European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T201209.20110722 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 22 Juli 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2012/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06023329.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B23Q 7/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zum Rüsten von Werkstücken für strömungsleitende Teile in Turbinen oder Triebwerken | ||||||||
Name des Anmelders: | StarragHeckert AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja Zurückverweisung - ja |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 06023329.3, eingereicht am 9. November 2006 unter Inanspruchnahme einer schweizerischen Priorität vom 16. November 2005, wurde von der Prüfungsabteilung mit der am 18. Mai 2009 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.
Die Prüfungsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass die Anmeldung gemäß dem Hauptantrag sowie der drei Hilfsanträge das Erfordernis der Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit nicht erfüllte. Im Prüfungsverfahren war folgendes Dokument in Betracht gezogen worden:
D1: DE-C-35 21 285.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin am 22. Juli 2009 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr bezahlt.
Mit der am 27. September 2009 eingegangenen Beschwerdebegründung hat sie ihren Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents mit den der Zurückweisung der Anmeldung zugrundeliegenden, unveränderten Ansprüchen weiter verfolgt.
III. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung ihre vorläufige Meinung mit, wonach sie keinen Anlass zur Beanstandung der Entscheidung der Prüfungsabteilung sehe, so dass die Beschwerde wenig erfolgversprechend erscheine.
IV. Mit Schreiben vom 22. Juni 2011 reichte die Beschwerdeführerin neue Ansprüche gemäß einem Hauptantrag und 5 Hilfsanträgen ein.
V. Am 22. Juli 2011 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der die Beschwerdeführerin einen neuen Antrag vorlegte.
Anspruch 1 lautet:
"Verfahren zum Rüsten eines Werkstücks für die Herstellung eines strömungsleitenden Bauteils für einen Verdichter oder eine Turbine, insbesondere einer Schaufel für eine Gasturbine, Dampfturbine oder ein Triebwerk, bei dem das Werkstück (3) für das herzustellende strömungsleitende Teil ausserhalb einer Werkzeugmaschine (1) in eine Werkstückspannvorrichtung (8, 18) eingespannt wird, um nachfolgend der Werkzeugmaschine zugeführt zu werden, in der es durch Fräsen formgebend bearbeitet wird, dadurch gekennzeichnet, dass das jeweilige Werkstück (3) automatisiert mittels eines Handhabungsroboters (5) in eine Spannvorrichtung (8) ausserhalb der Werkzeugmaschine in einer ersten Aufspannung eingefügt wird, das Werkstück in der Spannvorrichtung (8) automatisiert geklemmt wird, nachfolgend das Werkstück zusammen mit der Spannvorrichtung (8) durch eine maschinelle Handhabung durch den Handhabungsroboter (5) der Werkzeugmaschine (1) zugeführt wird, das jeweilige Werkstück durch eine weitere maschinelle Handhabung des Handhabungsroboters (5) zusammen mit seiner Spannvorrichtung (8) aus der Werkzeugmaschine wieder herausgeführt wird, der Handhabungsroboter das Werkstück aus der Spannvorrichtung (8) entnimmt, das Werkstück ferner für eine von der ersten Aufspannung abweichende zweite Aufspannung durch den Handhabungsroboter (5) automatisiert in eine Spannvorrichtung (18) eingefügt und automatisiert geklemmt wird und danach für eine weitere Bearbeitung zusammen mit der Spannvorrichtung durch den Handhabungsroboter einer Werkzeugmaschine zugeführt wird, wobei in der ersten Aufspannung zumindest eine Referenzstelle (40, 41, 42; 40', 41', 42') erzeugt wird, deren Position in zumindest einer nachfolgenden Aufspannung ermittelt wird und nach Erzeugung der Referenzstelle (40, 41, 42; 40', 41', 42') und der Umspannung des Werkstückes in die zweite Aufspannung Positions- und/oder Lageinformationen der zumindest einen Referenzstelle detektiert werden und diese Informationen bei der weiteren Bearbeitung berücksichtigt werden."
Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein europäisches Patent auf der Grundlage des während der Verhandlung eingereichten Antrags vom 22. Juli 2011 zu erteilen.
VI. Ihr Vorbringen lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Ausgehend vom Stand der Technik, wie er in der Beschreibungseinleitung dargestellt sei, könnten mit der Erfindung wesentliche Vorteile erzielt werden. Durch die automatisierte Handhabung der Werkstücke und Spannvorrichtungen sowie die automatisierte Umspannung könne eine hohe Anzahl von Spannvorrichtungen eingespart werden, weil nach der Werkstückbearbeitung frei werdende Vorrichtungen gleich wieder automatisiert für die nächsten Fertigungszyklen bestückt würden. Gegenüber der bisher üblichen manuellen Bestückung der Spannvorrichtungen sei somit eine personenlose Fertigung möglich, wodurch auch infolge der Werkstückrüstung außerhalb der Werkzeugmaschinen eine bessere Maschinenauslastung möglich sei.
Das zweifellos neue Verfahren sei auch erfinderisch, da der einschlägige Fachmann, wie man aus den aktuellen technischen Entwicklungen ersehen könne, zur rationelleren Fertigung in erster Linie an einstufige Fertigungsverfahren denke, bei denen die Umspannzeit eingespart werden könne. D1 gebe in Richtung der nunmehr beanspruchten Lösung keinen Hinweis, da dort weder ein zweistufiges Fertigungsverfahren noch die Erzeugung von Referenzstellen in der ersten Aufspannung für die Positionsinformation nach der Umspannung des Werkstückes in die zweite Aufspannung erwähnt seien.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen, Klarheit (Artikel 123 (2) EPÜ, 84 EPÜ 1973)
Der Anspruch 1 wurde gebildet aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 6 und 7, die in der beanspruchten Weise voneinander abhängig waren, sowie mit Einfügungen aus der Beschreibung, die in den Absätzen [0021] und [0034] im Zusammenhang mit den Merkmalen aus den Ansprüchen ursprünglich offenbart sind. Gegen die Klarheit des Anspruchs 1 bestehen keine Bedenken, weil klargestellt wurde, dass alle automatisierten Handhabungen mittels des Handhabungsroboters erfolgen. Die Erfordernisse der Artikel 123(2) EPÜ, 84 EPÜ 1973 sind daher erfüllt.
3. Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu gegenüber D1, da dort, wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorgetragen hat, weder ein explizit zweistufiges Fertigungsverfahren noch die Erzeugung von Referenzstellen in der ersten Aufspannung für die Positionsinformation nach der Umspannung des Werkstückes in die zweite Aufspannung offenbart sind.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
4.1 Die Erfindung geht aus vom Stand der Technik, wie er in der Beschreibungseinleitung dargestellt ist. Es liegt die Aufgabe zugrunde, ein bekanntes Verfahren so weiterzubilden, dass ein hoher Werkstückdurchsatz von kompliziert geformten strömungsleitenden Teilen pro Werkzeugmaschine bei möglichst guter Fertigungsgenauigkeit möglich wird (Spalte 2, Absatz [0007]).
Gelöst wird diese technische Aufgabe mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Ein hoher Durchsatz wird erreicht durch die automatisierte Bestückung außerhalb der Werkzeugmaschine und den durch einen Handhabungsroboter automatisierten Transport zur und von der maschinellen Bearbeitung. Eine gute Fertigungsgenauigkeit ergibt sich bei der Erzeugung einer Referenzstelle in der ersten Aufspannung und deren Ermittlung und Berücksichtigung in der zweiten Aufspannung.
4.2 Bei dem aus D1 bekannten Fertigungsverfahren, werden die Werkstücke vor den Bearbeitungszentren in automatisch arbeitenden Spannvorrichtungen automatisch festgespannt und anschließend zur Bearbeitung in den Arbeitsbereich der Bearbeitungszentren transportiert (Spalte 3, Zeilen 35 bis 39). Die Prüfungsabteilung hat in ihrer Begründung festgestellt, dass der Fachmann das bekannte Verfahren ohne erfinderische Tätigkeit so modifizieren würde, dass es - falls erforderlich - auch für eine zweite Aufspannung angewendet werden könnte. Zu den weiteren Merkmalen der Erzeugung und Berücksichtigung einer Referenzstelle findet sich jedoch in D1 keinerlei Anhaltspunkt. Auch ist nicht ersichtlich, wie der Fachmann allein durch seine allgemeinen Fachkenntnisse zu dieser Maßnahme angeregt werden könnte. Somit ist das Verfahren nach Anspruch 1 in Bezug auf D1 und auf den in der Anmeldung angegebenen Stand der Technik für den Fachmann nicht naheliegend und erfüllt daher das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.
5. Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung
5.1 Mit der Vorlage eines neuen Antrags, der - soweit das seitens der Beschwerdekammer aufgrund der Aktenlage und des Verfahrensstandes beurteilt werden kann - die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, wurde den Gründen für die Zurückweisung der Anmeldung die Grundlage entzogen. Mit der Einreichung des neuen Anspruchs 1 hat die Beschwerdeführerin das Patenbegehren auf ein Verfahren eingeschränkt und die Vorrichtungsansprüche fallen gelassen.
5.2 Gemäß Artikel 111(1) EPÜ 1973 wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Da im vorliegenden Fall das Patentbegehren gegen über dem der Zurückweisung zugrundeliegenden Antrag wesentlich verändert ist und auch Merkmale aus der Beschreibung aufgenommen wurden, hält es die Kammer für angebracht, die Sache zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen, die in Anbetracht der Änderungen auch zu entscheiden hat, ob eine weitere Recherche zum Stand der Technik erforderlich ist.
5.3 Falls die Prüfungsabteilung keine weiteren Gründe ermittelt, die der Erteilung eines Patents auf der Basis des Anspruchs 1 entgegenstehen, wird gegebenenfalls noch zu prüfen sein, welche eventuell noch zu formulierenden abhängigen Verfahrensansprüche die Anforderungen des EPÜ erfüllen und welche Änderungen der Beschreibung erforderlich sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens zurückverwiesen.