T 1795/09 () of 18.9.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T179509.20120918
Datum der Entscheidung: 18 September 2012
Aktenzeichen: T 1795/09
Anmeldenummer: 01938211.8
IPC-Klasse: B60J 10/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Abdichtungs-Anordnung für Fahrzeugscheiben
Name des Anmelders: Elkamet Kunststofftechnik GmbH
Name des Einsprechenden: Richard Fritz GmbH + Co. KG
SAINT-GOBAIN GLASS FRANCE
REHAU AG+Co
Weidmann Plastics Technology AG
XINYI GLAS DEUTSCHLAND GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (Hauptantrag): ja
Zulassung in das Verfahren (Hilfsanträge 1 bis 3): nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die am 28. Juli 2009 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchs abteilung, das europäische Patent Nr. EP 1 280 675 in geändertem Umfang auf der Grundlage des seinerzeit vorliegenden Hauptantrags aufrechtzuerhalten.

Die Einspruchs abteilung hat festgestellt, dass der Gegenstand des im Einspruchs verfahren geänderten Anspruchs 1 die Anforderungen der Artikel 84, 123(2), 54 und 56 EPÜ erfüllt.

II. Gegen diese Entscheidung haben die

Einsprechende 02 (Beschwerdeführerin 01, SAINT-GOBAIN GLASS FRANCE),

Einsprechende 04 (Beschwerdeführerin 02, Weidmann Plastics Technology AG),

Einsprechende 03 (Beschwerdeführerin 03, Rehau AG + Co.)

Beschwerde eingelegt, diese begründet und die Beschwerdegebühr bezahlt.

III. Die Einsprechende 01 (weitere Verfahrensbeteiligte, Richard Fritz GmbH + Co. KG) hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

IV. Mit Schreiben von 5. Juni 2010 ist die XINYI Glas Deutschland GmbH (Beitretende) dem Verfahren gemäß Artikel 105 EPÜ beigetreten. Sie hat den Einspruch und die Beschwerde begründet und die Einspruchsgebühr bezahlt.

V. Mit dem Schreiben vom 7. März 2011 beantragte sie, die Entscheidung der Einspruchs abteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Auf die Ladung der Kammer zur mündlichen Verhandlung hat die Beitretende mit Schreiben vom 21. August 2012 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen wird.

VI. Am 18. September 2012 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Für die Einsprechende 01 (weitere Verfahrensbeteiligte, Richard Fritz GmbH + Co. KG) und die Beitretende (weitere Verfahrensbeteiligte) war niemand anwesend.

Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, als Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der mit Schreiben vom 24. August 2012 eingereichten Unterlagen, hilfsweise auf der Grundlage der Hilfsanträge 1 bis 3, die während der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurden. Diese Hilfsanträge wurden vorgelegt, nachdem die Kammer nach ihrer Beratung den Parteien mitgeteilt hatte, dass Anspruch 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ verletzt und daraufhin die mündliche Verhandlung auf Antrag der Patentinhaberin unterbrochen hatte.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 24. August 2012, lautet wie folgt:

Abdichtungs-Anordnung für Fahrzeugscheiben, insbesondere für den unteren Bereich einer Kraftfahrzeug-Windschutzscheibe (10), mit einem an deren unterem Rand (12) mit einer Anlagefläche (23) befestigbaren Profilkörper (20), welcher im Querschnitt hakenförmig ausgebildet ist und einen Federschenkel (25) hat, der mit einer Rippe (16) einer Wasserkasten-Abdeckung (14) abdichtend verrastbar ist, wobei der Profilkörper (20) eine Dichtlippe (30) aufweist, die zwischen der Scheiben-Unterkante (13) und dem oberen Rand (18) der Wasserkasten-Abdeckung (14) einpaßbar ist und mit der Außenfläche (G) der Scheibe (10) sowie mit der Außenfläche (A) der Wasserkasten-Abdeckung (14) im wesentlichen bündig abschließt, wobei der Profilkörper eine Keilrippe (21) hat, die einen elastischen Klemm- und Stützkörper zwischen dem unteren Rand der Windschutzscheibe (10) und der Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) bildet, dadurch gekennzeichnet, dass die Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) nach innen vorspringt und in verrasteter Position durch die Keilrippe und den nach außen vorspringenden Federschenkel (25) umschlossen ist.

VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt (Hervorhebung der Änderung gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Kammer):

Abdichtungs-Anordnung für Fahrzeugscheiben, insbesondere für den unteren Bereich einer Kraftfahrzeug-Windschutzscheibe (10), mit einem an deren unterem Rand (12) mit einer Anlagefläche (23) befestigbaren Profilkörper (20), welcher im Querschnitt hakenförmig ausgebildet ist und einen Federschenkel (25) hat, der mit einer Rippe (16) einer Wasserkasten-Abdeckung (14) abdichtend verrastbar ist, wobei der Profilkörper (20) eine Dichtlippe (30) aufweist, die zwischen der Scheiben-Unterkante (13) und dem oberen Rand (18) der Wasserkasten-Abdeckung (14) einpaßbar ist und mit der Außenfläche (G) der Scheibe (10) sowie mit der Außenfläche (A) der Wasserkasten-Abdeckung (14) im wesentlichen bündig abschließt, wobei der Profilkörper eine Keilrippe (21) hat, die einen elastischen Klemm- und Stützkörper zwischen dem unteren Rand der Windschutzscheibe (10) und der Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) bildet, dadurch gekennzeichnet, dass die Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) nach innen vorspringt und in verrasteter Position durch die Keilrippe und den nach außen vorspringenden Federschenkel (25) umschlossen ist, wobei die Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) und die Keilrippe (21) und der Federschenkel (25) mit Hinterschneidungen versehen sind, welche Schnappnasen bilden.

IX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt (Hervorhebung der Änderung gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die Kammer):

Abdichtungs-Anordnung für Fahrzeugscheiben, insbesondere für den unteren Bereich einer Kraftfahrzeug-Windschutzscheibe (10), mit einem an deren unterem Rand (12) mit einer Anlagefläche (23) befestigbaren Profilkörper (20), welcher im Querschnitt hakenförmig ausgebildet ist und einen Federschenkel (25) hat, der mit einer Rippe (16) einer Wasserkasten-Abdeckung (14) abdichtend verrastbar ist, wobei der Profilkörper (20) eine Dichtlippe (30) aufweist, die zwischen der Scheiben-Unterkante (13) und dem oberen Rand (18) der Wasserkasten-Abdeckung (14) einpaßbar ist und mit der Außenfläche (G) der Scheibe (10) sowie mit der Außenfläche (A) der Wasserkasten-Abdeckung (14) im wesentlichen bündig abschließt, wobei der Profilkörper eine Keilrippe (21) hat, die einen elastischen Klemm- und Stützkörper zwischen dem unteren Rand der Windschutzscheibe (10) und der Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) bildet, und wobei die Dichtlippe (30) von der Keilrippe nach außen vorsteht, dadurch gekennzeichnet, dass die Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) nach innen vorspringt und in verrasteter Position durch die Keilrippe und den nach außen vorspringenden Federschenkel (25) umschlossen ist, wobei die Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) und die Keilrippe (21) und der Federschenkel (25) mit Hinterschneidungen versehen sind, welche Schnappnasen bilden.

X. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet wie folgt (Hervorhebung der Änderung gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 durch die Kammer):

Abdichtungs-Anordnung für Fahrzeugscheiben, insbesondere für den unteren Bereich einer Kraftfahrzeug-Windschutzscheibe (10), mit einem an deren unterem Rand (12) mit einer Anlagefläche (23) befestigbaren Profilkörper (20), welcher im Querschnitt hakenförmig ausgebildet ist und einen Federschenkel (25) hat, der mit einer Rippe (16) einer Wasserkasten-Abdeckung (14) abdichtend verrastbar ist, wobei der Profilkörper (20) eine Dichtlippe (30) aufweist, die zwischen der Scheiben-Unterkante (13) und dem oberen Rand (18) der Wasserkasten-Abdeckung (14) einpaßbar ist und mit der Außenfläche (G) der Scheibe (10) sowie mit der Außenfläche (A) der Wasserkasten-Abdeckung (14) im wesentlichen bündig abschließt, wobei der Profilkörper eine Keilrippe (21) hat, die einen elastischen Klemm- und Stützkörper zwischen dem unteren Rand der Windschutzscheibe (10) und der Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) bildet, und wobei die Dichtlippe (30) von der Keilrippe nach außen vorsteht, dadurch gekennzeichnet, dass der Profilkörper eine stabile Leiste ist, und dass die Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) nach innen vorspringt und in verrasteter Position durch die Keilrippe und den nach außen vorspringenden Federschenkel (25) umschlossen ist, wobei die Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) und die Keilrippe (21) und der Federschenkel (25) mit Hinterschneidungen versehen sind, welche Schnappnasen bilden.

XI. Die Beschwerde führerinnen brachten im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei unzulässig erweitert.

Das Merkmal, dass der Federschenkel die Rippe des Wasserkastens übergreife, sei nur auf Seite 6, Zeilen 20 bis 29 der Anmeldeunterlagen offenbart. Dort stehe es im Kontext, dass die Teile 16 und 21/25 mit Hinter-schneidungen versehen seien, welche Schnappnasen bilden. Diese Passage beschreibe explizit das Ausführungs beispiel der Fig. 2 und die dort genannten Schnappnasen bildende Hinterschneidungen stünden strukturell und funktional mit dem übergreifenden Federschenkel-Merkmal in Verbindung, da hiermit die kraft- und formschlüssige Rastverbindung hergestellt werde, ohne die die Wasserkasten-Abdeckung gegenüber dem Federschenkel bewegbar wäre.

Andere technisch denkbare Befestigungsmöglichkeiten seien in Zusammenhang mit der Fig. 2 und dem die Rippe 16 übergreifenden Federschenkel nicht offenbart, aber beansprucht, was eine unzulässige Zwischenverall gemeinerung und folglich einen Verstoß gegen den Artikel 123(2) EPÜ darstelle.

Weiterhin sei auch der Schutzbereich durch die Merkmals kombination gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags unzulässig erweitert worden, was gegen Artikel 123(3) EPÜ verstoße. So definiere das letzte Merkmal des erteilten Anspruchs, dass die Rippe (16) durch den nach außen vorspringenden Federschenkel (25) umschlossen sei. Da im Anspruch 1 gemäß dem vorliegenden Hauptantrag diese Rippe 16 sowohl durch den nach außen vorspringenden Federschenkel als auch durch die Keilrippe umschlossen werde, veränderten sich die Bedingungen für den Federschenkel: es sei nun nicht mehr nötig, dass der nach außen vorspringende Federschenkel die Rippe umschließe – dies könne auch durch die Rippe geschehen. Demzufolge sei der Schutzbereich des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unzulässig erweitert.

Die Hilfs anträge 1 bis 3 seien erst in der mündlichen Verhandlung nach der Beratung der Kammer vorgelegt worden und dürften aus verfahrensökonomischen Gründen nicht in das Verfahren zugelassen werden, da sie nicht alle Beanstandungen behöben, die die Kammer nach ihrer Beratung gegen den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag festgestellt habe. So sei überhaupt nur der Einwand der unzulässigen Zwischenverallgemeinerung beseitigt worden.

Insbesondere bestünde bei allen Hilfsanträgen weiterhin der Einwand der Schutzbereichs erweiterung, da nach wie vor das Merkmal in den jeweiligen Ansprüchen 1 vorhanden sei, dass die Keilrippe (21) gemeinsam mit dem nach außen vor springenden Federschenkel (25) die Rippe (16) des Wasserkastens umschließt.

XII. Die Beschwerde gegnerin widerspricht dieser Argumentation wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag sei nicht unzulässig erweitert. Die Merkmale, die die Rastverbindung definierten, bezögen sich lediglich auf das Ausführungs beispiel der Fig. 2 und seien nicht einschränkend zu verstehen. Der Fachmann entnehme der gesamten Offenbarung und daher insbesondere auch der Fig. 2, dass das Wesentliche der Erfindung, die abdichtende und flächenbündige Verbindung der Windschutzscheibenunterseite mit der Wasserkasten-Abdeckung durch die erfindungs gemäße Abdichtung sei, und zwar derart, dass die Wasserkasten-Abdeckung zu Wartungszwecken einfach entfernt werden könne.

Dies müsse aber nicht zwangsläufig mit der gezeigten Rastverbindung geschehen, vgl. Seite 2, Zeilen 22 ff. und Seite 3, Zeilen 18 ff. der Anmeldeunterlagen. Somit stünden die genannten Schnappnasen und Hinter schneidungen nicht mit dem Erfindungsgegenstand in Verbindung und müssten somit nicht zwingend in die Merkmals kombination des Anspruchs 1 aufgenommen werden.

Auch sei der Schutzumfang durch den geänderten Anspruch 1 nicht unzulässig erweitert worden. Mit der Einfügung, dass nun die Rippe 16 des Wasserkastens durch die Keilrippe und den nach außen vorspringenden Federschenkel umschlossen werde, sei auf den Einwand reagiert worden, dass ein alleiniges Umschließen der Rippe 16 durch den Federschenkel nicht offenbart sei. Dies sei zwar nie beansprucht worden, was auch der Fachmann bei Betrachtung der gesamten Offenbarung und der Figuren sofort erkenne. Somit diene die Einfügung, dass der Federschenkel die Rippe 16 übergreife, lediglich der Klarstellung. Des Weiteren sei diese Einfügung eine Einschränkung des erteilten Anspruchs, da nunmehr beansprucht werde, dass der nach außen vorspringende Federschenkel die Rippe 16 auf der einen Seite übergreife und damit, mit dem Federschenkel gemeinsam, die Keilrippe auf der anderen Seite der Rippe 16 diese umschließe. Eine Einschränkung eines Anspruchs durch Hinzufügen eines Merkmals könne aber schon prinzipiell nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereiches führen.

Das beanstandete Merkmal im Anspruch 1 des Hauptantrags sei nun durch die Formulierung in den jeweiligen Hilfsanträgen präzisiert worden, nämlich dass „die Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) und die Keilrippe (21) und der Federschenkel (25) mit Hinterschneidungen versehen sind, welche Schnappnasen bilden“. Damit seien die weiteren Merkmale, die in Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel der Fig. 2 auf Seite 6, Zeilen 20 ff. genannt wurden, in den strittigen Anspruch aufgenommen worden. Dadurch sei der Gegenstand des Anspruchs weiter eingeschränkt worden, so dass damit auch die beanstandete Schutzbereichserweiterung behoben sei. Da allen Beanstandungen, die gegenüber dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erhoben wurden, begegnet worden sei, und diese Beanstandungen nun erstmals gegen den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erhoben wurden, müssten die Hilfsanträge 1 bis 3 in das Verfahren zugelassen werden.

Entscheidungsgründe

1. Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag wurde in der Weise geändert, dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

1.1 Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es gemäß Artikel 123(2) EPÜ nicht statthaft, bei der Beschränkung eines Anspruchs aus mehreren in Kombination miteinander offenbarten Merkmalen einzelne herauszugreifen. Eine solche Änderung ist nur zulässig, wenn zwischen den betreffenden Merkmalen kein klar erkennbarer funktioneller oder struktureller Zusammenhang besteht (siehe z.B. T 1067/97, T 1408/04 und Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage, III.A.2, Seite 371 ff.).

1.2 In der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung wurde im Anspruch 1 hinsichtlich des Federschenkels beansprucht, dass der Profilkörper "im Querschnitt hakenförmig ausgebildet ist" und "einen Federschenkel (25) hat", der mit einer "Rippe (16) einer Wasserkasten-Abdeckung (14) abdichtend verrastbar ist".

Der strittige Anspruch definiert nun, dass "die Rippe (16) in verrasteter Position durch die Keilrippe (21) und den nach außen vorspringenden Federschenkel (25) umschlossen ist".

Das Merkmal des "nach außen vorspringenden" Feder schenkels (25) ist in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nur auf der Seite 6, Zeilen 20 bis 29 in Zusammenhang mit dem Ausführungs beispiel nach Fig. 2 offenbart. Demnach schließt sich an eine Ausbuchtung 27, deren inneres Ende der Pufferleiste 28 gegenüberliegt "wieder der nach vorn bzw. außen vorspringende Federschenkel 25 an. Mit ihm übergreift der Profilkörper 20 eine Rippe 16 der Wasserkasten-Abdeckung 14, wobei die Teile 16 und 21/25 mit Hinterschneidungen versehen sind, welche Schnappnasen bilden."

1.3 Demzufolge ist der „nach außen vorspringenden Feder schenkel“, der die Rippe (16) umgreift, im Ausführungs beispiel der Fig. 2 in Zusammenhang mit den Merkmalen "Hinterscheidungen" und "Schnappnasen" definiert, die die Rastverbindung der Wasserkasten-Abdeckung mit dem Profilkörper beschreiben.

Diese Merkmale sind im strittigen Anspruch 1 des Hauptantrags nicht vorhanden.

1.4 Die Kammer widerspricht dabei der Auffassung der Beschwerde gegnerin, dass diese Merkmale nicht in funktionalem und strukturellen Zusammenhang mit dem Merkmal des nach außen vorspringenden Federschenkels stünden und dass auch eine andere, als die in Fig. 2 gezeigte Rastverbindung mit Hinterscheidungen und Schnappnasen, für den Fachmann der gesamten Offenbarung der Anmeldung zu entnehmen sei.

1.4.1 Die gesamte Formulierung der Passage auf der Seite 6, Zeilen 20 ff. und die Fig. 2 der Anmeldeunterlagen lassen keine andere Interpretation zu, als dass die Wasserkasten-Abdeckung über die Rippe 16 mittels einer kraft- und formschlüssigen Rastverbindung gehalten wird. So erfordert der nach außen vorspringende Federschenkel zwangsläufig durch Hinterschneidungen gebildete Schappnasen, in die der übergreifende Federschenkel einrasten kann, um die Wasserkasten-Abdeckung unbeweglich festzulegen.

1.4.2 Da aber die Verbindung der Windschutzscheibe mit der Wasserkasten-Abdeckung gemäß den Ausführungen der Beschwerde gegnerin das Ziel der strittigen Erfindung ist, stehen zwangsläufig die Merkmale, die diese Verbindung herstellen, in funktionalem Zusammenhang mit dem Federschenkel.

1.4.3 Daher kann auch dem Argument der Beschwerde gegnerin nicht gefolgt werden, dass auch andere rastende Befestigungen der Wasserkastenabdeckung durch den Offenbarungsgehalt der Anmeldung abgedeckt seien. In Zusammenhang mit der Rastverbindung des Fig. 2 gezeigten Ausführungsbeispiels der Erfindung sind nur Hinter schneidungen offenbart, die Schnappnasen bilden. Weitere Möglichkeiten einer Rastverbindung werden in Zusammenhang mit dem Ausführungs beispiel nicht genannt und werden deshalb gemäß der gängigen Rechtsprechung nicht als offenbart angesehen. Da indes der Wortlaut des vorliegenden Anspruchs 1 Rastverbindungen unter Schutz stellt, die ohne durch Hinterschneidungen gebildete Schappnasen auskommen, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag unzulässig erweitert.

2. Die Definition des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag erweitert den Schutzbereich des Patents wie erteilt.

2.1 Das letzte Merkmal des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag ist im Laufe des Beschwerdeverfahrens geändert worden. Dieses Merkmal definiert in der erteilten Fassung des Anspruchs, dass die Rippe (16) von der Wasserkasten-Abdeckung nach innen vorspringt und "in verrasteter Position durch den nach außen vorspringenden Federschenkel (25) umschlossen ist". Dieses Merkmal ist nun derart geändert worden, dass "die Rippe (16) von der Wasserkasten-Abdeckung nach innen vorspringt und in verrasteter Position durch die Keilrippe (21) und den nach außen vorspringenden Federschenkel (25) umschlossen ist".

2.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass ein zusätzliches Merkmal in den Anspruch eingefügt und damit zwangsläufig der Anspruch weiter eingeschränkt worden sei. Von da her könne der Schutzbereich nicht erweitert worden sein.

2.3 Die Kammer folgt hierbei der Argumentation der Beschwerdeführerinnen. Die Rippe 16 des Wasserkastens, die in der erteilten Version von dem nach außen vorspringenden Federschenkel umschlossen war, wird gemäß dem Wortlaut des strittigen Anspruchs jetzt von der Keilrippe und dem Federschenkel gemeinsam umschlossen. Damit ist aber die Funktion des Federschenkels in der Kombination aus Keilrippe und Federschenkel völlig offen. Es geht aus dem Wortlaut des geänderten Anspruchs weder hervor, dass der Federschenkel die Rippe 16 der Wasserkasten-Abdeckung umschließt, noch, dass der Federschenkel diese Rippe umgreift, da lediglich definiert wurde, dass der Federschenkel und Keilrippe die Rippe 16 gemeinsam umschließen. Keinesfalls kann die Kammer erkennen – wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, dass nunmehr klar sei, die Keilrippe 21 umschließe die Rippe 16 auf der einen und der Federschenkel diese auf der anderen Seite.

Da durch die Einfügung im Anspruch 1 "durch die Keilrippe (21) und" die Funktion des Federschenkels undefiniert ist und offen lässt, ob dieser die Rippe 16 der Wasserkasten-Abdeckung umschließt, ist in Bezug auf den Federschenkel der Schutzbereich erweitert worden, so dass diese Änderung des erteilten Anspruchs 1 gegen den Artikel 123(3) EPÜ verstößt.

3. Die Beschwerde gegnerin reichte in der mündlichen Verhandlung die Hilfsanträge 1 bis 3 ein, nachdem mit den Parteien der Sachverhalt diskutiert worden war, die Kammer sich diesbezüglich beraten, den Parteien ihre Auffassung in Hinblick auf die Gewährbarkeit des Anspruchs 1 kundgetan und dann die Verhandlung auf Antrag der Patentinhaberin unterbrochen hatte.

Diese Hilfsanträge 1 bis 3 werden nicht in das Verfahren zugelassen.

3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch durch das zusätzliche Merkmal, dass die Rippe (16) der Wasserkasten-Abdeckung (14) und die Keilrippe (21) und der Federschenkel (25) mit Hinterschneidungen versehen sind, welche Schnappnasen bilden.

In den Oberbegriff des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 wurde zusätzlich noch das Merkmal aufgenommen, demnach die Dichtlippe (30) von der Keilrippe nach außen vorsteht.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich im kennzeichnenden Teil von dem des Hilfsantrags 2 dadurch, dass zusätzlich definiert wird, dass der Profilkörper eine stabile Leiste ist.

3.2 Der Anspruch 1 der jeweiligen Hilfsanträge 1 bis 3 enthält demnach das Merkmal, dass die Rippe 16 der Wasserkasten-Abdeckung durch die Keilrippe 21 und den Federschenkel umschlossen wird. Für dieses Merkmal wurde nach der Diskussion zum Hauptantrag und der Beratung der Kammer festgestellt worden, dass die Einfügung "durch die Keilrippe (21) und" der Schutzbereich gegenüber dem Patent wie erteilt erweitert worden ist.

Da dasselbe Merkmal in allen 3 Hilfsanträgen unverändert vorhanden ist, beheben die Hilfsanträge nicht alle im Rahmen des Hauptantrags benannten Beanstandungen.

3.3 Gemäß Artikel 13 (1) Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK, ABl. EPA 1/2011, 38) steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerde begründung oder Erwiderung zuzulassen oder zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.

3.4 Da die Hilfsanträge 1 bis 3 aus den unter 3.2 genannten Gründen offensichtlich nicht dienlich sind, die gegenüber dem Hauptantrag vorgebrachten Mängel zu beheben, werden diese - unter Berücksichtigung des Verfahrensstands - aus verfahrensökonomischen Gründen nicht in das Verfahren zugelassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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