European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T158109.20110712 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 Juli 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1581/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02008617.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | E05D 15/52 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Treibstangen-Montagesatz, entsprechendes Dreh-Kipp-Fenster oder -Tür und Verfahren zur Montage eines derartigen Montagesatzes | ||||||||
Name des Anmelders: | ROTO FRANK AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SIEGENIA-AUBI KG Aug. Winkhaus GmbH & Co. KG |
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Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - bejaht (nach Änderungen) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das Europäische Patent EP-B-1 260 661 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, wurde am 2. Juli 2009 zur Post gegeben.
Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende I) hat gegen diese Entscheidung, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerde¬gebühr und Vorlage der Beschwerde¬begründung am 21. August 2009 Beschwerde eingereicht.
Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) hat gegen diese Entscheidung, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, am 29. Juli 2009 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 12. November 2009 eingereicht.
II. Am 12. Juli 2011 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerinnen beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 1 260 661.
Die Patentinhaberin beantragt die Beschwerde zurück¬zu¬weisen soweit sie sich gegen die Aufrecht¬erhaltung des Patents auf folgender Grundlage richtet:
Patentansprüche: 1 bis 12 und
Beschreibung: Spalten 1 bis 7 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag
Zeichnungen: Figuren 1 bis 4 wie erteilt.
III. Anspruch 1 gemäß diesem Antrag lautet:
"Treibstangenbeschlag-Montagesatz, insbesondere für einen Dreh-Kipp-Flügel eines Fensters, einer Tür oder dergleichen, enthaltend eine Mehrzahl an Eckumlenkungen, an Getriebe- und Axerstulpelementen (17, 16) und an Verbindungs¬elementen (18), wobei entsprechende Verbindungs¬elemente in Abhängigkeit des jeweils vorliegenden Flügelformats zwischen einer Eckumlenkung (14) und einem zugehörigen Getriebeelement (17) sowie einem zugehörigen Axerstulpelement (16) montierbar sind, wobei das Getriebeelement (17) beidseitig ablängbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Getriebe¬elemente (17) jeweils beidseitig einen Ablängbereich (20) und einen nicht abzulängenden Basis¬bereich (22) und die Axerstulp¬elemente (16) jeweils mindestens einen Ablängbereich (20) und einen nicht abzulängenden Basisbereich (22) aufweisen und die Verbindungselemente (18) derart längen-gestaffelt sind, dass eine Längen¬differenz zwischen zwei unterschiedlich langen Verbindungs¬elementen (18) einem ganzzahligen Vielfachen der Länge des Ablängbereichs (20) der Getriebe- und Axerstulp¬elemente (16, 17) entspricht, dass die Längendifferenz zwischen jeweils zwei staffelungs¬benachbarten Verbindungs¬elementen (18) konstant ist und dass die ablängbaren Getriebeelemente (17) in einer einzigen Baulänge vorliegen."
Der unabhängige Anspruch 8 hat folgenden Wortlaut:
"Dreh-Kipp-Fenster oder Dreh-Kipp-Tür, versehen mit einem Treibstangenbeschlag-Montagesatz gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche."
Der unabhängige Anspruch 9 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Montage des Treibstangenbeschlag-Montage¬satzes gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche mit folgenden Verfahrensschritten:
- Bestimmen einer jeweiligen Formatlänge einer Flügel¬seite eines zu beschlagenden Flügels (12);
- Auswählen mindestens eines geeigneten Verbindungs¬elements (18);
- Bestimmen von gegebenenfalls abzulängenden Längen der Ablängbereiche (20) des Getriebe- oder Axerstul¬pelements (17,16);
- Gegebenenfalls Ablängen des Getriebe- oder Axerstulp¬elements (17,16) um die bestimmten Längen;
- Einbauen der Eckumlenkungen (14), gegebenenfalls des entsprechenden Verbindungselements (18) und des Getriebe- oder Axerstulpelements (17,16) am Flügel (12)."
IV. Für die vorliegende Entscheidung haben folgende Entgegenhaltungen eine Rolle gespielt:
D9-1: "Favorit-312 Schrägfenster", Anschlaganleitung FHde 1017, SIGENIA, Seiten 1-10, 06.99
D9-3: Auszug aus Produktkatalog Beschlagtechnik der Fa. SIEGENIA, Seite 5.4.23, 02.96
D10: DE-A-196 07 366
D19: Roto-Katalog "Die Baubeschlagtechnik" (Ausgabe 1993/1994), Seiten 2.1.26, 2.1.27, 2.3.17, 2.3.21, 2.3.43 und 2.4.1 gekennzeichnet als Anlagen D19-1 bis D19-6.
V. Zur Stützung ihrer Anträge haben die Beschwerde¬führerinnen I und II im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die zusammen mit der Beschwerdebegründung von der Beschwerde-führerin I eingereichte Entgegenhaltung D19 sei in das Verfahren zuzulassen, da sie als Reaktion auf die zuletzt im Einspruchsverfahren eingereichten neuen Anträge der Beschwerdegegnerin vorgelegt wurde. Ferner sei die D19 ein Katalog der Beschwerdegegnerin selbst, so dass diese von deren Inhalt nicht überrascht sein könne.
D9-1 offenbare alle Merkmale des Anspruchs 1 außer den Merkmalen wonach:
- die Verbindungselemente in Abhängigkeit des jeweils vorliegenden Flügelformats zwischen einer Eckumlenkung und einem zugehörigen Getriebeelement montierbar sind (Merkmal 3.1),
- die Verbindungselemente derart längengestaffelt sind, dass eine Längendifferenz zwischen zwei unterschiedlich langen Verbindungselementen einem ganzzahligen Vielfachen der Länge des Ablängbereichs der Getriebeelemente entspricht (Merkmal 6.1),
- die Längendifferenz zwischen jeweils zwei staffelungsbenachbarten Verbindungselementen konstant ist (Merkmal 7), und
- die ablängbaren Getriebeelemente in einer einzigen Baulänge vorliegen (Merkmal 8).
Die D9-3 zeige (siehe Skizzen oben rechts), dass Zwischen¬stücke nicht nur zwischen Axerstulpelementen und Eckelementen sondern auch zwischen Getriebeelementen und Eckelementen eingesetzt werden. Folglich lege sie das Merkmal 3.1 nahe.
D19 (siehe Seite 2.3.43) wie auch D10 (siehe letzter Absatz der Beschreibung) offenbarten Montagesätze, die auf einen Baukastensystem basieren und regten den Fachmann dazu an, das auf der Staffelung der Elemente beruhende Prinzip des Baukastens auch auf die Getriebe¬seite des Montagesatzes gemäß D9-1 anzuwenden. Folglich seien auch die Merkmale 6.1 und 7 nahegelegt.
Ferner zeige D10 einen Montagesatz, bei dem die Getriebe-elemente entsprechend dem Merkmal 8 in einer einzigen Baulänge vorliegen. Für den Fachmann sei es daher auch naheliegend, die diesbezügliche Lehre der D10 auf die Getriebeelemente gemäß D9-1 anzuwenden.
Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat den Ausführungen der Beschwerde-führerinnen widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die D19 solle nicht in das Verfahren zugelassen werden, weil sie nach Ablauf der Einspruchsfrist und folglich verspätet vorgelegt worden sei.
Der Fachmann werde durch die D9-3 nicht dazu angeregt den Montagesatz gemäß D9-1 so zu ändern, dass Zwischen¬stücke auch zwischen Getriebe und Eckelemente eingesetzt werden. D9-1 beträfe nämlich einen Montage¬satz für Schräg¬fenster, während D9-3 nur bei recht¬eckigen Fenstern ein Zwischenelement auf der Getriebe¬seite vorsehe. Folglich habe der Fachmann keinen Anlass, die Lehre der D9-3 auf den Montagesatz gemäß D9 1 zu übertragen, geschweige denn die in D10 und D19 offenbarte Staffelung der Zwischene¬lemente.
D10 beschreibe einen Montagesatz bei dem das Getriebe¬element und die Schere in einer einzigen nicht abläng¬baren Baulänge vorliegen und die Zwischenstücke entsprechend der Größe der Fenster abgelängt werden. Da der Montagesatz gemäß D10 aber auf einem anderen System beruhe als D9-1, habe der Fachmann keinen Anlass aus der D10 das Merkmal isoliert zu entnehmen wonach das Getriebe¬element in einer einzigen Baulänge vorliege und es auf den Montage¬satz gemäß D9-1 anzuwenden.
Folglich sei keines der Merkmale 3.1, 6.1, 7 und 8 nahegelegt und der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. D19 wurde zusammen mit der Beschwerdebegründung und somit zum frühstmöglichen Zeitpunkt des Beschwerde¬verfahrens als Reaktion auf die von der Beschwerde¬gegnerin während des Einspruchsverfahrens vorgelegten neuen Anträge eingereicht. Da die D19 Auszüge eines Katalogs der Beschwerdegegnerin darstellt, konnte diese auch nicht von deren Inhalt überrascht sein. Folglich wird die D19 in das Verfahren zugelassen.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 D9-1 stellt unstrittig den nächstliegenden Stand der Technik dar und offenbart einen:
Treibstangenbeschlag-Montagesatz, insbesondere für einen Dreh-Kipp-Flügel eines Fensters, einer Tür oder dergleichen, enthaltend eine Mehrzahl an Eckumlenkungen (14), an Getriebe- (23) und Axerstulpelementen (Schere 15) und an Verbindungselementen (17) (siehe Abbildung auf Seite 2 und Beschlagliste auf Seite 3), wobei entsprechende Verbindungselemente in Abhängigkeit des jeweils vor-liegenden Flügelformats zwischen einer Eckumlenkung (14) und einem zugehörigen Axerstulpelement (15) montierbar sind, wobei das Getriebeelement (23) beidseitig abläng¬bar ist (siehe erste Zeile des Schritts D der Montage¬anleitung auf Seite 6 in Zusammenhang mit der variablen Einbauhöhe des Griffs, siehe dritte Zeile der Titelseite 1) wobei die Getriebeelemente (23) jeweils beidseitig einen Ablängbereich und einen nicht abzulängenden Basisbereich (der zentrale Bereich mit Getriebe und Verschlusszapfen) und die Axerstulpelemente (15) jeweils mindestens einen Ablängbereich und einen nicht abzulängenden Basisbereich aufweisen (siehe erste Zeile des Schritts D der Montageanleitung Seite 6) und wobei die Verbindungselemente (17) derart längen¬gestaffelt sind, dass eine Längendifferenz zwischen unterschiedlich langen Verbindungselementen einem ganz¬zahligen Vielfachen der Länge des Ablängbereichs der Axerstulpelemente entspricht (siehe Seite 3, Beschlagliste, Schere 15 in der Größe 35 und Zwischenstück 17 in den Größen 230, 460 und 690).
3.2 Von dem Montagesatz gemäß D9-1 ausgehend besteht die durch den Gegenstand des Anspruchs 1 zu lösende Aufgabe darin, einen Montagesatz bereitzustellen, bei dem der Aufwand zur Magazinierung der Beschlagelemente des Montagesatzes reduziert wird.
Zur Lösung dieser Aufgabe umfasst der Montagesatz gemäß Anspruch 1 die Merkmale 3.1, 6.1, 7 und 8.
3.3 Es mag zwar für den Fachmann naheliegend sein unter Berücksichtigung der Lehre der D9-3 und D10, das in D9-1 in Zusammenhang mit dem Axerstulpelement gezeigte Zwischenstück unter Beibehaltung der Staffelung auf die Getriebeseite zu übertragen und ohne dabei erfinderisch tätig zu sein zu einem Montagesatz gemäß D9-1 mit den Merkmalen 3.1, 6.1 und 7 zu gelangen. Der dabei entstehende Montage¬satz würde aber Getriebeelemente verschiedener Längen umfassen (siehe Seite 3, Beschlagliste, Punkt 23) und würde sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 durch das Merkmal 8 unterscheiden.
Die Beschwerdeführerinnen führten aus, dass der Fachmann zur Lösung der gestellten Aufgabe auch die D10 in Betracht ziehen würde, die einen Montagesatz offenbart, bei dem die Getriebeelemente in einer einzigen Baulänge vorliegen.
Diese Entgegenhaltung beschreibt aber einen Montagesatz, bei dem die Anzahl der notwendigen Stücke dadurch reduziert wird, dass nicht ablängbare Getriebe¬elemente und Axerstulpelemente in einer einzigen Baulänge vorliegen und die -auch in einer einzigen Baulänge bereitgestellten- Zwischenstücke entsprechend der Fenstergröße abgelängt werden. Hingegen offenbart D9-1 einen Montage¬satz, bei dem die gewünschte Flügelfalzhöhe dadurch erreicht wird, dass Getriebe unterschiedlicher Länge eingesetzt und entsprechend abgelängt werden (siehe Punkt 23 der Beschlagliste). Da somit der Montagesatz gemäß D10 auf einem konzeptionell grund¬sätzlich anderen Prinzip, als der Montage¬satz gemäß D9 1 beruht, hat der Fachmann keinen Anlass, das Merkmal, wonach die ablängbaren Getriebeelemente in einer einzigen Baulänge vorliegen, isoliert aus der D10 zu entnehmen und in den Montage¬satz gemäß D9-1 einzufügen.
Folglich kann das Vorsehen des Merkmals 8 in einem Montagesatz nach D9-1 nicht als naheliegend angesehen werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Die unabhängigen Ansprüche 8 und 9 beinhalten beide einen ausdrücklichen Rückbezug auf den Anspruch 1, so dass dessen Gegenstand auch ein einschränkendes Merkmal dieser Ansprüche darstellt. Da Anspruch 1, wie oben ausgeführt auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, gilt dies auch für die Ansprüche 8 und 9.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurück-verwiesen mit der Maßgabe, das Patent auf folgender Grundlage aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche: 1 bis 12 und
Beschreibung: Spalten 1 bis 7 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag
Zeichnungen: Figuren 1 bis 4 wie erteilt.