European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T164009.20130729 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 Juli 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1640/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03405248.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01N 1/22 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Detektion, Charakterisierung und/oder Elimination von Schwebeteilchen | ||||||||
Name des Anmelders: | Matter Engineering AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentanmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung zurückzuweisen. Die Prüfungsabteilung hatte die Zurückweisung damit begründet, dass der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 43(2)(c) EPÜ nicht genügten, dass der zweite Hilfsantrag die Erfordernisse des Artikels 82 EPÜ nicht erfülle, und dass der dritte Hilfsantrag nicht gewährbar sei, weil der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
II. Mit der Beschwerdebegründung hat die Patentanmelderin als Hauptantrag einen neuen Anspruchssatz eingereicht, der dem bisherigen dritten Hilfsantrag im Wesentlichen entspricht. Insbesondere der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche 1 und 9 dieses Antrags wurde demgegenüber nicht geändert.
III. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag der Beschwerdeführerin lautet wie folgt:
"Verfahren zum Charakterisieren eines Aerosols, wobei das zu charakterisierenden Aerosol flüchtige Schwebeteilchen enthält, und wobei zunächst eine unverfälschte, eine direkte Aussage über schädliche Schwebeteilchen erlaubende Probe mit den folgenden, in beliebiger Reihenfolge auszuführenden Verfahrens-Teilschritten gewonnen wird:
- Aufheizen des zu charakterisierenden Aerosols auf eine Temperatur, bei welcher die flüchtigen Schwebeteilchen verdampfen, auf einer Heizstrecke,
- Verdünnen des zu charakterisierenden Aerosols mit einem Verdünnungsgas in einer der Heizstrecke vor- oder nachgeschalteten Verdünnungseinheit,
und wobei anschliessend eine Messung von gegebenenfalls im vorgängig aufgeheizten und verdünnten Aerosol vorhandenen festen Schwebeteilchen vorgenommen wird."
Und der unabhängige Anspruch 9 gemäß Hauptantrag lautet:
"Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorangehenden Ansprüche, aufweisend eine Gaszuführung, eine Gasableitung, und eine Messeinheit gekennzeichnet durch eine Anordnung zum Eliminieren von flüchtigen Schwebeteilchen, aufweisend Beheizungsmittel zum Beheizen des Aerosols auf eine Temperatur, bei welcher flüchtige Schwebeteilchen verdampfen, eine den Beheizungsmitteln vor- oder nachgeschaltete Verdünnungseinheit (13) zum Verdünnen des Aerosols mit einem Verdünnungsgas, wobei die Messeinheit den Beheizungsmitteln und der Verdünnungseinheit nachgeschaltet und zum Messen von im vorgängig aufgeheizten und verdünnten Aerosol vorhandenen festen Schwebeteilchen ausgebildet ist."
IV. Die folgenden von der Prüfungsabteilung zitierten Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:
D1: WO-A-01/84116
Entscheidungsgründe
1. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Die Neuheit der unabhängigen Ansprüche 1 und 9 wurde von der Prüfungsabteilung nicht in Frage gestellt, und die Kammer hat keinen Anlass, das zu beanstanden.
2. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
2.1 Als nächstliegender Stand der Technik wird das Dokument D1 angesehen. Dieses Dokument wurde bereits von der Prüfungsabteilung als nächstliegender Stand der Technik betrachtet.
2.2 Das Dokument D1 offenbart im Zusammenhang mit den Figuren 3 und 4 eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Messung von Partikeln im Abgas, wobei das Abgas flüchtige Partikel und Feststoffpartikel aufweist. Zur Messung der Feststoffpartikel ist es erforderlich zunächst das Abgas soweit zu erhitzen, dass die flüssigen Partikel verdampfen (siehe Seite 5, 4. Absatz). Zusätzlich wird Verdünnungsluft dazu gemischt. Das Zumischen von Verdünnungsluft über die Mischdüse 14 und das Aufheizen mittels Sondenheizung 3 wird in einer Kammer 15 der Entnahmesonde 2 durchgeführt (siehe Seite 5, letzter Absatz). Das so vorbehandelte Gas wird dann einer Messkammer 5 zugeführt.
2.3 Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem Verfahren aus D1 dadurch, dass die Verdünnungseinheit der Heizstrecke vor- oder nachgeschaltet ist, wohingegen in D1 das Abgas in einer Kammer verdünnt und aufgeheizt wird. Diese Kammer bildet somit Verdünnungseinheit und Heizstrecke. Für dieses Unterscheidungsmerkmal im Anspruch 1 wird in der Anmeldung keine Wirkung angegeben.
In ihrer Beschwerdeschrift führt die Anmelderin dazu aus, dass dieses Merkmal die Wirkung habe, dass die Komponenten "Heizstrecke" und "Verdünnungseinheit" separate Konstruktionseinheiten seien und unabhängig voneinander realisiert werden könnten. Dies habe den Vorteil, dass die Verdünneinheit nicht mitgeheizt werde und der Aufbau flexibler und einfacher werde.
Die Prüfungsabteilung hat in ihrer Entscheidung keine vorteilhafte Wirkung darin erkennen können, dass Verdünnungseinheit und Heizstrecke als getrennte Einheiten ausgeführt werden. Bei direkter Aneinanderreihung von Verdünnungseinheit und Beheizungsmittel sei die Verdünnungseinheit auch den hohen Temperaturen ausgesetzt. Die Trennung der beiden Einheiten habe daher keine technische Wirkung und könne lediglich als Alternative betrachtet werden.
Die Beschwerdekammer folgt der Auffassung der Anmelderin. Die getrennte Ausführung von Verdünnungseinheit und Heizstrecke bewirkt, dass die Einheiten einfacher und der gesamte Aufbau flexibler ist. Jede Einheit kann separat hergestellt werden und kann im Aufbau flexibel angeordnet werden. Inwieweit die getrennte Ausführung der Einheiten die Verdünnungseinheit vor hohen Temperaturen schützt, hängt sicher von dem tatsächlichen Aufbau der Einheiten ab. Bei Trennung der Einheiten befindet sich die Verdünnungseinheit jedoch nicht mehr in der beheizten Kammer selbst, wie dies in der Ausführung nach D1 der Fall ist, und die Anordnung kann entsprechend gewählt werden.
2.4 Dem Fachmann stellt sich somit die Aufgabe, die Anordnung, wie sie aus D1 bekannt ist, flexibler und einfacher zu gestalten. Diese Aufgabe kann als Standardaufgabe für einen Fachmann angesehen werden, und es bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit, sich diese Aufgabe zu stellen.
2.5 Der Fachmann, der versucht, ausgehend von D1 die obige Aufgabe zu lösen, findet dazu im Dokument D1 keine Anregung. Die Prüfungsabteilung hat auch kein weiteres Dokument zitiert, das Alternativen aufzeigt, die flexibler und einfacher erscheinen.
In ihrer Entscheidung hat sich die Prüfungsabteilung dazu wie folgt geäußert: "Die Prüfungsabteilung nimmt zur Kenntnis, daß drei Möglichkeiten für die relative Lage der Verdünnungseinheit und der Heizstrecke vorhanden sind: (i) beide am gleichen Ort; (ii) die Heizstrecke vor der Verdünnungseinheit; (iii) die Heizstrecke nach der Verdünnungseinheit". Die Prüfungsabteilung gibt aber nicht an, woher sie diese Kenntnis - insbesondere bezüglich der Möglichkeiten (ii) und (iii) - herleitet. Sie führt nur aus, dass das Dokument D1 diese Möglichkeiten nicht angebe, jedoch eine Trennung der Einheiten in den vorliegenden unabhängigen Ansprüchen 1 und 9 präzisiert werde (siehe Punkt 5.2 der Entscheidung der Prüfungsabteilung).
Die Beschwerdekammer entnimmt den Ausführungen der Prüfungsabteilung, dass es sich um eine rückschauende Betrachtungsweise handelt. In der Tat ist es nur der Anmeldung zu entnehmen, dass die Heiz- und Verdünnungseinheit auch in zwei Einheiten getrennt werden kann. Erst mit diesem Wissen ist es für einen Fachmann ausgehend von D1 naheliegend, die Möglichkeiten zu erkennen, wie zwei Einheiten gemäß den Optionen (ii) und (iii) angeordnet werden können. Die Lösung der Aufgabe gemäß dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz darf jedoch nicht mit Hilfe von Informationen aus der Anmeldung gefunden werden. Im Dokument D1 wird nur eine Einheit (Kammer 5) offenbart, die beide Funktionen realisiert. Einen weiteren Stand der Technik, der das Trennen der beiden Funktionen nahelegt, oder allgemeines Fachwissen, das das Trennen dieser Funktionen als übliche Praxis belegt, wurden nicht zitiert.
2.6 Die Beschwerdekammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf den zitierten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973 beruht.
2.7 Die entsprechende Vorrichtung gemäß unabhängigem Anspruch 9 beruht aus korrespondierenden Gründen auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3. Weiteres Verfahren
3.1 Es ist zu prüfen, ob die Anmeldeunterlagen insbesondere den Erfordernissen der Regeln 27(1)(b), (c) EPÜ und 29(1) EPÜ 1973 genügen.
3.2 Aus verfahrensökonomischen Gründen entscheidet die Kammer daher, das ihr gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 zustehende Ermessen dahingehend auszuüben, dass sie die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverweist.
4. Der Beschwerdeführer hat hilfsweise mündliche Verhandlung beantragt für den Fall, dass die Beschwerdekammer dem Hauptantrag nicht zustimmen kann oder eine Zurückweisung der Beschwerde erwägt. Da die Kammer die angefochtene Entscheidung aufhebt und die Anmeldung nicht zurückgewiesen wird, braucht eine mündliche Verhandlung nicht anberaumt zu werden (siehe T 924/91).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.