T 2041/09 () of 13.12.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T204109.20131213
Datum der Entscheidung: 13 Dezember 2013
Aktenzeichen: T 2041/09
Anmeldenummer: 00115192.7
IPC-Klasse: C09K 21/02
F27D 1/16
C04B 35/66
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anwendung TiO2-haltiger partikulärer Materialien für feuerfeste Erzeugnisse
Name des Anmelders: Sachtleben Chemie GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - (ja) mittlere Korngröße nicht offenbart - technischer Effekt eine Frage der erfinderischen Tätigkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/93
T 1233/05
T 0230/07
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 29. Mai 2009 über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 00 115 192.7 mit der europäischen Veröffentlichungsnummer 1 072 670.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurde die Patentanmeldung, alleine wegen mangelnder Neuheit zurückgewiesen. Anspruch 1 des Hauptantrages, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag, lautet wie folgt:

"Feuerfestes Erzeugnis aus einem Gemenge von Zuschlagstoffen, wenigstens einem Bindemittel und einem Zusatz, dadurch gekennzeichnet, dass der Zusatz aus synthetischen TiO2-haltigen partikulären Materialien mit einer mittleren Korngröße d50 von 0,2 bis 2000 µm besteht, wobei der Zusatz, bezogen auf den TiO2-Gehalt 2 bis 50 Gew.-%, des Gemenges beträgt und bis zu 90 Gew.-% des Zusatzes durch einen oder mehreren der Stoffe Eisenoxide, SiO2, Al2O3, Kohle, CaO, MgO, Borate und Boroxide ersetzt sind."

III. Folgende Druckschriften wurden gegen die Neuheit der Gegenstände der im Laufe des Prüfungsverfahrens eingereichten Anspruchsfassungen entgegengehalten:

(1) DE-C-44 19 816,

(2) DE-C-43 04 724,

(3) EP-A-859 063 und

(4) DE-A-2 213 906.

In der angefochtenen Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung fest, dass die Druckschrift (1) einen titanhaltigen Zuschlagstoff sowie dessen Anwendung zur Erhöhung der Haltbarkeit der feuerfesten Ausmauerung beschreibe. Der titanhaltige Zuschlagstoff bestehe z.B. aus Rückständen der TiO2-Herstellung, einem oder mehreren Bindemitteln und einem oder mehreren weiteren Bestandteilen. Beim Zuschlagstoff handle es sich um Pulvergemische, die eine Korngröße von 50 bis 5000 µm aufweisen würden. Somit sei die Druckschrift (1), und die Druckschrift (2), die in wesentlichen Teilen der Druckschrift (1) entspräche, neuheitsschädlich für den Gegenstand der geltenden Ansprüche 1 bis 6. Darüber hinaus stellte die Prüfungsabteilung fest, dass kein technischer Effekt über den gesamten beanspruchten Bereich vorliege.

IV. Mit Schriftsatz vom 23. September 2009 reichte der Beschwerdeführer (Anmelder) einen Antrag ein, der alle früheren Anträge ersetzt. Anspruch 1 dieses Antrages lautet:

"Feuerfestes Erzeugnis aus einem Gemenge von Zuschlagstoffen, wenigstens einem Bindemittel und einem Zusatz, dadurch gekennzeichnet, dass der Zusatz aus synthetischen TiO2-haltigen partikulären Materialien mit einer mittleren Korngröße d50 von 0,2 bis 2000 µm besteht".

V. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 9 neu und erfinderisch sei.

VI. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage des mit Schriftsatz vom 23. September 2009 eingereichten Antrages zu erteilen.

VII. In einem Bescheid gemäß Artikel 12 (1) (c) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, dass der Gegenstand der neu eingereichten Ansprüche 1 bis 9 neu gegenüber u.a. den Offenbarungen der Druckschriften (1) bis (4) sei, und dass sie die Angelegenheit für weitere Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen beabsichtige.

VIII. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2013 zog der Beschwerdeführer seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Der geltende unabhängige Anspruch 1 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2 und 4.

Die abhängigen Ansprüche 2 und 4 bis 9 werden von den jeweiligen ursprünglichen Ansprüchen 2, 3 und 5 bis 9 gestützt. Der Anspruch 3 stützt sich auf Seite 5, letzte Zeile und Seite 6, erste Zeile der ursprünglich eingereichten Anmeldung.

Die Ansprüche 1 bis 9 erfüllen demzufolge die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ.

3. Neuheit

3.1 Die Prüfungsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Gegenstand der damals geltenden Ansprüche 1 bis 6 gegenüber der Offenbarung der Druckschriften (1) und (2) nicht neu ist.

3.1.1 Die Druckschriften (1) und (2) offenbaren TiO2-haltige Zuschlagstoffe bestehend aus Rückständen der TiO2-Herstellung, einem Bindemittel (z.B. einem Zement) und einem oder mehreren Bestandteilen, ausgewählt aus u.a. SiO2 und Al2O3 (siehe Druckschrift (1), Ansprüche 7 bis 10 und Beispiel und Druckschrift (2), Ansprüche 5 bis 9 und Beispiele). Bei dem titanhaltigen Zuschlagstoff handelt es sich um Pulvergemische, die eine Korngröße von 50 bis 5000 µm aufweisen (siehe Druckschrift (1), Spalte 3, Zeile 1 und Druckschrift (2), Seite 3, Zeile 7). In den Druckschriften (1) und (2) wird jedoch keine Korngrößenverteilung angegeben. Partikel mit einer Korngröße von 50 bis 5000 µm haben nicht zwangsläufig eine mittlere Korngröße von 0,2 bis 2000 µm, da sie z.B. nur aus Partikeln >2000 µm bestehen könnten.

3.1.2 Die Druckschriften (1) und (2) offenbaren daher nicht TiO2-haltige partikuläre Materialien mit einer mittleren Korngröße von 0,2 bis 2000 µm, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 von diesen Druckschriften nicht neuheitsschädlich getroffen ist.

3.2 Im Laufe des Prüfungsverfahrens wurden zusätzlich Einwände wegen mangelnder Neuheit gegen den Gegenstand von damals geltenden Anspruchsfassungen gegenüber den Druckschriften (3) und (4) erhoben.

3.2.1 Die Druckschrift (3) offenbart TiO2-haltige Zuschlagstoffe bestehend aus u.a. Rückständen der TiO2-Pigmentherstellung und Fe2O3, wobei das Produkt zwar eine Körnung von 100% <2mm (d.h. zwangsläufig eine mittlere Korngröße bis 2000 µm) besitzt (siehe Ausführungsbeispiele), enthält jedoch kein Bindemittel.

3.2.2 Die Druckschrift (4) offenbart ein feuerbeständiges Material, das u.a. Al2O3, SiO2, FeO, TiO2 und Borsäure enthält (siehe Anspruch 1). Diese Druckschrift offenbart zwar alle Bestandteile des feuerfesten Erzeugnisses gemäß Anspruch 1 der Streitanmeldung, gibt jedoch keine Korngrößen für die Produkte an.

3.2.3 Die Druckschriften (3) und (4) offenbaren daher nicht alle Merkmale des Anspruchs 1, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 von diesen Druckschriften nicht neuheitsschädlich getroffen ist.

3.3 Zusammenfassend lässt sich das Merkmal, dass die mittlere Korngröße der synthetischen TiO2-haltigen partikulären Materialien von 0,2 bis 2000 µm ist, nicht unmittelbar und eindeutig aus irgendeiner der Druckschriften (1), (2) und (4) ableiten, wie sie Anspruch 1 der Streitanmeldung fordert, so dass diese Druckschriften den beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich treffen. Die Druckschrift (3) offenbart nicht, dass das Erzeugnis ein Bindemittel enthält, so dass diese Druckschrift die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes auch nicht vorwegnimmt.

3.4 Die Feststellung der Prüfungsabteilung, dass kein technischer Effekt über den gesamten beanspruchten Bereich vorliege, muss für die Beurteilung der Neuheit außer Betracht bleiben, da die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit zwei voneinander getrennte Erfordernisse der Patentierbarkeit darstellen. Ein technischer Effekt, der in einem beanspruchten Bereich auftritt, begründet nicht die Neuheit eines an sich bereits neuen Zahlenbereichs, sondern gilt lediglich als Bestätigung für die bereits festgestellte Neuheit dieses beanspruchten Zahlenbereichs. Die Frage, ob ein technischer Effekt vorhanden ist oder nicht, bleibt jedoch eine Frage der erfinderischen Tätigkeit (siehe T 1233/05, Absatz 4.4; T 230/07, Absatz 4.1.6; beide Entscheidungen nicht veröffentlicht im ABl. EPA).

3.5 Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber den Druckschriften (1) bis (4) neu ist. Die weiteren Ansprüche 2 bis 9 beziehen sich auf Anspruch 1 und deren Gegenstand ist daher ebenso gegenüber diesen Druckschriften neu.

4. Zurückverweisung

Aus der obigen Feststellung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mit den geänderten Ansprüchen 1 bis 9 den einzigen in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Einwand, nämlich der mangelnden Neuheit, ausgeräumt hat. Gleichwohl hat die Kammer keine Entscheidung in der ganzen Angelegenheit getroffen, da die Prüfungsabteilung zu den weiteren Fragen der Patentierbarkeit aller Ansprüche, insbesondere zu deren erfinderischen Tätigkeit, bisher keine Entscheidung getroffen hat.

Zwar verleiht Artikel 111 (1) EPÜ den Beschwerdekammern die Befugnis, über die Gründe der angefochtenen Entscheidung hinaus tätig zu werden, dies bedeutet aber nicht, dass die Beschwerdekammern die Prüfung der Streitanmeldung auf Patentierungserfordernisse in vollem Umfang durchführen. Dies ist Aufgabe der Prüfungsabteilung. Das Verfahren vor den Beschwerdekammern ist auch im ex-parte Verfahren primär auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung abgestellt (siehe Entscheidung G 10/93, ABl. EPA 1995, 172, Punkt 4 der Entscheidungsgründe).

Im vorliegenden Fall, bei dem eine abschließende Prüfung noch aussteht, verweist die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an die erste Instanz zurück.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung auf Basis der mit Schriftsatz vom 23. September 2009 eingereichten Ansprüche 1 bis 9 zurückverwiesen.

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