T 2024/09 () of 6.3.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T202409.20130306
Datum der Entscheidung: 06 März 2013
Aktenzeichen: T 2024/09
Anmeldenummer: 05814267.0
IPC-Klasse: H03K 17/97
F16H 59/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schaltvorrichtung für ein Kraftfahrzeug
Name des Anmelders: FZ FRIEDRICHSHAFEN Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - ja (nach Änderung)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Anmeldung Nr. 05 814 267.0 zurückzuweisen.

II. In der angefochtenen Entscheidung kam die Prüfungsabteilung u. a. zu dem Schluss, dass der Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 nicht neu gegenüber folgendem Dokument sei:

D1: US-A-4 519 266.

III. Im Prüfungsverfahren wurde zusätzlich folgender Stand der Technik berücksichtigt:

D2: US-A-4 733 214

D3: FR-A-2 768 824

D4: DE-C1-101 10 738.

IV. In einer der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung der Kammer vom 22. November 2012 wurde folgendes Dokument ins Verfahren eingeführt:

D5: EP-A-0 357 274.

V. Am 6. März 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Beschreibung: Seiten 1, 1a, 2, 3, 4, 6 und 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 6. März 2013,

Seiten 5 und 7 und 9 bis 14 wie ursprünglich eingereicht:

- Ansprüche 1 bis 16 des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 6. März 2013;

- Zeichnungen: Fig. 1 bis 6 wie ursprünglich eingereicht.

VII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"Schaltvorrichtung für ein Kraftfahrzeug mit einer mit einem Kraftfahrzeuggetriebe (21) verbundenen Steuereinrichtung (19), wobei die Schaltvorrichtung eine Halterung (3) und einen über ein Kugelgelenk (12) schwenkbar an der Halterung (3) gelagerten Wählhebel (7) aufweist,

gekennzeichnet durch

eine einen Signalgeber (13) und zwei Sensoren (14,15) aufweisende Winkelmessvorrichtung, welche in dem Kugelgelenk (12) angeordnet und mit der Steuereinrichtung (19) elektrisch verbunden ist, wobei das Kugelgelenk (12) ein an dem Wählhebel (7) befestigtes Gehäuse (6) und eine an der Halterung (3) befestigte und in dem Gehäuse (6) gelagerte Gelenkkugel (4) aufweist, wobei das Gehäuse (6) zusammen mit dem Wählhebel (7) um die Gelenkkugel (4) schwenkbar ist, und wobei der Signalgeber (13) in der Gelenkkugel (4) und die Sensoren (14, 15) in dem Gehäuse (6) angeordnet sind."

Ansprüche 2 bis 11 sind vom Anspruch 1 abhängig.

Anspruch 12 lautet wie folgt:

"Kraftfahrzeug mit einer Schaltvorrichtung nach einem der vorangehenden Ansprüche,

dadurch gekennzeichnet, das [sic]

die Halterung (3) an dem Kraftfahrzeug befestigt ist."

Ansprüche 13 und 14 sind vom Anspruch 12 abhängig.

Anspruch 15 lautet wie folgt:

"Verwendung einer Schaltvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11 zum Betätigen des in einem Kraftfahrzeug (2) angeordneten Getriebes (21), welches in unterschiedliche Schaltzustände gestellt werden kann, wobei

die Sensoren (14, 15) mit dem Signalgeber (13) zusammenwirken und elektrische Signale an die Steuereinrichtung (19) abgeben,

von der Steuereinrichtung (19) durch Auswertung der elektrischen Signale die Wählhebelstellung bestimmt wird und

das Getriebe (21) von der Steuereinrichtung (19) in Abhängigkeit von der Wählhebelstellung in einen der Schaltzustände gestellt wird".

Anspruch 16 ist vom Anspruch 15 abhängig.

VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Anspruch 1 beziehe sich auf eine Schaltvorrichtung mit einer Winkelmesseinrichtung, deren Sensoren in dem am Wählhebel befestigten Gehäuse eines Kugelgelenks untergebracht sind, wobei das Gehäuse um die ortsfeste Gelenkkugel schwenkbar ist. Im Defektfall der Sensoren der erfindungsgemäßen Schaltvorrichtung brauche lediglich der Wählhebel mit dem Gehäuse demontiert und das Gehäuse mit den Sensoren ausgewechselt werden.

Angesichts des vorliegenden Standes der Technik sei die Anordnung eines Signalgebers in einer ortsfesten Gelenkkugel eines Kugelgelenks bzw. die Anordnung der mit dem Signalgeber zusammenwirkenden Sensoren im schwenkbaren Gehäuse des Kugelgelenks sowohl neu als auch erfinderisch.

D1 offenbare eine Schaltvorrichtung mit einer Wählhebelpositionserfassungseinrichtung, welche eine Messvorrichtung außerhalb eines mit einem Wählhebel verbundenen Gelenks aufweist. Die Messvorrichtung weise ein halbrundes Ende auf, welches über einen Arm mit dem Gelenk verbunden ist. Das halbrunde Ende nehme einen oder mehrere Magneten auf, der bzw. die mit Sensoren zusammenwirken. Diese bekannte Wählhebelpositionserfassungseinrichtung erfordere einen großen Bauraum.

Die aus D2 entnehmbare technische Lehre lege dem Fachmann ausschließlich nahe, den Wählhebel mit der Gelenkkugel eines Kugelgelenks zu verbinden und die Sensoren im ortsfesten Gehäuse anzuordnen.

D3 betreffe eine Schaltvorrichtung für ein Kraftfahrzeuggetriebe mit einem mittels magnetischer Abstoßungskräfte schwebenden, kugelförmigen Schaltmittel. Damit basiere die aus D3 entnehmbare technische Lehre auf einem völlig anderen Prinzip.

D4 betreffe den Einsatz von Stellelementen im Fahrwerksbereich, wie aktive Fahrwerksysteme, Lenkhilfen und Hilfen zur Kompensation unterschiedlicher Belastungen. Ein mit der Entwicklung von Schaltvorrichtungen für Kraftfahrzeuge befasster Fachmann würde D4 nicht in seine Überlegungen einbeziehen.

D5 offenbare lediglich den Hinweis, dass "Joysticks" als Schaltvorrichtungen zur Steuerung von Schaltgetrieben in Fahrzeugen verwendet werden.

Im Hinblick auf den vorliegenden Stand der Technik hätte der Fachmann keinen Anlass gehabt, von der üblichen Praxis abzuweichen, die Sensoren einer ein Kugelgelenk umfassenden Schaltvorrichtung im ortsfesten Teil des Kugelgelenks anzuordnen. Somit beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2.1 Anspruch 1 umfasst die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1 und der ursprünglich eingereichten abhängigen Ansprüche 6 bis 8.

Die abhängigen Ansprüche 6 bis 16 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 9 bis 19, wobei der Wortlaut des Anspruchs 11 dem Anspruch 1 angepasst worden ist.

Die Beschreibung ist an die neuen Ansprüche angepasst worden. Die Beschreibungseinleitung umfasst nunmehr eine Würdigung der Dokumente D1, D2 und D5.

2.2 Die an den Anmeldungsunterlagen vorgenommenen Änderungen verstoßen somit nicht gegen Artikel 123(2) EPÜ.

3.1 Anspruch 1 bezieht sich auf eine Schaltvorrichtung für ein Kraftfahrzeug mit einer Steuereinrichtung, die mit einem Kraftfahrzeuggetriebe verbunden ist. Die beanspruchte Schaltvorrichtung umfasst folgende Merkmale:

a) eine Halterung,

b) einen über ein Kugelgelenk schwenkbar an der Halterung gelagerten Wählhebel,

c) eine einen Signalgeber (13) und zwei Sensoren (14, 15) aufweisende Winkelmessvorrichtung,

d) die Winkelmessvorrichtung ist in dem Kugelgelenk angeordnet,

e) die Winkelmessvorrichtung ist mit der Steuereinrichtung elektrisch verbunden,

f) das Kugelgelenk weist ein an dem Wählhebel befestigtes Gehäuse und eine an der Halterung befestigte und in dem Gehäuse gelagerte Gelenkkugel auf,

g) das Gehäuse ist zusammen mit dem Wählhebel um die Gelenkkugel schwenkbar,

h) der Signalgeber ist in der Gelenkkugel angeordnet, die Sensoren sind in dem Gehäuse angeordnet.

3.2 D1 betrifft eine Schaltvorrichtung für ein Getriebe in Kraftfahrzeugen. Wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, werden ausschließlich ausgewählte diskrete Positionen eines Wählhebels durch die in D1 offenbarten Anordnungen von Signalgeber und Sensoren erfasst. Eine Schaltvorrichtung mit einer Winkelmessvorrichtung im Sinne der vorliegenden Anmeldung ist aus D1 nicht bekannt.

3.3 Das Dokument D2 bezieht sich u. a. auf eine auch als "Joystick" bekannte Steuervorrichtung (siehe Figur 5), die folgende in Anspruch 1 aufgeführte Merkmale aufweist:

- eine Halterung 52 (Spalte 6, Zeilen 22 und 26 - vgl. Merkmal a)),

- einen über ein Kugelgelenk schwenkbar an der Halterung 52 gelagerten Schalt- bzw. Steuerhebel 58 (vgl. Merkmal b)),

- eine einen Signalgeber 59 und zwei Sensoren 60 aufweisende Winkelmessvorrichtung (Spalte 6, Zeilen 38 bis 61 und Spalte 7, Zeile 66 bis Spalte 8, Zeile 2 - vgl. Merkmal c)),

- die Winkelmessvorrichtung ist im Kugelgelenk angeordnet (vgl. Merkmal d)),

- das Kugelgelenk weist ein Gehäuse 53 und 54 und eine in dem Gehäuse gelagerte Gelenkkugel 51 auf (vgl. Merkmal f)),

Es ist ferner implizit, dass die Winkelmessvorrichtung der bekannten Steuer- bzw. Schaltvorrichtung im Betrieb mit einer Steuereinrichtung verbunden sein muss (Merkmal e)).

3.4 In D2 (Spalte 1, Zeilen 13 bis 23) wird ausgeführt, dass die entsprechende Erfindung kontaktlose Steuergeräte betrifft, die unterschiedliche Einsatzgebiete haben und u. a. in Landwirtschaftsfahrzeugen Anwendung finden. D2 offenbart jedoch nicht, welche Steuereinrichtungen damit verbunden werden.

4.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich somit von der aus D2 bekannten Schaltvorrichtung durch folgende Merkmale:

i) es handelt sich um eine Steuervorrichtung für ein Kraftfahrzeug,

ii) die mit der Schaltvorrichtung verbundene Steuereinrichtung ist mit einem Kraftfahrzeuggetriebe verbunden,

j) der Wählhebel ist am Gehäuse befestigt,

k) die in dem Gehäuse gelagerte Gelenkkugel ist an einer Halterung befestigt,

l) das Gehäuse ist zusammen mit dem Wählhebel um die Gelenkkugel schwenkbar,

m) der Signalgeber ist in der Gelenkkugel angeordnet,

n) die Sensoren sind in dem Gehäuse angeordnet.

Die Merkmale i) und ii) drücken somit aus, dass die beanspruchte Schaltvorrichtung zur Steuerung eines Kraftfahrzeuggetriebes dient, während die Merkmale j) bis n) die Anordnung der Bestandteile der Schaltvorrichtung, insbesondere der Sensoren und der Signalgeber betreffen.

4.2 Laut D5 (Spalte 1: "Background of the invention") ist dem Fachmann bekannt, "Joysticks" als Schaltvorrichtungen zur Steuerung von Schaltgetrieben in Fahrzeugen zu verwenden. Es ist auch an sich bekannt, so genannte "Shift by Wire"- Schaltungen in Kraftfahrzeuge einzusetzen (siehe z.B. D1).

4.3 Im Hinblick auf D5 wäre die Verwenden der in D2 offenbarten Schaltvorrichtung zur Steuerung eines Kraftfahrzeuggetriebes für den Fachmann naheliegend. Daher können die o. g. Merkmale i) und ii) nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.

4.4 Wie die Beschwerdeführerin jedoch überzeugend ausgeführt hat, wird durch die Merkmale j) bis n) eine Schaltvorrichtung mit dem besonderen Vorteil geschaffen, dass die Sensoren leicht zugänglich sind und im Defektfall mit dem Gehäuse in wenigen Arbeitsschritten ausgewechselt werden können. Ferner könnte die erfindungsgemäße Schaltvorrichtung durch einfaches Austauschen des Gelenkgehäuses samt Wählhebel und Sensoren an unterschiedliche Einsatzbedingungen angepasst werden.

4.5 Die aus D1, D2, und D3 bekannten Steuervorrichtungen umfassen Sensoren, die im Gehäuse eines Kugelgelenks untergebracht sind. Allerdings ist das Gehäuse stets ortsfest angeordnet und die Gelenkkugel im Gehäuse schwenkbar gelagert. Die Steuervorrichtung gemäß D5 weist kein Kugelgelenk auf.

Bezüglich D4 teilt die Kammer die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass ein mit der Entwicklung von Schaltvorrichtungen für Kraftfahrzeuge befasster Fachmann dieses Dokument nicht berücksichtigen würde, da es Vorrichtungen zum Steuern von Betriebsparametern im Fahrwerksbereich von Kraftfahrzeugen betrifft.

4.6 Zusammenfassend zeigt keines der vorliegenden Dokumente eine ein Kugelgelenk und einen Wählhebel umfassende Schaltvorrichtung, bei welcher der Signalgeber in der ortsfesten Gelenkkugel und die mit dem Signalgeber zusammenwirkenden Sensoren in dem um die Gelenkkugel schwenkbaren Gehäuse angeordnet sind. Ferner ist keinem der genannten Dokumente ein Hinweis zu entnehmen, die Sensoren nicht im ortsfesten, sondern im beweglichen Teil des Kugelgelenks unterzubringen.

4.7 Angesichts des vorliegenden Standes der Technik hätte der Fachmann keinen Anlass gehabt, die Sensoren einer als "Joystick" ausgestalteten Steuervorrichtung in dem um die ortsfeste Gelenkkugel schwenkbaren Gehäuse eines Kugelgelenks anzuordnen.

Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

5.1 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 beziehen sich auf besondere Ausführungsformen der erfindungsgemäßen Schaltvorrichtung.

Gegenstand der Ansprüche 12 bis 14 ist ein Kraftfahrzeug, das einer Schaltvorrichtung gemäß den Ansprüchen 1 bis 11 umfasst.

Ansprüche 15 und 16 betreffen die Verwendung einer Schaltvorrichtung nach den Ansprüchen 1 bis 11 zum Betätigen des in einem Kraftfahrzeug angeordneten Getriebes.

5.2 Somit weisen auch die Gegenstände der Ansprüche 2 bis 16 eine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ auf.

6. Aus den vorstehenden Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die vorliegenden Anmeldungsunterlagen die Erfordernisse des EPÜ erfüllen.

Dem Antrag der Beschwerdeführerin, ein Patent auf der Grundlage dieser Anmeldungsunterlagen zu erteilen, war somit stattzugeben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die 1. Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Beschreibung: Seiten 1, 1a, 2, 3, 4, 6 und 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 6. März 2013,

Seiten 5 und 7 und 9 bis 14 wie ursprünglich eingereicht:

- Ansprüche 1 bis 16 des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 6. März 2013;

- Zeichnungen: Fig. 1 bis 6 wie ursprünglich eingereicht.

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