T 1695/09 () of 27.11.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T169509.20121127
Datum der Entscheidung: 27 November 2012
Aktenzeichen: T 1695/09
Anmeldenummer: 01123705.4
IPC-Klasse: D21F 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lamelle eines Stoffauflaufs einer Papier-, Karton- oder Tissuemaschine
Name des Anmelders: Voith Patent GmbH
Name des Einsprechenden: Metso Paper, Inc.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein
Verspätet eingereichte Hilfsanträge 1 und 2 - nicht zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 23. Juni 2009, mit der der Einspruch gegen das Europäischen Patent Nr. 1 199 403 zurückgewiesen worden ist, am 12. August 2009 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 23. Oktober 2009 eingegangen.

II. Im Beschwerdeverfahren wurde auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

E1 EP-A 0 147 350,

E2 Plastics Materials, Brydson, J. A., 5. Auflage 1989, Butterworths London, Seiten 557 und 558,

E3 Römpp Chemie Lexikon, 9. Auflage 1992, Georg Thieme Verlag Stuttgart, Seiten 3529, 3530 und 3572,

E4 Encyclopedia of Polymer Science and Engineering, Volume 13 Poly(phenylene Ether) to Radical Polymerization, 1988, John Wiley & Sons, Seiten 196 bis 210,

E13 RADEL( Resins Engineering Data, Amoco Performance Products, Inc., 68 Seiten,

E14 Ultrason( E, Ultrason( R - Sortiment, Eigenschaften, Verarbeitung, BASF AG, 02.99, 42 Seiten.

III. Am 27. November 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung ihre Argumente zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 vorgetragen hatten und der Vorsitzende die sachliche Debatte für beendet erklärt hatte, kündigte die Beschwerdegegnerin an, dass sie wenigstens noch einen Hilfsantrag vorlegen möchte.

Nach der Beratung teilte der Vorsitzende den Parteien mit, dass die Kammer der Auffassung sei, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Daraufhin legte die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge 1 und 2 vor.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen oder die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung aufrechtzuerhalten.

V. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"1. Lamelle (10.1, 10.2) eines Stoffauflaufs (1) einer Papier-, Karton- oder Tissuemaschine, dadurch gekennzeichnet, dass die Lamelle (10.1, 10.2) aus mindestens einem Hochleistungspolymer (11), das eine Zugfestigkeit Rm (DIN 53455) im Bereich von 50 N/mm**(2) bis 150 N/mm**(2) vorzugsweise von 70 N/mm**(2) bis 110 N/mm**(2), eine Wärmebeständigkeit WB (DIN 15 53461) im Bereich von 120 ºC bis 230 ºC, vorzugsweise von 170 ºC bis 220 ºC, und eine gute bis sehr gute Laugen- und/oder Säurebeständigkeit aufweist, gebildet ist und dass das Hochleistungspolymer (11) ein Polyphenylsulfon (PPSU), ein Polyethersulfon (PES) oder ein Polyetherimid (PEI) ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des erteilten Patents dadurch, dass der Ausdruck "aus mindestens" durch den Ausdruck "in homogenen Aufbau aus" ersetzt und der Ausdruck ", ein Polyethersulfon (PES)" gestrichen wurde.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass der Ausdruck "eine Feuchtigkeitsaufnahme FA (ISO 62) im Bereich von 0,05 % bis 2 %, eine geringe Quellung QL im Bereich von 0,02 % bis 0,1 %, eine Kerbschlagzähigkeit (ISO 179) von 40 kJ/m**(2) bis 100 kJ/m**(2)" nach den Ausdruck "bis 220 ºC," aufgenommen wurde.

VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Druckschrift E1 bilde den nächstliegenden Stand der Technik. Diese Druckschrift offenbare Polysulfon als geeignetes Material für eine Lamelle eines Stoffauflaufs einer Papier-, Karton- oder Tissuemaschine, siehe Seite 7, Zeilen 26 bis 34. Der Begriff "Polysulfon" werde in der Fachliteratur sowohl als übergreifende Bezeichnung für schwefelhaltige Polymere mit der Sulfon-Gruppe SO2 als auch für das erste auf dem Markt eingeführte, durch die Bisphenol-A Gruppe gekennzeichnete Polysulfon (weiterhin mit der Kürzel PSU bezeichnet) verwendet, siehe Druckschrift E3, Seite 3572, rechte Spalte (Stichwort Polysulfone) und Druckschrift E2, Seite 557. Während des Erteilungsverfahrens sei die in der ursprünglich eingereichten Anmeldung genannte Gruppe von Hochleistungspolymeren, nämlich (vgl. Anspruch 8) "Polyphenylsulfon (PPSU), Polyethersulfon (PES), Polyetherimid (PEI) oder Polysulfon (PSU)" in Anspruch 1 aufgenommen worden, wobei im Hinblick auf die neuheitsschädliche Druckschrift E1 das Polysulfon PSU gestrichen wurde.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der aus der Druckschrift E1 bekannten Lamelle dadurch, dass als Polysulfon nunmehr zwei bestimmte Polysulfone, nämlich PPSU und PES, ausgewählt wurden. Handelsübliche Polysulfone wie Radel R (PPSU) und Radel A (PES) wiesen eine gute bis sehr gute Laugen- und/oder Säurebeständigkeit (siehe Druckschrift E13, Seiten 29 und 30) und eine Zugfestigkeit Rm sowie eine Wärmebeständigkeit im beanspruchten Bereich auf (siehe Druckschrift E13, Seiten 19 und 20). Diese Eigenschaften seien auch den Druckschriften E3, E4 und E14 zu entnehmen. Auch wenn in der Druckschrift E1 neben Polysulfonen noch weitere Materialien genannt seien, könne in der Auswahl bzw. Einschränkung auf Polysulfone keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden. Der Fachmann enthalte aus Druckschrift E1 eine Lehre, nämlich Polysulfon als geeignetes Material für eine Lamelle zu verwenden, die er nacharbeiten könne, indem er bei einem Hersteller von Polysulfonen eine Bestellung aufgebe. Dies gelte sinngemäß auch für die weitere Einschränkung auf Untergruppen von handelsüblichen Polysulfonen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsanträge

Die erst am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten Hilfsanträge seien verspätet und sollten nicht in das Verfahren zugelassen werden. Für die späte Einreichung gebe es keine Rechtfertigung.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Aufgabe des Streitpatents sei es, eine Lamelle eines Stoffauflaufs bereitzustellen, die eine verbesserte Kosten-Nutzen-Relation aufweise, den verschiedenen Betriebsbedingungen länger standhalte und hervorragend zu verarbeiten sei. Erfindungsgemäß werde diese Aufgabe durch den Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents gelöst. Diese Lösung basiere auf der überraschenden Erkenntnis, dass sich Polyphenylsulfone, Polyethersulfone und Polyetherimide mit den in Anspruch 1 des Streitpatents genannten Zugfestigkeiten, Wärmebeständigkeiten und Laugen- bzw. Säurebeständigkeiten hervorragend als Material für eine Lamelle eines Stoffauflaufs eignen, da sie den verschiedenen Betriebsbedingungen eines Stoffauflaufs länger als bisher bekannte Lamellen standhalten.

Die Druckschrift E1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Sie offenbare weder eine aus PPSU, PES oder PEI gebildete Lamelle eines Stoffauflaufs einer Papier-, Karton- oder Tissuemaschine, noch eine entsprechende Lamelle, welche aus einem Hochleistungspolymer mit einer Zugfestigkeit zwischen 50 und 150 N/mm**(2), einer Wärmebeständigkeit zwischen 120 und 230 ºC und einer guten bis sehr guten Laugen- und/oder Säurebeständigkeit gebildet ist.

Aufgabe der Druckschrift E1 sei die Bereitstellung eines verbesserten Strömungsleitelements, welches einen minimalen Widerstand gegenüber einer Verformung in dem Flüssigkeitsstrom aufweise, so dass der Druck auf gegenüberliegenden Seiten der Strömungsleitelementkanten ausgewogen sei (vgl. der die Seiten 3 und 4 überbrückende Absatz). Gemäß der Lehre dieser Druckschrift werde diese Aufgabe durch das Vorsehen eines anisotropen Strömungsleitelements, das eine größere bauliche Steifigkeit in der Quermaschinenrichtung als in der Maschinenrichtung habe, gelöst (vgl. Seite 4, Zeilen 30 bis 36 und Seite 7, Zeilen 15 bis 26). Auf die Art des für das Strömungselement eingesetzten Kunststoffes komme es nicht an, weil nach der Lehre der Druckschrift E1 für die Lamelle neben nahezu alle bekannten Kunststoffen, insbesondere auch Polycarbonat, Gläser und Metalle eingesetzt werden können (vgl. Seite 7, Zeile 26 bis 34).

Druckschrift E1 offenbare lediglich Polysulfon (PSU) als ein von über zwanzig genannten Matrix-Materialien. Im Vorteil gegenüber dem in der Druckschrift E1 genannten PSU, welches wegen der darin enthaltenen starren Bisphenol-A Gruppen schlecht verarbeitbar sei, seien die in dem Anspruch 1 spezifizierten Hochleistungspolymere PPSU, PES und PEI leicht verarbeitbar. Zudem weise PSU eine vergleichsweise geringe Glasübergangstemperatur auf, was nachteilig ist.

Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei nicht ausschlaggebend, ob der Fachmann die aus der Druckschriften E2 bis E4, E13 und E14 bekannten Hochleistungspolymere PPSU, PES und PEI hätte einsetzen können, sondern ob er es in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch getan hätte, weil er dem Stand der Technik Anregungen für die Erfindung entnehmen konnte, vgl. "could-would approach". Der Fachmann konnte dem Stand der Technik keine Anregungen entnehmen, solche Hochleistungspolymere mit einer Zugfestigkeit, einer Wärmebeständigkeit und einer Laugen- und/oder Säurebeständigkeit, wie sie in Anspruch 1 definiert seien, einzusetzen.

Im vorliegenden Fall hätte der Fachmann, ausgehend von der Druckschrift E1, um zur Erfindung zu gelangen, aus über zwanzig möglichen Matrix-Materialien, die zum Teil aus extrem großen Polymerklassen bestünden, zuerst Polysulfon (PSU) als Matrix-Material auswählen müssen. Dann hätte er, als zweiten Auswahlschritt, aus der Gruppe der Polysulfone bzw. anstatt PSU, die im Anspruch 1 genannten Hochleistungspolymere PPSU, PES und PEI auswählen müssen. Für diese doppelte Auswahl gebe es keine Anregung in der Druckschrift E1 oder im Stand der Technik, zumal es, wie oben ausgeführt, in der Druckschrift E1 auf die Art des Materials für die Lamelle nicht ankomme. Schließlich hätte der Fachmann nur Hochleistungspolymere mit einer Zugfestigkeit, einer Wärmebeständigkeit und einer Laugen- und/oder Säurebeständigkeit wie sie in Anspruch 1 definiert seien, auswählen müssen. Im Vortrag der Beschwerdeführerin finde sich kein einziges Argument dafür, warum der Fachmann am Prioritätstag des Streitpatents nach Materialien gerade mit diesen Eigenschaften hätte suchen sollen.

Hochleistungspolymere seien Makromoleküle, welche aus einem oder mehreren Monomeren zusammengesetzt seien, wobei sich die einzelnen spezifischen Polymerverbindungen innerhalb einer Polymerklasse durch eine Vielzahl von Parametern voneinander unterscheiden, wie beispielsweise durch die konkrete Vernetzungsdichte, die Konstitution der Monomere (also deren Anordnung untereinander), das konkrete Molekulargewicht und die Molekulargewichtsverteilung. Folglich bezeichnen die Begriffe "Polyphenylsulfone", "Polyethersulfone" und "Polyetherimiden" nicht jeweils konkrete Einzelverbindungen, sondern eine Vielzahl von Einzelverbindungen, welche sich durch ihr Molekulargewicht usw. unterscheiden, so dass sich auch die jeweilige physikalischen und mechanischen Eigenschaften der konkreten Einzelverbindungen voneinander unterscheiden.

Hieraus folge, dass Hochleistungspolymere wie PPSU, PES und PEI nicht zwangsläufig die Eigenschaften, die im erteilten Anspruch 1 spezifiziert seien, aufwiesen. Dies gehe auch aus der Druckschrift E14 hervor, wo auf Seite 3 ausgeführt werde, dass die Ultrason-Marken, Thermoplaste auf Basis von Polysulfon und Polyethersulfon, ein breites Eigenschaftsspektrum haben.

Während in den Druckschriften E2 (Handbuch Kunststoffmaterialien), E3 (Chemie Lexikon) und E4 (Band 13 der Enzyklopädie für Polymer- und Ingenieurswissenschaft) jeweils eine Vielzahl von Kunststoffmaterialien offenbart werden, handele es sich bei den Druckschriften E13 und E14 um Herstellerkataloge, in denen Eigenschaften von spezifischen Handelsprodukten auf Basis von PPSU, PES und PSU genannt werden. Keine dieser Druckschriften enthalte irgendeinen Hinweis darauf, ein Polyphenylsulfon, ein Polyethersulfon oder ein Polyetherimid als Material für eine Lamelle eines Stoffauflaufs einer Papier-, Karton- oder Tissuemaschine einzusetzen.

Eine Person, welche im Fachhandel Polysulfon bestelle, erhalte nicht wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, automatisch Polyphenylsulfon oder Polyethersulfon. Sie erhalte auch nicht automatisch ein Hochleistungspolymer mit einer Zugfestigkeit, einer Wärmebeständigkeit und einer Laugen- und/oder Säurebeständigkeit, wie sie in Anspruch 1 definiert seien.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin beruhten diesbezüglich auf einer unzulässigen ex-post Betrachtung. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents war somit für den Fachmann in Kenntnis der Lehre der Druckschrift E1 nicht naheliegend und beruhe deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsanträge

In einer Mitteilung der Kammer, die als Anlage der Ladung vom 17. September 2012 zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, habe die Kammer ihre vorläufige Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neu gegenüber der Druckschrift E1 und auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen scheine und dass die Beschwerde somit voraussichtlich zurückzuweisen sein dürfte. Außerdem sei der Einspruch gegen das Streitpatent von der Einspruchsabteilung ebenfalls zurückgewiesen worden. Bei dieser Sachlage habe es für die Beschwerdegegnerin keinen Anlass gegeben Hilfsanträge einzureichen. Dies sei wegen der Verfahrensökonomie nicht zweckdienlich gewesen. Aus obigen Gründen sei zumindest einer der Hilfsanträge zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, Artikel 100 a) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973

2.1 Aus Druckschrift E1 ist der nächstliegende Stand der Technik bekannt. Sie offenbart (siehe Anspruch 13, Beschreibung, Seite 7, Zeilen 26 bis 34, Figur 2) einen Stoffauflaufkasten zum Zuführen von Papierstoff an eine zu formende Oberfläche mit einer Staukammer und einer Staukammeröffnung. In der Staukammer ist ein Strömungsleitelement 18, also eine Lamelle, angeordnet, die quer zu dem Stoffauflaufkasten von einer Seite zu anderer Seite verläuft. Die Lamelle besteht aus einer Vielzahl von aneinander gelegten Schichten 18a, 18b, 18c, wobei eine der Schichten aus einem anisotropen Material besteht, das aus der Gruppe bestehend aus Graphit-, Kevlar-, Bor-, Glas-, Kohlenstoff-, Beryllium-, Stahl-, Titan- oder Aluminium-Fasern in Matrizen ausgewählt ist, die aus der Gruppe bestehend aus Epoxy, Polyamid, Kohlenstoff, Polyester, Phenol, Silikon, Alkyd, Melamin, Fluorkohlenstoff, Polycarbonat, Acryl, Acetal, Polypropylen, ABS-Copolymer, Polyäthylen, Polysulfon, Polystyrol, Nylon, Plastik, thermoplastische, duroplastische Kunststoffe, Glas oder Metall ausgewählt sind (Hervorhebung durch die Kammer).

Druckschrift E1 offenbart dem Fachmann also, dass die Lamelle aus mindestens einem Hochleistungspolymer bestehen kann, nämlich aus Polysulfon als Matrix-Material.

Die im Kennzeichen des Anspruchs 1 angegebenen Hochleistungspolymere Polyphenylsulfon (PPSU), Polyethersulfon (PES) oder ein Polyetherimid (PEI) sind dort allerdings nicht erwähnt. Durch diese Unterschiedsmerkmale soll die Aufgabe gelöst werden, eine Lamelle eines Stoffauflaufs einer Papier-, Karton- oder Tissuemaschine bereitzustellen, die eine verbesserte Kosten-Nutzen-Relation aufweist, den verschiedenen Betriebsbedingungen länger standhält und hervorragend verarbeitbar ist.

Bei der Ausführung der Lehre der Druckschrift E1 bieten sich dem Fachmann die in den Druckschriften E3 und E4 genannten Polysulfone an. Unter dem Stichwort "Polysulfone" wird in Druckschrift E3, Seite 3572, rechte Spalte ausgeführt: "Eig.: Charakterist. für P. sind hohe Festigkeit, Steifheit u. Härte in einem weiten Temp.-Bereich (- 100 ºC bis 150 - 180 ºC), gute Wärmeformbeständigkeit, gute Beständigkeit gegen Chemikalien- u. Strahleneinflüsse ... P. zählen zu den *Hochleistungskunststoffen. Sie können durch Spritzgießen, Extrudieren od. Warmumformen verarbeitet werden." In diesem Passus werden namentlich Polyphenylsulfone (PPSU) und Polyethersulfone (PES) genannt, mit der Anmerkung, dass insbesondere diese Polysulfone technische Bedeutung erlangt haben. Als Anwendungen werden u. a. die Herstellung von transparenten Formteilen für hohe mechanische, elektrische und thermische Beanspruchungen u. a. im Apparatebau genannt. Daraus ergibt sich also, dass insbesondere die dort genannten Polyphenylsulfone und Polyethersulfone sich hervorragend zur Lösung der oben genannten Aufgabe, und, aufgrund ihrer Zugfestigkeit, Wärmebeständigkeit und chemischen Beständigkeit, auch hervorragend für den Einsatz in einem Stoffauflauf einer Papier-, Karton- oder Tissuemaschine eignen. Denn diese Hochleistungspolymere weisen - wie sich aus Druckschrift E13 ergibt (siehe Tabellen 2 und 3 auf Seiten 6 und 7, Seiten 19 und 20, Tabelle 20 auf Seite 30) Eigenschaften auf, die in die in Anspruch 1 beanspruchten Bereiche fallen.

Deshalb ist es für den Fachmann naheliegend, die aus Druckschrift E1 bekannte Lamelle aus einem der in den Druckschriften E3 oder E4 genannten Polysulfone zu fertigen und auf diese Weise zu einer Lamelle zu gelangen, die zum Schutzgegenstand gehört. Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Zulässigkeit der Hilfsanträge

3.1 Die Beschwerdegegnerin legte am Ende der mündlichen Verhandlung zwei Hilfsanträge vor, siehe Punkt III.

3.2 Dass die Einschätzung des Falles durch die Kammer im Ladungszusatz positiv für die Beschwerdegegnerin ausfiel und dass die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen hat, ist kein Rechtfertigungsgrund für die nicht rechtzeitige Vorlage der Hilfsanträge. Zum Einen hat die Kammer in diesem Ladungszusatz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihre Meinung vorläufig ist und für die zu treffende Entscheidung nicht bindend ist. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass Anträge oder Stellungnahmen rechtzeitig, spätestens einen Monat vor der mündlichen Verhandlung einzureichen sind, damit der anderen Partei und der Kammer ausreichend Zeit für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung verbleibt. Zum Anderen ist es Hauptzweck des mehrseitigen Beschwerdeverfahrens, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit zu geben, die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anzufechten (G 9/91 vom 31. März 1993, Umfang der Befugnis zur Prüfung eines Einspruchs / Rohm and Haas, ABl. EPA 1993, 408, Gründe 18). Beschwerdegegner in einem mehrseitigen Beschwerdeverfahren, bei dem die unterlegene Partei die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anficht, müssen rechtzeitig prüfen, in welcher Form sie ihr Begehren verteidigen, für den Fall, dass die Beschwerdekammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht bestätigt, d.h. sie sollten eventuelle Verteidigungspositionen rechtzeitig aufbauen und entsprechende Anträge vorlegen. Dies ist aber im vorliegenden Fall nicht erfolgt.

3.3 Nach Artikel 13 (3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (VOBK) werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist, siehe Beilage zum ABl. EPA 1/2012, 39 ff.

In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass sich seit Beginn des Einspruchsverfahrens der Sachverhalt nicht wesentlich verändert hat. Es ging überwiegend um die Frage, ob zur Auswahl der im erteilten Anspruch 1 genannten Hochleistungspolymere erfinderische Überlegungen erforderlich waren. Auch haben sich die dazu aufgeführten Druckschriften nicht geändert.

Da das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2, "dass die Lamelle (10.1, 10.2) in homogenem Aufbau aus einem Hochleistungspolymer (11) ... gebildet ist", weder im Einspruchs- noch im bisherigen Beschwerdeverfahren eine Rolle spielte, würde sich bei Zulassung dieser Anträge der Schwerpunkt der Diskussion auf bisher nicht diskutierte Sachverhalte verlagern.

Dies ist zu einem so späten Zeitpunkt, nämlich als bereits die sachliche Debatte zu dem rechtzeitig vorgelegten Antrag beendet war, weder der Beschwerdeführerin noch der Kammer zumutbar.

3.4 Aus diesen Gründen konnte keiner der Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin zugelassen werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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