European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T186609.20140129 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 Januar 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1866/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05003806.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | G07B 17/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Anordnung zur Steuerung der Nutzung einer vom Postsystem bereitgestellten Dienstleistung zur Verfolgung und Überwachung von Postsendungen | ||||||||
Name des Anmelders: | Francotyp-Postalia GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 05 003 806.6.
II. Folgendes Dokument des Standes der Technik ist für diese Entscheidung relevant:
D1: EP 1 063 618 A2
Gemäß der angefochtenen Entscheidung beruhen die Gegenstände der Ansprüche des damaligen Hauptantrags sowie der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 und 2 im Hinblick auf Dokument D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
III. In der Anlage zu einer Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 14. November 2013 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin unter anderem mit, dass sie der vorläufigen Meinung war, dass die damals beanspruchte Erfindung sich gegenüber D1 in zwei Aspekten unterscheidet, von denen der erste als normale, nicht erfinderische Automatisierung betrachtet werden kann, während der zweite in der naheliegenden technischen Umsetzung einer kommerziellen, nichttechnischen Idee besteht.
Am 29. Januar 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags oder auf der Grundlage des Hilfsantrags, beide eingereicht mit Schreiben vom 23. Dezember 2013, zu erteilen.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Verfahren zur Steuerung der Nutzung einer vom Postsystem breitgestellten [sic] Dienstleistung zur Verfolgung und Überwachung von Postsendungen umfassend folgende Schritte:
A) Steuerung der Auslösung eines Dienstleistungsauftrages im Ergebnis einer Benutzereingabe zur Verfolgung von transportierten Postsendungen und zur Verarbeitung von Postsendungstransportverfolgungsinformationen (PTI) in einem Dienstleistungsgerät (110) und Voreinstellen der Signalisierungsbedingungen,
B) Erzeugen und Speichern von Datensätzen mit Signalisierungsbedingungen in Verbindung mit einem Frankieren von Poststücken und einem Aufbringen der zugehörigen Postsendungsidentifikation (SID) an einem ersten Ort,
C) Postbeförderung und PTI-Bereitstellung durch ein Postdatenzentrum an einem dritten Ort (300),
D) automatischer PTI-Abruf aus dem Postdatenzentrum aufgrund von Informationen eines Dienstleistungsservers (220) in einem Hersteller-Datenzentrum (210) eines Dienstleistungsgeräteherstellers und PTI-Speicherung in einer Datenbank des Dienstleistungsservers (220) an einem zweiten Ort (200),
E) Datenverarbeitung der PTI im Hersteller-Datenzentrum (210) am zweiten Ort (200) und Datenübermittelung zurück zum Benutzer sowie
F) Benachrichtigung des Benutzers durch Signalisierung des Vorliegens der PTI entsprechend der voreingestellten Signalisierungsbedingungen."
Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags lautet wie folgt:
"Verfahren zur Steuerung der Nutzung einer vom Postsystem breitgestellten [sic] Dienstleistung zur Verfolgung und Überwachung von Postsendungen, mit einer Eingabe einer Information über ein ausgewähltes Signalisierungsverfahren zur Spezifierung, auf welchem Weg bzw. Art und Weise die gewünschte PTI zum Benutzer übermittelt werden soll und mit einem Drucken eines Frankiervermerks, umfassend folgende Schritte:
A) Steuerung der Auslösung eines Dienstleistungsauftrages im Ergebnis einer Benutzereingabe zur Verfolgung von transportierten Postsendungen und zur Verarbeitung von Postsendungstransportverfolgungsinformationen (PTI) in einem Dienstleistungsgerät (110) und Voreinstellen der Signalisierungsbedingungen, wobei die Auslösung mindestens das Setzen von Alert-Flags und von Signalisierungsbedingungen zugehörig zur Befördererinformation sowie eine Bereitstellung einer durch eine Maschine aufbringbaren Postsendungsidentifikation (SID) umfasst und wobei eine Übermittlung einer Information über die Eingabe von Alert-Flags, der Signalisierungsbedingungen sowie des ausgewählten Signalisierungsverfahrens von dem Dienstleistungsgerät (110) an ein Hersteller-Datenzentrum (210) eines Dienstleistungsgeräteherstellers erfolgt,
B) Erzeugen und Speichern von Datensätzen mit Signalisierungsbedingungen in dem Dienstleistungsgerät in Verbindung mit einem Frankieren von Poststücken und einem Aufbringen der zugehörigen Postsendungsidentifikation (SID) an einem ersten Ort (100),
C) Postbeförderung und PTI-Bereitstellung durch ein Postdatenzentrum des Postsystems an einem dritten Ort (300),
D) automatischer PTI-Abruf aus dem Postdatenzentrum aufgrund von Informationen eines Dienstleistungsservers (220) in dem Hersteller-Datenzentrum (210) des Dienstleistungsgeräteherstellers und PTI-Speicherung in einer Datenbank des Dienstleistungsservers (220) an einem zweiten Ort (200),
E) Datenverarbeitung der PTI im Datenzentrum (210) am zweiten Ort (200) und Datenübermittelung zurück zum Benutzer sowie
F) Benachrichtigung des Benutzers durch Signalisierung des Vorliegens der PTI entsprechend der voreingestellten Signalisierungsbedingungen."
V. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Der in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Gegenstand löse die technische Aufgabe, die Überwachung und Verfolgung von Postsendungen für den Absender zu erleichtern und ihn zu entlasten.
D1 enthalte keinen Hinweis darauf, ein Datenzentrum eines Dienstleisters zwischen dem Kunden und dem Postrechenzentrum einzuschalten.
D1 offenbare das Voreinstellen des Signalisierungsverfahrens, aber nicht der Signalisierungsbedingungen.
Das in D1 offenbarte Drucken des "DPM" sei nicht als Speichern im Sinne des Anspruchs zu betrachten.
Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags definierte Erfindung löse die technische Aufgabe, dem Dienstleister die Möglichkeit zu geben, die Benachrichtigung in einer kundenfreundlichen Weise auszuführen und sie an die Wünsche der Kunden anzupassen. Diese Aufgabe werde gelöst durch das beanspruchte Voreinstellen der Signalisierungsbedingungen sowie deren Übermittlung vom Dienstleistungsgerät an das Hersteller-Datenzentrum.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1 Es ist nicht bestritten, dass das Dokument D1 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist. Dieses Dokument offenbart ein Verfahren zur Steuerung der Nutzung einer vom Postsystem bereitgestellten Dienstleistung zur Verfolgung und Überwachung von Postsendungen (siehe Absätze [0016] und [0017], Spalte 7, Zeilen 2 bis 5, Absatz [0022] und Fig. 2). Dieses Verfahren umfasst folgende Schritte:
A) Steuerung der Auslösung eines Dienstleistungsauftrages ("confirmation notification") im Ergebnis einer Benutzereingabe (Spalte 7, Zeilen 2 bis 5, "the mailer selects .. confirmation notification information") zur Verfolgung von transportierten Postsendungen und zur Verarbeitung von Postsendungstransportverfolgungsinformationen (PTI) in einem Dienstleistungsgerät ("PC metering system ... 10") und Voreinstellen der Signalisierungsbedingungen (Spalte 5, Zeilen 25 bis 30, "e-mail address, facsimile number, telephone number and/or pager number, and a mail item unique identification number");
B) Erzeugen und Speichern von Datensätzen ("creates and prints a DPM 12") mit Signalisierungsbedingungen in Verbindung mit einem Frankieren von Poststücken und einem Aufbringen der zugehörigen Postsendungsidentifikation (SID) ("mail item unique identification number"), an einem ersten Ort;
C) Postbeförderung und PTI-Bereitstellung an einem dritten Ort (Spalte 5, Zeilen 49 und 50, "Delivery means 160 includes a scanner 162 for scanning DPM 12");
D) automatische Übermittlung der PTI zwischen dem dritten Ort und einem zweitem Ort, wo sich ein Postdatenzentrum befindet ("digital data capture computer 170"), und Speicherung in einem Datenbank im Postdatenzentrum ("mail item file 200");
E) Datenübermittlung (der PTI) zurück zum Benutzer (Spalte 5, Zeile 57 bis Spalte 6, Zeile 6) und daher notwendigerweise Datenverarbeitung der PTI im Rechner am zweiten Ort; sowie
F) Benachrichtigung des Benutzers durch Signalisierung des Vorliegens der PTI entsprechend der voreingestellten Signalisierungsbedingungen (Spalte 8, Zeilen 3 bis 13, "e-mail notification", "visiting a secure web site").
2.2 D1 offenbart daher sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags außer den folgenden:
- die automatische Übermittlung der PTI in Schritt D) ist ein automatischer PTI-Abruf von einem dritten Ort aus aufgrund von Informationen eines Dienstleistungsservers in einem Hersteller-Datenzentrum eines Dienstleistungsgeräteherstellers an einem zweiten Ort;
- in Schritt D) findet eine PTI-Speicherung in einer Datenbank des Dienstleistungsservers statt; und
- die Datenverarbeitung in Schritt E) findet im Hersteller-Datenzentrum statt.
2.3 Laut Beschwerdeführerin ist die durch diese Merkmale gelöste technische Aufgabe, die Überwachung und Verfolgung von Postsendungen für den Absender zu erleichtern und ihn zu entlasten. Die Kammer betrachtet die beanspruchte Lösung unter zwei Aspekten:
2.3.1 Der erste Aspekt besteht aus dem automatischen Abruf der PTI und der Speicherung der PTI in einer Datenbank. Dies bedeutet aber lediglich eine weitere Automatisierung des Verfahrens, die insbesondere bei einer großen Anzahl von zu überwachenden Postsendungen nützlich ist. Eine solche Automatisierung ist eine normale Maßnahme auf fast allen technischen Gebieten und kann daher nicht zum Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit beitragen.
2.3.2 Der zweite Aspekt besteht darin, dass Teile des automatisierten Verfahrens von einem Dritten, nämlich dem Dienstleistungsgerätehersteller, durchgeführt werden. Wie die Beschwerdeführerin anerkannt hat, ist die Tatsache, dass dieser Dritte gerade der Dienstleistungsgerätehersteller und kein anderer ist, für die beanspruchte Erfindung bedeutungslos. Wichtig sei aber, dass manche Aufgaben, die sonst durch die Post bzw. den Kunden erledigt werden müssten, von einem weiteren Dienstleister übernommen werden. Die Kammer ist hier allerdings der Auffassung, dass auch dieser Unterschied das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen kann, weil es für den Fachmann klar ist, dass diese Schritte des automatisierten Verfahrens entweder vom Kunden oder von dem Postsystem oder von einer weiteren Firma ausgeführt werden können. Die Wahl zwischen diesen Möglichkeiten wird aber aus rein kommerziellen Erwägungen getroffen werden. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe z.B. T 0641/00, ABl. EPA 2003, 352) können solche nichttechnische Erwägungen, etwa wie hier einen Teil der Arbeit durch einen Dritten ausführen zu lassen, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen. Da die beanspruchte technische Umsetzung dieser Maßnahme trivial ist, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2.4 Die Kammer findet die Gegenargumente der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht überzeugend:
2.4.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Begriff "Signalisierungsbedingungen" im Anspruch gewählt wurde, um den Unterschied zu dem in D1 offenbarten Signalisierverfahren hervorzuheben. Die Beschwerdeführerin hat erklärt, dass mit "Signalisierungsbedingungen" die Auswahl von Inhalt und Zeitpunkt der Benachrichtigung gemeint ist, wohingegen D1 lediglich eine Auswahl des Mechanismus der Benachrichtigung (z.B. e-mail, website) offenbart. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Wortlaut des Anspruchs diesen Unterschied nicht ausdrückt. Aber selbst wenn man diesen Unterschied anerkennen würde, könnte dieses Merkmal die erfinderische Tätigkeit nicht begründen, weil der Begriff "Signalisierungsbedingungen" auch lediglich eine Ausgestaltung des Benachrichtigungsberichts bedeutet. Eine solche Ausgestaltung wäre eine rein administrative Maßnahme. Diese nichttechnische Erwägung darf aber für die Beurteilung der erfinderische Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden.
2.4.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte weiterhin, dass das in D1 beschriebene Drucken der "DPM" und der "e-mail address" auf dem Poststück nicht als "Speichern" im Sinne von Absatz B) des Anspruchs betrachtet werden kann. Nach Auffassung der Kammer ist es für den Fachmann naheliegend, dass der Kunde solche Daten in seinem Dienstleistungsgerät speichern würde. Es ist sogar unvermeidlich, dass er sie zumindest kurzfristig speichern muss. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass, auch wenn man von der Interpretation der Beschwerdeführerin ausgehen würde, dies nicht dazu führen könnte, dass der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3. Hilfsantrag
3.1 Die Änderungen im Anspruch 1 des Hilfsantrags gegenüber dem Hauptantrag im ersten Absatz und in Absatz B) dienen lediglich dazu, die oben in Absätzen 2.4.1 und 2.4.2 diskutierten Merkmale klarzustellen. Wie dort ausgeführt wird, können diese Merkmale jedoch das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.
3.2 Bezüglich der Änderungen in Absatz A) des Anspruchs 1 hat die Beschwerdeführerin argumentiert, dass sie die Aufgabe lösen, dem Dienstleister die Möglichkeit zu geben, die Benachrichtigung in einer kundenfreundlichen Weise auszuführen und sie an die Wünsche der Kunden anzupassen. Die Kammer meint jedoch, dass aus ähnlichen Gründen wie beim Hauptantrag (siehe Absatz 2.3.2 oben), diese Merkmale lediglich eine technisch naheliegende Ausführung von kommerziellen oder administrativen Wünschen beinhalten. Daher können sie das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.
3.3 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4. Aus den vorstehenden Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass keiner der Anträge der Beschwerdeführerin gewährbar ist. Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.