T 1611/09 (Datenaustausch in CTI-Kommunikationssystem/SIEMENS ENTERPRISE) of 25.11.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T161109.20111125
Datum der Entscheidung: 25 November 2011
Aktenzeichen: T 1611/09
Anmeldenummer: 02024603.9
IPC-Klasse: H04M 3/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Übermittlung Call-bezogener Daten in einem CTI-Kommunikationssystem
Name des Anmelders: Siemens Enterprise Communications GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - verneint (alle Anträge)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 02024603.9 aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) des Gegenstands eines unabhängigen Anspruchs 1 zurückgewiesen wurde.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte in der Beschwerde schrift, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Zusammen mit der Beschwerdebegründung wurde am 23. Juli 2009 ein geänderter Anspruch 1 als Grundlage für das weitere Verfahren eingereicht.

III. Die Kammer nahm in einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung zur erfinderischen Tätigkeit vorläufig Stellung und verwies dabei u.a. auf die folgende Druckschrift:

D1: EP 0847178 A2

IV. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin am 25. Oktober 2011 einen geänderten Anspruch 1 jeweils in der Fassung eines Hauptantrags und zweier Hilfsanträge ein.

V. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur Übermittlung von Daten in einem CTI-Kommunikationssystem mit 3rd Party Konfiguration, umfassend a) ein Kommunikationssystem (1) mit mehreren daran angeschlossenen Endgeräten (2a-2c), wobei im Fall einer Verbindung zwischen zwei oder mehr Endgeräten (2a-2c) ein Call (5) von dem Kommunikationssystem (1) generiert wird, der vorgegebene Informationen über die Verbindung enthält und der ständig von dem Kommunikationssystem (1) aktualisiert wird, wobei bei Beendigung der Verbindung zwischen zwei Endgeräten (2a, 2b) der Call (5) gelöscht wird, b) einen mit dem Kommunikationssystem (1) über eine Datenleitung (9) verbundenen Server (4) und mehrere mit dem Server (4) verbundene Clients (3a-3c), die über eine CTI-Schnittstelle (7) mit dem Server (4) kommunizieren, wobei der Call (5) über die Datenleitung (9) an den Server (4) und von dem Server (4) an die Clients (3a-3c) weitergeleitet wird, die den im Call (5) verzeichneten Endgeräten (2a—2c) zugeordnet sind, und die im Call (5) enthaltenen Informationen an allen, dem Call (5) zugeordneten Clients (3a-3c) zur Verfügung stehen, gekennzeichnet durch folgende Schritte: c) Übertragen einer Datei oder von Logging-Daten (10) von einem der Clients (3a-3c) über die bestehende CTI—Schnittstelle (7) zum Server (4) derart, dass neben der bestehenden CTI-Schnittstelle (7) keine andere Schnittstelle geöffnet werden muss; d) Speichern der Datei oder der Logging-Daten (10) in einem vorgegebenen zusätzlichen Speicherbereich, in den die einzufügenden Daten (10) geschrieben werden können, des zugeordneten Calls (5), und e) Auslesen der Daten (10) von einem anderen, dem Call (5) zugeordneten Client (3a—3c) über die CTI-Schnittstelle (7) derart, dass ein zu einem bestehenden Call (5) neu hinzugekommener Teilnehmer bisher geschaltete Verbindungen zwischen den dem bestehenden Call (5) zugeordneten Endgeräten (2a, 2b) auf dem Client (3c) angezeigt erhält, der dem Endgerät (2c) des Teilnehmers zugeordnet ist."

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags enthält die weiteren Merkmale "wobei f) vorgegebene Daten sämtlicher während der Lebensdauer des bestehenden Calls (5) zustande gekommener Verbindungen protokolliert werden, wodurch eine Art Verbindungshistorie entsteht, und g) die Verbindungshistorie Informationen über diejenigen Endgeräte (2a-2c) aufweist, die dem bestehenden Call (5) während seiner Lebensdauer zugeordnet waren."

Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags enthält das weitere Merkmal, wonach "h) einer der Clients (3a-3c), dem ein Call (5) zugeordnet wurde, vorgegebene Informationen in die Verbindungshistorie schreibt."

VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 25. November 2011 statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des am 25. Oktober 2011 eingegangenen Anspruchs 1 und der am 23. Februar 2006 eingegangenen Ansprüche 2 bis 9 (Hauptantrag) oder hilfsweise auf der Grundlage der am 25. Oktober 2011 eingegangenen Ansprüche 1 bis 7 (Hilfsantrag 1) oder der am 25. Oktober 2011 eingegangenen Ansprüche 1 bis 6 (Hilfsantrag 2) zu erteilen.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Der Stand der Technik

1.1 Die Absätze [0002-0017] der veröffentlichten Anmeldung beschreiben ein als zum Stand der Technik gehörendes CTI("Computer Telephony Integration")-Kommunikations system in "3rd party configuration" (d.h. ein Netz von Telekommunikations geräten kommuniziert mit einem Computernetz über einen Server, vgl. Absatz [0003]). Gemäß dieser Beschreibung ist es bekannt, dass beim Aufbau einer Verbindung zwischen Teilnehmern vom Kommunikationsnetz ein "Call" erzeugt wird, in dem die Informationen und Kenndaten einer Kommunikations verbindung zusammengefasst sind (Absätze [0010,0011]). Ein "Call" ist im Rahmen der Anmeldung demnach zu verstehen als "Call record", eine Datenstruktur mit Kenndaten der Verbindung. Der Call wird über einen Server an vorgesehene Clients verteilt, so dass die Kenndaten einer Verbindung an allen dem Call zugeordneten Clients den Teilnehmern einer Verbindung zur Verfügung stehen (Absatz [0013]).

Die Beschwerdeführerin hat erstmals mit dem am 25. Oktober 2011 eingegangenen Schreiben Zweifel geäußert, ob das in den Absätzen [0002-0017] der Anmeldung beschriebene Kommunikationssystem zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ zu rechnen sei oder lediglich das interne, unveröffentlichte Fachwissen der Erfinder wiedergebe. In der mündlichen Verhandlung führte die Beschwerdeführerin weiterhin aus, selbst wenn einzelne Merkmale aus den Absätzen [0002-0017] für sich genommen bekannt sein könnten, so sei zweifelhaft, dass diese Merkmale im Zusammenhang aus dem Stand der Technik bekannt seien.

1.2 Die Kammer erachtet die neu eingebrachten Zweifel der Beschwerdeführerin als nicht glaubwürdig. Die Beschwerdeführerin selbst hat in einem am 12. September 2005 im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Schreiben spezifische Teile der Online-Dokumentation der zum Anmeldezeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen gehörenden TAPI("Telephony Application Programme Interface")-Schnittstelle benannt und dargelegt, dass in diesen Teilen ein Call sowie darin enthaltene Informationen definiert seien.

1.3 Somit gehörte zum Anmeldezeitpunkt die Übermittlung von Daten eines Calls in einem CTI-Kommunikationssystem gemäß den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 zum allgemeinen Fachwissen.

2. Anspruch 1 des Hauptantrags - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

2.1 Gegenüber dem unter Punkt 1.3 genannten allgemeinen Fachwissen unterscheidet sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs.

2.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, ausgehend von dem in der Einleitung der Anmeldung beschriebenen Stand der Technik stelle sich dem Fachmann die in Absatz [0018] genannte technische Aufgabe, den Austausch von Daten zwischen den Clients zu ermöglichen.

Nach Auffassung der Kammer lösen die Merkmale des kennzeichnenden Teils zwei voneinander unabhängige Teilaufgaben. Zum einen ermöglicht das Übertragen einer Datei an den Server, das Speichern im Call und das Auslesen dieser Daten durch einen anderen Client (vgl. Absatz [0034] der Beschreibung) einen Datenaustausch zwischen den Clients und löst die von der Beschwerdeführerin genannte Teilaufgabe. Jedoch dient der zweite Teil des Merkmals (e), wonach "ein zu einem bestehenden Call (5) neu hinzugekommener Teilnehmer bisher geschaltete Verbindungen zwischen den dem bestehende Call (5) zugeordneten Endgeräten (2a, 2b) auf dem Client (3c) angezeigt erhält, der dem Endgerät (2c) des Teilnehmers zugeordnet ist", zur Lösung einer davon verschiedenen Teilaufgabe, nämlich den zu einer Verbindung hinzukommenden Teilnehmer über die Historie der Verbindung zu informieren.

2.3 Bei der Suche nach einer Lösung zu der ersten Teilaufgabe wird der Fachmann durch die Druckschrift D1 angeleitet, bei einem CTI-Kommunikations system in 3rd Party Konfiguration (vgl. Figur 3 von D1) einen Datenaustausch zwischen den Clients (8, 10) einzurichten, indem die auszutauschenden Informationen vom Moderator der Verbindung auf dem Server abgelegt und zu einer gewünschten Zeit an die Teilnehmer verteilt werden (Spalte 13, Zeilen 29-34). Darüber hinaus wird der Fachmann vorsehen, dass die Informationen von den Teilnehmern modifiziert werden und diese Modifikationen ebenfalls über den Server an die anderen Teilnehmer verteilt werden können (Spalte 14, Zeilen 1-27). Für den Fachmann ist implizit, dass die Informationen vom jeweiligen Client zum Server über die in Figur 4 dargestellte Verbindung 32 zwischen dem Server und dem Client übertragen werden (vgl. Spalte 4, Zeilen 15 bis 27). Die Tatsache, dass die Informationen im Rahmen der bestehenden Verbindung an die Clients verteilt werden, impliziert, dass die Daten in einem vorgegebenen Speicherbereich des zugeordneten Calls gespeichert sind. Somit gelangt der Fachmann in naheliegender Weise zu den zusätzlichen Merkmalen (c) und (d) des Anspruchs 1. Was das Auslesen der Daten von einem anderen, dem Call zugeordneten Client betrifft, so ist es im Rahmen normalen fachmännischen Könnens für den Fachmann frei wählbar, ob diese Daten wie in D1 vom Server an die Clients verteilt oder wie in der Anmeldung vom Client gelesen werden. Daher trägt dieses Merkmal nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei.

Zur Lösung der zweiten Teilaufgabe würde es der Fachmann in naheliegender Weise in Erwägung ziehen, sämtliche im Verlauf der Verbindung anfallende Verbindungs kenndaten zu sammeln und dem neu hinzu gekommenen Teilnehmer zur Verfügung zu stellen, so dass dieser über den gesamten Verlauf der Verbindung unterrichtet ist.

2.4 Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

(a) Durch die beanspruchte Erfindung werde der bisher lediglich zum Austausch von aktuellen Kenndaten einer bestehenden Verbindung ausgelegte Call für den Austausch von beliebigen Daten zwischen den Teilnehmern geöffnet. Der Fachmann erhalte aus D1 keinen Hinweis für ein solches Vorgehen.

(b) D1 offenbare für jeden Teilnehmer separate Zugänge zur Sprach- bzw. Datenübertragung. Die zu übertragenden Daten würden bereits vor dem Zustandekommen einer Verbindung auf dem Server gespeichert; damit sei ausgeschlossen, dass für die Datenübertragung zwischen Client und Server die bereits bestehende CTI-Schnitt stelle dienen könne, da diese nur während einer Verbindung geöffnet sei.

(c) Schließlich sei auch nicht aus D1 bekannt, dass das Kommunikationssystem den Call erzeuge. Vielmehr werde in D1 der Call durch den Server 30 (Figur 4) generiert, der jedoch nicht zum Kommunikationssystem gehöre; falls der Server aber als Teil des Kommunikationssystems anzusehen sei, so fehle in D1 das Merkmal, wonach der Call über die Datenleitung an den Server und von diesem an die Clients weitergeleitet werde.

2.5 Die Argumente der Beschwerdeführerin sind aus den folgenden Gründen nicht stichhaltig:

(a) Abgesehen von der bloßen Idee, beliebige Daten zwischen den Teilnehmern mittels Zwischenspeicherung im Call auszutauschen, bietet die Anmeldung keine Stütze, wie der bekannte Call für einen solchen Datenaustausch konkret weiterentwickelt werden soll. Die Idee selbst ist bereits durch D1 nahegelegt (vgl. Punkt 2.3 oben).

(b) Die CTI-Schnittstelle ist in der Anmeldung nicht näher spezifiziert als dass über sie die Clients mit dem Server kommunizieren (Absatz [0008]). Auch in D1 wird der gesamte Datenaustausch zwischen den Clients und dem Server über eine einzige Schnittstelle 32 (Figur 4) abgewickelt. Daher unterscheidet das Merkmal, wonach neben der bestehenden CTI-Schnittstelle keine andere Schnittstelle geöffnet werden muss, die Erfindung nicht von D1.

(c) Die explizite Angabe, wonach das Kommunikations system den Call generiert, bewirkt ebenfalls keine Unterscheidung gegenüber D1: In D1 ist eine strikte Trennung zwischen Server und Kommunikations system nicht gegeben, denn die Steuerung des Kommunika tions systems wird teilweise vom Server 93 (Figur 11) ausgeübt (vgl. Spalte 11, Zeilen 19-23).

2.6 Ausgehend von dem in der Einleitung der Anmeldung beschriebenen Stand der Technik gelangt der Fachmann daher unter Berücksichtigung der Lehre von D1 in naheliegender Weise zu dem Verfahren gemäß Anspruch 1. Das beanspruchte Verfahren beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

3. Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Die Merkmale (f) und (g) in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sowie das weitere Merkmal (h) des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 präzisieren den Inhalt der zu sammelnden Verbindungskenndaten, die dem neu hinzu gekommenen Teilnehmer zur Verfügung gestellt werden. Diese Merkmale tragen zur erfinderischen Tätigkeit nicht weiter bei, da der Fachmann, wie bereits oben unter Punkt 2.3 ausgeführt, es als naheliegend betrachten würde, sämtliche im Verlauf der Verbindung anfallenden Verbindungskenndaten dem neu hinzu gekommenen Teilnehmer zur Verfügung zu stellen. Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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