European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T173809.20130206 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Februar 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1738/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04025019.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | G08G 1/0968 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Unterstützung der Navigation eines Fahrzeuges, Navigationseinrichtung und Navigationszentrale | ||||||||
Name des Anmelders: | Audioton Kabelwerk GmbH Zweigniederlassung Scheinfeld |
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Name des Einsprechenden: | Deutsche Telekom AG | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - ja (nach Änderung) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 531 442 in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde.
II. In der angefochtenen Zwischenentscheidung kam die Einspruchsabteilung u. a. zu dem Schluss, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 16 in der erteilen Fassung die Voraussetzungen der Artikel 54 und 56 EPÜ erfüllten. Dabei wurde folgender Stand der Technik berücksichtigt:
D1: EP-A2- 1 128 163
D2: DE-A1- 100 65 382
D3: DE-C1- 44 29 121
D4: DE-A1- 41 39 581
E1: DE-A1- 197 37 256.
III. In der Beschwerdebegründung bezog sich die Beschwerdeführerin zusätzlich auf folgendes, im angefochtenen Patent genanntes Dokument:
E2: DE-A1-101 46 117.
IV. Mit Schreiben vom 16. Januar 2013 teilte der Vertreter der Beschwerdeführerin der Kammer mit, dass die Beschwerdeführerin an der für den 6. Februar 2013 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
V. An der mündlichen Verhandlung, die am 6. Februar 2013 vor der Kammer stattfand, nahm lediglich die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) teil.
VI. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
In der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdegegnerin, das Patent in geänderter Form in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung: Seiten 2, 2a, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 6. Februar 2013,
Seiten 3 bis 6 der Patentschrift;
- Ansprüche: Anspruch 1, eingereicht als Anspruch 1 eines Hilfsantrags mit Datum vom 4. Januar 2013,
Ansprüche 2 bis 15, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 27. Mai 2009,
Anspruch 16, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 6. Februar 2013;
- Zeichnungen: Fig. 1 bis 5 der Patentschrift.
VII. Anspruch 1 gemäß dem Antrag der Beschwerdegegnerin lautet wie folgt:
"Verfahren zur Unterstützung der Navigation eines Fahrzeuges, bei dem eine im Fahrzeug angeordnete Navigationseinrichtung (41, 42, 43) Navigationsanweisungen zur Steuerung des Fahrzeugs ausgibt, die Navigationseinrichtung (41, 42, 43) die aktuelle Position des Fahrzeugs ermittelt und diese Position und mindestens einen Zielpunkt über ein Kommunikationsnetz (2) an eine Navigationszentrale (5) zur Berechnung einer Route übermittelt, die Navigationszentrale (5) mittels der übermittelten Position und dem mindestens einen übermittelten Zielpunkt unter Zugriff auf Wegenetzdaten Routendaten berechnet und die berechneten Routendaten (73) an die Navigationseinrichtung (41, 42, 43) übermittelt, die Navigationseinrichtung (41, 42, 43) die empfangenen Routendaten mit der Position des Fahrzeugs vergleicht und hieraus Navigationsanweisungen für einen Nutzer generiert, die im Fahrzeug angeordnete Navigationseinrichtung (41, 42, 43) einem Nutzer zugeordnet wird, von einem von der Navigationseinrichtung (41, 42, 43) verschiedenen Endgerät (31, 32, 33) von dritten Personen während der Fahrt über ein weiteres Kommunikationsnetz (1) an die Navigationszentrale (5) eine Route des Nutzers spezifizierende Daten, die zumindest einen Zielpunkt beinhalten, übermittelt werden, die die Route spezifizierende Daten dem Nutzer zugeordnet in der Navigationszentrale (5) gespeichert werden, in der Navigationszentrale (5) ermittelt wird, ob für den Nutzer ein neuer oder gelöschter Zielpunkt vorliegt, und, wenn dies der Fall ist, die die zugehörige neue oder geänderte Route spezifizierende Daten (71), die zumindest einen neuen oder gelöschten Zielpunkt beinhalten, über das eine Kommunikationsnetz (2) an die dem Nutzer zugeordnete Navigationseinrichtung (41, 42, 43) übermittelt werden, und die Navigationseinrichtung (41, 42, 43) mit der aktuellen Position des Fahrzeugs den zuvor von der Navigationszentrale (5) empfangenen, mindestens einen Zielpunkt an die Navigationszentrale (5) übermittelt."
Ansprüche 2 bis 15 sind vom Anspruch 1 abhängig.
Anspruch 16 lautet wie folgt:
"Navigationszentrale (5) zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 zur Unterstützung der Navigation von zwei oder mehr Fahrzeugen, wobei die Navigationszentrale (5) eine erste Steuereinheit (55) aufweist, die so ausgestaltet ist, dass sie von einem Endgerät (31, 32, 33) über ein erstes Kommunikationsnetz (1) eine Route eines Nutzers spezifizierende Daten, die zumindest einen Zielpunkt beinhalten, empfängt und die die Route spezifizierenden Daten dem Nutzer zugeordnet in einer Speichereinrichtung (554) abspeichert, die erste Steuereinheit (55) so ausgestaltet ist, dass sie ermittelt, ob für einen Nutzer ein neuer oder gelöschter Zielpunkt vorliegt und, wenn dies der Fall ist, die die zugehörige neue oder geänderte Route spezifizierenden Daten, die zumindest einen neuen oder gelöschten Zielpunkt beinhalten, über ein zweites Kommunikationsnetz (2) an eine dem Nutzer zugeordnete und von dem Endgerät (31, 32, 33) verschiedene Navigationseinrichtung (41, 42, 43) übermittelt, und die Navigationszentrale (5) eine zweite Steuereinheit (56) aufweist, die so ausgestaltet ist, dass sie von der Navigationseinrichtung (41, 42, 43) die aktuelle Position des Fahrzeuges und mindestens einen von der Navigationszentrale empfangenen Zielpunkt über das zweite Kommunikationsnetz (2) zur Berechnung einer Route empfängt, sie mittels der übermittelten Position und dem mindestens einen übermittelten Zielpunkt unter Zugriff auf Wegenetzdaten Routendaten berechnet und die berechneten Routendaten über das zweite Kommunikationsnetz (2) an die zugeordnete Navigationseinrichtung (41, 42, 43) zur Generierung von Navigationsanweisungen für den Nutzer übermittelt."
VIII. Die von der Beschwerdeführerin schriftlich vorgetragenen Argumente beziehen sich auf Ansprüche 1 und 16 der Patentschrift und stützen sich lediglich auf D1, D4 und E2. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Artikel 54 EPÜ
Die Einspruchsabteilung sei der Ansicht gewesen, dass das letzte Merkmal (Merkmal M11.3) von Anspruch 1 des Streitpatents in D1 nicht offenbart sei. In der Tat könne unter dem Wortlaut des Merkmals M11.3 verstanden werden, dass für den Moment der Betrachtung lediglich eine einzige Information an die Navigationszentrale übermittelt wird. Diese Information sei die aktuelle Position des Fahrzeugs, die einem zuvor von der Zentrale empfangenen Zielpunkt entspricht, wenn dieser Zielpunkt auf der Route erreicht ist. Gemäß dieser Interpretation des Anspruchswortlauts werde auch das Merkmal M11.3 durch D1 vorweggenommen.
Selbst wenn M11.3 derart zu verstehen sei, dass die Navigationseinrichtung neben der aktuellen Fahrzeugposition auch den zuvor von der Navigationszentrale empfangenen, mindestens einen Zielpunkt an die Navigationszentrale übermittelt, sei festzustellen, dass der Fachmann auch dies dem Dokument D1 entnimmt. Nach dieser Auslegung solle das Merkmal M11.3 gewährleisten, dass für die Berechnung der konkreten Routendaten keine Zuordnung von aktueller Position und Zielpunkt zu einem bestimmten Nutzer in der Navigationszentrale erfolgen soll. Dies sei unter dem Begriff "Off-Board Navigation" bekannt. Wenn jedoch zur Berechnung einer Route in einer Navigationszentrale, aus dem Fahrzeug die aktuelle Position und ein zuvor geänderter Zielpunkt an die Zentrale gesendet würden, dann entspreche der an die Zentrale gesendete Zielpunkt einem zuvor von der Navigationszentrale empfangenen Zielpunkt, da die Navigationszentrale alle Routenpläne bzw. Zielpunkte verwalte. Daraus folge unmittelbar, dass Merkmal M11.3 bei Anwendung einer "Off-Board Navigation" in Verbindung mit der an sich bekannten "dynamischen Routenplanung" selbstverständlich ist.
In der Tat sei bei der Ermittlung des Offenbarungsgehalts von D1 auch das in Absatz [0004] des Streitpatents als Stand der Technik gewürdigte Dokument D4 zu berücksichtigen, welches eine zentrale Verwaltung der Routenpläne offenbart.
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei daher nicht neu gegenüber D1.
Artikel 56 EPÜ
Wie es dem Streitpatent zu entnehmen sei, handele es sich beim Merkmal M11.3 im Kern um die Realisierung der bekannten "Off-Board-Navigation", und nicht um eine Bestätigung eines zuvor von der Navigationszentrale übermittelten Zielpunktes. Der Gegenstand des Merkmals M11.3 sei eigentlich eine notwendige, logische und kausale Konsequenz, die aus der Trennung einer ersten, für die Verwaltung zuständigen Zentraleinheit und einer zweiten, für die konkrete Berechnung der Route zuständigen Zentraleinheit resultiert.
Im Übrigen erkenne der Fachmann, dass es nur diese beiden Möglichkeiten gibt, nämlich eine Trennung der Zentraleinheiten "Routenplanung" und "Routenberechnung" oder deren Integration in eine Einheit.
Somit auch unter der Annahme, dass das Merkmal M11.3 dem Dokument D1 nicht zu entnehmen ist, weise der Gegenstand von Anspruch 1 keine erfinderische Tätigkeit gegenüber D1 auf.
Weiterhin wäre auch bei einer Zusammenschau von D1 und D4 bzw. E2 die erfinderische Tätigkeit zu verneinen.
Ausgehend von D1 ergebe sich die objektive Aufgabe, das Navigationsverfahren derart zu vereinfachen, dass die Routeninformation nur von demjenigen Teil einer Navigationszentrale bereitgestellt wird, das über die Wegnetzdaten verfügt.
Eine Lösung der gestellten Aufgabe finde der Fachmann in D4. Dieses Dokument, das ein Navigationsverfahren für Kraftfahrzeuge betrifft, lehre, Informationen über Start und Ziel von einem Kraftfahrzeug aus zu einer zentralen Leitstelle zu übermitteln, welche dann Routenpläne erstellt. Die Startposition könne die aktuelle Position des Kraftfahrzeugs sein. Der Fachmann erkenne, dass dieses Verfahren unabhängig von weiteren Einrichtungen einer Zentrale durchgeführt und auf D1 übertragen werden kann. Damit gelange der Fachmann zum Gegenstand von Anspruch 1.
Eine Lösung der gestellten Aufgabe finde der Fachmann auch in E2. Dieses Dokument betreffe ein Verfahren zur Berechnung einer Route in einem Verkehrswegenetz mit einem Navigationsgerät, wobei Parameter zur Routenberechung an eine Navigationszentraleinheit übermittelt werden, welche die Route berechnet und an das Navigationsgerät zurück überträgt. Die an die Navigationszentrale übermittelten Parameter seien der aktuelle Standort und ein Zielort.
Der Fachmann erkenne auch hier, dass dieses Verfahren unabhängig von weiteren Einrichtungen einer Zentrale durchgeführt und auf D1 übertragen werden kann. Damit gelange der Fachmann unmittelbar zum Gegenstand von Anspruch 1 des erteilten Patents.
IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, die sich auf die gültigen Ansprüche 1 und 16 beziehen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Durch das erfindungsgemäße Verfahren solle u. a. erreicht werden, dass dritte Personen über mit der Navigationszentrale verbundene Endgeräte Änderungen der Zielpunkte in der abgefahrenen Route eines sich unterwegs befindlichen Nutzers der Navigationseinrichtung durchführen können. Dies sei nunmehr im Anspruch 1 eindeutig festgelegt.
Das beanspruchte Verfahren biete z. B. einer Firma die Möglichkeit, Änderungen an den Routen ihrer sich im Einsatz befindlichen Fahrzeuge vorzunehmen, indem über die Navigationszentrale neue Zielpunkte an die fahrzeugseitigen Navigationseinrichtungen übermittelt werden.
In den Absätzen [0041] bis [0043] von D1 sei lediglich eine seitens des Nutzers des mit der Navigationseinrichtung versehenen Fahrzeugs vorgenommene Änderung von Zielpunkten beschrieben. Diese Routenänderung werde in der Navigationszentrale registriert, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem sie vorgenommen wird. Somit geschehe die Änderung des Zielpunkts unmittelbar bei der Kommunikation zwischen Nutzer und Navigationszentrale. D1 sehe jedoch gar nicht vor, dass dritte Personen Änderungen der Zielpunkte währen des Abfahrens einer Route vornehmen können.
Da die vorliegenden Dokumente dem Fachmann überhaupt keinen Hinweis geben, das aus D1 bekannte Verfahren bzw. die entsprechende Einrichtung im Sinne der Lehre des Streitpatents weiterzuentwickeln, beruhten die Gegenstände der Ansprüche 1 und 16 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Artikel 123(2) EPÜ
2.1 Nach der Merkmalsgliederung der Beschwerdeführerin umfasst Anspruch 1 in seiner erteilten und unbeschränkt aufrechterhaltenen Fassung folgende Merkmale:
M1 Verfahren zur Unterstützung der Navigation eines Fahrzeugs, bei dem eine im Fahrzeug angeordnete Navigationseinrichtung Navigationsanweisungen zur Steuerung des Fahrzeugs ausgibt.
M2 Die Navigationseinrichtung ermittelt die aktuelle Position des Fahrzeugs.
M3 Die Position und mindestens ein Zielpunkt werden über ein Kommunikationsnetz an eine Navigationszentrale zur Berechnung einer Route übermittelt.
M4.1 Die Navigationszentrale berechnet mittels der übermittelten Position und dem mindestens einen übermittelten Zielpunkt Routendaten.
M4.2 Die Berechnung erfolgt unter Zugriff auf Wegenetzdaten.
M5 Die Navigationszentrale übermittelt die berechneten Routendaten an die Navigationseinrichtung.
M6 Die Navigationseinrichtung vergleicht die empfangenen Routendaten mit der Position des Fahrzeugs und generiert hieraus Navigationsanweisungen für einen Nutzer.
M7 Die im Fahrzeug angeordnete Navigationseinrichtung wird einem Nutzer zugeordnet.
M8.1 Von einem von der Navigationseinrichtung verschiedenen Endgerät werden über ein weiteres Kommunikationsnetz an die Navigationszentrale Daten übermittelt.
M8.2 Die Daten spezifizieren eine Route des Nutzers und beinhalten zumindest einen Zielpunkt.
M9 Die Daten werden dem Nutzer zugeordnet in der Navigationszentrale gespeichert.
M10 In der Navigationszentrale wird ermittelt, ob für den Nutzer ein neuer oder gelöschter Zielpunkt vorliegt.
M11.1 Wenn dies der Fall ist, werden Daten über das eine Kommunikationsnetz an die Navigationseinrichtung übermittelt.
M11.2 Die Daten spezifizieren die zugehörige neue oder geänderte Route und beinhalten zumindest einen neuen oder gelöschten Zielpunkt.
M11.3 Die Navigationseinrichtung übermittelt mit der aktuellen Position des Fahrzeugs den zuvor von der Navigationszentrale empfangenen, mindestens einen Zielpunkt an die Navigationszentrale.
2.2 Anspruch 1 gemäß dem Antrag der Beschwerdegegnerin unterscheidet sich vom Anspruch 1 des erteilten Patents lediglich durch die Einfügung, dass Daten, die eine Route des Nutzers spezifizieren und zumindest einen Zielpunkt beinhalten, von dritten Personen während der Fahrt an die Navigationszentrale übermittelt werden. Das o. g. Merkmal M8.1 ist somit wie folgt geändert worden:
M8.1': Von einem von der Navigationseinrichtung verschiedenen Endgerät werden von dritten Personen während der Fahrt über ein weiteres Kommunikationsnetz an die Navigationszentrale Daten übermittelt.
2.3 Die o. g. Anspruchsänderung wird z. B. durch Absatz [0007] der Patentanmeldung gestützt, wo angegeben wird, dass "Routen bereits vor Antritt bzw. während der Fahrt von dritten Personen und mittels Endgeräten, die über ein ausgefeiltes Benutzer-Interface verfügen, spezifiziert werden können" (veröffentlichte Patentanmeldung, Spalte 3, Zeilen 16 bis 20 - Unterstreichung hinzugefügt).
2.4 Anspruch 16 gemäß dem Antrag der Beschwerdegegnerin bezieht sich auf eine Navigationseinrichtung "zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1". Wie im ersten Absatz der Patentanmeldung angegeben, dient die offenbarte Navigationseinrichtung zur Durchführung des beanspruchten Verfahrens.
2.5 Die Beschreibung gemäß dem Antrag der Beschwerdegegnerin umfasst zusätzlich eine Würdigung von D1.
2.6 Alle an der Patentschrift vorgenommenen Änderungen sind somit nach Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig.
Artikel 54 EPÜ
3.1 Der von der Beschwerdeführerin erhobene Einwand der mangelnden Neuheit richtete sich gegen Anspruch 1 des erteilten Patents und stütze sich insbesondere auf eine von der Beschwerdegegnerin nicht geteilte Auslegung der Anspruchsmerkmale M10 und M11.3.
3.2 Ungeachtet dessen, wie die Merkmale M10 und M11.3 zu interpretieren sind, erfüllt der nunmehr gültige Anspruch 1 die Voraussetzungen von Artikel 54 EPÜ, da keines der vorliegenden Dokumente das geänderte Merkmal M8.1' offenbart.
Artikel 56 EPÜ
4.1 Wie die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung insbesondere hervorgehoben hat, ermöglicht das beanspruchte Verfahren dritten Personen, über eine Navigationszentrale, die mit Endgeräten kommuniziert, neue Zielpunkte an eine kraftfahrzeugseitige Navigationseinrichtung während des Abfahrens einer vorbestimmten Route zu übermitteln. Dies eröffnet z. B einer Lieferfirma die Möglichkeit, Flottenmanagement in Echtzeit zu betreiben.
4.2 Es ist unstreitig, dass das aus D1 bekannte Verfahren die o. g. Merkmale M1 bis M7, M8.2, M9, M11.1 und M11.2 umfasst.
Die übrigen Merkmale von Anspruch 1, nämlich M8.1', M10 und M11.3 drücken Folgendes aus:
- Während der Fahrt eines Nutzers der erfindungsgemäßen Navigationseinrichtung können dritte Personen u. a. einen neuen Zielpunkt an die Navigationszentrale übermitteln (vgl. M8.1').
- Die Navigationszentrale stellt Änderungen an einem vorbestimmten Routenplan fest, indem sie ermittelt, ob ein neuer oder gelöschter Zielpunkt für den Nutzer vorliegt (vgl. M.10).
- Zur Berechnung der Route übermittelt die Navigationseinrichtung mit der aktuellen Position des Fahrzeugs einen zuvor von der Navigationszentrale empfangenen Zielpunkt, der gemäß den Merkmalen M8.1', M10, M11.1 und M11.2 Routendaten entsprechen kann, die von dritten Personen an die Navigationszentrale übermittelt worden sind (vgl. M11.3).
4.3 Im "Schritt 9: Routenänderungen" von D1 (Absätze [0041] bis [0043]) wird beschrieben, wie sich ein Kunde mittels eines Endgerätes mit der Navigationszentrale in Verbindung setzen kann, um einen Termin abzusagen, zu verschieben, zu verlegen oder hinzuzufügen. In der Navigationszentrale wird dann eine neue Stationsliste erstellt, dem Kunden vorgeschlagen und ggf. an die Navigationseinrichtung übermittelt.
Wie dem Absatz [0042] von D1 zu entnehmen ist, setzt eine Routenänderung voraus, dass der Nutzer mittels der fahrzeugseitigen Navigationseinrichtung einen "Sprachcall" zum "VT-Center" (d.h. zur Navigationszentrale) aufbaut.
4.4 D1 sieht jedoch nicht vor, dass dritte Personen Routenänderungen vornehmen können, indem sie neue Routendaten an die Navigationszentrale übermitteln, während vom Nutzer der Navigationseinrichtung eine vorbestimmte Route abgefahren wird.
4.5 D4 betrifft ein Navigationsverfahren für Kraftfahrzeuge und lehrt, Informationen über Start und Ziel von einem Kraftfahrzeug aus zu einer zentralen Leitstelle zu übermitteln, welche dann Routenpläne erstellt. Die Startposition kann auch die aktuelle Position des Kraftfahrzeugs sein.
4.6 E2 betrifft ein Verfahren zur Berechnung einer Route in einem Verkehrswegenetz mit einem Navigationsgerät, wobei Parameter zur Routenberechung an eine Navigationszentraleinheit übermittelt werden, welche die berechnete Route an das Navigationsgerät zurück überträgt. Die an die Navigationszentrale übermittelten Parameter können der aktuelle Standort und ein Zielort sein.
4.7 Da weder D4 noch E2 sich mit der Aufgabe befassen, Zielpunkte einer vorbestimmten Route zu ändern, sind sie vom erfindungsgemäßen Verfahren weiter entfernt. Außerdem bieten sie dem Fachmann keine Anregung, die Funktionalität des aus D1 bekannten Verfahrens im Sinne der Erfindung zu erweitern.
4.8 In Ermangelung eines entsprechenden Hinweises im vorliegenden Stand der Technik wäre es für den Fachmann nicht naheliegend gewesen, das aus D1 bekannte Verfahren durch die Funktonalität zu ergänzen, dass während der Fahrt eines Nutzers einer fahrzeugseitigen Navigationseinrichtung neue Routendaten von dritten Personen geändert und über die Navigationszentrale dann an die Navigationseinrichtung übermittelt werden können.
Daher beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
4.9 Die von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 15 betreffen besondere Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Verfahrens und erfüllen somit auch die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
5.1 Anspruch 16 bezieht sich auf eine Navigationszentrale zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 und umfasst die Merkmale, die zur Realisierung der entsprechenden Verfahrensschritte dienen. Ein wesentlicher Aspekt der beanspruchten Navigationszentrale ist die Aufteilung der genanten Verfahrenschritte auf eine erste Steuereinheit, welche von Endgeräten Routendaten für einen Nutzer empfängt und mit bereits abgespeicherten Routendaten desselben Nutzers vergleicht, und auf eine zweite Steuereinheit, die für die Routenberechnung zuständig ist.
Die Rückbeziehung auf Anspruch 1 macht nun deutlich, dass die erste Steuereinheit darauf ausgelegt ist, Routenänderungen, die während des Abfahrens einer vorbestimmten Route von dritten Personen mittels Endgeräten übermittelt werden, zu empfangen, zu verarbeiten und als neue Zielpunkte oder gelöschte Zielpunkte an eine fahrzeugseitige Navigationseinrichtung zu übermitteln.
Keines der vorliegenden Dokumente offenbart oder suggeriert eine Navigationszentrale, die für die Durchführung des Anspruchs 1 bestimmt ist und/oder eine solche Aufteilung der durchzuführenden Verfahrensschritte auf zwei Steuereinheiten aufweist.
5.2 Somit beruht auch der Gegenstand von Anspruch 16 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
6. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Streitpatent in geänderter Form aufrechterhalten werden kann.
Dem Antrag der Beschwerdegegnerin war somit stattzugeben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die 1. Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Form in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung: Seiten 2, 2a, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 6. Februar 2013,
Seiten 3 bis 6 der Patentschrift;
- Ansprüche: Anspruch 1, eingereicht als Anspruch 1 eines Hilfsantrags mit Datum vom 4. Januar 2013,
Ansprüche 2 bis 15, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 27. Mai 2009,
Anspruch 16, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 6. Februar 2013;
- Zeichnungen: Fig. 1 bis 5 der Patentschrift.