T 1679/09 () of 18.1.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T167909.20120118
Datum der Entscheidung: 18 Januar 2012
Aktenzeichen: T 1679/09
Anmeldenummer: 05701605.7
IPC-Klasse: B65H 16/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rollenwechsler
Name des Anmelders: Koenig & Bauer Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Maschinenfabrik WIFAG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention R 42(1)(c)
European Patent Convention R 80
European Patent Convention R 99(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin II (ja)
Änderungen durch Einspruchsgründe veranlasst, Hilfsantrag I, Ia, Ib (ja)
Klarheit, Hilfsanträge I, Ia, Ib, II, IIa, IIb (ja)
Unzulässige Erweiterung, Hilfsanträge I, Ia, Ib, II, IIa (ja)
Neuheit, Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit, Hauptantrag (nein), Hilfsantrag IIb (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0610/95
T 0181/02
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende) und die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) legten gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 708 942 in geändertem Umfang aufrechterhalten worden war, Beschwerde ein.

II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt worden und mit einem Mangel an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ) begründet worden.

III. Im Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Dabei wies sie unter anderem darauf hin, dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ auch für abhängige Ansprüche gelten. Zudem sei hinsichtlich der Frage der Klarheit zu klären, ob der vermeintliche Klarheitsmangel durch Änderungen im Einspruchsverfahren verursacht worden sei.

IV. Am 18. Januar 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

V. Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Verwerfung der Beschwerde der Beschwerdeführerin II als unzulässig und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 708 942.

VI. Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage von den Hilfsanträgen I oder II, eingereicht am 6. Juni 2009, oder der Hilfsanträge Ia, Ib, IIa oder IIb, eingereicht am 16. Dezember 2011, oder des Hilfsantrags III, eingereicht am 17. Januar 2012, aufrechtzuerhalten, und zwar in der Reihenfolge I, Ia, Ib, II, IIa, IIb und III.

VII. Der erteilte unabhängige Anspruch 1 (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"1. Rollenwechsler einer Rollenrotationsdruckmaschine mit einem Antrieb mit zumindest einem Elektromotor (03), durch den eine im Rollenwechsler (01) auf einer Aufnahme (06) gehaltene Materialrolle (02), auf die eine Materialbahn aufgespult ist, rotatorisch antreibbar ist, wobei der Elektromotor (03) als Synchronmotor (03) ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Läufer des Synchronmotors (03) Pole aus Permanentmagneten aufweist."

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 nach den Hilfsanträgen I, Ia und Ib lauten wie folgt:

"1. Rollenwechsler einer Rollenrotationsdruckmaschine mit einem Antrieb mit zumindest einem Elektromotor (03), durch den eine im Rollenwechsler (01) auf einer Aufnahme (06) gehaltene Materialrolle (02), auf die eine Materialbahn aufgespult ist, rotatorisch antreibbar ist, wobei der Elektromotor (03) als Synchronmotor (03) ausgebildet ist, wobei der Läufer des Synchronmotors (03) Pole aus Permanentmagneten aufweist, wobei in jedes Ende der beiden Enden der Materialrolle (02) eine Aufnahme (05; 06; 16) eingreift, wobei zwei Paare von Aufnahmen (05; 06; 16) zur Aufnahme jeweils einer Materialrolle (02) oder einer Restrolle angeordnet sind, wobei jede der Aufnahmen (05; 06; 16) des Rollenwechslers (01) einen eigenen Stellmotor (21) zur Verstellung der Aufnahme (05; 06; 16) in axialer Richtung der Materialrolle (02) aufweist, wobei die Stellmotoren (21) mit den Aufnahmen (05; 06; 16) bewegbar sind."

"2. Rollenwechsler einer Rollenrotationsdruckmaschine mit einem Antrieb mit zumindest einem Elektromotor (03), durch den eine im Rollenwechsler (01) auf einer Aufnahme (06) gehaltene Materialrolle (02), auf die eine Materialbahn aufgespult ist, rotatorisch antreibbar ist, wobei der Elektromotor (03) als Synchronmotor (03) ausgebildet ist, wobei der Läufer des Synchronmotors (03) Pole aus Permanentmagneten aufweist, wobei in jedes Ende der beiden Enden der Materialrolle (02) eine Aufnahme (05; 06; 16) eingreift, wobei zwei Aufnahmen (05; 06; 16) zur Lagerung der Materialrolle (02) angeordnet sind, wobei beide Aufnahmen (05; 06; 16) drehbar gelagert sind und wobei nur eine der beiden Aufnahmen (05; 16) von dem Elektromotor (03) angetrieben ist, wobei die Aufnahmen (06; 16) baugleiche Lagerungen aufweisen."

Die Hilfsanträge Ia und Ib unterscheiden sich vom Hilfsantrag I dadurch, dass einzelne bzw. alle abhängigen Ansprüche gestrichen wurden.

Der jeweils einzige unabhängige Anspruch der Hilfsanträge II, IIa und IIb ist gleichlautend mit dem oben zitierten Anspruch 1 der Hilfsanträge I, Ia und Ib.

In den Hilfsanträge IIa und IIb wurden im Vergleich zum Hilfsantrag II einzelne bzw. alle abhängigen Ansprüche gestrichen.

VIII. In der vorliegenden Entscheidung wird Bezug genommen auf die Dokumente

D2: EP-A-1 155 987

D4: WO-A-2005/056195

D5: EP-A-1 460 010

D15: Prospekt, Arnold Müller GmbH & Co. KG, AMKASYN AC-Servo- und Hauptspindelmotoren, 2001

D16: US-A-2002/0130214

D20: DE-C-44 37 147

IX. Der Beschwerdeführerin I trug im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vor:

Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin II

Der Vortrag der Beschwerdeführerin II in der Beschwerdebegründung erschöpfe sich in Behauptungen und gehe nicht auf die in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Argumente ein. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin II sei somit nicht zulässig, da keine ausreichende Beschwerdebegründung vorliege.

Neuheit von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag

Das Dokument D4 offenbare einen als Synchronmotor ausgebildeten Außenläuferantrieb, der ausweislich Seite 6, zweiter Absatz, als ein Rollenwechsler verwendet werden könne. Damit sei der Synchronmotor in der Rolle eines Rollenwechslers angebracht, die Druckschrift D4 betreffe also wie der angegriffene Anspruch einen Rollenwechsler mit einem Synchronmotor als Antrieb der Materialrolle.

Auch das Dokument D5 zeige in Absatz [0001] eine als Rollenwechsler geeignete Vorrichtung, die laut Absatz [0008] mit einem Synchronmotor als Antrieb ausgestattet sei, welcher ausweislich Absatz [0011] Pole aus Permanentmagneten aufweise. Die Tatsache, dass das Dokument D5 keine Rollenrotationsdruckmaschine offenbare, sei unbeachtlich, da das diesbezügliche Merkmal im angegriffenen Anspruch keine Einschränkung, sondern lediglich eine Funktionsangabe darstelle.

Somit sei der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag nicht neu gegenüber der Offenbarung der nachveröffentlichten Patentanmeldungen D4 oder D5.

Erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1 nach dem Hauptantrag

Das Dokument D2 betreffe einen Antrieb eines Rollenwechslers einer Rollenrotationsdruckmaschine, Absatz [0001], und bilde den nächstkommenden Stand der Technik. Laut Absatz [0015] seien als Antriebe Drehstrom-Asynchronmotoren vorteilhaft, aber auch andere Motorarten, wie allgemeine Drehstrom- oder Wechselstrommotoren, Universalmotoren oder Gleichstrommotoren könnten verwendet werden.

Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag unterscheide sich somit von der bekannten Vorrichtung lediglich dadurch, dass der Antrieb als Synchronmotor ausgebildet sei.

Angesichts der Anregung aus dem Dokument D2, wonach neben Drehstrom-Asynchronmotoren auch andere Motorarten als Antrieb in Frage kämen, würde der Fachmann den Einsatz eines im Dokument D15 als vorteilhaft dargestellten Synchronmotors in Betracht ziehen und so ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

Klarheit von Anspruch 1 nach dem Hilfsanträgen I, Ia, Ib, II, IIa und IIb

Der Gegenstand von Anspruch 1 nach den Hilfsanträgen I bis IIb, insbesondere die Kombination der Merkmale "eine im Rollenwechsler auf einer Aufnahme gehaltene Materialrolle" und "zwei Paare von Aufnahmen zur Aufnahme jeweils einer Materialrolle oder einer Restrolle" sei nicht klar, weil die Materialrolle einerseits nur von einer einzigen Aufnahme gehalten werde, andererseits zwei Paare von Aufnahmen vorgesehen seien.

Erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1 nach den Hilfsanträgen I, Ia, Ib, II, IIa und IIb

Das Dokument D2 bilde den nächstkommenden Stand der Technik, von dem sich der Gegenstand von Anspruch 1 im Wesentlichen dadurch unterscheide, dass

- der Antrieb als ein Permanentmagnete aufweisender Synchronmotor ausgebildet ist und

- jede der Aufnahmen des Rollenwechslers einen eigenen Stellmotor zur Verstellung der Aufnahme in axialer Richtung der Materialrolle aufweist, wobei die Stellmotoren mit den Aufnahmen bewegbar sind.

Die beiden Unterscheidungsmerkmale hätten keinerlei synergistische Wirkung; die axiale Verstellbarkeit der Aufnahmen zur Anpassung an unterschiedliche Rollenbreiten sei unabhängig von der durch den Einsatz von Synchronmotoren erreichten kompakten Bauweise des Rollenantriebs.

Wie für den Hauptantrag bereits dargelegt, könne das erste Unterscheidungsmerkmal hinsichtlich des Synchronmotors keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Das zweite, die Verstellbarkeit der Aufnahmen betreffende Merkmal sei aus den Druckschriften D16 (vgl. Absätze [0038] bis [0040] und Fig. 2) und/oder D20 (vgl. Spalte 2, Zeilen 40 bis 42 und Spalte 3, Zeilen 33 bis 36) bekannt, sodass der beanspruchte Gegenstand in der Zusammenschau der genannten Dokumente nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Alternativ könne vom Dokument D16 als nächstkommendem Stand der Technik ausgegangen werden. In diesem Fall würde der Fachmann mit Hilfe des Dokuments D15 zur beanspruchten Erfindung gelangen.

Im Übrigen sei die in Absatz [0014] des Streitpatents sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung nach Hilfsantrag IIb genannte Aufgabenstellung nicht im Hinblick auf den nächstkommenden und in Absatz [0009] beider Fassungen bereits gewürdigten Stand der Technik in Form des Dokuments D2 angepasst.

X. Die Beschwerdeführerin II argumentierte im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen wie folgt:

Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin II

In ihrer Beschwerdebegründung trete sie sämtlichen in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrags I genannten Gründen entgegen. Sie zeige dort auf, aus welchen Gründen beantragt werde, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Die Beschwerde sei somit zulässig.

Neuheit von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag

Die Druckschrift D4 betreffe lediglich einen Außenläuferantrieb, der in einem Rollenwechsler verwendet werden könne. Ein Rollenwechsler weise aber neben dem Antrieb für die Papierwalze weitere Motoren auf, beispielsweise für die Zug- und Pendelwalzen sowie diverse Stellantriebe, sodass das anspruchsgemäße Merkmal des Synchronmotors als Antrieb einer Materialrolle in dieser Druckschrift nicht eindeutig offenbart sei.

In der Druckschrift D5 finde sich weder ein Hinweis auf einen Rollenwechsler noch auf eine Rollenrotationsdruckmaschine, die ebenfalls ein zwingendes Merkmal der beanspruchten Vorrichtung darstelle.

Somit sei der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag neu.

Erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1 nach dem Hauptantrag

Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Druckschrift D2 als nächstkommender Stand der Technik in Absatz [0015] die klare Lehre enthalte, Drehstrom-Asynchronmotoren einzusetzen. Diese Lehre führe den Fachmann daher von der beanspruchten Erfindung, die auf den Einsatz von Synchronmotoren abziele, weg. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei somit durch den vorliegenden Stand der Technik nicht nahegelegt.

Veranlassung der Änderung des europäischen Patents

Der einzige unabhängige Anspruch des erteilten Patents sei von der Einspruchsabteilung als nicht neu erachtet worden. Die während des Einspruchsverfahrens im Hilfsantrag I vorgenommene Änderung hin zu zwei unabhängigen, auf verschiedene Gegenstände eingeschränkten Ansprüchen sei somit in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Regel 80 EPÜ von einem Einspruchsgrund veranlasst.

Klarheit von Anspruch 1 nach dem Hilfsanträgen I, Ia, Ib, II, IIa und IIb

Zwischen den anspruchsgemäßen Merkmalen "eine im Rollenwechsler auf einer Aufnahme gehaltene Materialrolle" und "zwei Paare von Aufnahmen zur Aufnahme jeweils einer Materialrolle oder einer Restrolle" bestehe keinerlei Widerspruch, da das Merkmal "eine [...] Materialrolle" als "mindestens [...] eine Materialrolle" zu verstehen sei. Anspruch 1 nach den Hilfsanträgen I bis IIb erfülle daher die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.

Unzulässige Erweiterung von Anspruch 2 nach den Hilfsanträgen I, Ia und Ib

Der geänderte unabhängige Anspruch 2 stelle eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 39, 40 und 49 dar. Das weitere Merkmal, wonach die Aufnahmen baugleiche Lagerungen aufwiesen, sei der Seite 7, letzter Absatz und Seite 8, erster Absatz der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen zu entnehmen. Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ seien daher in Bezug auf Anspruch 2 nach den Hilfsanträgen I, Ia und Ib erfüllt.

Erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1 nach den Hilfsanträgen I, Ia, Ib, II, IIa und IIb

Das Dokument D2 bilde den nächstkommenden Stand der Technik, von dem sich der Gegenstand von Anspruch 1 dadurch unterscheide, dass

- der Antrieb als ein Permanentmagnete aufweisender Synchronmotor ausgebildet ist und

- jede der Aufnahmen des Rollenwechslers einen eigenen Stellmotor zur Verstellung der Aufnahme in axialer Richtung der Materialrolle aufweist, wobei die Stellmotoren mit den Aufnahmen bewegbar sind.

Durch die Verwendung eines Synchronmotors könne die Materialrolle ohne Zwischenschaltung eines Getriebes direkt angetrieben werden. Deshalb und aufgrund der durch die hohe Energiedichte von Synchronmotoren bedingten kompakten Bauweise sei es erst möglich, die Stellmotoren auf den Tragarmen zu positionieren, sodass sie mit den Aufnahmen bewegbar seien. Insofern wiesen die Unterscheidungsmerkmale eine synergistische Wirkung auf.

Abgesehen davon sei das zweite Unterscheidungsmerkmal weder aus dem Dokument D16 noch aus der Druckschrift D20 bekannt: Im Dokument D16 werde zwar der Motor (1) mit der Aufnahme (D) bewegt, nicht aber der zweite Motor (43), der auf dem Querträger (H) und nicht auf dem zweiten Tragarm positioniert sei (vgl. Absatz [0038] sowie Figuren 1 und 2). Somit sei in der Vorrichtung nach Dokument D16 der jeweils zweite Stellmotor nicht mit der jeweils zweiten Aufnahme bewegbar.

Im Dokument D20 erfolge die Bewegung der Aufnahmen hingegen mittels der Kolben-Zylinder-Einheiten (34), deren Zylinder nicht mit der Aufnahmen bewegbar seien.

Angesichts dieses Standes der Technik sei die Merkmalskombination nach Anspruch 1 für einen Fachmann nicht naheliegend. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin II

1.1 Als eine der Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Beschwerde sieht Regel 99(2) EPÜ vor, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung darzulegen hat, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt.

Diese Erfordernisse spiegeln sich auch im Wortlaut von Artikel 12(2) VOBK:

"Die Beschwerdebegründung und die Erwiderung müssen den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Sie müssen deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen, und sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen. [...]"

1.2 Im vorliegenden Fall richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin II gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag) als nicht neu ansah und den Hilfsantrag I wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Erfordernisse von Regel 80 EPÜ und Artikel 123(2) EPÜ nicht zuließ. In ihrer Beschwerdebegründung tritt die Beschwerdeführerin II dieser Auffassung entgegen. Im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung begründet sie nachvollziehbar und vollständig, wenn auch knapp, aus welchen Gründen diese aufzuheben sei. Dazu legt sie dar, warum ihrer Meinung nach der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag neu sei und die Ansprüche nach dem Hilfsantrag I die Erfordernisse von Regel 80 EPÜ und Artikel 123(2) EPÜ erfüllten. Insofern kann der Beschwerdeführerin I nicht darin gefolgt werden, der Vortrag der Beschwerdeführerin II erschöpfe sich in Behauptungen und enthalte keinerlei Argumente.

Die Kammer sieht hinsichtlich der Beschwerde der Beschwerdeführerin II die Anforderung der Regel 99(2) EPÜ als erfüllt an. Da die Beschwerde der Beschwerdeführerin II auch den weiteren in Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie Regel 97 und 99 (1) b) und c) EPÜ genannten Erfordernissen entspricht, ist sie zulässig.

2. Neuheit von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag

2.1 Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das nachveröffentlichte Dokument D4 einen Rotationskörper in Gestalt eines als Außenläuferantrieb ausgebildeten Synchronmotors offenbart. Darüber hinaus sieht die Beschwerdeführerin I in der Lehre, dass der Rotationskörper beispielsweise verwendet werden könne "in Verbindung mit oder auch als ein Gummituchzylinder, ein Plattenzylinder, ein Umlenkzylinder, eine Zugwalze, ein Duktor oder ein Rollenwechsler" (vgl. Seite 6, zweiter Absatz) eine Vorwegnahme des anspruchsgemäßen Merkmals, wonach durch den Synchronmotor eine im Rollenwechsler auf einer Aufnahme gehaltene Materialrolle, auf die eine Materialbahn aufgespult ist, rotatorisch antreibbar ist.

Die oben zitierte Formulierung aus der Druckschrift D4 nennt im Hinblick auf den Rollenwechsler zwei alternative Verwendungen. Die erste Alternative "Rotationskörper verwendbar in Verbindung mit [...] ein Rollenwechsler" betrifft, obwohl sprachlich unsauber, allgemein die Verwendung des Rotationskörpers als einen der zahlreichen Motoren, die im Kontext eines Rollenwechslers für verschiedene Funktionen eingesetzt werden. Eine spezifische Offenbarung, dass der bekannte Synchronmotor eine im Rollenwechsler auf einer Aufnahme gehaltene Materialrolle, auf die eine Materialbahn aufgespult ist, rotatorisch antreiben soll, lässt sich aus der ersten Alternative aber nicht herauslesen.

Die zweite Alternative "Rotationskörper verwendbar als ein Rollenwechsler" scheint keine technisch sinnvolle Lehre zu bilden, da ein Außenläuferantrieb als solcher keinen Rollenwechsler bilden kann. Deshalb stellt auch diese zweite Möglichkeit keine unmittelbare, eindeutige und nacharbeitbare Offenbarung eines in der D4 beschriebenen Synchronmotors als Antrieb für die Materialrolle, auf die eine Materialbahn aufgespult ist, dar.

Der Gegenstand von Anspruch 1 ist also neu im Hinblick auf die Lehre der Druckschrift D4, Artikel 54(1) und (3) EPÜ.

2.2 Das ebenfalls nachveröffentlichte Dokument D5 betrifft einen Synchronmotor als Direktantrieb eines Wickelkerns einer Wickelrolle. Da es weder einen Hinweis auf einen Rollenwechsler noch auf eine Rollenrotationsdruckmaschine enthält, kann auch dieses Dokument die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht in Frage stellen. Es ist festzuhalten, dass Anspruch 1 des Streitpatents explizit einen Rollenwechsler einer Rotationsdruckmaschine betrifft. Somit stellen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin I sowohl das Merkmal des Rollenwechslers als auch jenes einer Rollenrotationsdruckmaschine einschränkende Merkmale der beanspruchten Vorrichtung dar. Aus diesem Grund ist es für die Frage der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 irrelevant, ob der Direktantrieb eines Wickelkerns aus der Druckschrift D5 prinzipiell für den Einsatz in einem Rollenwechsler und/oder einer Rollenrotationsdruckmaschine geeignet wäre oder nicht.

Der Gegenstand von Anspruch 1 ist also auch neu im Hinblick auf die Offenbarung der Druckschrift D5, Artikel 54(1) und (3) EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1 nach dem Hauptantrag

3.1 Beide Parteien gehen übereinstimmend vom Dokument D2 als nächstkommendem Stand der Technik aus. Diese Druckschrift betrifft ausweislich Absatz [0001] einen Antrieb eines Rollenwechslers einer Rollenrotationsdrucksmaschine. In Absatz [0015] werden Drehstrom-Asynchronmotoren als vorteilhafte Antriebe dargestellt. Dort wird aber auch darauf hingewiesen, dass andere Motorarten, wie allgemeine Drehstrom- oder Wechselstrommotoren, Universalmotoren oder Gleichstrommotoren verwendet werden können.

3.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag unterscheidet sich somit von der bekannten Vorrichtung dadurch, dass der Antrieb als ein Permanentmagnete aufweisender Synchronmotor ausgebildet ist.

3.3 Der durch diesen Unterschied erreichte technische Effekt kann laut Beschwerdeführerin II darin gesehen werden, dass ein Synchronmotor aufgrund seiner höheren Energiedichte eine kompaktere Bauweise erlaubt.

Die zu lösende technische Aufgabe besteht daher darin, einen leistungsfähigen Antrieb mit kompakter Bauform bereitzustellen.

3.4 Obwohl im Dokument D2 die Verwendung von Asynchronmotoren als Antrieb der Materialrolle als vorteilhaft beschrieben ist (vgl. Absatz [0015]), wird diese Empfehlung im gleichen Absatz doch durch den Hinweis an den Fachmann relativiert, dass auch andere Motorarten verwendet werden können. Das Dokument D2 enthält somit keine zwingende Lehre bezüglich des einzusetzenden Motortyps. Vielmehr wird der Fachmann bei seinen Überlegungen angesichts der Anregung aus dem Dokument D2, wonach auch andere Motorarten als Antrieb in Frage kämen, die verschiedenen geeigneten und verfügbaren Motoren in Betracht ziehen und dabei auch auf den im Dokument D15 beschriebenen Synchronmotor stoßen. Da das Dokument D15 einerseits unter anderem Druckmaschinen als möglichen Anwendungsbereich von Synchronmotoren nennt (vgl. Seite 3, rechte Spalte unten) und andererseits ihre hohe Energiedichte und kompakte Bauform betont (vgl. Seite 4, rechte Spalte unten), entnimmt der Fachmann diesem Dokument eine klare Lehre zur anspruchsgemäßen Lösung der gestellten Aufgabe.

Ausgehend von der Offenbarung der Druckschrift D2 gelangt der Fachmann somit unter Anwendung der Lehre des Dokuments D15 ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag. Dieser beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ. Damit ist der Hauptantrag der Beschwerdeführerin II nicht gewährbar.

4. Veranlassung der Änderung des europäischen Patents nach den Hilfsanträgen I, Ia und Ib

4.1 Die Einspruchsabteilung ließ den Hilfsantrag I unter anderem mit Hinweis auf Regel 80 EPÜ nicht zu, da das Hinzufügen des zweiten unabhängigen Anspruchs 2 nicht erforderlich sei, um einen Einwand nach Artikel 100 a) EPÜ auszuräumen. Dies wäre nur in Ausnahmefällen zulässig. Sie untermauert ihre Begründung mit einem Verweis auf die Entscheidungen T 610/95 und T 181/02.

4.2 Die Kammer kann sich dieser Sichtweise aus folgenden Gründen nicht anschließen:

Regel 80 EPÜ sieht im Wesentlichen vor, dass die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen des europäischen Patents geändert werden können, soweit die Änderungen durch einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ veranlasst sind, auch wenn dieser vom Einsprechenden nicht geltend gemacht worden ist.

Im vorliegenden Fall wurde der einzige unabhängige Anspruch der erteilten Patents von der Einspruchsabteilung als nicht neu erachtet. Während des Einspruchsverfahrens wurden als Hilfsantrag I zwei unabhängige, auf verschiedene Gegenstände eingeschränkte Patentansprüche eingereicht, wobei der erteilte unabhängige Anspruch jeweils mit den Merkmalen erteilter abhängiger Ansprüche (Ansprüche 36, 47, 53 und 54 sowie Ansprüche 36, 37 und 40), die bei der Patenterteilung parallel mit dem einzigen unabhängigen Anspruch 1 verbunden waren, eingeschränkt wurde. Nach Ansicht der Kammer ist der Beschwerdeführerin II darin zuzustimmen, dass unter diesen Umständen eine derartige Änderung in Einklang mit den Erfordernissen der Regel 80 EPÜ steht.

4.3 In der von der Einspruchsabteilung zitierten Entscheidung T 181/02 wird eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Situation diskutiert. Auch in dieser Entscheidung ist die zuständige Kammer zum Schluss gelangt, dass der Ersatz eines erteilten einzigen unabhängigen Anspruchs durch zwei oder mehr unabhängige Ansprüche durch einen Einspruchsgrund veranlasst sein könne, zum Beispiel, wenn zwei erteilte abhängige Ansprüche parallel mit einem einzigen unabhängigen Anspruch verbunden seien. Dann könne die Einreichung von zwei unabhängigen Ansprüchen möglich sein.

Die in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls genannte Entscheidung T 610/95 betrifft den Fall, dass die Patentinhaberin den im Einspruchsverfahren angegriffenen erteilten unabhängigen Anspruch unverändert lässt und ihm einen zweiten unabhängigen Anspruch hinzufügt, was als im Hinblick auf die Regel 57a EPÜ 1973 (heute Regel 80 EPÜ) als unzulässig angesehen wurde. Da der vorliegende Sachverhalt aber anderes gelagert ist, ist die Entscheidung T 610/95 nicht geeignet, das Nichtzulassen des Hilfsantrags I unter Hinweis auf Regel 80 EPÜ zu rechtfertigen.

Auch im Lichte der genannten Entscheidungen sieht die Kammer in Bezug auf den Hilfsantrag I die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ folglich als erfüllt an. Aus den gleichen Gründen genügen auch die Hilfsanträge Ia und Ib den Voraussetzungen der Regel 80 EPÜ.

5. Klarheit von Anspruch 1 nach dem Hilfsanträgen I, Ia, Ib, II, IIa und IIb

5.1 Die Beschwerdeführerin I erachtet den Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag I als nicht klar. Die Kombination der Merkmale "eine im Rollenwechsler auf einer Aufnahme gehaltene Materialrolle" und "zwei Paare von Aufnahmen zur Aufnahme jeweils einer Materialrolle oder einer Restrolle" sei widersprüchlich, da die Materialrolle einerseits nur von einer einzigen Aufnahme gehalten werde, andererseits zwei Paare von Aufnahmen vorgesehen seien.

5.2 Diesem Vorbringen kann sich die Kammer aus folgenden Gründen nicht anschließen. Die angegriffene Merkmalskombination beruht auf einer Kombination erteilter Ansprüche (unabhängiger Anspruch 1 und abhängige Ansprüche 36 und 47). Der vermeintliche Klarheitsmangel wurde also nicht durch Änderungen im Einspruchsverfahren verursacht, sondern war, sofern existent, so schon in erteilten Fassung des Streitpatents vorhanden. Abgesehen davon sieht die Kammer die genannten Merkmale von Anspruch 1 nicht als widersprüchlich an, da das Merkmal "eine im Rollenwechsler auf einer Aufnahme gehaltene Materialrolle" nicht bedeutet, dass die Materialrolle nur von einer einzigen Aufnahme gehalten wird.

Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag I ist daher unter Artikel 84 EPÜ ebenso wenig zu beanstanden wie die gleichlautenden Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen Ia, Ib, II, IIa und IIb.

6. Unzulässige Erweiterung von Anspruch 2 nach den Hilfsanträgen I, Ia und Ib

6.1 Die Beschwerdeführerin II sieht das anspruchsgemäße Merkmal "wobei die Aufnahmen baugleiche Lagerungen aufweisen" in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen auf Seite 7, letzter Absatz, bis Seite 8, erster Absatz offenbart.

6.2 Dem kann die Kammer nicht folgen, da die dort verwendete Formulierung "Auf der zur Vorratsrolle 02 weisenden Seite des Drehlagers 14 steht eine Aufnahme 16 über, die im Wesentlichen baugleich zur Aufnahme 06 ausgebildet ist und ebenfalls auf der Innenseite der Hülse 09 zum Eingriff kommt" auf baugleiche Aufnahmen abstellt und somit eine andere technische Bedeutung hat, als das anspruchsgemäße Merkmal der baugleichen Lagerungen.

Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind daher in Bezug auf Anspruch 2 nach dem Hilfsantrag I nicht erfüllt.

Da auch die Hilfsanträge Ia und Ib den beanstandeten Anspruch 2 umfassen, sind aus diesem Grund auch sie nicht gewährbar.

7. Erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1 nach den Hilfsanträgen II, IIa und IIb

7.1 Die Dokumente D2 und D16 betreffen beide einen Rollenwechsler einer Rollenrotationsdruckmaschine und entstammen somit dem gleichen technischen Gebiet wie der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II. Da die Druckschrift D2 im Gegensatz zum Dokument D16 aber explizit einen Elektromotor zum Antreiben der Materialrolle erwähnt, kommt die Druckschrift D2 dem Gegenstand von Anspruch 1 näher. Sie bildet daher den nächstkommenden Stand der Technik.

7.2 Beide Parteien stimmen darin überein, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II von der Offenbarung des Dokuments D2 im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass

- der Antrieb als ein Permanentmagnete aufweisender Synchronmotor ausgebildet ist und

- jede der Aufnahmen des Rollenwechslers einen eigenen Stellmotor zur Verstellung der Aufnahme in axialer Richtung der Materialrolle aufweist, wobei die Stellmotoren mit den Aufnahmen bewegbar sind.

7.3 Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 nach dem Hilfsantrag II wurde also im Vergleich mit Anspruch 1 nach dem Hauptantrag um das zweite Unterscheidungsmerkmal ergänzt.

Die Beschwerdeführerin I sieht dieses Merkmal als aus den Druckschriften D16 (vgl. Absätze [0038] bis [0040] und Fig. 2) und/oder D20 (vgl. Spalte 2, Zeilen 40 bis 42 und Spalte 3, Zeilen 33 bis 36) bekannt an.

7.4 Dem kann sich die Kammer nicht anschließen.

Die Vorrichtung nach Dokument D16 weist zwei Stellmotoren mit Bezugszeichen 1 und 43 auf, jedoch ist davon nur der Stellmotor (1) tatsächlich mit der Aufnahme (D) beweglich. Der weitere Stellmotor (43) ist auf dem Querträger (H) und nicht auf dem zweiten Tragarm positioniert (vgl. Absatz [0038] sowie Figuren 1 und 2). Der Beschwerdeführerin II ist daher zuzustimmen, dass in der Vorrichtung nach Dokument D16 der jeweils zweite Stellmotor nicht mit der jeweils zweiten Aufnahme bewegbar ist, wie es nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II vorgesehen ist.

Im Dokument D20 erfolgt die Bewegung der Aufnahmen nicht mit Hilfe des Antriebs (23), wie von der Beschwerdeführerin I behauptet, sondern mittels der Kolben-Zylinder-Einheit (34) (vgl. Spalte 3, Zeilen 2 bis 6), deren Zylinder nicht mit der Aufnahme bewegbar ist, da sonst keine Relativbewegung zwischen der Aufnahme und dem Tragarm (6) erzielt werden könnte. Die Tragarme (6, 7) sind in der Vorrichtung nach Dokument D20 zwar axial verstellbar (vgl. Spalte 2, Zeilen 7 bis 13), jedoch findet sich dort kein Hinweis, wie dies bewerkstelligt wird.

Das strittige Merkmal ist daher in keinem der Dokumente D16 oder D20 offenbart oder nahegelegt. Schon aus diesem Grund kann der Argumentationslinie der Beschwerdeführerin I nicht gefolgt werden. Die Frage nach dem Vorhandensein einer synergistischen Wirkung kann dahingestellt bleiben. Sogar unter der Annahme, dass beide Unterscheidungsmerkmale als unabhängig von einander anzusehen sind, wäre der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II im Hinblick auf den angezogenen Stand der Technik, wie oben dargelegt, nicht naheliegend. Dieser beruht daher ebenso auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ, wie der Gegenstand der wortgleichen Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen IIa und IIb.

8. Unzulässige Erweiterung der abhängigen Ansprüche nach den Hilfsanträgen II und IIa

8.1 Die Kammer wies in ihrem Ladungsbescheid explizit darauf hin, dass auch der Gegenstand der abhängigen Ansprüche den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ unterliege. Dies bedeute, dass sämtliche Kombinationen von Merkmalen der anhängigen Ansprüche mit jenen des unabhängigen Anspruchs, auf den sie jeweils rückbezogen sind, eine klare und eindeutige Grundlage in der ursprünglich eingereichten Fassung der Patentanmeldung aufweisen müssten.

8.2 Die Kammer ist der Auffassung, dass die abhängigen Ansprüche nach den Hilfsanträgen II und IIa dieses Erfordernis nicht erfüllen. So gibt es für die beanspruchte Kombination des die Stellmotoren betreffenden Merkmals aus Anspruch 1 mit der Auswerfereinheit zum Abstreifen der Materialrolle nach Anspruch 15 (Hilfsantrag II) bzw. 5 (Hilfsantrag IIa) keine Offenbarung in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen. Da also zumindest Anspruch 15 nach Hilfsantrag II sowie Anspruch 5 nach Hilfsantrag IIa die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ nicht erfüllen, sind die Hilfsanträge II und IIa im Gegensatz zu Hilfsantrag IIb, der nur den unabhängigen Anspruch 1 umfasst, nicht gewährbar.

9. Anpassung der technischen Aufgabe

In der mündlichen Verhandlung machte die Beschwerdeführerin I geltend, dass die in Absatz [0014] des Streitpatents sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung nach Hilfsantrag IIb genannte Aufgabenstellung nicht im Hinblick auf den nächstkommenden und in Absatz [0009] beider Fassungen bereits gewürdigten Stand der Technik in Form des Dokuments D2 angepasst sei.

Angesichts der Tatsache, dass der von der Beschwerdeführerin I gerügte vermeintliche Mangel bereits in der erteilten Fassung des Streitpatents bestand und dieser keinen der in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe betrifft, sieht die Kammer keine Rechtsgrundlage dafür, den Hilfsantrag IIb aus den von der Beschwerdeführerin I genannten Gründen zurückzuweisen.

Es wird schließlich angemerkt, dass nach Regel 42(1) c) EPÜ eine ausdrückliche Nennung einer technischen Aufgabe nicht erforderlich ist und dass kein Widerspruch zwischen der Beschreibung und dem geänderten einzigen Anspruch gemäß Hilfsantrag IIb besteht.

Daher bleibt festzustellen, dass das Streitpatent in der Fassung nach dem Hilfsantrag IIb den Erfordernissen des EPÜ genügt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- einziger Patentanspruch, eingegangen als Hilfsantrag IIb am 16. Dezember 2011,

- Beschreibung Seiten 2 bis 7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

- Figuren 1 bis 13, wie erteilt

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