T 1740/09 () of 9.10.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T174009.20131009
Datum der Entscheidung: 09 October 2013
Aktenzeichen: T 1740/09
Anmeldenummer: 01953651.5
IPC-Klasse: F23N 5/00
F23G 5/50
G01N 33/28
G01N 33/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Bestimmung der Relation von nachwachsenden zu nicht nachwachsenden Energieträgern
Name des Anmelders: ECRA European Cement Research Academy GmbH
Name des Einsprechenden: Valtion Teknillinen Tutkimuskeskus
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegenden Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die festgestellt hat, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 1 301 747 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen. Grundlage dieser Entscheidung war der während der mündlichen Verhandlung von 13. Mai 2009 eingereichte 2. Hilfsantrag.

II. Folgendes von der Einsprechenden genanntes Beweismaterial ist für die vorliegende Entscheidung von Relevanz:

D1: L. A. Currie et al, "Fossil- and bio-mass combustion: C-14 for source identification, chemical tracer development, and model validation", Nuclear Instruments and Methods in Physics Research B 92 (1994), Seiten 404 bis 409,

D2: DE 195 47 258 A1, und

D3: G. D. Clayton et al, "Determination of Sources of Particulate Atmospheric Carbon", Science, Band 122 (1955), Seiten 751 bis 753.

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 9. Oktober 2013 statt.

Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten.

Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents lautet:

"Verfahren zur Bestimmung der Relation von nachwachsenden zu nicht nachwachsenden Energieträgern in einem Brennstoffgemisch, insbesondere für Verbrennungsanlagen oder Mülldeponien, bei dem aus den Energieträgern zumindest ein gasförmiges und/oder festes und/oder flüssiges Reaktionsprodukt erzeugt und analysiert wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Anteil zumindest eines bereits im Brennstoffgemisch vorhandenen instabilen, radioaktiven Elementes und/oder zumindest einer dieses enthaltenden Verbindung am Reaktionsprodukt bestimmt wird."

V. Die Patentinhaberin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei gegenüber D1 und D3 neu, da der Begriff "Brennstoffgemisch" impliziere, dass die verschiedenen Energieträger an einem Ort verbrannt werden und da Ruß kein Brennstoff sei.

Das in Absatz [0004] des Patents beschriebene Verfahren sei als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten, da es den gleichen Zweck wie die beanspruchte Erfindung habe.

Der in diesem technischen Gebiet arbeitende Fachmann sei ein Verfahrenstechniker, der keine Kenntnisse über Isotopenmessverfahren besitzt. Selbst wenn er die Dokumente D1 und D3 anschauen würde, würde er sie als ungeeignet für Messungen des Rauchgases einer Müllverbrennungsanlage ansehen, da sie lediglich Messungen in der Atmosphäre beschreiben.

VI. Die Einsprechende argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents sei gegenüber D1 und D3 nicht neu, da die verschiedenen dort beschriebenen Kohlenstoffquellen unter den Begriff "Brennstoffgemisch" fallen. Der Gegenstand dieses Anspruchs sei auch gegenüber dem in D3 beschriebenen Messverfahren nicht neu, da bei diesem Verfahren der Ruß ("particulate matter") verbrannt werde und somit als Brennstoff zu betrachten sei.

Ferner beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber D2 in Kombination mit allgemeinem Fachwissen bzw. mit D1 und D3. Der Fachmann würde zumindest Grundkenntnisse über andere Isotopenmessverfahren besitzen. Er würde auch erkennen, dass das in D1 und D3 beschriebene Verfahren nicht nur für atmosphärische Messungen geeignet sei. Es wäre deshalb für ihn naheliegend gewesen, das in D2 beschriebene Verfahren derart zu erweitern, dass die Relation von nachwachsenden zu nicht nachwachsenden Energieträgern in dem Brennstoffgemisch durch eine **(14)C-Isotopenanalyse des Rauchgases bestimmt werde.

Das in Absatz [0004] des Patents beschriebene Verfahren sei nicht als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten, weil es keine der beanspruchten Verfahrensschritte enthält.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Kammer folgt der Argumentation der Patentinhaberin, dass der Begriff "Brennstoffgemisch" impliziert, dass dieses Gemisch sich an einem Ort befindet und aus Energieträgern besteht, die nicht nur brennbar sind, sondern geeignet und dazu bestimmt sind, der Wärmeerzeugung zu dienen. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber D1 und D3 neu ist.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Nach Auffassung der Kammer ist Dokument D2 als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten. Es beschreibt (siehe z.B. Ansprüche 1 und 3 und die Abbildung) ein Verfahren zur Bestimmung der Relation verschiedener Energieträger in einem Brennstoffgemisch für eine Müllverbrennungsanlage, bei dem aus den Energieträgern ein gasförmiges Reaktionsprodukt (CO2) erzeugt und analysiert wird, und bei dem die Relation zweier Isotopen (**(12)C und **(13)C) in diesem Reaktionsprodukt bestimmt wird. Das in Anspruch 1 definierte Verfahren unterscheidet sich von diesem Verfahren darin, dass die Relation, die bestimmt wird, diejenige zwischen nachwachsenden und nicht nachwachsenden Energieträgern ist, und dass eine der gemessenen Isotope ein instabiles, radioaktives Isotop ist. In den meisten Beispielen des Patents ist dieses Isotop **(14)C.

3.2 Da bekannt ist, dass in einer Müllverbrennungsanlage verschiedene Messungen der Zusammensetzung des Abgases notwendig sind (z.B. um feststellen zu können, ob Emissionsnormen erfüllt sind), und da auch bekannt ist, dass die Relation von nachwachsenden zu nicht nachwachsenden Energieträgern von Interesse ist, ist es für den Fachmann naheliegend, zu überlegen, ob eine Messung dieser Relation mit einem ähnlichen Verfahren möglich wäre. Dies gilt insbesondere, weil D2 in Spalte 1, Zeilen 38 bis 40 angibt, dass die Anteile von Kunststoffen aus Erdöl-Produktion und natürlich gewachsener Biomasse bestimmt werden können. Da das in D2 beschriebene Messverfahren die Relation verschiedene Kohlenstoffisotopen bestimmt, ist zu erwarten, dass der Fachmann, der mit diesem Verfahren arbeitet, auch zumindest Grundkenntnisse über andere auf Kohlenstoffisotopen basierte Messverfahren haben würde. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass in dem Abstrakt auf Seite 404 des Dokuments D1 angegeben wird, dass die **(14)C-Massspektrometer-Analyse als Standardverfahren zur quantitativen Unterscheidung zwischen nachwachsenden und nicht nachwachsenden Energieträgern bekannt ist ("**(14)C accelerator mass spectrometry (AMS) has become the accepted standard for quantitatively partitioning individual combustion products between fossil and biospheric sources"), und dass das Dokument D3, das ebenfalls ein **(14)C-Messverfahren beschreibt, ein Artikel aus der weit verbreiteten naturwissenschaftlichen Zeitschrift "Science" ist. Unter diesen Umständen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass es für den Fachmann naheliegend ist, das in D2 beschriebene Verfahren so weiter zu entwickeln, dass damit auch die Relation von nachwachsenden zu nicht nachwachsenden Energieträgern in dem Brennstoffgemisch durch **(14)C-Isotopenanalyse des Rauchgases bestimmt wird. Mit dieser naheliegenden Maßnahme würde er aber zu einem Verfahren gemäß Anspruch 1 des angefochtenen Patents gelangen.

3.3 Die Patentinhaberin hat dagegen argumentiert, dass der in Absatz [0004] des Streitpatents erwähnte Stand der Technik einen besseren Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt, da dieses Verfahren den gleichen Zweck wie die Erfindung hat (d.h. die Bestimmung der Relation von nachwachsenden zu nicht nachwachsenden Energieträgern in einem Brennstoffgemisch). Die Kammer findet dieses Argument nicht überzeugend, da dieser Stand der Technik, wonach Proben des Verbrennungsgutes gezogen und analysiert werden, mit der beanspruchten Erfindung lediglich diesen Zweck gemeinsam hat. Die zwei Verfahren selbst sind aber völlig verschieden und haben keine gemeinsamen Merkmale. Dagegen hat, wie oben erwähnt, das in D2 beschriebene Verfahren mit dem beanspruchten Verfahren mehrere Merkmale gemeinsam und stellt daher einen besseren Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.

3.4 Die Patentinhaberin hat auch bestritten, dass der Fachmann Kenntnis von D1, D3 oder den in diesen Dokumenten beschriebenen Messverfahren hat. Die Kammer ist aber der Meinung, dass der relevante Fachmann zumindest Grundkenntnisse anderer Isotopenmessverfahren besitzt, weil die Erfindung des Dokuments D2 ein Isotopenmessverfahren betrifft.

3.5 Die Patentinhaberin hat weiterhin argumentiert, dass der Fachmann die Verfahren der Dokumente D1 und D3 für die Bestimmung der Relation von nachwachsenden zu nicht nachwachsenden Energieträgern im Rauchgas einer Müllverbrennungsanlage als nicht geeignet betrachten würde, weil diese Dokumente lediglich Messungen in der Atmosphäre beschreiben. Die Kammer findet auch dieses Argument nicht überzeugend, weil der Fachmann aus diesen Dokumenten in Kombination mit seinem allgemeinen Fachwissen erkennen würde, dass die dort beschriebenen Messverfahren nicht auf eine bestimmte Art von Materialprobe beschränkt sind.

3.6 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, so dass der einzige Antrag der Patentinhaberin nicht gewährbar ist.

4. Dem Antrag der Einsprechenden, das Patent zu widerrufen, war somit stattzugeben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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