, Zeile 19 bis Seite 7, Zeile 6).
2.4 Die Verwendung von piezoelektrischen AlN-Schichten auf einem anderen technischen Gebiet zur Herstellung von BAW-Resonatoren ist bekannt (siehe die veröffentlichte Anmeldung, Seite 7, Zeilen 6-17 und das Dokument D2). Jedoch ist die Kammer der Meinung, dass der Fachmann diese Offenbarung, insbesondere die Lehre von D2, nicht in Betracht ziehen würde, um das Problem des Chargings in einem mikromechanischen HF-Schaltelement zu beheben.
2.5 D2 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von piezoelektrischen Schichten für Resonatoren, bei dem eine piezoelektrische Schicht auf eine Elektrode, die als Metallschicht ausgebildet ist, aufgebracht wird. Da die Oberflächenrauigkeit der Metallschicht die Textur der piezoelektrischen Schicht beeinflusst, wird das Abscheiden der Metallschicht derart kontrolliert, dass die gewünschte Oberflächenrauigkeit erfolgt. Dies hat zur Folge, dass die aufzubringende piezoelektrische AlN-Schicht eine verbesserte Textur aufweist. Die in D2 thematisierte Problematik bezieht sich nur auf die Verbesserung der für Resonatoren erforderlichen piezoelektrische Eigenschaften der Schicht.
Weder die Langzeitstabilität eines HF-Schalters, noch das Charging der dielektrischen Schicht werden in D2 thematisiert. Der Fachmann entnimmt somit keinerlei Hinweis darauf, dass beim Einsatz einer AlN-Schicht in einem mikromechanischen HF-Schaltelement das Charging verhindert werden könnte. Da bei den HF-Schaltelementen der vorliegenden Anmeldung kein piezoelektrischer Effekt genutzt wird, gibt es ferner für den Fachmann keinerlei Veranlassung die Lehre von D2 heranzuziehen.
2.6 Mit Bezug auf D2, Spalte 2, Zeilen 20-32 und Spalte 5, Zeile 55 bis Spalte 6, Zeile 1 argumentierte die Prüfungsabteilung, dass das in D2 offenbarte Verfahren nicht auf Resonatoren beschränkt sei, sondern dass das Verfahren auch für die Herstellung anderer elektronischen Geräte vorgesehen sei. Da ein HF-Schaltelement durchaus als "electronic device" bezeichnet werden könne, wäre die Verwendung einer aus D2 bekannten AlN-Schicht in einem aus D1 bekannten HF-Schaltelement für den Fachmann naheliegend, vor allem weil diese Schicht die in D1 angesprochenen Probleme des Chargings und des Stickings löse.
Die Kammer kann sich dieser Ansicht nicht anschließen.
Das Problem des Stickings in D1 (siehe Seite 142, 1. Absatz) wird lediglich in Verbindung mit "direct-contact switches" mit einem "metal-to-metal contact" erwähnt. Es wird erklärt, dass dieses Problem behoben wird, indem eine dielektrische Schicht zwischen den Metallflächen vorgesehen ist. Ob dieses Problem auch dann bei der Verwendung einer dielektrischen Schicht aus PECVD-Si3N4 auftritt, wird in D1 nicht erwähnt. Die Kammer kann der Schlussfolgerung der Prüfungsabteilung somit nicht folgen, da weder das Problem des Chargings der dielektrischen Schicht in D1 erwähnt, noch ein Hinweis auf die Lösung dieses Problems in D2 angedeutet werden. Es ist daher nicht erkennbar, was den Fachmann veranlassen würde, die in D1 und D2 beschriebenen Merkmale zu kombinieren.
2.7 Ferner hielt die Prüfungsabteilung, dass D3 darauf hinweise, dass piezoelektrische AlN-Schichten in mikromechanischen Systemen angewendet werden könnten (siehe Seite 566, linke Spalte, Zeilen 1-4). Die Lehre von D3 sei sogar in der vorliegenden Anmeldung angesprochen (siehe Seite 7, Zeilen 6-17). Die Prüfungsabteilung war der Meinung, dass ihre Analyse bezüglich der Kombination von D1 und D2 durch diese Offenbarung bestätigt werde.
Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen, denn es gibt in D3 keinen Hinweis darauf, als Lösung des Chargings die PECVD-Si3N4 Schicht aus D1 durch die piezoelektrische AlN-Schicht aus D3 zu ersetzen. Genauso wie in D2, wird die in D3 eingesetzte AlN-Schichte aufgrund ihrer piezoelektrischen Eigenschaft eingesetzt. In der Tat ist die Fähigkeit, eine sehr hohe "(002) c-axis Textur" zu erreichen, was wiederum einen sehr hohen piezoelektrischen Wert bedeutet, die wichtigste Überlegung für die Einsetzung von AlN-Schichten (siehe Seite 566, linke Spalte, Zeilen 7-12). Die daraus resultierenden Resonatoren haben dann eine entsprechende hohe Qualität. Die Verwendung von AlN-Schichten in HF-Schaltelementen wird in D3 nicht in der geringsten Weise angedeutet.
2.8 Bezüglich des von der Prüfungsabteilung ferner erwähnten Dokuments D4 ist die Kammer der Meinung, dass D4 den Hinweis gibt, dass AlN-Schichten als dielektrische Schichten eingesetzt werden können. Der Fachmann hat jedoch keine Veranlassung, die PECVD-Si3N4 Schicht aus D1 durch eine piezoelektrischen AlN-Schicht mit einer kolumnaren, polykristallinen Struktur und einer Textur zu ersetzen.
2.9 Schließlich ergeben sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 und das mikromechanische HF-Schaltelement gemäß Anspruch 6 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Somit beruhen sie auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52(1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973).
3. Klarheit - Artikel 84 EPÜ 1973
3.1 In der angefochtenen Entscheidung wird auf den Bescheid vom 20. März 2007 Bezug genommen, in welchem die Klarheit der Ansprüche 1 und 6 in Hinblick auf die Platzierung der dielektrischen Schicht bemängelt wurde.
3.2 Aus dem Wortlaut beider Ansprüche (siehe Oberbegriff) geht eindeutig hervor, dass die dielektrische Schicht auf der metallischen Fläche abgeschieden wird, wobei die metallische Fläche ihrerseits auf ein Substrat aufgebracht ist.
3.3 Weiterhin ist kein Widerspruch zwischen den Ansprüchen 1 und 6 und der Beschreibung festzustellen. Die von der Prüfungsabteilung zitierten Textstelle der Beschreibung (siehe Seite 9, Zeilen 12-13) drückt lediglich aus, dass auf der Signalleitung, d.h. auf der metallischen Fläche, ein Dielektrikum aufgebracht ist, wobei die Signalleitung mit dem darauf aufgebrachten Dielektrikum unterhalb der Membran angeordnet ist.
3.4 Somit kann die Kammer die von der Prüfungsabteilung gerügte Unklarheit nicht nachvollziehen.
Ihrerseits hat die Kammer keine Einwände bezüglich der Klarheit.
4. Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung erübrigt sich.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten: 1-12 wie veröffentlicht;
Ansprüche:
Nr.: 1 eingereicht mit Schreiben vom 31. März 2006;
Nr.: 2-10 wie veröffentlicht;
Zeichnungen:
Blatt: 1/1 wie veröffentlicht.