T 1544/09 (GSM-Authentifizierung bei WLAN-Roaming/TOGEWA) of 11.10.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T154409.20111011
Datum der Entscheidung: 11 October 2011
Aktenzeichen: T 1544/09
Anmeldenummer: 02752930.4
IPC-Klasse: H04L 12/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und System für GSM-Authentifizierung bei WLAN-Roaming
Name des Anmelders: Togewa Holding AG
Name des Einsprechenden: Swisscom (Schweiz) AG
DEBAY, Yves
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung und Neuheit - nach Änderungen (ja)
Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 12. Mai 2009, mit der das Europäische Patent EP 1 529 374 auf Grund mangelnder Neuheit (Artikel 54(2), 100a EPÜ) gegenüber der Druckschrift

D1: DE 10043203 A1

widerrufen wurde.

II. Die Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) ging am 24. Juni 2009 ein. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 7. September 2009 eingereicht. Es wurde beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und den Widerruf des Patents rückgängig zu machen.

III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) argumentierte mit Schriftsatz vom 15. Januar 2010, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche nicht ausführbar und auch nicht neu sei. Weiter wurde beantragt, die Akte zur Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zurückzuverweisen, sollte der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche als ausführbar und neu angesehen werden. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2010 reichte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) eine Kopie der zwischenzeitlich ergangenen Widerrufsentscheidung des parallelen Patents EP 1 529 375 B1 zur Unterstützung ihrer Argumentation bezüglich mangelnder Ausführbarkeit der beanspruchten Lehre des Streitpatents ein.

IV. Der Beschwerdegegner (Einsprechender 02) äußerte sich nicht auf die Beschwerdebegründung.

V. Mit einem Bescheid vom 27. Juni 2011 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2011 geladen. In einem Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung brachte die Kammer ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck. Die Kammer gab eine vorläufige Einschätzung zur Offenbarung und zu den in der anberaumten mündlichen Verhandlung diesbezüglich zu diskutierenden Fragen sowie im Hinblick auf die Neuheit gegenüber der D1. Für den Fall, dass die Ausführbarkeit und die Neuheit anerkannt würden, wurde mitgeteilt, dass die Kammer beabsichtige, den Fall dann an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen zwecks Prüfung auf erfinderische Tätigkeit.

VI. Mit einer Eingabe vom 5. September 2011 überreichte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen zum Nachweis des allgemeinen Fachwissens im Hinblick auf die Offenbarung der Erfindung des Streitpatents:

StL1: GSM-Spezifikation 09.02 (Mobile Application Part (MAP) Specification: Release 1996),

StL2 (von der Beschwerdeführerin teilweise auch als StL3 bezeichnet): GSM-Spezifikation 03.01 (network functions: Release 1998),

StL3 (von der Beschwerdeführerin teilweise auch als StL2 bezeichnet): GSM-Spezifikation 02.09 (security aspects: Release 1997),

StL4: GSM-Spezifikation 03.20 (security related network functions: Release 1999; neu ETS 300 534),

StL5: GSM-Spezifikation 04.08 (Release 1998),

StL6: GSM-Spezifikation 05.02 (Release 1996),

StL7: Garg, Vijay K. et al.: "Principles & Applications of GSM" (Prentice Hall Communications Engineering and Emerging Technologies Series, 1997, S. xx und 71-90 und

StL8: Heine, Gunnar: "GSM Networks: Protocols, Terminology, and Implementation" (Artech House Publishers, 1998), S. 153-165 und 228-233.

Darüber hinaus wurden weitere Argumente für eine ausreichende Offenbarung der beanspruchten Lehre des Streitpatents sowie für deren Neuheit gegenüber der D1 vorgebracht.

VII. Mit Schreiben vom 10. September 2011 teilte der Beschwerdegegner (Einsprechender 02) mit, dass er bei der mündlichen Verhandlung nicht vertreten sein werde.

Mit Schreiben vom 14. September 2011 teilte auch die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen beabsichtige. Vielmehr wurde beantragt, eine Entscheidung gemäß Aktenlage zu treffen.

VIII. Am 11. Oktober 2011 fand eine mündliche Verhandlung statt, bei der lediglich die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) vertreten war und in deren Verlauf die Beschwerdeführerin alle bestehenden Anträge durch einen neuen Antrag mit Patentansprüchen 1 bis 10 ersetzte.

IX. Der unabhängige Anspruch 1 dieses Antrags lautet wie folgt:

"1. Verfahren für automatisches Roaming zwischen heterogenen WLANs und/oder GSM/GPRS/UMTS-Netzwerken, bei welchem zur Authentifizierung ein mobiler IP-Node (20) über eine drahtlose Schnittstelle innerhalb einer Basic Service Area eines WLANs bei einem Access Point (21/22) Zugriff auf das WLAN fordert, wobei die Basic Service Area des WLAN einen oder mehrere einem Access Server (23) zugeordnete Access Points (21/22) umfasst, bei welchem der mobile IP-Node (20) auf einen Request des Access Servers (23) eine auf einer SIM-Karte (201) des mobilen IP-Nodes (20) gespeicherte IMSI an den Access Server (23) übermittelt und die IMSI des IP-Nodes (20) in einer Datenbank (31) eines SIM-RADIUS-Moduls (30) gespeichert wird, wobei basierend auf der IMSI mittels von in einer SIM-Benutzerdatenbank (34) abgespeicherten Informationen der logische IP-Datenkanal des WLAN zu entsprechenden GSM-Daten für Signal- und Datenkanäle eines GSM-Netzwerkes benutzerspezifisch ergänzt wird,

und wobei mittels eines SIM-Gateway-Moduls (32) zur

Durchführung der Authentifizierung des IP-Nodes

(20) basierend auf den GSM-Daten die notwendigen

SS7/MAP-Funktionen generiert werden, und wobei das SIM-RADIUS-Modul (30) mittels SIM-Benutzerdatenbank (34) und SIM-Gateway-Moduls (32) die Authentifizierung des mobilen IP-Nodes (20) basierend auf der IMSI der SIM-Karte (201) des mobilen Nodes (20) bei einem HLR (37) eines GSM-Netzwerkes durchführt, und

wobei bei erfolgreicher Authentifizierung ein Location

Update beim HLR (37) durchgeführt wird und der mobile IP-Node (20) in einer Customer Database des Access Servers (23) einen entsprechenden Eintrag erhält, wobei das WLAN zur Benutzung durch den mobilen IP-Node (20) freigegeben wird, dadurch gekennzeichnet, [sic], dadurch gekennzeichnet, dass bei erfolgreicher Authentifizierung zusätzlich zum Location Update beim HLR (37) auch eine Autorisierung des mobilen IP-Nodes (20) durchgeführt wird, wobei beim HLR (37) ein entsprechendes Benutzerprofil basierend auf der IMSI heruntergeladen wird."

Der unabhängige Anspruch 6 dieses Antrags lautet wie folgt:

"6. System für automatisches Roaming zwischen heterogenen WLANs und/oder GSM/GPRS/UMTS-Netzwerken, welches System mindestens ein WLAN mit jeweils einer Basic Service Area umfasst, welche Basic Service Area eines WLANs einen oder mehrere einem Access Server (23) zugeordnete Access Points (21/22) umfasst, welche Access Points (21/22) eine drahtlose Schnittstelle (211) zum Kommunizieren mit mobilen IP-Nodes (20) umfassen und welche mobilen IP-Nodes (20) eine SIM-Karte (201) zum Speichern einer IMSI umfassen, wobei der Access Server (23) ein SIM-RADIUS-Modul (30) mit einer Datenbank (31) zum Speichern der IMSI umfasst, wobei basierend auf der IMSI mittels von in einer SIM-Benutzerdatenbank (34) abgespeicherten Informationen der logische IP-Datenkanal des WLAN zu GSM-Daten für Signal- und Datenkanäle eines GSM-Netzwerkes benutzerspezifisch ergänzt wird, und wobei das System eine [sic] SIM-Gateway-Modul (32) umfasst, mittels welchem zur Durchführung der Authentifizierung des mobilen IP-Nodes (20) basierend auf den GSM-Daten die notwendigen SS7/MAP- Funktionen generierbar sind, und wobei der Access Server (23) eine Customer Database umfasst, in welche authentifizierte Benutzer des WLANS mittels dem SIM-RADIUS-Modul (30) eintragbar sind, wobei bei der Eintragung ein Location Update der IMSI des mobilen IP-Nodes (20) beim HLR (37) durchgeführt wird. [sic] gekennzeichnet durch Mittel zur Durchführung einer Autorisierung des mobilen IP-Nodes (20) mittels eines Benutzerprofils des HLR (37) bei erfolgreicher Authentifizierung zusätzlich zum Location Update."

X. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer als Hilfsantrag 1 eingereichten Patentansprüche 1 bis 10.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) beantragte schriftlich die Zurückweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdegegner (Einsprechender 02) stellte keine Anträge im Beschwerdeverfahren.

XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung wurden wirksam und fristgerecht eingereicht. Die Beschwerdegebühr wurde ebenfalls fristgerecht entrichtet (siehe Sachverhalt und Anträge, Punkt II). Die Beschwerde ist daher zulässig.

2. Angeblicher formeller Mangel der angefochtenen Entscheidung

Mit der Beschwerdebegründung brachte die Beschwerdeführerin den Einwand vor, dass die Entscheidung bzgl. dem unabhängigen Anspruch 1 nicht begründet sei (angeblicher formeller Mangel, vgl. Seite 1 der Beschwerdebegründung). Dieser Einwand ist jedoch unbeachtlich, da der nebengeordnete unabhängige Anspruch 6 in der angefochtenen Entscheidung ausführlich abgehandelt wird und ein Patent zu widerrufen ist, wenn ein einzelner Anspruch nicht patentfähig ist, denn der gesamte Anspruchssatz muss die Vorraussetzungen des EPÜ erfüllen.

3. Ausführbarkeit (Artikel 100b mit Artikel 83 EPÜ)

3.1 Auch wenn die angefochtene Entscheidung nicht auf den Grund der mangelnden Ausführbarkeit gestützt ist, so ist die Frage der Ausführbarkeit dennoch ein Bestandteil der angefochtenen Entscheidung (vgl. Sachverhalte und Anträge, Punkt 21b) und auch in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung diskutiert worden (vgl. Protokoll, Punkt 2). Die Frage der Ausführbarkeit (Artikel 100b mit Artikel 83 EPÜ) als zulässiger eingeführter Einspruchsgrund ist daher auch im vorliegenden Verfahren zu prüfen.

3.2 Die Einspruchsabteilung gelangte zu ihrer Entscheidung, indem sie das hinsichtlich der Offenbarung fragliche Teilmerkmal von Anspruch 1

"wobei basierend auf der IMSI mittels von in einer SIM-Benutzerdatenbank (34) abgespeicherten Informationen der logische IP-Datenkanal des WLAN zu entsprechenden GSM-Daten für Signal- und Datenkanäle eines GSM-Netzwerkes benutzerspezifisch ergänzt wird"

sehr breit auslegte, mit der Schlussfolgerung, dass der Fachmann es daher aufgrund seiner Fachkenntnisse ausführen könne, dieses Teilmerkmal aber andererseits aufgrund seiner breiten Auslegung aus der D1 vorweggenommen sei.

3.3 Hiergegen wandte sich die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) und argumentierte im wesentlichen auf der Grundlage eines Gutachtens zur Rechtsgültigkeit eines parallelen Schweizer Patents (vorgelegt mit Schreiben vom 18.12.2008) gegen die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung des Streitpatents. Im genannten Gutachten wurde insbesondere auf die Ausführungen ab Seite 6 verwiesen. Dem Gutachten sei insbesondere zu entnehmen, dass die GSM Triplets nur vom HLR/VLR angefordert werden können, wenn vom WLAN aus der Signalisierungskanal zum HLR/VLR bereits besteht (vgl. Seite 7, vorletzter Absatz zu Merkmal M6 "vorerst noch gar nicht zugreifbar"). Weder die Beschreibung des Streitpatents (vgl. vor allem Spalte 13, Zeilen 27 bis 32), noch die Argumente der Beschwerdeführerin lieferten nähere Aufschlüsse darüber, wie genau ein SIM-Radius-Modul und ein SIM-Gateway-Modul aufgebaut seien, geschweige denn wie diese funktionierten. Auch bleibe offen, welcher Art die "in einer SIM-Benutzerdatenbank (34) abgespeicherten Informationen" seien, mit deren Hilfe die beanspruchte benutzerspezifische Ergänzung erfolgen solle. Es würden zwar zahlreiche Passagen der Beschreibung zitiert und allgemeine Hintergrund informationen gegeben, jedoch bleibe die Frage unbeantwortet, weshalb der Fachmann aufgrund seines Fachwissens in der Lage gewesen wäre, das fragliche Teilmerkmal zu realisieren. Insbesondere bleibe unklar, was genau unter den "entsprechenden GSM-Daten" gemäß dem oben zitierten Teilmerkmal zu verstehen sei.

3.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen, dass die beanspruchte Ergänzung benutzerspezifisch sei, weil die IMSI selbst immer eine benutzerspezifische Information sei, und diese IMSI mit den notwendigen MAP/SS7-Funktionen für den Übergang in das GSM-Netzwerk durch ein SIM-RADIUS-Modul und ein SIM-Gateway Modul ergänzt würde (siehe hierzu vor allem die Schriftsätze vom 31.10.2007, Punkt E, Seite 5 bis 15 und vom 15. Dezember 2008, Punkt C, Seite 4 bis 17). Alleine aus dem Hinweis auf die Verwendung des SS7/MAP-Protokolls (vgl. Anspruch 1, Spalte 18, Zeilen 3 bis 6) ergebe sich für den Fachmann zwingend, dass auf der Grundlage des Global Title GT auf den HLR zugegriffen werde.

Bei einem Roaming-Abkommen (hier zwischen dem WLAN- und dem GSM-Provider) erfolge grundsätzlich eine Übermittlung der zugrunde liegenden Global Titles GT (hier an den WLAN-Provider). Daher seien die GT der von dem Roaming-Abkommen eingeschlossenen GSM-Teilnehmer WLAN-seitig bekannt. Die Global Titles GT seien für den Fachmann erkennbar die in der SIM-Benutzerdatenbank abgespeicherten benutzerspezifischen Informationen. Anhand der benutzerspezifischen IMSI des Teilnehmers im WLAN erfolge die Zuordnung des jeweiligen GT anhand dessen das SIM-RADIUS-Modul dann WLAN-seitig die entsprechenden VLR-Funktionen zum Zugriff mittels SS7/MAP auf den "entsprechenden" HLR (mit Verweis auf Spalte 15, Zeilen 4 bis 10 des Streitpatents), also den der IMSI und dem Global Title GT zugeordneten HLR vornehme und darüber die Authentifizierung erfolge. Das SIM-Gateway-Modul sei hierbei nichts anderes als eine auf dem Markt erhältliche Standardkomponente zur Umsetzung des WLAN-Protokolls auf das GSM-Protokoll. Demnach sei für den Fachmann anhand der Informationen der Beschreibung des Streitpatents interpretiert im Lichte des allgemeinen Fachwissens ohne weiteres erkennbar, dass der logische IP-Datenkanal auf Seiten des WLAN mittels des in der SIM-Benutzerdatenbank gespeicherten Global Title GT zu GSM-Daten für Signal- und Datenkanäle des GSM-Netzwerks benutzerspezifisch ergänzt werde.

3.5 Die Kammer folgt dieser Argumentation der Beschwerdeführerin (welche zusätzlich durch die eingeführten Literaturstellen StL1 bis StL8 gestützt wird, vgl. z.B. StL1, Seite 41, Abschnitt 4.1.3.3.2 und Seite 43, Abschnitt 4.1.3.7; StL7, Seite 80), dass der Fachmann anhand seines diesbezüglichen allgemeinen Fachwissens der Beschreibung des Streitpatents (vgl. die Absätze [12], [25] und [26] mit Verweisen auf StL1 und StL4, insbesondere Spalte 13, Zeilen 22 bis 52) entnehmen konnte, wie er unter Verwendung des SS7/MAP-Protokolls den paketorientierten IP-Datenstrom mit In-Band-Signalisierung umwandeln muss, um diesen zu entsprechenden verbindungsorientierten GSM-Daten für den separaten bzw. Out-of-Band Signalkanal neben den Datenkanälen eines GSM-Netzwerkes benutzerspezifisch zu ergänzen. Alleine aus der GSM-Spezifikation ergibt sich bereits, wie GSM Triplets vom einer IMSI zugehörigen HLR angefordert werden können.

Die Kammer sieht aus diesen Gründen den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 als vollständig offenbart an.

Der Gegenstand des unabhängigen Systemanspruchs 6 weist korrespondierende Teilmerkmale auf und ist daher hinsichtlich der Ausführbarkeit genauso zu sehen wie der Anspruch 1.

4. Neuheit (Artikel 100a mit Artikel 52(1) und 54(2) EPÜ)

Die Beschwerdeführerin argumentiert unter anderem (vgl. Seite 2, Absatz 5 der Beschwerdebegründung), der Fachmann wisse nicht, wie er die Lehre der D1 "ergänzen" müsse, um ein automatisches Roaming zu erreichen. Hierbei liegt eine ähnlich gelagerte Problematik vor wie bei der Frage der Ausführbarkeit des Streitpatents. Für die Fragen der Auslegung des Standes der Technik und der Offenbarung bzw. Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstands des Streitpatents ist regelmäßig der gleiche Fachmann heranzuziehen, so dass also auch bei der Auslegung der D1 die allgemeinen Fachkenntnisse gemäß StL1 bis StL8 heranzuziehen sind.

4.1 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die D1 kein "SIM-RADIUS-Modul" und kein "SIM-Gateway-Modul" explizit offenbare und der Gegenstand von Anspruch 1 schon deshalb neu sei, überzeugt nicht, da es hier nicht auf die Begriffe, sondern auf die jeweilige Funktion ankommt. Die Offenbarung der jeweiligen Module im Streitpatent ist aber auf die Funktion beschränkt (siehe oben), so dass in der Verwendung der Begriffe "SIM-RADIUS-Modul" und "SIM-Gateway-Modul" kein technischer Unterschied zur Lehre der D1 gesehen werden kann. Wie die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, führt das SIM-RADIUS-Modul mehrere Funktionen eines VLR auf der WLAN Seite aus (vgl. hierzu auch das Schreiben vom 5. September 2011, Seite 11, Fußnote 5).

Auch das zweite Ausführungsbeispiel der D1 (siehe hierzu die Absätze [0067]ff. und die Figuren 4 und 5) offenbart WLAN-seitig einen Access Server (WAS), der VLR-Funktionen eines GSM-Netzes bereitstellt, so dass über das MAP-Protokoll auf den HLR zugegriffen werden kann (vgl. insbesondere D1, Seite 9, Zeile 52ff. "Im Unterschied zu obigem Ausführungsbeispiel stellt hier das lokale Netz W-LAN selbst eine Funktionalität in Form eines Funkzugangs-Unterstützungsservers WAS (Wireless Access Server) bereit, welcher neben der beschriebenen Funktionalität eines Diensteauswahl-Gateways bzw. Diensteauswahl-Servers SSG und weiterer Dienste-unterstützender Funktionen (DNS, HTTP) diejenigen Besucherregister-(VLR)-Funktionen eines zweiten Netzes bereitstellt, die zur Abfrage bzw. dem Empfang von authentisierungs- bez. vergebührungsrelevanten, teilnehmerspezifischen Daten aus dem Heimatregister HLR des zweiten Netzes GSM, UMTS notwendig sind." - Hervorhebungen hinzugefügt). Unabhängig von der Bezeichnung "GSM-VLR" in D1 (vgl. Figur 4) wird der Fachmann aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnisse auch bei der D1 erkennen, dass die Verwendung des MAP-Protokolls (siehe D1, Absatz [0068] und Figur 5) den jeweiligen Global Title GT für einen Zugriff auf den entsprechenden HLR bedingt, und daher der Access Server (WAS) über die entsprechenden VLR-Funktionen verfügen muss.

4.2 Zwar hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung argumentiert, dass gemäß der Lehre der D1 stets über den gleichen MSC (Mobile Switching Center) auf das GSM-Netz zugegriffen werde, während erfindungsgemäß über beliebige MSCs auf den entsprechenden HLR zugegriffen werden könne. Doch selbst wenn ein solcher technischer Unterschied in den Lehren bestehen sollte, so ist dieser zumindest nicht in Anspruch 1 spezifiziert, da dieser aufgrund der Formulierung "des mobiles Nodes (20) bei einem HLR (37) eines GSM-Netzwerks" (siehe Anspruch 1, Spalte 18, Zeilen 10 bis 12 - Hervorhebung hinzugefügt) nicht ausschließt, dass stets über den gleichen MSC (Mobile Switching Center) auf das GSM-Netz zugegriffen wird.

Insoweit erkennt die Kammer keinen neuheitsrelevanten Unterschied in der Funktion des Access Servers mit SIM-RADIUS-Modul nach Anspruch 1 und der Funktion des in der D1 offenbarten Wireless Access Servers WAS.

4.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte ferner, dass die beanspruchte Erfindung alle drei Schritte für ein Roaming beanspruche, d.h. Authentifizierung, Autorisierung und Location Update. Dem entgegen sei bei D1 lediglich ein statisches Netz vorgesehen, das lediglich einen Datentransfer zwischen dem WLAN- und dem GSM-Netzwerk, nicht aber ein Roaming ermögliche.

4.4 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin insoweit zu, dass eine Authentifizierung zum Zweck des Datenaustauschs zwischen einem WLAN und einem zellulären Mobilfunknetz für ein automatisches Roaming notwendig, jedoch nicht hinreichend ist.

Jedoch ist die Kammer der Auffassung, dass auch die D1 das Merkmal eines "automatischen Roaming" offenbart, weil gemäß D1 mit einem Anschluss eines im ersten Netz nicht registrierten Teilnehmers an einem zweiten Netz (vgl. Zusammenfassung, zweiter Absatz) die Funktionalität von "Roaming" verbunden ist. Neben einer Authentisierung (vgl. D1, Absatz [0013]) ist auch eine Autorisierung eines im Datennetz fremden Teilnehmers offenbart (vgl. D1, letzter Satz von Absatz [0021]).

4.5 Jedoch stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin zu, dass die D1 entgegen dem letzten Teilmerkmal von Anspruch 1 kein Location Update für WLAN-Teilnehmer offenbart. Darüber hinaus erfolgt eine Autorisierung in der D1 nicht explizit "mittels eines Benutzerprofils", insbesondere nicht durch ein Herunterladen eines entsprechenden Benutzerprofils.

4.6 Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) hat zu diesem Punkt auf den Absatz [0021] und den Anspruch 18 der D1 verwiesen (vgl. Seite 7, zweiter und dritter Absatz der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung, insbesondere den letzten Satz). Daraus ergäben sich auch diese genannten angeblichen Unterschiede.

4.7 Die Kammer kann diesem Argument der Beschwerdegegnerin nicht folgen. Anspruch 18 von D1 definiert allenfalls eine Autorisierung eines WLAN-Teilnehmers, nicht aber ein Location Update. Absatz [0021] von D1 offenbart die Durchführung eines Location Updates nur für das GSM-Netz. Jedoch wird explizit darauf hingewiesen, dass dies im lokalen Datennetz, d.h. dem LAN bzw. WLAN, nicht erforderlich ist (vgl. D1, Spalte 3, Zeilen 4 bis 8 "Im Gegensatz dazu müssen vergleichbare Funktionen eines Besucherregisters in einem lokalen Datennetz nicht oder nur bedingt verfügbar sein, da die Netzkunden (net client) reine Abrufdienste darstellen…").

4.8 Die Druckschrift D1 offenbart somit nicht die Durchführung eines Location Updates für WLAN-Teilnehmer entsprechend dem letzten Teilmerkmal des Oberbegriffs von Anspruch 1 und darüber hinaus auch nicht, dass beim HLR ein entsprechendes Benutzerprofil basierend auf der IMSI heruntergeladen wird gemäß dem kennzeichnenden Teil von Anspruch 1.

Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher neu gegenüber der Offenbarung von D1.

4.9 Der nebengeordnete Systemanspruch 6 ist zwar vom Schutzbereich breiter als Anspruch 1, weil in Anspruch 6 kein Herunterladen eines Benutzerprofils spezifiziert ist. Dennoch ist der Gegenstand von Anspruch 6 ebenfalls neu gegenüber der Offenbarung von D1, weil Anspruch 6 ebenfalls eine Durchführung eines Location Updates für WLAN-Teilnehmer und eine "Autorisierung des mobilen IP-Nodes (20) mittels eines Benutzerprofils des HLR (37)" spezifiziert (vgl. den kennzeichnenden Teil von Anspruch 6).

Der Gegenstand von Anspruch 6 ist daher neu gegenüber der Offenbarung von D1.

5. Die Kammer hat bereits mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass sie beabsichtige bei Anerkennung der Ausführbarkeit und der Neuheit des Streitpatents, den Fall an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111(1) EPÜ) zwecks Prüfung auf erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1) mit 56 EPÜ). Dies wurde von der Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) auch explizit beantragt (siehe Schreiben vom 15. Januar 2010, Seite 7, letzter Absatz).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen auf der Grundlage der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer als Hilfsantrag 1 eingereichten Patentansprüche 1 bis 10.

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